Rz. 94
Mit der Neufassung der Nr. 8 durch das G. v. 14.8.2007 wurden Stillhalterprämien für die Einräumung von Optionen der KapESt unterworfen. Die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG und damit auch der KapESt-Abzug wurden erstmals für nach dem 31.12.2008 zufließende Stillhalterprämien vorgenommen (§ 52a Abs. 9 EStG). Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG Stillhalterprämien, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden. Schließt der Stillhalter ein Glattstellungsgeschäft ab, mindern sich die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien. Es handelt sich um einen "steuerlichen Einmaltatbestand", weshalb die Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte dem Vz zuzuordnen sind, in dem die Stillhalterprämie vereinnahmt wurde. Dies gilt nach Ansicht der Rspr. auch dann, wenn das Glattstellungsgeschäft in einem anderen Vz getätigt wird als das Stillhaltergeschäft.
Rz. 94a
Bis zum 31.12.2008 zufließende Stillhalterprämien unterfielen der Besteuerung nach § 22 Nr. 3 EStG und unterlagen keinem Steuerabzug.
Rz. 95
Die in einem Gegengeschäft (Glattstellungsgeschäft) gezahlten Prämien mindern die Einnahmen aus Stillhaltergeschäften. Bei der Glattstellung tätigt der Anleger ein Gegengeschäft, z. B. verkauft der Inhaber einer Kauf- oder Verkaufsoption eine Option derselben Serie, aus der er zuvor gekauft hat. Kennzeichnet er das Geschäft als Glattstellungs- oder Closing-Geschäft, bringt er damit Rechte und Pflichten aus beiden Geschäften zum Erlöschen. Umgekehrt kann sich auch der Optionsverkäufer (Stillhalter) vor Ablauf der Optionsfrist durch den Kauf einer Option derselben Serie aus seiner Verpflichtung lösen.
Rz. 96
Zu einzelnen Tatbeständen im Rahmen von Stillhaltergeschäften gilt Folgendes:
- Die Zahlung eines Differenz- bzw. Barausgleichs war nach früherer Auffassung der Finanzverwaltung aufgrund des Gesetzeswortlauts beim Stillhalter einkommensteuerlich nicht zu berücksichtigen, da der Vermögensschaden des Stillhalters nach überholter Auffassung einkommensteuerlich unbeachtlich war.
- Nach der Entscheidung des BFH v. 20.10.2016 hat die Finanzverwaltung ihre Auffassung angepasst. Muss der Stillhalter einen Barausgleich leisten, ist dieser nunmehr als Verlust aus einem Termingeschäft nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. a) EStG zu berücksichtigen.
- Lässt der Inhaber der Kaufoption diese am Ende der Laufzeit verfallen, sind die für den Erwerb der Kaufoption entstandenen Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns (oder Verlusts) i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 5 EStG zu berücksichtigen. Die Finanzverwaltung hat diese Ausführungen in das Anwendungsschreiben zur Abgeltungsteuer übernommen.
- Schließt der Stillhalter einer Verkaufsoption ein Glattstellungsgeschäft ab, sind die gezahlten Prämien und die damit im Zusammenhang angefallenen Nebenkosten zum Zeitpunkt der Zahlung als negativer Kapitalertrag in den sog. Verlustverrechnungstopf i. S. d. § 43a Abs. 3 S. 2 EStG einzustellen. Gleiches gilt, wenn die im Zusammenhang mit erhaltenen Prämien angefallenen Nebenkosten die vereinnahmten Stillhalterprämien mindern, da es insoweit unerheblich ist, ob die Nebenkosten im Zeitpunkt der Glattstellung oder der Vereinnahmung angefallen sind.
Rz. 97
Durch den Entwurf eines Jahressteuergesetzes ("JStG") 2024 soll der Rspr. des BFH v. 2.8.2022 mittels einer Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG entgegengewirkt werden (sog. "Nichtanwendungsgesetz"). Die Änderung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft treten (Art. 45 Abs. 1 JStG-E).
Der BFH hatte entschieden, dass Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG – in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 S. 1 EStG (sog. Abflussprinzip) – die Einnahmen in dem Vz mindern, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden. Es handelt sich laut BFH insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO. Ergibt sich dabei für das einzelne Stillhalter-/Glattstellungsgeschäft ein Verlust (eine negative Differenz), ist dieser abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG. Eine Glattstellung liegt vor, wenn der Stillhalter eine Option der gleichen Art unter Closing-Vermerk kauft, wie er sie zuvor verkauft hat. Dabei wird nur der beim Stillhalter nach Abschluss eines Gegengeschäfts (Glattstellung) verbliebene Vermögenszuwachs der Besteuerung unterworfen (Nettoprinzip). Der bisherige Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ließ es aus Sicht des Gesetzgebers jedoch offen, wann die Einnahmen aus den Stillhalterprämien um die im Glattstellungsgeschäft gezahlten Prämien zu mindern sind. Aus Vereinfachungsgründen wurde seit Einführung der Abgeltungsteuer für den KapESt-Abzug daher im Verwaltungsweg geregelt, dass die gezahlten Prämien und die damit im Zusammenhang angefallenen Nebenkosten zum Zeitpunkt der Zahlung als negativer Kapital...