Entscheidungsstichwort (Thema)
„Eigenes Haus“ i.S. des § 10e EStG; grundsätzlich kein wirtschaftliches Eigentum des dinglich Wohnberechtigten
Leitsatz (NV)
- Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG setzt bürgerlich-rechtliches oder wirtschaftliches Eigentum an der selbstgenutzten Wohnung voraus. Dies gilt auch für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte bei mehreren Berechtigten (§ 10e Abs. 7 EStG).
- Der dinglich Wohnberechtigte hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut.
- Der dinglich Wohnberechtigte ist jedenfalls dann kein wirtschaftlicher Miteigentümer des von ihm finanzierten Anbaus an ein Einfamilienhaus, wenn das Recht nicht für die gewöhnliche Nutzungsdauer, sondern auf seine Lebenszeit und damit auf eine unbestimmte Zeit bestellt ist (Anschluss an Senatsurteil vom 1. Oktober 1997 X R 91/94, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203).
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, 6-7; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Münster (EFG 1999, 653) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebten im Streitjahr 1992 miteinander in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Sie sind seit dem Jahre 1995 miteinander verheiratet.
Die Klägerin hatte im Jahre 1991 von ihrer Großmutter im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich das mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück A-Straße … in B als Alleineigentümerin erworben. Im Jahre 1992 bestellte sie zugunsten des damals 28 Jahre alten Klägers auf dessen Lebenszeit als beschränkt persönliche Dienstbarkeit ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht an dem Gebäude mit Umgang in Hof und Garten. In den Jahren 1992 und 1993 erweiterte die Klägerin das Gebäude "durch Umbau und die Errichtung eines Anbaus" (im Folgenden: Anbau). Der Kläger setzte finanzielle Mittel aus zwei Bausparverträgen sowie persönliche Arbeitsleistung ein. Nach Fertigstellung des Anbaus bezogen die Kläger das Gebäude und bewohnen es seither (ab 1995 als Eheleute) gemeinsam.
Die Kläger gaben für das Streitjahr 1992 eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Grundstück ab, wobei sie Aufwendungen in Höhe von insgesamt 6 379 DM als Vorkosten (§ 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) steuermindernd geltend machten und ihre Beteiligung an den diesbezüglichen Aufwendungen mit je 50 v.H. angaben. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Aufwendungen:
1. Dem Kläger belastete Schuldzinsen für Zwischenkredite in Höhe von insgesamt 3 719,56 DM,
2. von der Klägerin gezahlte Jahresprämie für die laufende Wohngebäudeversicherung des Hauses (441,40 DM),
3. von der Klägerin gezahlte Grundbesitzabgaben für das Grundstück (985,16 DM),
4. von der Klägerin gezahlte Entgelte für Wasserverbrauch (741,24 DM),
5. von der Klägerin im Jahre 1993 gezahltes Entgelt für den Stromverbrauch im Streit- und Folgejahr (313,21 DM),
6. von der Klägerin gezahlte Gebühren für die Baugenehmigung und die Rohbauabnahme (177,50 DM).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte die beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung mit der Begründung ab, dass keiner der Feststellungsbeteiligten die Voraussetzungen des § 10e EStG erfülle. Der Kläger sei weder bürgerlich-rechtlicher noch wirtschaftlicher (Mit-)Eigentümer des Anbaus. Die Klägerin habe die Herstellungskosten des Anbaus nicht getragen; die Darlehensverträge seien nur vom Kläger geschlossen worden. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 10e Abs. 7 Satz 1 EStG lägen nicht vor, weil bürgerlich-rechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin des Gebäudes die Klägerin sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei allen von den Klägern geltend gemachten Kosten um Vorkosten handele. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 653.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragen, zum Teil sinngemäß,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung und des negativen Feststellungsbescheids vom 14. März 1994 das FA zu verpflichten, einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 6 EStG von 6 379 DM für den Veranlagungszeitraum 1992 einheitlich und gesondert festzustellen und ihnen je zur Hälfte zuzurechnen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung nicht vorliegen.
