Leitsatz (amtlich)
Wird ein US-Bürger nach dem Recht des Staates Louisiana gesetzlich beerbt, so entsteht die von dem Erben geschuldete Erbschaftsteuer auch dann mit dem Tode des Erblassers, wenn für den in den USA belegenen Nachlaß vom zuständigen Civil District Court ein administrator bestellt worden ist.
Normenkette
ErbStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Im Jahr 1966 starb der in Louisiana ansässige A B (Erblasser I), der Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Nordamerika war. Sein Nachlaß bestand im wesentlichen aus Wertpapieren und Bankguthaben, die sich in den USA befanden. Seine alleinige gesetzliche Erbin war nach dem Recht des Staates Louisiana Frau C D, die im Jahr 1969 in Deutschland gestorben ist (Erblasserin II). Diese hat zu ihrem alleinigen Erben E F eingesetzt, den "Erbteil an dem Nachlaß" des Erblassers I jedoch der Klägerin vermacht.
Administrator des Nachlasses des Erblassers I war ein Rechtsanwalt in Louisiana. Im Jahr 1970 wurde die Klägerin durch den Civil District Court for the Parish of G (Louisiana) als particular legatee der Erblasserin II anerkannt und als solche in den Besitz des gesamten Nachlasses des Erblassers I gesetzt. 100 Zertifikate der United Fruit Company hielt der administrator zur Abdeckung etwa noch entstehender Unkosten und Steuern zurück.
Das beklagte FA nahm an, daß die Erbschaftsteuer für den Erwerb der Erblasserin II mit dem Tode des Erblassers I und die Erbschaftsteuer für den Erwerb der Klägerin mit dem Tode der Erblasserin II entstanden sei und setzte durch zwei Steuerbescheide, die sie beide der Klägerin zustellte, Erbschaftsteuer in Höhe von ... DM (Steuerbescheid I) bzw. ... DM (Steuerbescheid II) vorläufig fest.
Die Klägerin war demgegenüber der Auffassung, daß nur ein Erwerb vorliege, der mit ihrer Besitzeinweisung durch den zuständigen Civil District Court erfolgt sei. Ihre Einsprüche hatten keinen Erfolg. Auch ihre Klage ist erfolglos geblieben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet, soweit sie den Steuerbescheid I betrifft, wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen. Sie ist unbegründet, soweit sie den Steuerbescheid II betrifft.
Der Steuerbescheid I ist aufzuheben, weil er zu Unrecht an die Klägerin gerichtet worden war. Steuerschuldnerin war die Erblasserin II (§ 15 Abs. 1 ErbStG 1959). Mit ihrem Tode ist diese Steuerschuld als Nachlaßverbindlichkeit auf ihren Alleinerben, nicht auf die Klägerin als Vermächtnisnehmerin übergegangen (vgl. § 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB).
Daß die Klägerin für die nach dem Tode der Erblasserin II auf ihren Alleinerben übergegangene Erbschaftsteuer ggf. zivilrechtlich einzustehen hätte (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die §§ 1922, 2185 BGB), ist ohne Bedeutung; ebenso die Frage, ob die Klägerin für die Erbschaftsteuer der Erblasserin II aus irgendeinem Rechtsgrund (z. B. aus § 15 Abs. 5 ErbStG 1959) haftet. Denn das FA hat die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin II, was sie hinsichtlich der von dieser geschuldeten Erbschaftsteuer nicht war, und nicht als Haftende in Anspruch genommen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Senats vom 27. März 1968 II 98/62, BFHE 91, 434, 435 unter 3., BStBl II 1968, 376).
Abgesehen von dieser Frage ist dem FG und dem FA darin zu folgen, daß zwei Vermögensanfälle zu besteuern sind: der Anfall des Vermögens des Erblassers I an die Erblasserin II und der Erwerb der auf den Nachlaß des Erblassers I gerichteten Vermächtnisforderung durch die Klägerin aufgrund des Testamentes der Erblasserin II.
Der Vermögensanfall (§ 24 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959) der Erblasserin II ist gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 im Zeitpunkt des Todes des Erblassers I entstanden. Der Erblasser I war amerikanischer Staatsbürger mit dem Domizil in Louisiana und ist nach den Gesetzen des Staates Louisina beerbt worden (vgl. Art. 25 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -). Wenn auch die Tatbestände des Erbschaftsteuergesetzes an die Rechtsfiguren des deutschen Erbrechts anknüpfen (vgl. vor allem die Bezugnahme auf das BGB in § 2 Abs. 1 ErbStG 1959), so ist doch anerkannt, daß auch Erwerbe von Todes wegen nach ausländischem Recht der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen, wenn die Voraussetzungen des § 8 ErbStG 1959 erfüllt sind (vgl. das Urteil vom 2. Dezember 1930 I e A 395/397/30, RStBl 1931, 122). Sofern die Institutionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Erbrechts entsprechen, ist die Besteuerung danach unproblematisch (vgl. das Urteil vom 12. Mai 1970 II 52/64, BFHE 105, 44, BStBl II 1972, 462). Dieser Fall liegt hier insofern vor, als das Vermögen des Erblassers I mit dessen Tode im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erblasserin II als gesetzliche Erbin (legal heir) übergegangen ist, wie aus Art. 940, 941 des Louisiana Civil Code (LCC) folgt.
