Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerberaterhaftung: Vorsteuervergütungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die gegen einen Steuerberater allein mit dem Vorwurf erhobene Klage, er habe ein Steuervergütungsverfahren nachlässig geführt, unterbricht nicht die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs, der daraus abgeleitet wird, daß der Steuerberater die steuerliche Belastung nicht von vornherein neutralisiert habe.
Zur Antragsfrist für die Vergütung umsatzsteuerlicher Vorsteuerbelastungen in einem besonderen Verfahren.
Leitsatz (redaktionell)
Eine sekundäre Hinweispflicht des Steuerberaters entfällt, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist wegen der Haftungsfrage anderweitig fachkundig beraten worden ist. Insbesondere wenn ein anderer Rechtsanwalt einen Schadensersatzanspruch des Mandanten bereits geltend gemacht hat, darf der als haftpflichtig in Anspruch genommene Fachberater davon ausgehen, daß der Anspruchsteller über die Verjährung belehrt ist.
Normenkette
StBerG § 68; BGB § 209 Abs. 1; UStDV a.F. § 61 Abs. 1 S. 2; UStG 1996 § 18 Abs. 9 S. 3
Verfahrensgang
OLG Hamm (Aktenzeichen 25 U 19/97) |
LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 197/96) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 4. März 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von 120.714,12 DM an den Kläger sowie zu seiner Freistellung von restlichen Umsatzsteuern, Zinsen und Säumniszuschlägen für die Jahre 1987 bis 1990 verurteilt worden ist.
In diesem Umfang wird die Klage auf die Berufung der Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 30. Oktober 1996 abgewiesen.
Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges fallen dem Kläger zu 52 % sowie der Beklagten zu 48 % zur Last. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger zu 70 % und der Beklagten zu 30 % auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger vermittelt als selbständiger Handelsvertreter seit 1987 für eine in der Schweiz ansässige Generalagentin den Verkauf von Textilprodukten. Die durch seine Vermittlungstätigkeit erzielten Provisionen behandelte er als steuerfreie Umsätze im Sinne von § 4 Nr. 5 i.V.m. § 3 Abs. 8 UStG (Vermittlung von Einfuhren). Das zuständige Finanzamt erkannte dies nicht an, soweit die verkauften Textilien in Deutschland selbst ausgeliefert wurden. Für die Jahre 1987 bis 1992 berechnete es dem Kläger – erstmals mit einem Bescheid vom 29. Juli 1993 – rückwirkend Umsatzsteuer in Höhe von 244.296,29 DM.
Die Beklagte beriet den Kläger spätestens seit 1987 steuerlich. Um dessen Umsatzsteuerschuld auszugleichen, veranlaßte sie, daß der Kläger der schweizerischen Generalagentin nachträglich Mehrwertsteuer auf die Provisionen berechnete. Im Oktober 1993 beantragte die Beklagte für die schweizerische Generalagentin beim Bundesamt für Finanzen für die Jahre 1987 bis 1992 die Vergütung von Umsatzsteuer in Höhe von 301.071,83 DM; zugleich trat die Generalagentin ihre Ansprüche auf Rückvergütung an den Kläger ab. Das Bundesamt lehnte den Antrag für das erste Halbjahr 1993 durch Bescheid vom 17. März 1994 mit der Begründung ab, die Generalagentin habe weder ihre Unternehmereigenschaft nachgewiesen noch die Ausgangsrechnungen vorgelegt.
Seit 1995 läßt der Kläger sich anderweitig steuerlich beraten. Er verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Umsatzsteuer-Belastung nebst Zinsen und Säumniszuschlägen. In erster Instanz hat er sich darauf gestützt, daß die Beklagte das Vergütungsverfahren vor dem Bundesamt für Finanzen nachlässig betrieben und die Einspruchsfrist versäumt habe. Nachdem das Landgericht seiner auf Zahlung von 301.071,83 DM gerichteten Klage stattgegeben und die Beklagte hiergegen Berufung eingelegt hatte, hat der Kläger in erster Linie geltend gemacht, daß die Beklagte schon von 1987 an die Umsatzsteuerpflicht fehlerhaft beurteilt habe. Die Beklagte hat sich demgegenüber unter anderem auf Verjährung berufen.
