Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Erwerb von Miteigentum an einem Grundstück liegen grunderwerbsteuerrechtlich so viele Erwerbsvorgänge vor wie Miteigentumsbruchteile erworben werden.
2. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils ist nur dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung für den jeweiligen (einzelnen) Erwerbsvorgang gegeben sind.
Normenkette
GrEStG 1940 § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2; BGB § 1008 ff.
Tatbestand
Die Klägerin hatte durch notariell beurkundeten Vertrag eine ideelle Hälfte eines Grundstücks erworben, die andere ideelle Hälfte ihr Ehemann. Das erworbene Grundstück war Ersatz für ein dem Ehemann allein gehörendes Grundstück, das das Land Berlin teilweise als Straßenland, teilweise als Gewerbegebiet in Anspruch genommen hatte.
Das FA (Beklagter) hat eine Steuerbefreiung abgelehnt, weil das Ersatzgrundstück nicht bei oder nach der Hingabe des anderen Grundstücks erworben worden sei, sondern schon wesentlich früher, und hat die Grunderwerbsteuer festgesetzt.
Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Da allein der Ehemann der Klägerin sein Grundstück an das Land Berlin veräußert habe, komme eine Steuerbefreiung zugunsten der Klägerin nicht in Betracht. Auch die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG Berlin 1969. Der Erwerb des ganzen Ersatzgrundstücks sei von der Besteuerung auszunehmen. Die Übertragung der ideellen Hälfte des Grundstücks auf die Klägerin durch ihren Ehemann stelle eine Schenkung unter Ehegatten dar, die nach § 3 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen und nach § 16 des Erbschaftsteuergesetzes 1959 steuerfrei sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die angefochtene Entscheidung läßt keine materiellrechtlichen Mängel erkennen, die ihre Aufhebung rechtfertigen könnten. Der Erwerb der Klägerin unterliegt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer und ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen.
Miteigentum ist begrifflich - unbeschadet der Regelung in den §§ 1008 ff. BGB - bürgerlich-rechtliches und grunderwerbsteuerrechtliches (§ 2 Abs. 1 GrEStG) Volleigentum, das wie Alleineigentum zu behandeln ist. Die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über Erwerb und Verlust des Eigentums gelten für die Miteigentumsanteile an Grundstücken ebenso wie für die im Alleineigentum stehenden Grundstücke. Wird Miteigentum an einem Grundstück erworben, so liegen auch grunderwerbsteuerrechtlich mehrere Erwerbsvorgänge (mehrere Steuerfälle) vor, und zwar jeweils so viele, wie Eigentumsbruchteile je für sich (als Grundstück) erworben werden. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils ist Erwerb eines Grundstücks (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GrEStG). Dementsprechend ist ein Erwerbsvorgang auf Grund gesetzlicher Vorschriften dann und nur dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn der gesetzliche Befreiungstatbestand gerade auf den jeweiligen Erwerbsvorgang anzuwenden ist, d. h., wenn die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für diesen Erwerbsvorgang gegeben sind. Es genügt deshalb grundsätzlich nicht, daß beim Erwerb von Miteigentum an einem Grundstück der Erwerb eines Miteigentumsanteils durch einen anderen Erwerber von der Besteuerung ausgenommen ist, die Voraussetzungen für die Befreiung zugunsten des Erwerbers selbst aber nicht gegeben sind.
Der Erwerb der Klägerin kann nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen werden. Die Klägerin war nicht (Mit-) Eigentümerin des von dem Land Berlin in Anspruch genommenen Grundstücks. Für sie war der Erwerb der ideellen Grundstückshälfte kein Ersatzerwerb im Sinne der genannten Gesetzesvorschrift. Das Finanzgericht hat dies mit zutreffender Begründung und frei von Rechtsirrtum verneint. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Auf die in dem Revisionsverfahren erstmals vorgetragene Behauptung, der Ehemann der Klägerin habe dieser "in gleichsam saldierender Weise die Hälfte des Ersatzgrundstücks ... übertragen" und diese Übertragung habe als "eine Schenkung unter Ehegatten ... nach § 3 GrEStG steuerfrei zu bleiben". ist nicht einzugehen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 71966 |
BStBl II 1976, 693 |
BFHE 1977, 510 |
NJW 1976, 2232 |