Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anspruch auf erneute Vorsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993 im Konkurs
Leitsatz (amtlich)
1. Werden Gegenstände an den (späteren) Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung geliefert, steht diesem der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1993 bereits im Zeitpunkt der Lieferung und Rechnungserteilung zu, auch wenn der Konkursverwalter die Kaufpreisforderungen erst nach Konkurseröffnung bezahlt.
2. In diesem Fall kommt eine Vorsteuerberichtigung wegen Uneinbringlichkeit der Forderung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993) und nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993) nicht in Betracht, wenn der Konkursverwalter gemäß § 17 KO an Stelle des Gemeinschuldners den bisher beiderseits noch nicht (vollständig) erfüllten zweiseitigen Vertrag erfüllt und die Erfüllung von dem anderen Teile verlangt (Abgrenzung gegenüber BFH-Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226).
3. Ein und dieselbe Vorsteuer kann nicht in demselben Besteuerungszeitraum gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 zu Lasten des Steuerpflichtigen und gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1993 zu Gunsten des Steuerpflichtigen "berichtigt" werden.
Normenkette
UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1-2; KO § 6 Abs. 2, § 17
Verfahrensgang
FG Berlin (EFG 1999, 1110; LEXinform-Nr. 0552493) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der am 1. April 1996 in Konkurs gefallenen Gemeinschuldnerin.
Die Gemeinschuldnerin hatte Maschinen gebaut. Sie hatte vor Konkurseröffnung Gegenstände gekauft und hierüber Rechnungen erhalten. Der Kläger hat die Rechnungen nach Konkurseröffnung bezahlt und für die Voranmeldungszeiträume April bis September 1996 folgende Vorsteuerbeträge geltend gemacht:
April 1996 |
261 643,31 DM |
Mai 1996 |
59 872,81 DM |
Juni 1996 |
33,00 DM |
Juli 1996 |
28 473,09 DM |
August 1996 |
71 497,05 DM |
September 1996 |
427,15 DM |
insgesamt |
421 946,41 DM |
Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, der Kläger habe mit der Bezahlung der Rechnungen aus der Zeit vor Konkurseröffnung lediglich die Kaufverträge erfüllt. Die Resterfüllung von Kaufverträgen durch den Konkursverwalter begründe keinen neuen Leistungsaustausch zugunsten der Masse. Der Vorsteuerabzug verbleibe deshalb bei der Gemeinschuldnerin. Er kürzte entsprechend die Vorsteuer in an den Kläger gerichteten Vorauszahlungsbescheiden für die Monate April bis September 1996.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es war der Ansicht, der Anspruch des Konkursverwalters finde seine Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG). Mit dem Konkurs seien die Kaufpreisforderungen gegen die Gemeinschuldnerin uneinbringbar geworden; die Vorsteuer sei nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen gewesen. Nachdem der Kaufpreis dann doch nachträglich bezahlt worden sei, sei die Vorsteuer erneut zu berichtigen gewesen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es meint, das Urteil des FG verstoße gegen § 251 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 3 der Konkursordnung (KO) und § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG.
Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Sie verstößt gegen § 17 UStG. Die Feststellungen des FG erlauben es dem Senat nicht, selbst zu entscheiden; die Sache war deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Eröffnung des Konkursverfahrens hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG) keinen Einfluss; sie ändert auch nichts daran, dass das Unternehmen die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers erfasst (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gemäß § 6 Abs. 2 KO wird lediglich ―beschränkt auf das konkursbefangene Vermögen― das Verwaltungs- und Verfügungsrecht durch den Konkursverwalter anstelle des Gemeinschuldners ausgeübt (§ 34 Abs. 3 AO 1977; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. Mai 1998 V R 74/97, BFHE 185, 552, BStBl II 1998, 634; vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46, und vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691). Hierdurch wird die Umsatzsteuer für im Rahmen des Unternehmens ausgeführte Umsätze grundsätzlich nicht berührt. Die Höhe der Umsatzsteuer für Umsätze in den streitigen Voranmeldungszeiträumen bestimmt sich deshalb zunächst ausschließlich nach Umsatzsteuerrecht ohne Rücksicht auf die Vorschriften des Konkursrechts.
2. Der Senat kann dem Urteil des FG nicht entnehmen, wann die Lieferungen, um die es hier geht, ausgeführt worden sind. Hiervon (und von der Rechnungserteilung) hängt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs ab.
Waren die Lieferungen ―wovon wohl auszugehen ist― bereits vor Konkurseröffnung ausgeführt worden, stand der (späteren) Gemeinschuldnerin der Vorsteuerabzug bereits vor Konkurseröffnung zu; nach den Feststellungen des FG waren ihr die Lieferungen bereits vor Konkurseröffnung in Rechnung gestellt worden. Durch die Bezahlung der Kaufpreisschulden fand keine erneute Lieferung der Gegenstände im Zeitpunkt der Bezahlung statt (BFH-Urteil vom 15. März 1994 XI R 89/92, BFH/NV 1995, 74).