Durch das angefochtene Urteil hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger 122.658,12 DM nebst Zinsen zu zahlen sowie ihn von der Verpflichtung zur Zahlung restlicher Umsatzsteuer, von Zinsen und Säumniszuschlägen für die Jahre 1987 bis 1992 freizustellen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten, die der Senat nur angenommen hat, soweit die Beklagte zur Zahlung von 120.714,12 DM sowie zur Freistellung von weiterer Umsatzsteuer, Zinsen und Säumniszuschlägen für die Jahre 1987 bis 1990 verurteilt worden ist.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt im Umfang der Annahme durch den Senat zur Klageabweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Beklagte hafte aus positiver Vertragsverletzung des Steuerberatervertrages. Seit 1987 habe ihr vor Erstellung der jährlichen Umsatzsteuererklärungen jeweils die Prüfung oblegen, ob und welche der vom Kläger verdienten Provisionen umsatzsteuerpflichtig gewesen seien. Diese Prüfung habe die Beklagte entweder nicht oder im Ergebnis unzutreffend vorgenommen. Die große Mehrzahl der vermittelten Umsätze seien der Umsatzsteuer zu unterwerfen gewesen, weil die Hersteller ihre Produkte aus eigenen Produktionsstätten oder wenigstens Auslieferungslagern in Deutschland ausgeliefert hätten. Die Pflichtverletzung sei für die vom Finanzamt veranlaßte Umsatzsteuernachberechnung ursächlich geworden, weil ein entsprechender Hinweis der Beklagten an den Kläger vor Erstellung der jeweiligen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1987 bis 1992 dazu geführt hätte, daß dem Kläger die Provisionen ungeschmälert verblieben wären; denn die Schweizer Generalagentin hätte die vom Kläger dem Finanzamt geschuldeten Umsatzsteuern zusätzlich zu gezahlten Provisionen übernommen. Hierzu hätte es gleichzeitig des Hinweises der Beklagten bedurft, daß sich die zusätzliche Berechnung der Umsatzsteuer auf die Provisionen für die Generalagentin wegen der Möglichkeit der Durchführung entsprechender Vorsteuervergütungsverfahren im Ergebnis kostenneutral auswirken würde. Die Beklagte habe schuldhaft gehandelt.
Die Verjährungseinrede der Beklagten greife nicht durch, weil die Verjährungsfrist erst durch Bekanntgabe der belastenden Steuerbescheide in Lauf gesetzt und die Klage vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben worden sei. Den Ersatz des infolge der Umsatzsteuernachberechnung erlittenen Schaden – daß ihm die Provision nicht ungeschmälert verblieb – habe der Kläger bereits mit der Klageschrift erstrebt.
II.
Dagegen greift die auf Verjährung gestützte Rüge der Revision durch.
1. Gemäß § 68 StBerG verjährt der vertragliche Anspruch gegen einen Steuerberater in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Dieser entsteht regelmäßig mit der Bekanntgabe eines belastenden Steuerbescheids, weil damit ein Schaden eingetreten ist (BGHZ 129, 386, 388 f; Senatsurt. v. 12. Februar 1998 - IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787).
Im vorliegenden Fall ist die Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1990 mit Bescheiden vom 29. Juli 1993 geltend gemacht worden. Da die Parteien von einer zeitnahen Zustellung ausgehen, aber deren genauen Zeitpunkt nicht mitgeteilt haben, ist in Übereinstimmung mit § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO der 2. August 1993 als Zustellungstag zugrunde zu legen. Die Verjährungsfrist des § 68 StBerG lief deshalb am 2. August 1996 ab.
2. Bis dahin ist die Verjährung des vom Berufungsgericht zuerkannten Anspruchs nicht – insbesondere nicht durch Klage (§ 209 Abs. 1 BGB) – unterbrochen worden. Die Unterbrechung durch Klageerhebung tritt nur für den jeweils geltend gemachten Anspruch ein, d.h. begrenzt auf den Streitgegenstand der erhobenen Klage (BGH, Urt. v. 23. Juni 1993 - XII ZR 12/92, NJW 1993, 2439, 2440; v. 17. Oktober 1995 - VI ZR 246/94, NJW 1996, 117, 118, jeweils m.w.N.). Es genügt also, entgegen der Meinung des Berufungsgerichts, nicht die bloße Schadenseinheit (vgl. BGH, Urt. v. 3. November 1987 - VI ZR 176/87, NJW 1988, 965, 966), wenn die Ersatzpflicht für den einheitlichen Schaden auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt wird.
