Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung von Praxisräumen an den Arzt-Ehegatten als Gestaltungsmißbrauch - gesonderter Steuerausweis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980
Leitsatz (amtlich)
1. Erwirbt die Ehefrau eines Arztes ein Haus, läßt sie ein Geschoß in Praxisräume umbauen und vermietet sie diese ihrem Ehemann, steht ihr wegen Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auch bei Option für die Umsatzsteuerpflicht der Vermietungsumsätze kein Vorsteuerabzug zu, wenn sie die laufenden Aufwendungen für das Grundstück und den Kapitaldienst nicht aus der Miete und aus sonstigem eigenen Einkommen decken kann und deshalb auf zusätzliche Zuwendungen ihres Ehemanns in nicht unwesentlichem Umfang angewiesen ist.
2. Hat die Ehefrau, die bereits auf Grund der Ausführung anderer Umsätze Unternehmerin ist, in einer ihrem Ehemann erteilten Rechnung Umsatzsteuer für die Vermietungsleistung gesondert ausgewiesen, so schuldet sie diese Umsatzsteuer nach § 14 Abs.2 Satz 1 UStG 1980.
Orientierungssatz
Die Nennung eines vom Mieter geschuldeten Umsatzsteuerbetrags im Mietvertrag ist noch kein gesonderter Steuerausweis in einer Rechnung i.S. des § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG 1980, sondern bedarf der Konkretisierung durch ergänzende Belege (Zahlungsbelege u.ä.), in denen die jeweiligen Leistungsabschnitte (Monate) angegeben sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
AO 1977 § 42; UStG 1980 § 4 Nr. 14, § 14 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 15 Abs. 1-2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte mit Vertrag vom ... 1984 ein bebautes Grundstück für ... DM. Während sie die Vermietung des ..- und ..geschosses zu Wohnzwecken fortsetzte, baute sie das ...geschoß für rund ... DM in eine Arztpraxis um, die sie ab ... 1984 an ihren Ehemann, einen Arzt, auf unbestimmte Zeit zu einem monatlichen Mietzins von .. DM (zuzüglich Nebenkosten) und Umsatzsteuer in Höhe von ... DM vermietete. Der Ehemann zahlte die Miete auf ein Konto der Klägerin, über das er verfügungsberechtigt war.
Zur Finanzierung dienten Darlehen über insgesamt ... DM, deren Zins und Tilgung nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Darlehensverträgen jährlich ... DM betrugen. Die Restfinanzierung über rund ... DM erfolgte über ein Kontokorrentkonto, das zunächst für den Ehemann eingerichtet war und dem zum ... 1984 ein Betrag von ... DM aus einem vom Ehemann aufgenommenen Darlehen gutgeschrieben wurde. Die Klägerin verfügte in den Streitjahren (1984 und 1985) über keine Einkünfte außer der Miete.
Die Klägerin erklärte für 1984 steuerfreie Mietumsätze in Höhe von ... DM und steuerpflichtige in Höhe von ... DM (Miete ... DM und Nebenkosten ... DM) sowie Vorsteuerbeträge von ... DM, woraus sie eine Umsatzsteuerschuld von ./. ... DM ermittelte. Für 1985 erklärte sie steuerfreie Mietumsätze von ... DM und steuerpflichtige in Höhe von ... DM (Miete ... DM und Nebenkosten ... DM) sowie Vorsteuerbeträge von ... DM und errechnete unter Berücksichtigung eines Steuerabzugsbetrags von ... DM eine Umsatzsteuerschuld von ... DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für 1984 und 1985 die Umsatzsteuer auf jeweils 0 DM fest. Im "Einspruchsbescheid" erhöhte das FA nach vorherigem Hinweis die Umsatzsteuer für 1984 auf ... DM und für 1985 auf ... DM. Zur Begründung führte das FA aus, es liege ein Mißbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die Klägerin schulde die festgesetzte Umsatzsteuer nach § 14 Abs.3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980).
