Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögenswirksame Leistung - Kurzarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Für Zeiten der Kurzarbeit sind vermögenswirksame Leistungen nach dem Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen in der Textilindustrie vom 10. Mai 1972 nur dann zu zahlen, wenn im Kalendermonat für mindestens zwei Wochen ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.07.1988; Aktenzeichen 5 Sa 2212/87) |
ArbG Rheine (Entscheidung vom 06.11.1987; Aktenzeichen 2 Ca 910/87) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen tarifvertraglichen Anspruch auf vermögenswirksame Leistung.
Die Klägerin war im Jahre 1987 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Verbandszugehörigkeit der Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen in der Textilindustrie vom 10. Mai 1972 (TV-vL) Anwendung. Voraussetzungen und Höhe der Leistungen werden in § 2 wie folgt bestimmt:
"1. Der Arbeitgeber gewährt vermögenswirksame Lei-
stungen nach Maßgabe der Bestimmungen des Dritten
Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG) in der Fas-
sung vom 27. Juni 1970.
2. Die vollen vermögenswirksamen Leistungen betragen
kalenderjährlich
ab 1. Januar 1973 312 DM
ab 1. Januar 1975 468 DM
Die Leistungen sind in monatlichen Teilbeträgen
von 26 DM bzw. 39 DM fällig. ...
4. Der Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen
entsteht nach einer ununterbrochenen Beschäfti-
gungsdauer von 6 Monaten erstmals mit Beginn
des nachfolgenden Kalendermonats.
5. Vermögenswirksame Leistungen werden für jeden
Kalendermonat nach Erfüllung der Wartezeit
(Ziff. 4) gezahlt, für den mindestens für
2 Wochen Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht.
6. Der Anspruch für den laufenden Monat entfällt,
wenn das Arbeitsverhältnis wegen eines Verhal-
tens des Arbeitnehmers, das zur fristlosen Kün-
digung berechtigt, ohne Einhaltung einer Kündi-
gungsfrist aufgelöst werden kann oder wenn der
Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unberechtigt
vorzeitig löst."
Infolge angeordneter Kurzarbeit hat die Klägerin im Monat Februar 1987 nur in der Zeit vom 9. bis 12. und vom 23. bis 26. Februar jeweils an vier Tagen gearbeitet. Aus diesem Grund verweigerte die Beklagte die Zahlung der vermögenswirksamen Leistung in Höhe von 39,-- DM für diesen Monat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei mit § 2 Ziff. 5 TV-vL nicht zu vereinbaren, daß der Anspruch dann entfalle, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Wartezeit durch Kurzarbeit keine zwei Wochen im Monat arbeite. Die in § 2 Ziff. 5 TV-vL vorgesehene Beschränkung des Anspruches betreffe allein den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats nach Ablauf der tariflichen Wartezeit. Wegen des Zwecks des Tarifvertrages, zu einer regelmäßigen Vermögensbildung beizutragen, sei es auch nicht sachgerecht, einem Arbeitnehmer den Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen zu nehmen, nur weil im Interesse des Betriebes Kurzarbeit gemacht werde und der Arbeitnehmer ohnehin Lohneinbußen hinnehmen müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 39,-- DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, aus dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Ziff. 5 TV-vL folge die Unbegründetheit des Anspruchs.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Januar 1989 - 6 AZN 595/88 - zugelassenen Revision begehrt die Klägerin ihren Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch der Klägerin auf vermögenswirksame Leistungen für den Monat Februar 1987 sei unbegründet, weil nach § 2 Ziff. 5 TV-vL infolge der Kurzarbeit kein Anspruch entstanden sei. Diese Tarifnorm mache die Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen von einem Anspruch auf Zahlung vom Arbeitsentgelt in dem einzelnen Kalendermonat für mindestens zwei Wochen abhängig. Weitere Voraussetzungen seien vom Wortlaut her nicht gegeben. Den Tarifvertragsparteien habe es freigestanden, solche Lohnabrechnungszeiträume von der Vergünstigung der Zahlung vermögenswirksamer Leistungen auszunehmen, in denen der Lohnanspruch nicht den Zeitraum von zwei Wochen erreiche. Auch ergebe sich nichts dafür, daß sich § 2 Ziff. 5 TV-vL nur auf Ansprüche nach Ablauf der Wartezeit und der danach erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses beziehe.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind rechtlich nicht zu beanstanden.
