Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen nach einem Immobilien-Leasingvertrag als Gegenleistung
Leitsatz (NV)
Alle Leistungen, zu denen sich in einem Leasingvertrag der Leasingnehmer gegenüber dem Leasinggeber deswegen verpflichtet, damit dieser auf einem Grundstück ein Gebäude errichtet, dem Leasingnehmer das wirtschaftliche Eigentum verschafft, es dem Leasingnehmer zur Nutzung überläßt und diesem das Recht einräumt, das Grundstück nach Ablauf der Leasingzeit unentgeltlich zu erwerben, sind grunderwerbsteuerrechtlich Gegenleistung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 oder des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 auszugehen ist.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1-2, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
1986 schloß die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit der X-GmbH (X) einen notariell beurkundeten Vertrag, den die Vertragsschließenden als Leasing-Vertrag bezeichneten. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom selben Tag hatte die X ein Grundstück erworben. Durch den Leasing-Vertrag verpflichtete sich die X, auf diesem Grundstück nach den Wünschen und Vorstellungen der Klägerin gewerblich nutzbare Gebäude zu errichten. Für die Bauzeit übernahm die X die Aufgaben eines Bauherren. Die Klägerin verpflichtete sich ihrerseits, die im Grundstückskaufvertrag von der X übernommenen Verpflichtungen gegen sich gelten zu lassen. Während der vereinbarten Leasingdauer von 15 Jahren hatte die X der Klägerin das Leasing-Objekt zur uneingeschränkten Nutzung zu überlassen. Die Klägerin sollte hinsichtlich des Grundstücks ab Abschluß des Leasing-Vertrages und hinsichtlich des Gebäudes ab Beginn der Bauzeit bis zum Ende der Leasingzeit wirtschaftliche Eigentümerin mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten sein. Die Klägerin übernahm die Lasten und die Gefahr für das Objekt und hatte die Kosten für dessen Instandhaltung, Unterhaltung und Erneuerung zu tragen. War der Leasing-Vertrag nach 15 Jahren ordnungsgemäß erfüllt, so konnte die Klägerin das Objekt lastenfrei zum Kaufpreis von 1 DM zu Eigentum erwerben. Zur Sicherung ihres Erwerbsrechts wurde die Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Klägerin im Grundbuch bewilligt und beantragt.
Die Klägerin hatte innerhalb von vier Wochen nach Abschluß des Leasing-Vertrages eine einmalige Sonderzahlung in Höhe von 2 v. H. der Investitionskosten, die zunächst nach den veranschlagten Kosten von ... DM mit ... DM berechnet worden waren, zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten. Diese Sonderzahlung war abzüglich der der X entstandenen Kosten zurückzuzahlen, wenn der Leasing-Vertrag vor Baubeginn gekündigt, undurchführbar oder einvernehmlich aufgehoben werden sollte.
Bis zur Übergabe des Gebäudes mußte die Klägerin pro Monat eine sog. Vormiete in Höhe von 0,55 % des aufgewendeten Kapitals bezahlen. Die Klägerin hatte eine Leasing-Rate in Höhe von 0,922 % der Investitionskosten, zuzüglich Umsatzsteuer, zu zahlen. Die Zahlungspflicht begann mit dem auf die Übergabe der nutzungsfähigen Gebäude folgenden Monat und sollte 15 Jahre lang andauern. Die Zahlung hatte unabhängig von der tatsächlichen Nutzung des Objekts zu erfolgen und sollte von Schadensereignissen (z. B. Feuer, Sturm, höhere Gewalt) nicht berührt sein. Die Höhe der Leasing-Rate war fünf Jahre lang unveränderlich. Danach war die Klägerin berechtigt, Sondertilgungen auf die von der X aufgenommenen Darlehen zu erbringen mit der Folge, daß die Leasing-Raten entsprechend ermäßigt werden mußten. Berechnungsgrundlage für den Leasing-Zins sollten sämtliche Investitionskosten, insbesondere die Kosten für die schlüsselfertige Errichtung der Gebäude und Außenanlagen und die Grundstückskosten, sein. Der "Mietvertrag" sollte nach Ablauf von 180 Monaten (= 15 Jahre) nach Übergabe des Gebäudes enden. Während dieser Laufzeit sollte der Vertrag unkündbar sein.
Während der Leasingdauer war die Klägerin jedoch berechtigt, von der X die Übertragung des Grundstücks und der Gebäude gegen Zahlung der Investitionskosten abzüglich Tilgungszahlungen zu verlangen, und zwar nach vorheriger sechsmonatiger Ankündigung.