Zwar ist die vorliegende Klage der Beklagten schon am 10. Mai 1996 zugestellt worden. Die zugrundeliegende Klageschrift betraf aber einen anderen Streitgegenstand als denjenigen, auf den das Berufungsgericht die Verurteilung gestützt hat. Zum Streitgegenstand in diesem Sinne gehört auch der Lebenssachverhalt, aus dem der eingeklagte Anspruch abgeleitet wird (BGHZ 117, 1, 5; 135, 140, 150, jeweils m.w.N.).
a) Zur Begründung der Schadensersatzforderung gegen die Beklagte stützte sich der Kläger in der Klageschrift ausschließlich darauf, daß die Beklagte das Erstattungsverfahren vor dem Bundesamt für Finanzen Ende 1993/Anfang 1994 nachlässig geführt und anschließend die Einspruchsfrist des § 110 Abs. 3 (richtig: § 356 Abs. 2) AO versäumt habe. Der Kläger nahm also die Belastung durch Umsatzsteuer für die Jahre 1987 bis 1990 als solche hin, machte aber zur Grundlage seiner Schadensersatzklage folgenden Vorwurf:
„… die Beklagte hatte dieses Verfahren (vor dem Bundesamt für Finanzen) gerade initiiert, um die Vermögenseinbußen des Klägers, die dieser durch die Belastung mit Mehrwertsteuer … für die Jahre 1987 bis 1990 erlitten hatte, auszugleichen. Dementsprechend wurde … bewirkt, daß die Provisionsabrechnungen des Klägers für die Jahre 1987 bis 1992 … dahin geändert wurden, daß die Mehrwertsteuer ausgewiesen wurde.”
Streitgegenstand dieser Klage war demnach der im Herbst 1993 von der Beklagten eingeleitete Versuch, die Mehrwertsteuer nachträglich erstattet zu erhalten.
b) Demgegenüber stützt das Berufungsgericht seine Verurteilung darauf, daß die Beklagte von Anfang an – spätestens von 1987 bis 1990 – ihre Pflicht verletzt habe zu prüfen, ob die vom Kläger laufend verdienten Provisionen der Umsatzsteuer unterlagen. Als Folge dieser Pflichtverletzung habe die Beklagte den zeitnahen Hinweis versäumt, daß die Generalagentin eine kostenneutrale Möglichkeit hatte, die anfallende Umsatzsteuer auszugleichen. Deshalb soll es unterblieben sein, daß die Generalagentin „jedenfalls ab 1987” die Erstattung der Vorsteuer beim Bundesamt für Finanzen beantragt hätte.
Dies ist ein anderer Sachverhalt als derjenige, welcher der Klage in noch nicht verjährter Zeit zugrunde lag. Nunmehr geht es um den Vorwurf, daß die Beklagten nicht schon im Zeitpunkt der Abgabe der jeweiligen Umsatzsteuererklärungen (1987-1990) die Steuerlast von vornherein in der möglichen Weise neutralisiert habe.
Den für eine solche Beurteilung nötigen Sachverhalt hat der Kläger erstmals in substantiierter Form und zeitlicher Zuordnung in der Berufungserwiderung vom 3. Juni 1997 vorgetragen. Dagegen erfolgte sogar die Andeutung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 23. Oktober 1996,
„… bestand bis zum 31. März 1995 über mehrere Jahre hinweg ein Mandatsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger. Es wäre daher im Rahmen der steuerberatenden Tätigkeit auch die Verpflichtung der Beklagten gewesen, den Kläger auf diese angebliche Verpflichtung (die Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen) hinzuweisen und darauf hinzuwirken, daß eben in den Rechnungen an (die Generalagentin) die jeweilige Mehrwertsteuer mitaufgeführt wird”,
erst nach Ablauf der Verjährungsfrist. Deshalb kann es offenbleiben, ob dieser Hinweis ausgereicht hätte, um einen neuen Streitgegenstand zu individualisieren.