II. Der Anspruch der Klägerin auf vermögenswirksame Leistungen gemäß § 2 Ziff. 1, 5 TV-vL für den Monat Februar 1987 ist nicht entstanden, weil die Klägerin für diesen Monat infolge Kurzarbeit keinen Entgeltanspruch für die Dauer von zwei Wochen gegen die Beklagte hat. Nach § 2 Ziff. 5 TV-vL werden vermögenswirksame Leistungen für jeden Kalendermonat nach Erfüllung der Wartezeit (Ziff. 4) gezahlt, für den mindestens für zwei Wochen Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Infolge angeordneter Kurzarbeit hat die Klägerin im Monat Februar 1987 nur an acht Tagen gearbeitet.
Soweit die Revision unter Hinweis auf die Entscheidung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 9. November 1977 (- 4 AZR 374/76 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie) meint, wegen der Erwähnung der Wartezeit in dieser Tarifnorm beschränke sich der Anwendungsbereich auf die Monate der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Wartezeit, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Tarifnorm lassen eine derartige Auslegung nicht zu. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der Eindeutigkeit des Wortlautes ausgegangen. Vom Wortlaut der Norm ist nicht ersichtlich, daß sich der Anwendungsbereich der Ziff. 5 auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezieht. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird in § 2 Ziff. 5 TV-vL nicht erwähnt. Auch aus dem Hinweis in Ziff. 5 auf Ziff. 4 ergibt sich dafür kein Anhaltspunkt. Insoweit wird in Ziff. 5 nur auf die in Ziff. 4 definierte Wartezeit Bezug genommen. Damit regelt § 2 Ziff. 5 TV-vL vom Wortlaut her ganz allgemein, daß im Kalendermonat mindestens für zwei Wochen Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehen muß.
Auch aus dem Willen der Tarifvertragsparteien und dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages ergibt sich nichts gegenteiliges. Nach § 2 Ziff. 1 TV-vL sollen alle anspruchsberechtigten Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen enthalten, soweit nicht der Tarifvertrag in § 2 Ziff. 3 bis 7 selbst Ausnahmen vorsieht. Dies ist rechtlich zulässig, denn das Vermögensbildungsgesetz setzt nur den Rahmen, innerhalb dessen die Tarifvertragsparteien ihrerseits unter Inanspruchnahme ihrer Rechtssetzungsbefugnis entsprechende tarifliche Regelungen treffen können (§§ 3, 4 3. Vermögensbildungsgesetz vom 15. Januar 1975 (BGBl I S. 258; vgl. auch BAG Urteil vom 9. November 1977, aaO). Die Ausnahmebestimmung des § 2 Ziff. 5 TV-vL ist als solche restriktiv auszulegen (ständige Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 13. Januar 1981 - 6 AZR 678/78 - AP Nr. 2 zu § 46 BPersVG) und kann deshalb auch nicht erweiternd auf den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angewandt werden. Dies ergibt sich schon daraus, daß die Tarifvertragsparteien in Ziff. 6 eine abschließende Regelung über die Beendigungstatbestände getroffen haben. Danach entfällt der Anspruch für den laufenden Monat, wenn das Arbeitsverhältnis wegen eines Verhaltens des Arbeitnehmers, das zur fristlosen Kündigung berechtigt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden kann oder wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig löst. Die Tarifvertragsparteien haben somit durchaus den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedacht.
Dieses Ergebnis widerspricht auch nicht dem Urteil des Vierten Senats vom 9. November 1977 (aaO), der für eine ähnlich lautende Tarifnorm angenommen hat, daß für Zeiten der Kurzarbeit die vermögenswirksamen Leistungen ungekürzt fortzuzahlen seien. Der Vierte Senat hat in dieser Entscheidung die hier streitige Rechtsfrage nicht zu entscheiden brauchen und sie auch ausdrücklich dahingestellt sein lassen, weil beträchtlich mehr als die Hälfte der betrieblichen Arbeitszeit in dem Kalendermonat geleistet worden war.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Dörner Dr. Freitag
Fürbeth Spiegelhalter
Fundstellen
BB 1991, 478 |
BB 1991, 478-479 (LT1) |
DB 1991, 811-812 (LT1) |
Stbg 1991, 291-291 (T) |
NZA 1991, 315-316 (LT1) |
RdA 1991, 64 |
AP § 1 TVG, Nr 16 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 1040 Nr 7 (LT1) |
AR-Blattei, Kurzarbeit Entsch 7 (LT1) |
EzA § 4 TVG Textilindustrie, Nr 6 (LT1) |