Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der Amtsermittlungspflicht bei Sammlungsstücken
Leitsatz (NV)
1. Hat das FG einen Umsatzsteuerbescheid des FA, mit dem die Zuweisung von Gegenständen als Sammlungsstücke der TNr. 99.05 und damit die Zuerkennung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes abgelehnt wird, mit der Begründung aufgehoben, das Verwaltungsverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden, so kann darin eine zolltrifliche Entscheidung liegen, die die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 2 FGO ermöglicht. Das gilt jedenfalls dann, wenn das FG seine Entscheidung unter Verkennung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Tarifierung eines Sammlungsstückes getroffen hat und die Entscheidung bei Beachtung dieser Voraussetzungen so nicht ausgefallen wäre.
2. Zur Frage, unter welchen Umständen das FG von einer eigenen Sachverhaltsaufklärung absehen und die Sache an das FA zurückverweisen darf.
3. Der Umfang der Amtstermittlungspflicht des FA hinsichtlich des Vorliegens von Sammlungsstücken bei der Umsatzbesteuerung kann nicht weitergehender sein als der Umfang der Ermittlungspflicht der Zollbehörde, die zuvor mit der Umsatzbesteuerung bei der Einfuhr (EUSt) derselben Gegenstände befaßt war.
Normenkette
GZT T Nr. 99.05; GZT T Nr. 99.06; AO 1977 § 88 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 100 Abs. 2 S. 2, § 116 Abs. 2; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 1; Anlage Nr. 47; Anlage § 21 Abs. 2; ZG § 12 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 2-3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) handelt mit antiken Möbeln, hauptsächlich mit norddeutschen Eichenmöbeln der Zeit des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts. Eine Vielzahl dieser Möbel wurde von der Klägerin, die als Sachverständiger für die betreffenden Möbel ausgewiesen ist, in Dänemark aufgekauft und bei der Einfuhr als dem Regelsteuersatz unterliegende Antiquitäten der Tarifnr.99.06 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) angemeldet.
Die Klägerin verkaufte die Möbel, ggf. nach teilweiser Restaurierung, an private Sammler oder auch an öffentliche Sammlungen weiter, wobei sie ihren Kunden den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 GZT berechnete und durch Stempelabdruck auf der Rechnung auf die dafür maßgeblichen Vorschriften des § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesezzes 1980 (UStG) i.V.m. Nr. 47 der Anlage hierzu hinwies. Auf der Rechnung gab sie daneben Art, Herkunft und Herstellungszeit der Möbelstücke sowie regelmäßig auch vergleichbare Stücke in Museumssammlungen und Beschreibungen in der Fachliteratur an. Als Anlage zu der Rechnung händigte sie dem Käufer in der Regel ein Foto des verkauften Möbelstücks oder eines Gegenstücks sowie ein von ihr gefertigtes Schriftstück aus, das im wesentlichen eine exakte Beschreibung des Möbelstücks, dessen historische Einordnung und einen Schätzwert sowie nochmals Angaben zu Gegenstücken und Literaturnachweisen enthielt.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ... meldete die Klägerin sämtliche Umsätze aus dem Verkauf dieser Möbel mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz an. Aufgrund des Ergebnisses einer Außenprüfung besteuerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sämtliche Umsätze der Klägerin mit dem Regelsteuersatz.
Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage der Klägerin hob das Finanzgericht (FG), ohne in der Sache selbst zu entscheiden, die Einspruchsentscheidung mit der Begründung auf, das FA habe seine Amtsermittlungspflicht gemäß § 88 AO 1977 verletzt, und gab dem FA auf, die erforderliche Aufklärung nachzuholen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG führte im wesentlichen aus, die Klägerin habe mit den ihren Kunden ausgehändigten Unterlagen alle Nachweispflichten, die sich aus den Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 27. Dezember 1983 (BStBl I 1983, 567) und vom 7. Januar 1985 (BStBl I 1985, 51) für Sammlungsstücke ergäben, vollständig erfüllt. Erhöhte Nachweispflichten aufgrund der bei der Einfuhr erfolgten Deklarierung der betreffenden Möbelstücke als nicht steuerbegünstigte Antiquitäten der Tarifnr.99.06 GZT träfen die Klägerin nicht, da diese Deklarierung nur aus Vereinfachungsgründen erfolgt sei, weil bei den Grenzzollämtern kein Sachverständiger anwesend gewesen sei, der eine Einordnung unter die Tarifnr.99.05 hätte vornehmen können.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
a) Die Zulässigkeit der Revision ergibt sich im Gegensatz zur Auffassung des FA nicht aus dem ersten Satz der dem FG-Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung (Gegen dieses Urteil ist die Revision zulässig). Die Entscheidung über die Zulassung muß ausdrücklich erfolgen. Es muß sich aus dem Urteilstenor oder den Urteilsgründen, in Ausnahmefällen auch aus der Rechtsmittelbelehrung, klar ergeben, daß das FG die Revision zugelassen hat. Die bloße Feststellung in der Rechtsmittelbelehrung, den Beteiligten stehe das Rechtsmittel der Revision zu, genügt nicht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 40 mit Nachweisen der Rechtsprechung).