Die Klage blieb erfolglos. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Der Klägerin stehe der begehrte Vorsteuerabzug nach den Vorschriften des UStG 1980 zwar an sich zu. Sie habe ihrem Ehemann den Gebrauch der Praxis aufgrund eines rechtswirksam zustande gekommenen und klar und eindeutig vereinbarten Mietvertrags überlassen, der nach seiner Durchführung die Kriterien eines Fremdvergleichs erfülle. Es liege aber ein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor. Das Mietverhältnis habe nur darauf abgezielt, den Vorsteuerabzug für die Errichtung der Praxisräume zu erlangen. Beachtliche Gründe im außersteuerlichen Bereich hierfür lägen nicht vor. Angemessen wäre es gewesen, daß der Ehemann der Klägerin die für seine Praxis erforderlichen Räume selbst erworben hätte. Das FA habe zu Recht Umsatzsteuer nach § 14 Abs.3 UStG 1980 festgesetzt. Zum Mietvertrag, der die Umsatzsteuer gesondert ausweise, lägen in Form der Kontoauszüge ergänzende Belege vor, die die jeweiligen Leistungsabschnitte konkretisierten.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Sie meint: Die gewählte Gestaltung sei nicht unangemessen. Daß ihr Ehemann die Arztpraxis nicht selbst erworben, sondern dazu sie --die Klägerin-- vorgeschaltet habe, sei ohne Bedeutung.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer für 1984 auf ./. ... DM und für 1985 auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nicht zu (§ 42 AO 1977). Die Feststellungen des FG ermöglichen jedoch keine abschließende Entscheidung, ob das FA gegen die Klägerin Umsatzsteuer in zutreffender Höhe festgesetzt hat.
1. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen, von denen das UStG 1980 den Vorsteuerabzug abhängig macht. Der Abzug kann jedoch wegen Mißbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht zugelassen werden.
2. Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980).
Die Klägerin war Unternehmerin i.S. des § 2 Abs.1 UStG 1980. Die auf unbestimmte Zeit vereinbarte und tatsächlich durchgeführte entgeltliche Vermietung der Praxis sowie des ...- und ...geschosses war eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (§ 2 Abs.1 Satz 3 UStG 1980).
3. Dem Vorsteuerabzug steht § 42 AO 1977 entgegen.
a) Nach dieser Vorschrift kann durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Mißbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
b) Wie der Senat in seinen Urteilen vom 16.Januar 1992 V R 1/91 (BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541) und vom 10.September 1992 V R 104/91 (BFHE 169, 258, BStBl II 1993, 253) näher ausgeführt hat, ist es als unangemessene Gestaltung zu beurteilen, wenn ein Unternehmer, der einen Gegenstand für sein Unternehmen benötigt, die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel seinem Ehegatten zur Verfügung stellt, damit dieser den Gegenstand erwirbt, um ihn an den Unternehmer-Ehegatten zu vermieten. Der Vermieter-Ehegatte wird unter diesen Umständen gewissermaßen "vorgeschaltet", um unter Vermeidung eigener Anschaffung das wirtschaftliche Ergebnis aus den Leistungsbezügen zu erzielen, indem der Mieter-Ehegatte die Aufwendungen wirtschaftlich so trägt, als wäre er Grundstückskäufer und Bauherr gewesen. Eine derartige "Vorschaltung" liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete (einschließlich Erstattung der Nebenkosten) und aus sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. von Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Mieter-Ehegatte dem Vermieter-Ehegatten beim Erwerb des Grundstücks oder bei Errichtung des Gebäudes finanzielle Mittel in ausreichender Höhe überläßt (z.B. durch Schenkung), die dem Vermieter-Ehegatten die Lastentragung aus eigener wirtschaftlicher Kraft ermöglichen.
c) Im Streitfall konnte die Klägerin in den Jahren 1984 und 1985 und auf absehbare Zeit Zins und Tilgung für die Darlehen nicht aus der Miete decken und war auf erhebliche Zuzahlungen ihres Ehemannes angewiesen. Unter diesen Umständen ist es unangemessen, daß die Klägerin die Nutzungsüberlassung der Praxisräume rechtlich als entgeltlichen Leistungsaustausch gestaltet hat. Eine verständige Partei hätte angesichts dieser Verhältnisse vom Abschluß eines Mietvertrages über die Praxisräume abgesehen und es dem Arzt-Ehegatten überlassen, entsprechend seiner wirtschaftlichen Stellung die entstehenden Aufwendungen für Grundstück und Gebäude als solche zu tragen, anstatt sie zum Teil dem Eigentümer-Ehegatten verdeckt als Mietzins zuzuwenden.
d) Die unangemessene Gestaltung widerspricht den Wertungen des Gesetzes, weil der Ehemann der Klägerin als Arzt zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt ist (§ 15 Abs.2 Satz 1 Nr.1 i.V.m. § 4 Nr.14 Satz 1 UStG 1980; vgl. im einzelnen Senatsurteil in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541).
4. Es bedarf keiner Entscheidung der Frage, ob § 42 AO 1977 das Vorliegen einer Mißbrauchsabsicht voraussetzt (vgl. zu dieser Frage Senatsurteil vom 10.September 1992 V R 104/91).
