Entscheidungsstichwort (Thema)
Veränderte Umstände iS des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO. Einkommensteuer 2000
Leitsatz (redaktionell)
1. Veränderte Umstände iS des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO, die einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung eines Gerichtsbeschlusses über die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids rechtfertigen, können auch bei einer nach dem Beschluss ergangenen Gesetzesänderung, einer Entscheidung des BVerfG oder einer die entscheidungserhebliche Rechtsfrage klärenden Rechtssprechung vorliegen.
2. Äußert der BFH in einem Aussetzungsbeschluss ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift (Hier des § 2 Abs. 3 EStG), kann hierdurch die streitige Rechtsfrage noch nicht als geklärt angesehen werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 6 S. 2; EStG § 2 Abs. 3
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Hauptsacheverfahren (Klageverfahren, Az.: 13 K 738/02) die Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG.
Mit Beschluss vom 05.11.2001 (Az.: 13 V 3616/01) hatte der Senat den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuer-ESt-Bescheids 2000 vom 01.06.2001 als unbegründet abgelehnt.
Unter Hinweis auf den Beschluss des BFH vom 06.03.2003 XI B 7/02 (BStBl II 2003, 516) begehrt die Antragstellerin die Änderung des Gerichtsbeschlusses (Schriftsatz vom 06.06.2003, bei Gericht am 10.06.2003 eingegangen).
Der Antragsgegner (Finanzamt) hat am 16.07.2003 die Vollziehung des am 23.08.2001 geänderten ESt-Bescheids 2000 ab 10.06.2003 aufgehoben und den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Antragstellerin hat erklärt, dass sie den Rechtsstreit nicht für erledigt hält.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 16.01.2002, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Finanzgerichts vom 20.11.2001 abzuändern und nunmehr die Aufhebung der Vollziehung des ESt-Bescheids vom 23.08.2001 zum 29.06.2001 anzuordnen.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unzulässig.
1. Nach § 69 Abs. 6 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung des Beschlusses über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Die Vorschrift will verhindern, dass das Finanzgericht wiederholt mit denselben Aussetzungsanträgen konfrontiert wird (vgl. Tipke/Kruse, § 69 FGO Rz. 166). Die Zulässigkeit des Antrags nur bei veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände dient der Entlastung der Gerichte (vgl. BFH-Beschluss vom 15.01.1991 IX S 6/90, BHV/NV 1991, 535).
Die Antragstellerin hat keine Umstände i. S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO geltend machen können.
Das Vorliegen neuer rechtlicher Argumente reicht hierfür grundsätzlich nicht aus, da die Änderungsmöglichkeit des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO kein Verfahren zur Überprüfung der Rechtswidrigkeit der einmal getroffenen Entscheidung eröffnen soll (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 04.12.2000 V 214/00, EFG 2001, 516). Veränderte rechtliche Umstände liegen aber bei einer nach dem Gerichtsbeschluss ergangenen Gesetzesänderung, bei einer die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nachträglich klärenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidung und veränderter höchstrichterlicher Rechtsprechung vor (vgl. BFH-Beschluss, BFH/NV 1991, 535; Tipke/Kruse § 69 FGO Rz. 166 m.w.H.).
Die Antragstellerin hat ihr erneutes Aussetzungsbegehren auf den inzwischen ergangenen Beschluss des BFH vom 06.03.2003 XI B 7/02 (BStBl II 2003, 516) gestützt, in dem der BFH an der Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 insoweit ernstliche Zweifel geäußert hat, als aufgrund des begrenzten Verlustausgleichs – hier zwischen negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und positiven Einkünften aus selbständiger Arbeit – eine ESt auch dann festzusetzen ist, wenn dem Steuerpflichtigen von seinem im Veranlagungszeitraum Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 06.03.2003 XI R 76/02, BStBl II 2003, 523).
Die Rechtsfrage kann hierdurch jedoch nicht als geklärt angesehen werden. Der BFH konnte nur für das vorläufige Verfahren ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift äußern. Eine die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift feststellende Entscheidung kann nur vom Bundesverfassungsgericht getroffen werden (Art. 93 Nr. 4 a und 5 Grundgesetz –GG–, Art. 100 Abs. 1 GG). Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der sog. Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG liegt nicht vor. Soweit ersichtlich (vgl. Liste der u. a. beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren, Beilage Nr. 2/2003 zum BStBl II Nr. 10/2003 vom 15.07.2003) ist nicht einmal ein entsprechendes Verfahren beim Bundesver...