Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung bei Tariflücke
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Schließung einer unbewußten Tariflücke in der Vergütungsordnung zum BAT ist darauf abzustellen, wie darin artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewertet werden (ständige Rechtsprechung des Senats).
2. Die Vergleichbarkeit von Dauer, Intensität und wissenschaftlicher Ausrichtung der Ausbildungen zu zwei verschiedenen Berufen für sich allein ist nicht geeignet, die Ausfüllung einer Tariflücke in der Vergütungsordnung zu begründen.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; Anlage 1a Teil II Abschn. G - Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst - zum BAT/BL, VergGr. IV a; Anlage 1a Teil II Abschn. D - Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen - zum BAT/BL, VergGr. IV a; Anlage 1a Teil I - Allgemeiner Teil - zum BAT/BL, VergGr. IV a
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 29. Juni 1998 – 8 Sa 9/98 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. November 1997 – 28 Ca 315/96 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifgerechte Vergütung der Klägerin.
Die am 10. Juni 1956 geborene Klägerin wurde nach ihrem Abitur ab 1. August 1977 im Universitätskrankenhaus E. (UKE) der beklagten Hansestadt zur Krankengymnastin ausgebildet. Nach erfolgreich bestandener staatlicher Prüfung am 26. Juli 1979 leistete sie dort ihre praktische Tätigkeit ab und erhielt am 1. August 1980 „die Erlaubnis, eine Tätigkeit unter der Berufsbezeichnung Krankengymnast/in auszuüben”. Sie trat am 1. April 1981 in die Dienste der Beklagten und ist seitdem in der Psychiatrischen und Nervenklinik des UKE beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag zunächst der schriftliche Arbeitsvertrag vom 8. April 1981 zugrunde, nach welchem die Klägerin „als Krankengymnastin in der Vergütungsgruppe VI b der Anlage 1 a zum BAT eingestellt” wurde. Vertragsänderungen vom 22. September 1981 und 16. Februar 1984 hatten die Zahlung von Vergütung nach VergGr. V c BAT ab 1. Oktober 1981 bzw. nach VergGr. V b BAT ab 1. April 1984 zum Inhalt. In diesen Verträgen ist jeweils vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträgen bestimmt.
Nach dreieinhalbjähriger berufsbegleitender Weiterbildung zur Fachtherapeutin für Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) wurde der Klägerin am 30. Oktober 1989 vom Deutschen Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie e.V. (DAKBT) der Abschluß der Weiterbildung nach dessen Richtlinien bestätigt. Für diese Weiterbildung stellt dessen Weiterbildungsordnung vom 1. Juli 1993 folgende Voraussetzungen auf:
1.1 |
Mindestalter 25 Jahre. |
1.2 |
Grundberuf aus den Bereichen Medizin und anderen Gesundheitsdienstberufen, |
|
Psychologie, |
|
Pädagogik und verwandter Berufe (mindestens eine dreijährige Ausbildung umfassend). |
1.3 |
Zwei Jahre Berufserfahrung im Grundberuf. |
1.4 |
Selbsterfahrung in einem tiefenpsychologisch fundierten Verfahren (100 Einzel- oder 200 Gruppenstunden). |
1.5 |
KBT-Erfahrung (50 Einzel- oder 100 Gruppenstunden). |
Nach den Informationen des DAKBT (Stand 1996) zur Weiterbildung in KBT ist diese in rund 100, meist psychosomatisch oder psychiatrischen Kliniken als körper-orientiertes, therapeutisches Verfahren fest etabliert. Außerhalb dieser klinischen Felder findet die KBT in therapeutischen Praxen, in Beratungsstellen, in der Erwachsenenbildung und in der Arbeit mit Kindern und älteren Menschen Anwendung. Das Verfahren wird vom DAKBT wie folgt beschrieben:
Die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) ist eine leiborientierte psychotherapeutische Methode, bei der Wahrnehmung und Bewegung als Grundlage von Erfahrung und Handeln genützt werden. Auf der Basis entwicklungs- und tiefenpsychologischer sowie lerntheoretischer Denkmodelle werden unmittelbare Sinneserfahrungen verbunden mit psychoanalytisch orientierter Bearbeitung.
Durch die Konzentrative Beschäftigung mit frühen Erfahrungsebenen (einfühlend und handelnd) werden Erinnerungen belebt, die im körperlichen Ausdruck als Haltung, Bewegung und Verhalten erscheinen, und die bis in die vorverbale Zeit zurückreichen können.
