Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuerrecht: Berücksichtigung von ausländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen des Progressionsvorbehalts
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berücksichtigung der in den Niederlanden erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Rahmen des Progressionsvorbehalts führt - auch für Veranlagungszeiträume ab 2008 - nicht zu einer Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie beruht auf der erhöhten Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen und beinhaltet als solche keine Diskriminierung.
2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, nur die in § 32b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 EStG 2009 abschließend aufgezählten Einkünfte dem besonderen Steuersatz des § 32b Abs. 2 EStG nicht zu unterwerfen, überschreitet nicht den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Das von ihm verfolgte Ziel, die Berücksichtigung von negativen Auslandseinkünften im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu verhindern, beruht auf sachgerechten finanzpolitischen und volkswirtschaftlichen Erwägungen.
Normenkette
DBA NL Art. 10, 20; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 32b
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 30.09.2014; Aktenzeichen I B 24/14) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet (DBA NL) in Deutschland steuerfreien Einkünfte der Klägerin in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war in den Streitjahren bei der niederländischen Fluggesellschaft A (A) als Stewardess beschäftigt. Aus dieser Tätigkeit erzielte sie in den Streitjahren Einkünfte, und zwar 2007 in Höhe von ... €, 2008 in Höhe von ... €, 2009 in Höhe von ... € und 2010 in Höhe von ... €. Für die Einsatzzeiten als Stewardess erhielt die Klägerin zusätzlich eine Aufwandsentschädigung, die gesondert abgerechnet wurde.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ging der Beklagte davon aus, dass die Einkünfte der Klägerin nach Art. 10 Abs. 3 S. 1, Art. 20 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 DBA NL in Deutschland steuerfrei seien. Er bezog diese Einkünfte jedoch gemäß § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in dem jeweiligen Streitjahr, vermindert um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in die Berechnung des Steuersatzes ein. Auf dieser Grundlage setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2007 auf ... €, für 2008 auf ... €, für 2009 auf ... € und für 2010 auf ... € fest.
Gegen diese Einkommensteuerbescheide legten die Kläger jeweils fristgemäß Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidungen vom 12.02.2013 wies der Beklagte die Einsprüche jeweils als unbegründet zurück und fügte als Anlage die Einkommensteuerbescheide bei.
Am 14.03.2013 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass der Beklagte die Einkünfte der Klägerin zu Unrecht bei der Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt habe. Die Regelung verstoße gegen Unionsrecht, denn die Einkünfte der Klägerin seien nach dem DBA NL in Deutschland steuerfrei und dürften im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit nicht über den Progressionsvorbehalt einbezogen werden. In Folge der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) würden nunmehr Gewinne aus einer in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Voraussetzungen des § 2a Abs. 2 S. 1 EStG 2008 erfülle, sowie aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichen Vermögen, das in einem Mitgliedstaat belegen sei, von dem Progressionsvorbehalt ausgenommen (vgl. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. S. 2 Nr. 2 und 3 EStG 2009). Die Besteuerung von Betriebstätteneinkünften sowie Einkünften aus Vermietung und Verpachtung obliege daher ausschließlich dem Belegenheits- bzw. Tätigkeitsstaat. Daraus folge für die Klägerin, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehe, eine Ungleichbehandlung sowie eine Verletzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit. Die von der Klägerin getroffene Wahl des Arbeitsplatzes und des Wohnsitzes führe dazu, dass sie, und durch die Zusammenveranlagung auch ihr Ehegatte, steuerlich schlechter gestellt würden, als wenn sie inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hätten. Die Einbeziehung des bereits in den Niederlanden versteuerten Bruttoarbeitslohns in die Berechnung des Steuersatzes führe zu einer steuerlichen Mehrbelastung und zu einer doppelten Berücksichtigung derselben Einkünfte. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die noch zu der alten Rechtslage ergangen sei.
Der Beklagte habe zudem das Bruttogehalt der Klägerin dem Progressionsvorbehalt unterworfen und nicht um die Abzüge des Arbeitgebers reduziert. Sozialversiche...