1. Sind mehrere Steuerpflichtige "Eigentümer" einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, so können u.a. die Aufwendungen nach § 10e Abs. 6 EStG einheitlich und gesondert festgestellt werden (§ 10e Abs. 7 EStG). Dies gilt auch für Vorkosten bei Ausbauten und Erweiterungen an einer im Inland belegenen, zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung (§ 10e Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 Satz 3 ―jetzt Satz 4― EStG). Die Verweisung auf § 10e Abs. 1 EStG, insbesondere auf das dort normierte Tatbestandsmerkmal der Wohnung im eigenen Haus oder eigenen Eigentumswohnung, besagt, dass es sich um eine Wohnung handeln muss, die zivilrechtlich im Eigentum des Steuerpflichtigen steht oder ihm aufgrund von § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) als wirtschaftlichem Eigentümer steuerrechtlich zuzurechnen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944; vom 11. März 1992 X R 113/89, BFHE 167, 396, BStBl II 1992, 886; vom 20. September 1995 X R 94/92, BFHE 178, 429, BStBl II 1996, 186). Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG setzt mithin ―insoweit wie die Inanspruchnahme der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG― zumindest wirtschaftliches Eigentum an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung voraus.
2. Dem FG ist darin zu folgen, dass der Kläger im Streitjahr nicht ―neben der bürgerlich-rechtlichen Eigentümerin― wirtschaftlicher (Mit-)Eigentümer des Anbaus war und dass deswegen die beantragte gesonderte und einheitliche Feststellung nicht getroffen werden kann.
a) Errichtet jemand ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Haus auf einem fremden Grundstück, wird im Regelfall der Grundstückseigentümer durch die Verbindung des Gebäudes mit dem Grund und Boden zivilrechtlicher Eigentümer des Gebäudes (§§ 93, 94, 946 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―), es sei denn, das Gebäude wird nur zu einem vorübergehenden Zweck oder aufgrund eines dinglichen Rechts errichtet und damit sog. Scheinbestandteil des Grundstücks (§ 95 BGB). Ebenso ist die Rechtslage beim Anbau an ein Gebäude, das bürgerlich-rechtlich einem anderen gehört. Die Voraussetzungen des § 95 BGB liegen im Streitfall nicht vor (vgl. Senatsurteil vom 28. Juli 1999 X R 116/96, BFH/NV 2000, 182, unter II. 3. b).
b) Abweichend vom Zivilrecht kann der Steuerpflichtige wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ―hier des Anbaus― sein. Wirtschaftliches Eigentum ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Umstände ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaftsgewalt über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausüben kann, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer ausschließen kann, so dass der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (z.B. BFH-Urteile vom 12. September 1991 III R 233/90, BFHE 166, 49, BStBl II 1992, 182, m.w.N.; in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944; vom 1. Juni 1994 X R 40/91, BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752; vom 28. Juli 1993 I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164, jeweils m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 92/92, BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97). Im Rahmen des § 10e EStG gilt der zu § 39 AO 1977 von der Rechtsprechung entwickelte Begriff des wirtschaftlichen Eigentums uneingeschränkt (Senatsurteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944).
c) Der schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigte ―auch der Berechtigte einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit― hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Für den Nießbraucher, der aufgrund eines dinglichen Rechts zum Besitz die Sache nutzen darf, zur Erhaltung der überlassenen Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand verpflichtet ist, die öffentlichen und privaten Lasten des Grundstücks zu tragen hat, aber die Sache weder auf eigene Rechnung veräußern noch belasten darf (vgl. §§ 1030 ff., 1036, 1041, 1047 BGB), hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Nutzungsrecht seinem Inhalt nach eher dem Recht des ―obligatorisch nutzungsberechtigten― Mieters vergleichbar ist als dem Vollrecht des Eigentümers (grundlegend BFH-Urteil vom 27. Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332). Wirtschaftliches Eigentum des Nießbrauchers ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann anzunehmen, wenn er gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück ausübt. Dafür genügt nicht, dass der Nießbraucher die mit der Grundstücksnutzung zusammenhängenden Lasten zu tragen hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454; vom 7. Dezember 1982 VIII R 153/81, BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627; vom 22. Januar 1985 IX R 4/79, BFH/NV 1986, 149) oder von den gesetzlichen Beschränkungen des Nießbrauchs befreit ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. August 1983 VIII R 15/80, BFHE 139, 79, BStBl II 1983, 736). Das eigentumsähnlich gestaltete (veräußerliche und vererbliche) Dauerwohnrecht (i.S. von § 31 des Wohnungseigentumsgesetzes ―WEG―) hat der BFH bisher nur dann als oder wie wirtschaftliches Wohnungseigentum beurteilt, wenn es zeitlich unbestimmt oder auf besonders lange Zeit bestellt wird und der Dauerwohnberechtigte sowohl die Finanzierung von Grundstückserwerb und Gebäudeerrichtung als auch die Verzinsung und Tilgung des Fremdkapitals sowie die laufenden Betriebskosten übernimmt (BFH-Urteil vom 22. Oktober 1985 IX R 48/82, BFHE 145, 161, BStBl II 1986, 258).