Für den Fall der Zahlungseinstellung oder des Konkurses der Klägerin sollte die X die unverzügliche Freimachung von Grundstück und Gebäude verlangen können. Die eingeräumten Rechte auf Überlassung des Objekts und auf Erwerb sollten dann erlöschen.
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom ... 1992 erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück von der X gegen Zahlung der noch ausstehenden Tilgungsbeträge für die restliche Laufzeit des Leasing-Vertrags.
Durch Bescheid vom 3. November 1988 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte vorläufig. Der Bescheid war auf § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) gestützt. Als Bemessungsgrundlage zog das FA die Sonderzahlung, die Vormiete und die Leasing-Raten heran. Es vertrat die Auffassung, daß sämtliche von der Klägerin nach dem Leasing-Vertrag erbrachten und in der Zukunft geschuldeten Zahlungen zur Gegenleistung für die der Klägerin eingeräumte Verfügungsmacht über das Grundstück anzusehen seien. Mit der Einspruchsentscheidung wurde vom FA die Grunderwerbsteuer auf ... DM erhöht.
Mit der Klage machte die Klägerin geltend, daß die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 nur hinsichtlich des unbebauten Grundstücks vorlägen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Leasing-Vertrages sei das Grundstück noch unbebaut gewesen. Nur insoweit habe die Klägerin wirtschaftliches Eigentum erwerben können. Sie beantragte, den Grunderwerbsteuerbescheid mit der Maßgabe zu ändern, daß als Bemessungsgrundlage nur der Grundstückskaufpreis zuzüglich der Sonderzahlung und der darauf entfallenden Umsatzsteuer herangezogen werde.
Das Finanzgericht (FG) hat mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 590 veröffentlichten Entscheidung der Klage überwiegend stattgegeben und in Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 3. November 1988 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. November 1990 die Grunderwerbsteuer auf ... DM festgesetzt. Der Leasing-Vertrag erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. Die Klägerin habe an dem Grundstück nicht nur ein obligatorisches Nutzungsrecht, sondern eine nicht entziehbare Rechtsposition, eine dingliche Anwartschaft, erworben, die es ihr erlaubte, unter Beachtung der übernommenen Verpflichtungen auch über die Substanz des Grundstücks zu verfügen. Zu Unrecht sei jedoch vom FA die Grunderwerbsteuer auf der Grundlage aller von der Klägerin nach dem Leasing-Vertrag zu erbringenden Zahlungen berechnet worden. Die Klägerin habe nach dem Leasing-Vertrag verschiedene Zahlungen zu erbringen. Nicht alle diese Leistungen der Klägerin seien Entgelt für die Verwertungsbefugnis, vielmehr sei ein nicht unerheblicher Teil dieser Leistungen für die bloße Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks während der Leasing-Dauer zu entrichten. Vormieten und Leasing-Raten ließen sich jedoch nicht -- auch nicht durch Schätzung -- in einen Mietanteil und in einen Anteil, der kein laufendes Nutzungsentgelt, sondern Entgelt für die besondere Rechtsposition des Leasingnehmers darstellte, ohne weiteres aufteilen. Gegenstand der Verwertungsbefugnis sei das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude gewesen. Die Grunderwerbsteuer sei daher nach dem indizierten Einheitswert für das bebaute Grundstück zu bemessen.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Geltend gemacht wird die Verletzung materiellen Rechts. Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Zu Unrecht ist das FG der Auffassung, daß im Streitfall eine Gegenleistung nicht zu ermitteln und die Grunderwerbsteuer deswegen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1983 nach dem Wert des Grundstücks zu bemessen sei. Vielmehr sind alle nach dem Leasing-Vertrag von der Klägerin zu erbringenden Aufwendungen -- wie vom FA zutreffend angenommen -- Gegenleistung i. S. des § 9 GrEStG 1983.
1. Der Leasing-Vertrag vom ... 1986 ist ein Rechtsvorgang, der der Grunderwerbsteuer unterliegt. Dabei kann offenbleiben, ob durch ihn der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 oder der des Absatzes 2 der Vorschrift erfüllt wird, da die für die Bemessung der Grunderwerbsteuer maßgebliche Gegenleistung in beiden Fällen dieselbe ist.
