Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsabsenkung durch Firmentarifvertrag für Kureinrichtungen einer Krankenkasse
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu Senat 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 26 = EzA TVG § 3 Nr. 22, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen
Normenkette
TVG Tarifkonkurrenz § 4; TVG §§ 1-4; GG Art. 3 Abs. 1; BGB § 138
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Vergütungsanspruch der Klägerin durch Firmentarifvertrag neben dem fortbestehenden Verbandstarifvertrag wirksam abgesenkt wurde.
Die Klägerin stand vom 1. Januar 1978 bis 30. September 1999 in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten und war in deren Kureinrichtung “Haus S.” in Bad M. beschäftigt.
In dem Formulararbeitsvertrag heißt es ua.:
“Für das Anstellungsverhältnis gilt der mit den Gewerkschaften abgeschlossene Ersatzkassentarifvertrag (EKT) mit den dazu gehörigen Anlagen.
Künftige Änderungen des EKT oder an seine Stelle tretende Tarifverträge gelten vom Tage des Inkrafttretens auch für Ihr Anstellungsverhältnis.”
Der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) bestehend aus dem Manteltarifvertrag (MTV) und diversen Anlagen, ua. Anlage 3 “Gehaltstabelle II” wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1962 mit späteren Änderungen von der Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen, der die Beklagte als Mitglied angehört, einerseits und ua. von der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) andererseits abgeschlossen, deren Mitglied die Klägerin von Februar 1998 bis 30. September 1998 war.
Die Anlage 5 “Tätigkeitsmerkmale” ist ein “Haustarifvertrag” zwischen der Beklagten und diversen Gewerkschaften, ua. der DAG. Die Tarifgemeinschaft der Ersatzkassen ist für den Bereich “Tätigkeitsmerkmale” nicht zuständig. Die Klägerin ist in der VergGr. 2 des Abschnitts D “Kureinrichtungen und Bildungszentrum” der Anlage 5 zum EKT eingruppiert. Sie erhält Vergütung nach VergGr. 2. Die Höhe richtet sich nach Anlage 3 “Gehaltstabelle II” zum EKT. Die genannten Beträge zahlte die Beklagte unter Hinweis auf den wegen der wirtschaftlichen Folgen der Einschnitte im “Kurwesen” mit dem “Verband der weiblichen Arbeitnehmer e.V.”, dem “DHV Deutsche Handels- und Industrieangestelltenverband” und der DAG mit Wirkung zum 1. Februar 1998 abgeschlossenen gleichlautenden “Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b zum EKT”, einem Firmentarifvertrag, nicht voll aus, sondern kürzte sie entsprechend.
In ihm “wird vereinbart”, daß die “Anlage 5 zum EKT – Tätigkeitsmerkmale – … wie folgt geändert wird”:
“I.
Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D. Kureinrichtungen und Bildungszentrum
Protokollnotizen
Nach der Protokollnotiz Nr. 2 wird folgende Protokollnotiz Nr. 3 angefügt:
3. Vergütungsgruppen in den Kureinrichtungen “Haus Q”, “Haus S” und “Haus W”
- In den Kureinrichtungen “Haus Q”, “Haus S” und “Haus W” entspricht das sich aus den Vergütungsgruppen ergebende Gehalt der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter ab dem 1. Februar 1998 dem Faktor 0,85. Für die am 31. Januar 1998 in den Kureinrichtungen nach Satz 1 beschäftigten Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter vollzieht sich dies in folgender Weise:
- Ab 01. Februar 1998 beträgt das monatliche Gehalt (§ 11 EKT) einschließlich persönlicher Zulagen nach § 10 Abs. 2 bis 4 EKT und Anlage 5 zum EKT 90 v.H.
- Darüber hinaus vermindert sich das monatliche Gehalt (§ 11 EKT) einschließlich persönlicher Zulagen nach § 10 Abs. 2 bis 4 EKT und Anlage 5 zum EKT ab 01. Februar 1998 in 36-Monatsschritten, bis am 31. Januar 2001 monatlich 5 v.H. Minderung erreicht sind.
- Die nach den Ziffern 3.1 und 3.2 verminderten Bezüge stellen die maßgeblichen Bezüge iSd. EKT und seiner Anlagen dar.
- Die monatlichen Minderungsbeträge nach 3.2 bis einschließlich des Monats der Zahlung des Urlaubsgeldes nach § 23 EKT können jeweils mit dem Urlaubsgeld auf Antrag der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters insgesamt verrechnet werden.
Die Texte nach der Überschrift “Inkrafttreten/Kündigung” ändern sich wie folgt:
“Inkrafttreten/Kündigung
Die durch den Ergänzungstarifvertrag Nr. 4b geänderte Fassung der Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D – tritt am 01. Februar 1998 in Kraft.
Die vorliegende Fassung der Anlage 5 zum EKT – Abschnitt D -kann mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres frühestens zum 31. März 2001 gekündigt werden.
II.
Die DAK verpflichtet sich, die kasseneigenen Kureinrichtungen “Haus S”, “Haus W” und “Haus Q” selbst in Eigenregie wirtschaftlich auf Dauer, mindestens jedoch auf zehn Jahre, weiterzubetreiben. Ist die Erreichung dieses Ziels, diese Einrichtung wirtschaftlich weiterzubetreiben, durch eine Änderung wesentlicher Umstände gefährdet, verpflichtet sich die DAK unter Einbeziehung der tarifabschließenden Gewerkschaften, durch geeignete Anpassungsmaßnahmen für eine weitere Erreichung dieses Ziels zu sorgen.”
Als Datum des Vertragsabschlusses ist in der Urkunde der “17.3.1998” genannt. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft schickte die ihr von der Beklagten am 17. März 1998 bereits unterzeichnet übersandte Urkunde mit Schreiben vom 30. April 1998 von ihr unterschrieben zurück, das bei der Beklagten am 7. Mai 1998 einging.
Mit der beim Arbeitsgericht am 6. März 1998 eingegangenen Klage macht die Klägerin die der Höhe nach unstreitigen Gehaltsdifferenzen zwischen der VergGr. 2 nach Maßgabe der Anlage 3 “Gehaltstabelle II” zum EKT und der Anlage 5 in der Fassung vom 17. März/7. Mai 1998 für die Monate Februar 1998 bis 30. September 1999 in Höhe von 10.243,73 DM brutto geltend. Sie hat die Auffassung vertreten, der Ergänzungstarifvertrag finde auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Der Tarifvertrag sei unwirksam. Er verletze insbesondere den Vertrauensgrundsatz, verstoße gegen den Gleichheitssatz und wegen des Ausmaßes der Lohnreduzierung gegen die guten Sitten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, für den Zeitraum vom 1. Februar 1998 bis 30. September 1999 10.243,73 DM brutto nebst 8,25 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. Juli 2000 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, für das Klagebegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Das Klagebegehren widerstreite der durch den Ergänzungstarifvertrag wirksam gestalteten Rechtslage.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Gehaltsdifferenzen. Die Absenkung des Vergütungsniveaus des Verbandstarifvertrages durch Ergänzung eines Firmentarifvertrages ist wirksam. Aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergibt sich zugunsten der Klägerin nichts anderes.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Pfeil, Münter
Fundstellen