d) Es kann dahingestellt bleiben, ob über die letztgenannten Voraussetzungen hinaus wirtschaftliches Eigentum des Nutzungsberechtigten anerkannt werden kann. Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 liegen im Streitfall bereits deswegen nicht vor, weil die Klägerin als bürgerlich-rechtliche Eigentümerin nicht "für die gewöhnliche Nutzungsdauer" des Gebäudes von der Einwirkung auf Eigentum ausgeschlossen ist. Das Wohnungsrecht des Klägers ist nicht für die "gewöhnliche Nutzungsdauer" des Gebäudes, sondern auf dessen Lebenszeit bestellt. Dies führt auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt zur Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 dazu, dass bei Berücksichtigung der durchschnittlichen Lebenserwartung des Klägers am Ende des Nutzungsverhältnisses der Anbau an das Gebäude, wie die Kläger geltend machen, wirtschaftlich verbraucht wäre. Zwar kann die Dauer eines Nutzungsverhältnisses bei der Gesamtwürdigung aller Umstände von Bedeutung sein, wenn die vereinbarte Nutzungsdauer von vornherein so angelegt ist, dass das Wirtschaftsgut bei deren Ende bei normalem Verlauf der Dinge verbraucht ist (vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264; vom 30. Mai 1984 I R 146/81, BFHE 141, 509, BStBl II 1984, 825). Mit Fallgestaltungen, bei denen die vereinbarte Mietzeit nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes bemessen ist, ist die Einräumung eines Nutzungsrechts für unbestimmte Zeit, bei der allenfalls zufällig tatsächliche Nutzungsdauer und wirtschaftlicher Verbrauch des Wirtschaftsgutes zusammenfallen können, rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar (Senatsurteil vom 1. Oktober 1997 X R 91/94, BFHE 184, 179, BStBl II 1998, 203).
e) Der Einwand, der Kläger habe als Eigenbesitzer wirtschaftliches Miteigentum inne, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Der in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977 erwähnte Eigenbesitz ist nur ein Beispiel für den in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 normierten allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein anderer als der rechtliche Eigentümer wirtschaftlicher Eigentümer ist, wenn er die wirtschaftliche Herrschaft ausübt, deren gewöhnlicher Ausdruck das Eigentum ist. Eine solche wirtschaftliche Herrschaft übt der Kläger ―wie vorstehend dargelegt― nicht aus.
f) Für den Tatbestand des wirtschaftlichen Eigentums und damit die Inanspruchnahme des § 10e EStG reicht es nicht aus, dass der das Gebäude ―und sei es aufgrund eines dinglichen Rechts― Nutzende dessen Herstellungskosten getragen (Urteil in BFHE 168, 261, BStBl II 1992, 944) oder sich an der Finanzierung beteiligt hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, in welchem Umfang der Kläger sich an den Herstellungskosten des Anbaus beteiligt hat. Wirtschaftliches (Mit-)Eigentum des Klägers wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn er für den Fall einer Veräußerung des Grundstücks durch die zivilrechtliche Eigentümerin einen Anspruch auf Ersatz des Zeitwerts des ganzen oder eines Teils des Gebäudes hätte. Hierfür ist indes nichts ersichtlich.
3. Das angefochtene Urteil entspricht diesen Grundsätzen. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 509281 |
BFH/NV 2001, 9 |
HFR 2001, 131 |
EStB 2000, 419 |