Nach diesem Maßstab kann der in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils gegebene Hinweis für sich allein nicht als (positive) Zulassungsentscheidung des FG gewertet werden; es handelt sich dabei lediglich um die Feststellung, daß nach Auffassung des FG die Revision aus gesetzlichen Gründen zulässig ist (vgl. auch Senatsbeschluß vom 26. Feruar 1991 VII R 41/89, BFHE 164, 5, BStBl II 1991, 526).
b) Die Revision ist jedoch zulassungsfrei nach § 116 Abs. 2 FGO gegeben. Obgleich das FG nicht zur Sache entschieden hat, handelt es sich bei seinem Urteil um ein Urteil in Zolltarifsachen.
Nach der Rechtsprechung des Senats liegt ein ohne Zulassung revisibles Urteil in einer Zolltarifsache vor, wenn das Urteil von einer in ihm getroffenen zolltarifrechtlichen Entscheidung abhängt oder abhängen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die zolltarifliche Frage die einzige oder auch nur die wesentliche Vorfrage war. Die zolltrifrechtliche Frage muß jedoch eine Rolle spielen, was stets dann zutrifft, wenn das Urteil von einer zolltarifrechtlichen Entscheidung in der Weise abhängig ist, daß diese Entscheidung, soll das Urteil im konkreten Revisionsverfahren Bestand haben, nicht fortgedacht werden kann (vgl. BFHE 164, 5 m.w.N.).
Als zolltarifliche Entscheidung in diesem Sinne ist nicht nur die Zuweisung (bzw. die Ablehnung einer solchen Zuweisung) einer Ware oder eines Gegenstandes zu einer bestimmten Zolltarifnummer durch das FG anzusehen, sondern unter Umständen bereits die Aufhebung eines Bescheides mit einer solchen von der Verwaltungsbehörde getroffenen Zuweisung durch das FG mit der Begründung, das Verwaltungsverfahren, das zu diesem Ergebnis geführt habe, sei fehlerhaft durchgeführt worden. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie im Streitfall, das FG die Entscheidung unter Verkennung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Tarifierung eines Sammlungsstücks getroffen hat und die Entscheidung bei Beachtung dieser Voraussetzungen so nicht ausgefallen wäre.
Im Streitfall hängt die Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß Nr. 47 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG davon ab, ob die Möbelstücke als Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 GZT anzusehen sind. Diese zolltarifliche Entscheidung hat das FG zwar weder im positiven noch im negativen Sinne getroffen. Es hat aber im Ergebnis entschieden, daß die insoweit negative Entscheidung des FA aus Gründen keinen Bestand haben könne, die ihre Ursache in Mängeln des im Hinblick auf die Tarifierung durchgeführten Verwaltungsverfahrens hätten. Die Richtigkeit des hierfür als maßgeblich angesehenen Gesichtspunktes, das FA habe seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es im Grunde die Beweisanforderungen, die für die zolltarifliche Einordnung zur Tarifnr.99.05 GZT erfüllt sein müßten, verkannt habe, kann ohne Berücksichtigung der bezeichneten materiellen Tarifvorschrift nicht beurteilt werden. Die Frage, welche Anforderungen an die erforderlichen Nachweise zu stellen sind, ist letztlich unter Zugrundelegung des materiellen Tarifrechts zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluß vom 14. Mai 1986 VII B 25/86, BFHE 146, 312). Dies macht die Sache zu einer Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs. 2 FGO.
Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird auch durch die Bindungswirkung bestätigt, die die Entscheidung des FG in bezug auf die Beurteilung der rechtlichen und ggf. auch der tatsächlichen Anwendungsvoraussetzungen der Tarifnr.99.05 GZT für das FA entfaltete (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Das FA hatte die Anerkennung der Möbelstücke als Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne vornehmlich mit der Begründung abgelehnt, das von ihm eingeholte Gutachten der zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) habe ergeben, daß die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen lediglich die in Rede stehenden Möbelstücke beschrieben, aber keine konkreten Ausführungen darüber enthielten, aufgrund welcher Merkmale die einzelnen Exemplare über die ggf. vorhandene relative Seltenheit und ihren Wert hinaus als Sammlungsstücke von geschichtlichem oder kulturgeschichtlichem Wert einen charakteristischen Entwicklungsschritt oder -abschnitt der menschlichen Errungenschaften auf diesen Gebieten (hier: der norddeutschen Möbelherstellung) veranschaulichten. Nach dem Urteil des FG hätte nunmehr das FA im weiteren Verwaltungsverfahren diese Voraussetzungen für die zolltarifliche Einreihung als Sammlungsstück für jedes einzelne Möbelstück zu untersuchen. Dies stände jedoch mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Darlegungserfordernissen im Hinblick auf Sammlungsstücke nicht in Einklang.
Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (Urteile vom 10. Oktober 1985 Rs. 200/84, EuGHE 1985, 3377 - Oldtimer -, und Rs. 252/84, EuGHE 1985, 3388 - Pistolen -), der sich der erkennende Senat in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen hat (vgl. z.B. Urteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90 - Oldtimer -), sind Angaben zur Begründung des charakteristischen Entwicklungsschritts oder -abschnitts für die Tarifierung als Sammlungsstück erforderlich. Dabei hat der Steuerpflichtige, bezogen auf das jeweilige Sammlungsstück, darzulegen, welche charakteristischen Entwicklungen insoweit überhaupt in Betracht kommen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. April 1990 VII R 56/88, BFH/NV 1990, 744).
Der Senat setzt sich mit der Beurteilung des Streitfalls als Zolltarifsache nicht in Widerspruch zu seinem Beschluß vom 22. Dezember 1969 VII R 29/68 (BFHE 98, 15, BStBl II 1970, 253), in dem er eine wegen des Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist vom FG in einer Zolltarifsache verweigerte Sachentscheidung nicht als Urteil in einer Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs. 2 FGO angesehen hat. Dort bestand ersichtlich kein Zusammenhang zwischen der rein verfahrensrechtlichen Entscheidung (Verfristung des Rechtsbehelfs) und der materiellen zolltariflichen Frage, die durch die Klage zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden sollte. Kein Widerspruch besteht auch zu dem Senatsbeschluß vom 16. Dezember 1969 VII R 59/69 (BFHE 98, 15, BStBl II 1970, 252), wonach eine im Aussetzungsverfahren getroffene Tarifierungsentscheidung das FG-Urteil nicht zu einer Erkenntnis in Zolltarifsachen macht. Entscheidend war dabei, daß im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nicht endgültig über die Tarifierungsfrage entschieden, also keine Bindungswirkung für das Hauptsacheverfahren erzeugt wird. Im Streitfall würde aber die vom FG getroffene zolltarifliche Entscheidung bei Fortbestand das FA, wie vorstehend ausgeführt wurde, binden.
2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Feststellungen der Vorinstanz tragen nicht das Ergebnis, das FA habe seine Amtsermittlungspflicht nach § 88 AO 1977 verletzt. Infolgedessen durfte sich das FG nicht auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO beschränken, sondern hätte in der Sache entscheiden müssen.
a) Die Rüge des FA, das FG habe die Vorschrift des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO verletzt, ist begründet. Das FG hat als Tatsachengericht gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Das Begehren des Steuerpflichtigen auf Rechtsschutz gegen eine Entscheidung des FA geht in besonderer Weise gerade dahin, daß der Sachverhalt durch das Gericht aufgeklärt wird. Dem ist das FG nicht gerecht geworden. Es hat sich vielmehr der ihm obliegenden Sachverhaltsermittlung dadurch entzogen, daß es die Sache an das FA zurückverwiesen hat.
Von einer eigenen Sachentscheidung absehen darf das FG nur unter den engen Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, also nur dann, wenn es wesentliche Verfahrensmängel des FA feststellt und eine weitere, einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit erforderliche Sachaufklärung für nötig hält (BFH-Urteile vom 18. Dezember 1979 VIII R 27/77, BFHE 130, 7, BStBl II 1980, 330; vom 15. September 1988 IV R 134/86, BFH/NV 1990, 10).Ob das FG diese Voraussetzungen zu Recht bejaht hat, ist eine von der Revisionsinstanz nachprüfbare Rechtsentscheidung (BFH/NV 1990, 10; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Oktober 1989 I R 107/85, BFH/NV 1990, 646).
