Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine zulasssungsfreie Revision wegen verspäteter Ladung oder nowendiger Beiladung
Leitsatz (NV)
Ein Verfahrensmangel i.S. v. § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO liegt weder in einer verspäteten, jedoch noch vor der mündlichen Verhandlung dem Beteiligten zur Kenntnis gelangten Ladung noch in einer erst kurz davor erfolgten notwendigen Beiladung.
Normenkette
GG Art.103 Abs. 1; FGO § 60 Abs. 3, § 91 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 2, § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage wegen geänderter Gewinnfeststellung für die Jahre 1978 bis 1980 stattgegeben.
Der Beigeladene und Revisionskläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er macht geltend, er sei nicht nach den Vorschriften des Gesetzes im Verfahren vertreten gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr.3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht statthaft und deshalb unzulässig. Sie ist gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen.
Nach § 115 Abs. 1 FGO i.V.m. Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i.d.F. vom 20. Dezember 1991 (BGBl I S. 2288) findet die Revision gegen ein Urteil des FG nur statt, wenn das FG die Revision zugelassen hat oder sie der Bundesfinanzhof (BFH) auf Beschwerde zuläßt.
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision hat der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.
Allerdings ist eine Revision ohne besondere Zulassung statthaft, wenn die in § 116 FGO aufgeführten Verfahrensmängel gerügt werden. Der Revisionskläger hat zwar einen Verfahrensmangel nach § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO geltend gemacht. Eine zulassungsfreie Verfahrensrevision ist jedoch nur dann statthaft, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ein Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO schlüssig gerügt wird (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; Beschluß des BFH vom 29. Juni 1989 V R 112/88, V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850). Dazu müssen die zur Begründung der Rüge vorgetragenen Tatsachen - als wahr unterstellt - den behaupteten Verfahrensmangel ergeben.
Zur Rüge des in § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO bezeichneten Verfahrensmangels muß sich aus den vorgetragenen Tatsachen ableiten lassen, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren vor dem FG nicht vertreten war, weil das Gericht z.B. bei der Vorbereitung oder Durchführung der mündlichen Verhandlung den Vorschriften nicht genügt und dadurch den Beteiligten die Teilnahme unmöglich gemacht hat (vgl. BFH-Urteile vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, BStBl II 1988, 948; vom 28. November 1990 I R 71/90, BFH/NV 1991, 75).
Diesen Anforderungen entspricht die Revisionsbegründung nicht.
Ein Fall mangelnder Vertretung im Verfahren i.S. von § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO könnte vorliegen, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß geladen, etwa die zweiwöchige Ladungsfrist nicht eingehalten worden wäre (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die unter § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO fallenden Sachverhalte werden jedoch dadurch gekennzeichnet, daß der Beteiligte überhaupt nicht vertreten gewesen ist. Darin liegt ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der wegen seiner Schwere die zulassungsfreie Revision eröffnet. Ein Verfahrensmangel von vergleichbarem Gewicht liegt indessen nicht vor, wenn der Beteiligte zwar nicht unter Einhaltung der zweiwöchigen Ladungsfrist zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden ist, jedoch nachweislich vor dem Termin von dessen Anberaumung Kenntnis erhalten hat (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654). So liegt der Fall hier. Der Revisionskläger hat von der Ladung nach seiner eigenen Einlassung Mitte Oktober 1990 Kenntnis erlangt.
Eine schlüssige Rüge erhebt der Revisionskläger auch nicht insoweit, als er seine erst kurz vor Abschluß des bereits 1983 anhängig gewordenen Klageverfahrens erfolgte Beiladung beanstandet.
Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung stellt zwar einen Verfahrensmangel dar, bildet jedoch keinen Revisionsgrund i.S. von § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO (vgl. BFH-Beschluß vom 5. Juli 1988 IV R 111/87, BFH/NV 1989, 235; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 23. Februar 1977 VII CB 74/75 in Höchstrichterlicher Finanzrechtsprechung - HFR - 1977, 512). Zwar empfiehlt es sich, so früh wie möglich im Verfahren beizuladen, damit die prozessualen Befugnisse des Beigeladenen nicht verkürzt werden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 60 Tz.16; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Anm.34). Der Zeitpunkt ist indessen gesetzlich nicht festgelegt. Insbesondere stellt die kurzfristige Beiladung, von der der Beigeladene - wie hier - vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung Kenntnis erlangt, keinen wesentlichen Mangel i.S. von § 116 Abs. 1 Nr.3 FGO dar.
Soweit der Revisionskläger mit seinen Ausführungen auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt, handelt es sich zwar um einen absoluten Revisionsgrund (vgl. § 119 Nr.3 FGO), indessen zählt der Verfahrensmangel nicht zu den besonders schweren Verfahrensverstößen des § 116 Abs. 1 FGO, dessen Rüge eine zulassungsfreie Revision begründen könnte (vgl. BFH-Beschluß vom 11.April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401).
Fundstellen
Haufe-Index 418548 |
BFH/NV 1993, 250 |