Im Streitfall ist die Klage auch auf der Grundlage der Auffassung, die diese Frage bejaht, abzuweisen, da die Mißbrauchsabsicht der Klägerin zu vermuten ist. Grundlage für die tatsächliche Vermutung ist die objektive Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann, wie sie oben unter II.3. b) und c) beschrieben worden ist. Der Klägerin waren die der Gestaltung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse bekannt. Nach den Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß statt der Absicht einer Steuerumgehung wirtschaftlich beachtliche Gründe für die gewählte Gestaltung maßgebend gewesen sein könnten.
5. Das FA hat im Ergebnis zu Recht gegen die Klägerin (positive) Umsatzsteuer festgesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist indes nicht § 14 Abs.3, sondern Abs.2 UStG 1980. Ob die Umsatzsteuer in zutreffender Höhe festgesetzt wurde, läßt sich nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach dem UStG 1980 für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er auch den Mehrbetrag (§ 14 Abs.2 Satz 1 UStG 1980). Diese Vorschrift, die wörtlich mit § 14 Abs.2 Satz 1 UStG 1967/1973 übereinstimmt, nicht § 14 Abs.3 UStG 1980, gilt auch dann, wenn ein Unternehmer (§ 2 Abs.1 UStG 1980) oder ein Kleinunternehmer, der auf die Anwendung des § 19 Abs.1 UStG 1980 verzichtet (§ 19 Abs.2 UStG 1980), Umsatzsteuer bei nichtsteuerbaren und bei steuerfreien Leistungen gesondert ausweist (Senatsurteile vom 7.Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547; vom 8.Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250; vom 14.Dezember 1989 V R 125/84, BFHE 159, 277, BStBl II 1990, 401).
b) Diese Voraussetzungen für die Anwendung des § 14 Abs.2 Satz 1 UStG 1980 sind erfüllt. Die Klägerin ist bereits aufgrund der Vermietung des ...- und ...geschosses Unternehmerin (§ 2 Abs.1 UStG 1980). Sie hat mit der Überlassung der Nutzung der Praxis an ihren Ehemann eine sonstige Leistung erbracht (§ 3 Abs.9 UStG 1980). Nach § 42 Satz 2 AO 1977 muß sie sich so behandeln lassen, als ob diese Leistung unentgeltlich und somit nichtsteuerbar (§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980) gewesen wäre. Sie kann nicht so gestellt werden, als ob sie Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen hätte (Senatsurteil vom 22.Juni 1989 V R 34/87, BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007, am Ende; Senatsbeschlüsse vom 18.Juni 1990 V B 22/90, BFH/NV 1991, 421; vom 28.Februar 1991 V B 177/90, BFH/NV 1992, 62).
Schließlich hat die Klägerin gegenüber ihrem Ehemann Umsatzsteuer "in einer Rechnung" ausgewiesen. Zutreffend ist das FG dabei davon ausgegangen, daß die Nennung eines vom Mieter geschuldeten Umsatzsteuerbetrags im Mietvertrag noch kein gesonderter Steuerausweis in einer Rechnung i.S. des § 14 Abs.2 Satz 1 UStG 1980 ist, sondern der Konkretisierung durch --im Streitfall vorliegende-- ergänzende Belege (Zahlungsbelege u.ä.), in denen die jeweiligen Leistungsabschnitte (Monate) angegeben sind, bedarf (Senatsbeschluß vom 7.Juli 1988 V B 72/86, BFHE 154, 197, BStBl II 1988, 913; Senatsurteil in BFHE 158, 152, BStBl II 1989, 1007, am Ende).
Die vom FA festgesetzten Umsatzsteuerbeträge lassen sich jedoch nach den vom FG getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehen. Als vom Mieter zu zahlende Umsatzsteuer nennt der Mietvertrag nur einen monatlichen Betrag von ... DM. Dies ergibt bei einer Mietdauer von ... Monaten im Jahr 1984 lediglich ... DM und für 1985 ... DM, nicht aber, wie vom FA zugrunde gelegt, ... DM bzw. ... DM. Das FG wird hierzu Feststellungen nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 64223 |
BFH/NV 1993, 13 |
BStBl II 1993, 210 |
BFHE 169, 555 |
BFHE 1993, 555 |
BB 1993, 921 |
BB 1993, 921-922 (LT) |
DB 1993, 767 (L) |
DStR 1993, 239 (KT) |
HFR 1993, 125 (LT) |
StE 1993, 27 (K) |