Der Leasing-Vertrag regelt nicht eindeutig, ob die Klägerin spätestens nach Ablauf der Leasingzeit unmittelbar einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums am Grundstück hat oder ob zur Entstehung des Eigentumsübertragungsanspruchs die Ausübung eines der Klägerin eingeräumten Gestaltungsrechts erforderlich ist. Ist ein Anspruch auf Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums an einem Grundstück begründet worden, so wird auch dann (nur) der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 verwirklicht, wenn in Erfüllung einer Vertragspflicht aufgrund des Grundstückskaufvertrags dem Berechtigten vorab Rechtspositionen übertragen werden, die für sich gesehen den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1962 II 159/60 U, BFHE 75, 122, BStBl III 1962, 313). Ist im Vertrag dagegen vereinbart, daß das Entstehen der Übereignungsverpflichtung an die Bedingung geknüpft ist, daß der Berechtigte erklärt, sein Recht auf Eigentumsübertragung ausüben zu wollen, so erfüllt dieser Vertrag selbst nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, und es kommt allenfalls der Tatbestand des Absatz 2 der Vorschrift in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265).
Nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten (= Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d. h. er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken (vgl. z. B. Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 II R 55/88, BFH/NV 1991, 556). Dabei ist es nicht erforderlich, daß dem Dritten jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden (vgl. z. B. Senatsurteil vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251).
Im Streitfall erfüllt der Leasing-Vertrag -- wenn er nicht bereits als auf Übertragung des Eigentums gerichtet anzusehen ist -- diese tatbestandsmäßigen Voraussetzungen. Danach sollte die Klägerin wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks sein, d. h., alle mit diesem verbundenen wirtschaftlichen Vor- und Nachteile sollten sie treffen, insbesondere übernahm sie die Lasten und die Gefahr für das Objekt und hatte die Kosten der Instandhaltung zu tragen. Sie war zu einer uneingeschränkten und auch nicht durch Kündigung entziehbaren Nutzung des Objekts berechtigt. Durch das ihr vertraglich eingeräumte und grundbuchmäßig abgesicherte Recht, jederzeit auch eine Übereignung des Grundstücks verlangen zu können, war die Klägerin in der Lage, letztlich über das Grundstück nach ihrem Belieben zu verfügen.
2. Die Grunderwerbsteuer bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Der für den Umfang der Gegenleistung maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist im Streitfall das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude.
Die der Klägerin durch den Leasing-Vertrag eingeräumten Rechte im Hinblick auf das Grundstück, beziehen sich -- wovon auch das FG zutreffend ausgeht -- unzweifelhaft auf das Grundstück mit von der X noch zu errichtendem Gebäude. Der zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs tatsächlich bestehende Zustand ist insoweit für die Besteuerung nicht maßgeblich. Eines Rückgriffs auf die Grundsätze zum einheitlichen Vertragswerk, die grundsätzlich auch auf den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 anzuwenden sind (vgl. Senatsurteile vom 8. Februar 1995 II R 19/92, BFH/NV 1995, 823, und vom 25. November 1992 II R 122/89, BFH/NV 1993, 688), bedarf es nicht, da sich im Streitfall unmittelbar aus dem die Steuer auslösenden Rechtsvorgang selbst (Leasing-Vertrag) ergibt, daß sich die Verpflichtungen der Veräußerin auf das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude beziehen.
3. Alle Leistungen, die die Klägerin nach dem Leasing-Vertrag zu erbringen hat, sind Gegenleistung i. S. von § 9 GrEStG 1983.
Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Senatsurteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Geht man im Streitfall vom Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 aus, so sind alle nach dem Leasing-Vertrag von der Klägerin zu erbringenden und vom FA im Bescheid erfaßten Leistungen nach diesen Grundsätzen als Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 zu werten. Zu dem selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man vom Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983 ausgeht. Die in erster Linie zum Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 entwickelten Grundsätze zur Bestimmung der Gegenleistung gelten entsprechend auch für den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. Zur Gegenleistung gehören bei diesem Tatbestand alle Leistungen, die aufgewendet oder empfangen werden, um die Rechte und Rechtspositionen in bezug auf ein Grundstück zu erlangen, die insgesamt als Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu werten sind. Im Streitfall trifft dies auf alle vom FA mit dem angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid erfaßten Leistungen zu, die die Klägerin nach dem Leasing-Vertrag zu erbringen hat. Diese Leistungen der Klägerin sind kausal mit dem Erwerb der als Verwertungsbefugnis zu wertenden Rechtspositionen verknüpft, d. h., daß der Klägerin die entsprechende Rechtsposition nicht ohne das Leistungsversprechen eingeräumt worden wäre und daß sie diese Verpflichtungen insgesamt deswegen eingegangen ist, damit ihr die Verwertungsbefugnis am Grundstück übertragen wird. Fehl geht daher die Annahme des FG, ein -- auch nicht durch Schätzung quantifizierbarer -- Teil der von der Klägerin nach dem Leasing-Vertrag zu erbringenden Leistungen sei Entgelt für eine nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Leistung des Veräußerers (= Vermietung).
Fundstellen
Haufe-Index 421236 |
BFH/NV 1996, 579 |