Die ursprüngliche Klageschrift enthielt demgegenüber nur die Erläuterung, daß die Beklagte im Zeitpunkt des Auftrags, den Erstattungsantrag beim Bundesamt für Finanzen zu stellen, „seit längerer Zeit, also schon vor 1993 von dem Kläger mit der Steuerberatung betraut war”. Daraus wurde eine Pflichtverletzung des Beklagten bei der Steuerberatung selbst nicht abgeleitet. Der Vortrag des Klägers bot auch keine Grundlage dafür: Der benannte Zeitraum reichte schon nicht erkennbar bis zu den Jahren 1987 bis 1990 zurück. Zudem fehlten Angaben dazu, daß der Beratungsvertrag gerade auch die umsatzsteuerliche Beratung umfaßte.
3. Die Beklagte darf sich auf den Ablauf der Verjährungsfrist für Schäden aus Pflichtverletzungen in den Jahren 1987 bis 1990 berufen. Daran ist sie insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung (vgl. BGHZ 83, 17, 23, 26 f) gehindert.
Eine sekundäre Hinweispflicht des Steuerberaters entfällt, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist wegen der Haftungsfrage anderweitig fachkundig beraten worden ist (BGHZ 129, 386, 392; für Rechtsanwälte auch Senatsurt. v. 1. Februar 1990 - IX ZR 82/89, WM 1990, 815, 818; v. 15. April 1999 - IX ZR 328/97, WM 1999, 1330, 1335 f). Insbesondere wenn ein anderer Rechtsanwalt einen Schadensersatzanspruch des Mandanten bereits geltend gemacht hat, darf der als haftpflichtig in Anspruch genommene Fachberater davon ausgehen, daß der Anspruchsteller über die Verjährung belehrt ist (Senatsurt. v. 14. November 1991 - IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837).
So liegt der Fall hier. Der Kläger hat durch Anwaltsschreiben vom 29. November 1995 der Beklagten mitgeteilt, daß nunmehr gegen sie Klage auf Zahlung von 301.671,83 DM erhoben werden sollte, wenn der geforderte Betrag nicht binnen zwei Wochen gezahlt werde. In diesem Schreiben nahm der neue Interessenvertreter des Klägers Bezug auf einen Klageentwurf, welcher der Beklagten sechs Tage zuvor übermittelt worden sei. Die geforderte Summe entsprach genau derjenigen, die später eingeklagt wurde. Jedenfalls unter diesen Umständen durfte die Beklagte jede weitere eigene Belehrung über Regreßansprüche gegen sich selbst unterlassen.
Daran würde es nichts ändern, wenn schon der der Beklagten zugeleitete Klageentwurf – wie sodann die spätere Klageschrift – nur einen Teil der möglichen Haftungsgrundlage gegenüber der Beklagten aufgezeigt hätte. Die Belehrungspflicht des in Anspruch genommen Rechtsanwalts oder Steuerberaters geht nämlich nicht etwa soweit, daß er seinen früheren – ihn jetzt in Anspruch nehmenden – Mandanten sogar über die erfolgversprechende Begründung des Anspruchs aufklären müßte. Vielmehr genügt der Hinweis, daß der frühere Fachberater dem Mandanten aus einem bestimmten Anlaß regreßpflichtig sein könne und ein entsprechender Schadensersatzanspruch in drei Jahren von der Schadensentstehung an verjähren würde. Nimmt der Mandant seinen früheren Fachberater bereits anwaltlich auf Schadensersatz in Anspruch, darf der Inanspruchgenommene regelmäßig darauf vertrauen, daß der neue Rechtsberater gerade jene erforderliche Belehrung erteilt hat oder erteilen wird. Dagegen braucht der zur Zahlung Aufgeforderte nicht weiter zu erwägen, aus welchen Gründen er nur aus dem ihm mitgeteilten Sachverhalt und nicht auch aus einem anderen – möglicherweise erfolgversprechenderen – Gesichtspunkt haftbar sein soll.
III.
Das angefochtene Urteil kann nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden. Vielmehr ist die Klage mit Bezug auf die Jahre 1987 bis 1990 abweisungsreif (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Insbesondere kann dieser geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht mit Erfolg auf denjenigen Sachverhalt gestützt werden, der Streitgegenstand der ursprünglichen Klage war. Der 1993 an das Bundesamt für Finanzen gerichtete Vergütungsantrag für die Jahre 1987 bis 1990 war nämlich von vornherein aussichtslos.
Gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV in der bis 1996 geltenden Fassung war der Antrag binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Dieser entsteht nach § 16 Abs. 2 UStG mit Ausführung des betreffenden Umsatzes an den Unternehmer und der Rechnungsstellung an ihn (Plückebaum/Malitzky, UStG 10. Aufl. § 18 Rdnr. 258). Insoweit legen die Parteien hier die Feststellungen zugrunde, die im Rahmen der Betriebsprüfung über das Entstehen der Umsatzsteuer bis 1990 getroffen wurden. Ein erfolgreicher Antrag sogar für das letztgenannte Jahr hätte deshalb spätestens 1991 gestellt werden müssen. Ob die Beklagte zu einem solchen Antrag hätte raten müssen, ist in unverjährter Zeit ebenfalls nicht Streitgegenstand geworden (zum Erfordernis vgl. Senatsurt. v. 30. September 1993 - IX ZR 211/92, WM 1993, 2129, 2132 f).
1. Die Versäumung der Antragsfrist unterlag zwar der Wiedereinsetzung gemäß § 110 AO. Aber auch diese war für Umsätze aus den Jahren bis Ende 1990 im Juli 1993 gemäß § 110 Abs. 3 AO ausgeschlossen, weil die Antragsfrist um mehr als ein Jahr versäumt war.
2. Ob die Finanzbehörde die Antragsfrist gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 UStDV unter den erleichterten Bedingungen des § 109 Abs. 1 Satz 2 AO rückwirkend hätte verlängern können, war unter der Geltung des 1993 anzuwendenden Rechts streitig (bejahend FG Saarland EFG 1985, 316; Plückebaum/Malitzky aaO; Bunjes/Geist, UStG 5. Aufl. § 18 Rdnr. 24 a; verneinend FG Schleswig-Holstein UR 1993, 95 f; FG Köln EFG 1998, 1366 f; 1998, 1367, 1368 f; 1998, 1370, 1371; ferner BMF-Schreiben BStBl. 1995 I 392; vgl. auch § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG 1996). Die Rechtsfrage braucht hier nicht allgemein entschieden zu werden. Denn sogar eine Anwendbarkeit des § 109 Abs. 1 Satz 2 AO hätte hier für den fraglichen Zeitraum nicht zum Erfolg führen können. Für die Jahre 1987 und 1988 war sie schon unzulässig, weil die Festsetzungsverjährung gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 AO abgelaufen war (vgl. Wegener UR 1993, 181, 185). Für die Folgezeit stand die Anwendung des § 109 Abs. 1 AO im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde (FG Hessen EFG 1989, 326, 327; vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO 10. Aufl. § 109 Rdnr. 20).
Für eine entsprechende Ermessensausübung durch das Bundesamt für Finanzen sprachen hier jedoch objektiv keinerlei Gründe. Insbesondere geboten es nicht Billigkeitsgesichtspunkte, dem Kläger nachträglich eine rechtliche Gestaltung zu ermöglichen, durch die er eine eingetretene Steuerbelastung ausgleichen konnte; die schweizerische Generalagentin war ohnehin nicht mit Steuern belastet worden. Gegen eine – rückwirkende – Fristverlängerung mußte sich entscheidend auswirken, daß die sechsmonatige Antragsfrist um mehr als zwei Jahre versäumt war. Die auf Unkenntnis beruhende Fristversäumung war auch nicht entschuldbar. Dem entspricht es, daß das Bundesamt für Finanzen in seinem Bescheid vom 17. März 1995 ausdrücklich nur auf die – rechtzeitig beantragte – Steuererstattung für das Jahr 1993 inhaltlich eingegangen ist.
Unterschriften
Paulusch, Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.03.2000 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539276 |
BFH/NV Beilage 2001, 83 |
DB 2000, 1706 |
DStR 2000, 1360 |
DStZ 2000, 656 |
HFR 2000, 848 |
NJW 2000, 2678 |
WM 2000, 1348 |
ZAP 2000, 950 |
VersR 2001, 199 |
BFH/NV-Beilage 2001, 83 |
BRAK-Mitt. 2000, 178 |
WPK-Mitt. 2000, 252 |