b) Die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Entscheidung setzt zunächst voraus, daß das FG wesentliche Mängel des Verwaltungsverfahrens feststellt. Grundsätzlich kann die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung durch das FA (§ 88 AO 1977) einen solchen Verfahrensmangel darstellen (BFHE 130, 7). Ob dem FA ein Verfahrensmangel unterlaufen ist, ist nach der materiellen Rechtsauffassung zu beurteilen, die das FA seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (BFH/NV 1990, 646). Es ist also zu prüfen, ob das FA von seinem Standpunkt aus eine weitere Sachaufklärung hätte betreiben müssen (BFH-Urteile vom 29. Mai 1984 VIII R 177/78, BFHE 141, 272, 276, BStBl II 1984, 661, 663; vom 12. Juni 1986 VII R 135/80, BFH/NV 1988, 76, 79). Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Umfang der Sachaufklärungspflicht nicht abstrakt vorgegeben ist, sondern sich stets nach den Umständen des konkreten Einzelfalls richtet (§ 88 Abs. 1 Satz 3 AO 1977).
c) Im Streitfall war das FA bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung nicht zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung verpflichtet.
aa) Mit Recht ist das FA von einer nach den Umständen erhöhten Darlegungs- und Nachweispflicht der Klägerin, daß es sich bei den Möbelstücken um Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne handele, ausgegangen. Diese gesteigerte Pflicht, der als Kehrseite eine eingeschränkte Ermittlungspflicht des FA entspricht, beruht auf dem der Klägerin zurechenbaren Vorverhalten, daß die Möbelstücke bei ihrer ursprünglichen Einfuhr aus Dänemark als Antiquitäten der Tarifnr.99.06 GZT angemeldet worden waren. Dabei handelte es sich jeweils um Steuer- und Zollanmeldungen gemäß § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Zollgesetzes (ZG), wobei die Angaben zur Beschaffenheit der Waren (Antiquitäten) eine eindeutige Tarifierung ermöglichten. Wird die Anmeldung, wie in der Regel, nicht im Wege einer Zollbeschau überprüft, wird nach § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 2 ZG vermutet, daß u.a. die Beschaffenheit der eingeführten Ware der in diesem Zeitpunkt vorliegenden Anmeldung entspricht. Der Zollbeteiligte wird also beim Wort genommen. Er kann zwar die gesetzliche Vermutung durch den Beweis des Gegenteils widerlegen, der erst dann als erbracht gilt, wenn jede Möglichkeit des gesetzlichen Schlusses wegfällt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 1986 VII R 170/82, BFHE 148, 388, 394). Doch ist die Ermittlungspflicht der Zollbehörde nach § 88 Abs. 1 AO 1977 auf die Beweiserhebung durch diejenigen Beweismittel beschränkt, die der Zollbeteiligte zur Widerlegung der Vermutung anbietet (§ 17 Abs. 3 ZG). Eigenständige Beweiserhebungen braucht die Zollstelle nicht durchzuführen.
bb) Die aufgezeigte Einschränkung der Ermittlungspflicht nach § 88 Abs. 1 AO 1977 betrifft zunächst das mit der Einfuhr befaßte Hauptzollamt (HZA), welches zur Einfuhrumsatzsteuer veranlagt (§ 21 Abs. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 3 ZG). Der Senat braucht im Streitfall nicht abschließend zu entscheiden, ob sich diese eingeschränkte Ermittlungspflicht auch auf das FA erstreckt, das im Anschluß an die Einfuhr getätigte Inlandsumsätze dieser Ware zu besteuern hat, denn jedenfalls ist der Gesichtspunkt des Vorverhaltens des Steuerpflichtigen im Rahmen der Bestimmung des Umfangs der Ermittlungspflicht des FA nach den Umständen des konkreten Einzelfalles (§ 88 Abs. 1 Satz 3 AO 1977) in gleicher Weise zu berücksichtigen. Wäre es anders, so hätte es der zum vollen Vorsteuerabzug Berechtigte in der Hand, die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der zur Beurteilung einer eingeführten Ware als Sammlungsstück berufenen Zollverwaltung durch eine unrichtige Anmeldung zu unterlaufen und die eigentlich von der Zollverwaltung zu treffende Entscheidung, wie im Streitfall, auf die Finanzverwaltungen der Länder abzuschieben. Um ein solches Ergebnis zu vermeiden, darf der Umfang der Ermittlungspflicht des FA kein weitergehender sein als der Umfang der Ermittlungspflicht der bei der Einfuhr mit der Sache befaßten Zollbehörde.