Art. 940 LCC bestimmt: "A succession is acquired by the legal heir, who is called by law to the inheritance, immediatley after the death of the deceased person to whom he succeeds".
Art. 941 LCC macht deutlich, daß der Rechtsübergang ohne weiteres Zutun des Erben von Gesetzes wegen stattfindet: "The right mentioned in the preceding article is acquired by the heir by the operation of the law alone, before he has taken any step to put himself in possession, or has expressed any will to accept it...".
Der Supreme Court of Louisiana hat hierzu ausgeführt (zitiert in der Entscheidung vom 4. April 1921, The Southern Reporter Band 88 - 1921 - S. 297, 299, rechte Spalte): "The maxim 'Le mort saisit le vif', is expressly embodied in our Civil Code, and excludes the interposition of any temporary and qualified ownership, such as that of administrators, between the deceased and his heir".
Daraus, daß die Erblasserin II zu ihren Lebzeiten nicht über den Nachlaß verfügen konnte, folgt hinsichtlich der Entstehung der Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers I nichts anderes. Der zuständige District Court hatte zwar, weil die gesetzlichen Erben des Erblassers I nicht feststanden (vgl. hierzu Art. 1097 LCC), einen administrator ernannt. Dessen Aufgabe besteht darin, den Nachlaß unter Aufsicht und Kontrolle des Gerichts so rasch wie möglich abzuwickeln (vgl. Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht, Bd. V, USA, Grundzüge G II, Rdnr. 270, Fußnote 1). Die dadurch für die Erblasserin II als gesetzliche Erbin des Erblassers I eingetretenen Verfügungsbeschränkungen sind in ihren Auswirkungen den Verfügungsbeschränkungen vergleichbar, die im deutschen Erbrecht durch die Anordnung der Nachlaßpflegschaft oder speziell der Nachlaßverwaltung eintreten und die Entstehung der Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers nicht hindern (vgl. das Urteil des RFH vom 2. Dezember 1930 I e A 395/397/30, RStBl 1931, 122). Auch daß nach dem Recht von Louisiana eine besondere gerichtliche Besitzeinweisung des Erben erforderlich ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Diese Besitzeinweisung hat vor allem erbschaftsteuerrechtliche Gründe - vorherige Zahlung der Erbschaftsteuer erforderlich - (vgl. die schon genannte Entscheidung des Supreme Court of Louisiana vom 4. April 1921). Zugleich dokumentiert die gerichtliche Entscheidung über die Besitzeinweisung wie der deutsche Erbschein die im konkreten Falle eingetretene Erbfolge.
Aus allem ergibt sich, daß die Erbschaftsteuer nach dem Erblasser I mit dessen Tod in der Person der Erblasserin II entstanden ist.
Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von seinen Urteilen vom 31. Mai 1961 II 284/58 U (BFHE 73, 120, BStBl III 1961, 312); vom 15. Mai 1964 II 117/61 U (BFHE 79, 481, BStBl III 1964, 408), und vom 12. Mai 1970 II 52/64 (BFHE 105, 44, BStBl II 1972, 462) ab. Alle diese Urteile betrafen andere Rechtsbereiche. Die Urteile II 284/58 U und II 52/64 betrafen Fälle, in denen kraft letztwilliger Verfügung eine Trustverwaltung angeordnet worden war. Das Urteil II 117/61 U betraf einen Fall, in dem kraft letztwilliger Verfügung executors bestellt worden waren. Mögen deren Aufgaben denen eines administrators bei gesetzlicher Erbfolge vergleichbar sein (Ferid-Firsching a. a. O. Rdnr. 271), so hat der Senat seinerzeit bei seiner Entscheidung aber vor allem berücksichtigt, daß keine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war, daß die executors vielmehr Eigentümer (legal owners) des beweglichen Nachlasses geworden waren und daß sie die volle Verfügungsmacht ohne jede wie auch immer geartete Beschränkung erhalten hatten. Dadurch wies jener Fall Besonderheiten auf, die im vorliegenden Fall, in dem Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben eingetreten ist und vom Gericht eine administration angeordnet wurde, nicht vorliegen.
Wenn die Klägerin der Auffassung ist, daß es unbillig sei, die Erbschaftsteuer bereits jeweils mit dem Tode des Erblassers I und der Erblasserin II entstehen zu lassen und nicht erst mit der Besitzeinweisung von 1970, so ist zu bemerken, daß der deutsche Gesetzgeber sich in Kenntnis der Fälle einer Beschränkung der Verfügungsbefugnis des Erben dahin entschieden hat, hinsichtlich der Entstehung der Erbschaftsteuer und der Bewertung des Nachlasses grundsätzlich auf den Todestag des Erblassers abzustellen. Etwaige Vermögensminderungen nach diesem Stichtag führen deshalb (anders als z. B. in den USA, vgl. sec 2032 INTERNAL REVENUE CODE) nicht zu einer Verminderung der Erbschaftsteuer, und zwar auch dann nicht, wenn der Erbe bei der Verwertung des Nachlasses Verluste erleidet, die er nicht verhindern kann. Die Gerichte sind nicht befugt, die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung abzuändern.
Fundstellen
Haufe-Index 72284 |
BStBl II 1977, 425 |
BFHE 1977, 500 |
NJW 1978, 664 |
IPRspr. 1977, 102 |