Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung
Leitsatz (NV)
Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Nichtzulassungsbeschwerdefrist ist möglich. Sie setzt voraus, daß dargelegt und glaubhaft gemacht wird, weshalb der Prozeßbevollmächtigte nicht in der Lage war, innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2, § 115 Abs. 3
Tatbestand
Gegen das dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) am 29. November 1991 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) legten die Kläger ohne Begründung mit einem am 13. Dezember 1991 beim FG eingegangenen Schriftsatz Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hatte ihr Prozeßbevollmächtigter in der Beschwerdeschrift um Fristverlängerung ,,infolge Überlastung" gebeten. Auf einen am 15. Januar 1992 beim FG gestellten weiteren Antrag auf Fristverlängerung teilte das FG dem Prozeßbevollmächtigten durch Verfügung vom 16. Januar 1992 mit, daß die Monatsfrist des § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht verlängerbar sei. Darauf begründete der Prozeßbevollmächtigte der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde mit einem beim FG am 21. Januar 1992 eingegangenen Schriftsatz. Auf einen Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats mit einem Schreiben vom 13. Februar 1992 beantragten die Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machten sie geltend, ihr Prozeßbevollmächtigter sei während der Beschwerdefrist durch eine auf die Kriegsgefangenschaft zurückzuführende Bronchitis geschwächt gewesen. Von seinem behandelnden Arzt habe er, so führten die Kläger weiter u.a. aus, nur mit Bedenken die Erlaubnis erhalten, zwei Tage im Büro zu arbeiten, um die Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen. Der Prozeßbevollmächtigte sei Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft mit acht fest angestellten und weiteren freien Mitarbeitern. Diese hätten den Prozeßbevollmächtigten gebeten, zu Hause zu bleiben. Er, der Prozeßbevollmächtigte, habe gemeint, die Beschwerdeschrift erfülle die Voraussetzungen des § 115 Abs. 3 FGO.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hält Zulassungsgründe für nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Die Kläger haben die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des finangerichtlichen Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend begründet. Eine nicht innerhalb der Monatsfrist ordnungsgemäß begründete Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 155 FGO Tz.87).
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1, 2 FGO) wegen Versäumung dieser Frist (§ 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO) liegen nicht vor. Die Kläger müssen sich das Handeln und das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten bei der Versäumung der Frist für die ordnungsgemäße Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; vgl. BFH-Beschluß vom 14. Mai 1987 V B 52/87, BFH/NV 1988, 39). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist schon deswegen nicht zu gewähren, weil sie entgegen § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses beantragt worden ist.
Auf den zutreffenden Hinweis des FG in der Verfügung vom 16. Januar 1992, wonach es sich bei der Monatsfrist des § 115 Abs. 3 FGO um eine nicht verlängerbare Frist handele, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde in dem am 21. Januar 1992 beim FG eingegangenen Schriftsatz (verspätet) begründet, jedoch ohne einen Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich oder dem Sinne nach durch Darlegung von Wiedereinsetzungsgründen zu stellen. Er hat erst in dem am 28. Februar 1992 beim BFH eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung beantragt und dies begründet. Auch Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Wiedereinsetzung kann den Klägern nicht gewährt werden, weil sie nicht dargelegt haben und auch nicht ersichtlich ist, weshalb ihr Prozeßbevolmächtigter nicht innerhalb der Zweiwochenfrist nach Kenntnis von der Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in der Lage war, die Wiedereinsetzung zu beantragen. Da es ihm innerhalb dieser Frist möglich war, die Nichtzulassungsbeschwerde - wenn auch verspätet - zu begründen, hätte er auch die Wiedereinsetzung beantragen und begründen können.
Hinzu kommt, daß die Kläger nicht glaubhaft gemacht haben, daß ihr Prozeßbevollmächtigter ohne Verschulden verhindert war, die Frist zur ordnungsgemäßen Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Ihr Vorbringen ergibt, daß ihr Prozeßbevollmächtigter sich über die Anforderungen an eine fristgerechte ordnungsgemäße Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 FGO) geirrt hat. Dieser Rechtsirrtum ist verschuldet. Der rechtskundige Prozeßbevollmächtigte hätte sich aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils, aus der Fachliteratur oder der Rechtsprechung des BFH die erforderlichen Kenntnisse verschaffen können. Unabhängig davon war der Prozeßbevollmächtigte auch nicht verhindert, trotz seiner Bronchitis die Beschwerde rechtzeitig unter Heranziehung von Mitarbeitern oder von anderen postulationsfähigen Vertretern zu begründen.
Fundstellen