Der vom FG vertretenen gegenteiligen Ansicht, die darauf hinausläuft, daß das Verhalten der Klägerin bei der Einfuhr keine Auswirkungen auf den Umfang der Ermittlungspflicht des FA bei nachfolgenden Inlandsumsätzen derselben Ware hätte, kann nicht gefolgt werden. Die Auffassung des FG, die Deklarierung der Waren als Antiquitäten sei aus Vereinfachungsgründen erfolgt, weil bei den Grenzzollämtern kein Sachverständiger anwesend gewesen sei, der eine Tarifierung nach Tarifnr. 99.05 hätte vornehmen können, verkennt den Charakter der Zollanmeldung als Steuererklärung, die eine solche Vereinfachung nicht zuläßt, und brauchte vom FA daher auch nicht ausdrücklich bestritten zu werden. Außerdem geht sie an den Realitäten vorbei. An den Grenzzollämtern ist regelmäßig kein Sachverständiger für Möbel als Sammlungsstücke anwesend. Das ist auch nicht notwendig, da die Steuerbescheide bei Anmeldung der Waren als Sammlungsstücke der Tarifnr.99.05 im Zweifelsfall wegen der Tarifierung hätten vorläufig erteilt werden können, wodurch das vom Gesetz bei der Einfuhr von Waren vorgesehene Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Tarifierung durch die zuständigen Stellen der Zollverwaltung hätte in Gang gesetzt werden können.
cc) Im Streitfall war das FA nach alldem berechtigt, seine Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob eine Tarifierung der Möbelstücke als Sammlungsstücke in Betracht kommt, auf die von der Klägerin vorgebrachten Beweisunterlagen zu beschränken. Daß ihm dabei ein wesentlicher Verfahrensfehler i.S. des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO unterlaufen sein soll, wie das FG meint, ist für den Senat nicht ersichtlich.
Nicht zu beanstanden ist zunächst die Beurteilung der vorgelegten Expertisen als Eigengutachten, mit der Folge, daß das FA ihnen als Beweismittel mit Recht nicht die gleiche Aussagekraft beigemessen hat wie Expertisen unabhängiger Sachverständiger.
Der eigentliche Grund aber für die Nichtanerkennung der vorgelegten Expertisen als ausreichende Beweismittel ist dem vom FA in seiner Einspruchsentscheidung in Bezug genommenen zolltariflichen Gutachten der ZPLA zu entnehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die Verweigerung einer Sachentscheidung durch das FG nicht schon deshalb ermessensfehlerhaft ist, weil das FA gerade durch die Einholung dieser gutachtlichen Äußerung bereits eigene Ermittlungen zu der streitigen Besteuerungsgrundlage angestellt hat (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 1983 IV R 109/83, BFHE 140, 132, 136, BStBl II 1984, 342; BFH/NV 1990, 646). Gestützt auf dieses Gutachten hat das FA die Anerkennung der Möbelstücke als Sammlungsstücke u.a. deswegen abgelehnt, weil die Klägerin ihrer Darlegungspflicht bezüglich des charakteristischen Entwicklungsschritts oder -abschnitts hinsichtlich jedes einzelnen Möbelstücks nicht nachgekommen sei. Diese Auffassung entspricht, wie der Senat im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ausgeführt hat, der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
d) Da die Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO bereits wegen Fehlens eines wesentlichen Verfahrensmangels nicht gerechtfertigt ist, bedarf die Frage, ob das FG mit Recht eine weitere, einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit erfordernde Aufklärung für nötig hielt und ob es dies ausreichend begründet hat, keiner Entscheidung. Da das Urteil der Vorinstanz aufzuheben ist, kann auch dahinstehen, ob das FG befugt war, lediglich die Einspruchsentscheidung, nicht aber zugleich auch die zugrunde liegenden Verwaltungsakte aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat darüber zu entscheiden und folglich Feststellungen drüber zu treffen, ob die Klägerin ausreichend dargelegt hat, ob die verkauften Möbelstücke charakteristische Schritte in der Entwicklung menschlicher Errungenschaften auf dem Gebiet der norddeutschen Möbelherstellung dokumentieren oder Abschnitte dieser Entwicklung veranschaulichen. Dabei wird das FG zu berücksichtigen haben, daß nicht jede Neu- oder Weiterentwicklung der norddeutschen Möbelherstellung notwendigerweise einen solchen charakteristischen Schritt darstellt, das Möbelstück vielmehr exemplarische Bedeutung haben muß, wobei die Vergleichbarkeit mit Museumsexponaten und die bloße Eignung, in eine solche Sammlung aufgenommen zu werden, nicht ausreichen. Erforderlich ist die besondere Eignung zur Darstellung einstiger Sitten und Gebräuche (vgl. BFH-Urteil vom 8. Januar 1991 VII R 16-19/89, BFH/NV 1991, 850, m.w.N.).
Fundstellen