FinMin Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 10.3.2021, S 0450
1 Allgemeines
1.1 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis werden im Erhebungs- bzw. Erstattungsverfahren nach Maßgabe der Verwaltungsakte verwirklicht, mit denen die Leistung festgesetzt worden ist. Bei Säumniszuschlägen genügt für die Erhebung die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes (§ 218 Abs. 1 AO).
1.2 Besteht zwischen der Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen Streit über die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, entscheidet das Finanzamt nach § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid (BFH-Urteil vom 12.6.1986, BStBl 1986 II S. 704).
1.3 Die Entscheidung durch Abrechnungsbescheid kommt insbesondere in Betracht, wenn Streit besteht über die Frage, ob und inwieweit
- ein Anspruch durch Zahlung erloschen ist (BFH-Urteil vom 27.10.1972, BStBl 1973 II S. 89),
- ein Rückerstattungsanspruch aus fehlgeleiteter Zahlung besteht (BFH-Urteil vom 18.6.1986, BStBl 1986 II S. 704),
- ein Anspruch durch Aufrechnung erloschen ist (BFH-Urteil vom 2.4.1987, BStBl 1987 II S. 536),
- ein durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zuerkannter Erstattungsanspruch besteht (BFH-Urteil vom 14.7.1987, BStBl 1987 II S. 802),
- auf die festgesetzte Steuerschuld Steuerabzugsbeträge oder Vorauszahlungen anzurechnen sind; die Anrechnung (Anrechnungsverfügung) von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung ist noch kein Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO (BFH-Urteil vom 14.11.1984, BStBl 1985 II S. 216, 218).
- Säumniszuschläge entstanden sind (BFH-Urteil vom 15.3.1979, BStBl 1979 II S. 429; BFH Urteil vom 8.11.1989, BFH/NV 1990 S. 546),
- ein Anspruch durch Eintritt der Zahlungsverjährung erloschen ist (§ 228 AO; BFH-Beschluss vom 8.1.1998, BFH/NV 1998 S. 686).
1.4 Bei Streitigkeiten über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen oder Vorauszahlungen ist neben dem Verfahren nach § 218 Abs. 2 AO (Abrechnungsbescheid) grundsätzlich das förmliche Einspruchsverfahren gegen die Anrechnungsverfügung zulässig, da es sich dabei um einen Verwaltungsakt im Bereich der Steuererhebung handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 28.4.1993, BStBl 1993 II S. 836; Urteil vom 24.6.1994, BFH/NV 1994 S. 288) ist aber der Einspruch regelmäßig als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO anzusehen, weil nur so eine Klärung der streitigen Fragen erreicht werden kann. Darauf ist der Steuerpflichtige in dem zu erteilenden Abrechnungsbescheid hinzuweisen.
Im Zeitpunkt des Erlasses des Abrechnungsbescheides entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Einspruch. Der Steuerpflichtige kann ab diesem Zeitpunkt seine Einwände nur noch in dem durch Gesetz vorgeschriebenen Verfahren nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO vorbringen. Lediglich in Fällen, in denen der Steuerpflichtige ausdrücklich auf einer Entscheidung über seinen Einspruch gegen die Anrechnungsverfügung besteht, ist neben dem Verfahren nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO auch noch das Einspruchsverfahren durchzuführen. Der Einspruch ist in diesem Fall als unzulässig zu verwerfen.
Eine Aussetzung der Vollziehung der Anrechnungsverfügung bleibt grundsätzlich möglich, soweit trotz Anrechnung eine Zahlungspflicht besteht. Sie ist allerdings wegen des unvermeidlichen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses bis zum Zeitpunkt des Ergehens des Abrechnungsbescheides zu befristen. Danach kann ggf. eine Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides in Betracht kommen.
Eine Anrechnungsverfügung ist ein Verwaltungsakt mit Bindungswirkung. Diese Bindungswirkung muss auch beim Erlass eines Abrechnungsbescheids nach § 218 Abs. 2 beachtet werden. Deshalb kann im Rahmen eines Abrechnungsbescheides die Steueranrechnung zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen nur dann korrigiert werden, wenn eine der Voraussetzungen der §§ 129 – 131 AO gegeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1997, BStBl 1997 II S. 787; AEAO zu § 218 Tz. 3).
Enthält der Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO gegenüber der ursprünglichen Anrechnungsverfügung eine Änderung, so ist dies auch bei der Zinsfestsetzung zu berücksichtigen.
Das Verfahren bei Streitigkeiten, welche die Verwirkung von Säumniszuschlägen betreffen, ist in der AO-Kartei NRW § 240 Karte 801 geregelt.
2 Voraussetzungen für die Erteilung eines Abrechnungsbescheids
2.1 Ein Abrechnungsbescheid soll in der Regel nur auf Antrag erlassen werden.
2.2 Werden Einwendungen gegen eine Aufrechnungserklärung als Einspruch bezeichnet, so ist diese in einen Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheids umzudeuten (BFH-Urteil vom 2.4.1987, BStBl 1987 II S. 536).
2.3 Ein Abrechnungsbescheid soll erst erlassen werden, wenn der Streit nicht anderweitig (z.B. durch mündliche oder schriftliche Erörterung) beigelegt werden kann. Ein dem Steuerpflichtigen übersandter Kontoauszug ist kein Abrechnungsbescheid, sondern lediglich eine Kassenmitteilung.
2.4 Zur Rückforderung fehlerhaft erstatteter Beträge ist ein Abrechnungsbescheid von Amt...