Entgegen den Voranmeldungen des Klägers stand der Gemeinschuldnerin dann nach Konkurseröffnung nicht noch einmal der Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG zu. Hiervon ist auch das FG ausgegangen.
3. Die Feststellungen des FG erlauben dem Senat keine abschließende Entscheidung, ob das FG ―jedenfalls für die Voranmeldungszeiträume Mai bis September 1996― zu Recht eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG bejaht hat.
a) Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG hat der leistende Unternehmer den für seine Leistung geschuldeten Umsatzsteuerbetrag und der Leistungsempfänger den entsprechenden Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung uneinbringlich geworden ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG auch infolge Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners in Betracht. Die der Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers und dem Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers zugrunde liegenden Forderungen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen an den späteren Gemeinschuldner werden im Augenblick der Konkurseröffnung unbeschadet einer möglichen Konkursquote in voller Höhe uneinbringlich (BFH-Urteil in BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691).
Eine derartige Berichtigung der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer und der Vorsteuer beim Leistungsempfänger kommt jedoch nicht in Betracht, wenn dem Umsatz ein zweiseitiger Vertrag zugrunde liegt, der zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens von dem Gemeinschuldner und von dem anderen Teile nicht oder nicht vollständig erfüllt war, falls der Konkursverwalter gemäß § 17 KO an Stelle des Gemeinschuldners den Vertrag erfüllt und die Erfüllung von dem anderen Teile verlangt. In einem derartigen Fall, in dem die Forderung des leistenden Unternehmers vom Konkursverwalter gemäß § 17 KO erfüllt wird, kann von einer Uneinbringlichkeit der Forderung im Zeitpunkt der Konkurseröffnung keine Rede sein. Der BFH hat zwar mit Urteil vom 13. November 1986 V R 59/79 (BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226) entschieden, dass auch bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt die nicht erfüllten Lieferantenforderungen unbeschadet der Vorschrift des § 17 KO im Zeitpunkt der Konkurseröffnung uneinbringlich werden (vgl. dazu auch Onusseit, Umsatzsteuer im Konkurs, Köln/Berlin/Bonn/München 1988, S. 217). Für den Fall, dass der Konkursverwalter gemäß § 17 KO die Vertragerfüllung wählt, hält der Senat hieran aber nicht mehr fest.
Entfällt die Vorsteuerberichtigung mangels Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung bei Konkurseröffnung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG), entfällt auch eine weitere Vorsteuerberichtigung infolge nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
b) Aus der Vorentscheidung ergibt sich nicht, ob ein Fall des § 17 KO vorlag oder ob der Konkursverwalter die Lieferantenforderungen aus sonstigen Gründen bezahlt hat. Wie bereits erwähnt, kann auch bei Lieferung unter Eigentumsvorbehalt ein beiderseitig noch nicht voll erfüllter Vertrag i.S. des § 17 KO vorliegen (vgl. Kilger/Karsten Schmidt, Konkursordnung, § 17 Anm. 3 c). Derartige Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt kommen im Streitfall in Betracht; es fehlen aber die notwendigen Feststellungen des FG.
4. Auch wenn kein Fall des § 17 KO vorlag, scheidet jedenfalls für den Voranmeldungszeitraum April 1996 eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG aus. Ein und dieselbe Vorsteuer kann nicht in demselben Besteuerungszeitraum gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu Lasten des Steuerpflichtigen und gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu Gunsten des Steuerpflichtigen "berichtigt" werden. Da sich die "Vorsteuerberichtigungen" nach den Sätzen 1 und 2 des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gegenseitig aufheben, unterbleibt jede Vorsteuerberichtigung.
Hieran ändert sich auch nichts durch die Konkurseröffnung. Die Höhe der Umsatzsteuer (hier: für den Voranmeldungszeitraum April 1996) bestimmt sich ausschließlich nach Umsatzsteuerrecht (vgl. oben unter 1.). Durch die Konkurseröffnung wird der Voranmeldungszeitraum nicht unterbrochen (BFH in BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691).
Fundstellen
Haufe-Index 508952 |
BFH/NV 2001, 128 |
BStBl II 2000, 703 |
BFHE 192, 129 |
BFHE 2001, 129 |
BB 2000, 2350 |
DB 2001, 130 |
DStR 2000, 2041 |
DStRE 2000, 1335 |
HFR 2001, 63 |
StE 2000, 702 |
UR 2000, 533 |