Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß der durch die Vereinigung aller Erbteile in der Hand einer GdbR eintretende Übergang des Eigentums von einer Erbengemeinschaft auf die GdbR die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 auch dann auslöst, wenn die Erbteile nacheinander erworben werden. Zwischen der Erbengemeinschaft und der GdbR besteht keine Identität.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die am 21. Juni 1972 gegründete Klägerin, eine aus drei Personen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GdbR), hatte am 20. Juli 1972 von der Stadt X Erbteile gekauft, die diese zuvor von vier Testamentserben erworben hatte. Die Nachlaßgemeinschaft bestand aus der Klägerin und einem fünften Miterben. Dieser verkaufte seinen Erbteil am 27. Februar 1973 an die Klägerin, so daß nunmehr alle Erbteile in ihrer Hand vereinigt waren. Der Nachlaß bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch aus einem Grundstück.
Das beklagte FA hat mit Bescheid vom 18. April 1973 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstückes festgesetzt, wobei es die Besteuerungsgrundlage aus dem Kaufpreis für den letzten Erbteil und dem Wert der anderen Erbteile bildete, die die Klägerin bereits am 20. Juli 1972 erworben hatte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage ist noch beim FG anhängig.
Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist von dem beklagten FA abgelehnt worden. Beschwerde und Klage sind erfolglos geblieben.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin eingelegte Revision ist unbegründet. Der Entscheidung des FG, daß das beklagte FA und die Beschwerdebehörde den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu Recht abgelehnt haben, weil an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides kein ernstlicher Zweifel besteht, ist zuzustimmen.
Eine Erbengemeinschaft ist i. S. des Grunderwerbsteuerrechts ein selbständiger Rechtsträger (vgl. Urteil des Senats vom 29. November 1972 II R 42/67, BFHE 108, 257, BStBl II 1973, 372). Die Übertragung eines Erbteils (vgl. § 2033 BGB) ist deshalb bei Bestehenbleiben der Erbengemeinschaft als Nachlaßgemeinschaft kein steuerpflichtiger Tatbestand im Hinblick auf ein zum Nachlaß gehöriges Grundstück. Anders liegt es jedoch, wenn mit dem Erwerb des letzten Erbteils alle Erbteile in einer Hand vereinigt werden. Die Nachlaßgegenstände gehen in diesem Falle ohne weiteres auf den Erwerber der Erbteile über, ohne daß es einer besonderen Übertragung bedarf. Das gilt auch für ein zum Nachlaß gehöriges Grundstück. Der Erwerber der gesamten Erbteile wird Eigentümer des Grundstücks und ist im Wege der Berichtigung in das Grundbuch einzutragen (RGZ 52, 177, Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und in Strafsachen 53 S. 133). Mit dem Übergang des Grundstückseigentums von der Erbengemeinschaft auf den Erwerber aller Erbteile entsteht Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (Urteil des Senats vom 10. Juni 1964 II 30/61 U, BFHE 80, 33, BStBl III 1964, 486).
Dies alles gilt nicht nur dann, wenn Erwerber der sämtlichen Erbteile eine natürliche Person ist, sondern auch dann, wenn die sämtlichen Erbteile durch eine Personengesellschaft erworben werden (vgl. zur zivilrechtlichen Seite den Beschluß des Kammergerichts, Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit 1944 S. 78). Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn der Erwerb der Erbteile zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgt, so daß die Personengesellschaft (die Mitglieder der Gesellschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit) für eine gewisse Zeit Mitglied der Erbengemeinschaft bleibt.
Die Klägerin will demgegenüber offensichtlich geltend machen, daß im vorliegenden Falle die Erbengemeinschaft vor dem Erwerb des letzten Erbteils aus dem letzten verbliebenen Erben und den drei Gesellschaften der GdbR in gesamthänderischer Verbundenheit bestanden habe, daß der Kauf des letzten Erbteils durch die GdbR wie das Ausscheiden eines Gesamthänders bei fortbestehender Gesamthand zu behandeln sei und daß deshalb eine Steuerpflicht nicht eintreten könne. Diese Auffassung würde aber voraussetzen, daß zwischen der Erbengemeinschaft und der GdbR, die mit dem Erwerb des letzten Erbteils Grundstückseigentümerin geworden ist, Identität besteht, wie sie z. B. gegeben ist, wenn aus einer offenen Handelsgesellschaft mit oder ohne Eintritt bzw. Austritt von Gesellschaftern eine Kommanditgesellschaft entsteht. Das aber ist nicht der Fall.
Die Erbengemeinschaft ist eine Zufallsgemeinschaft auf gesetzlicher Grundlage. Ein gemeinsamer Zweck fehlt. Angelegt ist die Erbengemeinschaft von vornherein auf ihre Beendigung durch Erbauseinandersetzung. Anders verhält es sich mit den Personengesellschaften, die auf Willensübereinstimmung beruhen und einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Abgesehen von Gelegenheitsgesellschaften, sind sie grundsätzlich auf Dauer angelegt. Sind alle Erbteile auf eine durch die Miterben gebildete Personengesellschaft übergegangen, so ist die Erbengemeinschaft beendet. Die Miterben haben sich dahin "auseinandergesetzt", daß sie zukünftig im Rahmen der Personengesellschaft einen gemeinsamen Zweck verfolgen wollen. Eine Identität mit der Erbengemeinschaft ist nicht gegeben (so Fischer in Deutsche Notarzeitung 1955 S. 182, herrschende Meinung, gegen Ganßmüller, Deutsche Notarzeitung 1955 S. 172). Eine Identität zwischen der Personengesellschaft und der früheren Erbengemeinschaft wird nicht etwa dadurch hergestellt, daß das Eigentum an Grundstücken der Erbengemeinschaft durch Übertragung der Erbteile auf die Personengesellschaft ohne Auflassung und Eigentumsumschreibung übergeht (so auch Kammergericht, Deutsche Freiwillige Gerichtsbarkeit 1944 S. 78).
Besteht danach keine Identität zwischen einer Erbengemeinschaft und der aus den Erben gebildeten GdbR, so ist erst recht keine Identität gegeben zwischen der Erbengemeinschaft, an der ein Erbe und eine GdbR beteiligt sind, und der GdbR. Nach allem ist entgegen der Meinung der Klägerin keine identitätswahrende "Umwandlung" einer Erbengemeinschaft in eine GdbR möglich.
Wenn die Klägerin den vorliegenden Erwerbsvorgang mit dem Fall vergleicht, daß alle Erbteile durch verschiedene natürliche Personen erworben werden und anschließend diese Personen sich zu einer GdbR zusammenschließen, auf die das Vermögen der Erbengemeinschaft übertragen wird, so kann sie hieraus für sich nichts herleiten. Abgesehen davon, daß es sich hier um einen anderen Fall handelte, würde auch dieser Fall nicht zu einer Steuerfreiheit der "Umwandlung" von der Erbengemeinschaft in eine GdbR führen, weil zwischen der Erbengemeinschaft und der GdbR aus den schon dargelegten Gründen keine Identität gegeben wäre. Es würde in diesem Falle gleichfalls Grunderwerbsteuer anfallen, soweit nicht § 6 Abs. 3 GrEStG zur Anwendung käme.
Eine Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG im vorliegenden Falle ist, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, durch § 6 Abs. 4 GrEStG ausgeschlossen.
Fundstellen
Haufe-Index 71249 |
BStBl II 1975, 249 |
BFHE 1975, 288 |