Im Umgang mit Materialien und Personen (Objekten) wird, neben den realen Erfahrungen, ein symbolisierter Bedeutungsgehalt erlebbar. Die differenzierte Wahrnehmung ermöglicht ein Vergleichen eigener Einstellungen und eigenen Verhaltens zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen Situationen, im Umgang mit verschiedenen Gegenständen und Partnern.
Das Erproben neuer Wege kann fixierte Haltungen und Fehlerwartungen abbauen. Die Fähigkeit, zu wählen und zu entscheiden, wird wiedergewonnen und weiterentwickelt.
Wesentlich ist dabei – in Abhebung von anderen psychotherapeutischen Verfahren –, daß Leibliches die Grundlage und das Beziehungsfeld für individuell-eigengesetzliche physische, psychosomatische und psychische Abläufe bildet. Die aktualisierten Inhalte werden so konkret erfahrbar, die Problematik wird „begreifbar” und kann weiterbearbeitet werden.
Dies kann durch Auseinandersetzung mit der Körpererfahrung im Hier und Jetzt geschehen, oder durch verbale Interpretation der aus bewußter und unbewußter Lebensgeschichte aufgetauchten Inhalte.
Auf beiden Wegen können sich Veränderungen im Sinne einer Persönlichkeitserweiterung entwickeln.
Seit dem Abschluß ihrer Weiterbildung in KBT wendet die Klägerin dieses Verfahren in der Psychiatrischen und Nervenklinik des UKE an. Deren geschäftsführender Direktor beantragte mit Schreiben vom 11. Juni 1994 bei der Personalabteilung des UKE „die Höhergruppierung” der Klägerin „mit Bezahlung nach BAT IV a”. In diesem ist ua. ausgeführt:
Die entscheidenden Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmale sind in der gänzlich eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung, Durchführung und Dokumentation der Behandlung zu sehen. Auch die Stellung der Indikation zur Behandlung erfolgt teilweise eigenständig, da Ärzte und Psychologen bislang mit diesem Therapieverfahren oftmals nicht vertraut sind und deshalb Notwendigkeit und Sinn seiner Anwendung nicht frühzeitig genug erkennen. Ein weiteres Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmal ist in der Lehrtätigkeit im Rahmen des psychotherapeutischen Teils des neuen Curriculums für den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu sehen.
Insgesamt ist die Tätigkeit eines KB-Therapeuten hinsichtlich des Ausbildungsniveaus und der Eigenverantwortlichkeit der Tätigkeit eines nach BAT IV a besoldeten Sozialpädagogen zumindest gleichzustellen.
Diesem Antrag entsprach die Personalabteilung des UKE nicht. Mit Änderungsvertrag vom 6. Februar 1995 vereinbarten die Parteien vielmehr die Vergütung der Klägerin nach VergGr. IV b BAT ab 1. Dezember 1994.
Als KB-Therapeutin arbeitet die Klägerin mit den Ärzten der Psychiatrischen und Nervenklinik des UKE zusammen. Sie betreibt eine eigenständige Körperpsychotherapie, die in der Klinik neben anderen Therapieformen angewendet wird. Behandelt werden von ihr Patienten aller sieben psychiatrischen Stationen sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Überwiegend handelt es sich um Patienten, die von Psychiatern und Psychologen mit deren Behandlungsmethoden nicht erreicht werden. Da die KBT nicht an die verbalen Fähigkeiten des Patienten anknüpft, ist die Klägerin immer wieder auch bei schwer zugänglichen psychischen Kranken erfolgreich. Sie behandelt die Patienten in Gruppen- und Einzeltherapie, die für alle psychischen Krankheitsbilder wie beispielsweise neurotische Störungen (Angst- und Konversionsneurosen), psychosomatische Konflikte, frühe Störungen mit narzißtischer Problematik und Borderline-Symptomatik, Psychosen und psychosexuelle Störungen geeignet sind. Über rehabilitative, übende Vorgehensweisen hinaus geht es bei der KBT um die Erarbeitung und Anwendung psychotherapeutisch begründeter Angebote auf dem Gebiet der Körperwahrnehmung und -bewegung, die auf den individuellen Fall ausgerichtet sind. Dies leitet sich aus entwicklungs- und tiefenpsychologisch begründeten Grundannahmen über die Entstehung bestimmter psychischer und psychosomatischer Störungen und Erkrankungen ab. Das bewegungstherapeutische Angebot ist mithin auch nicht an bestimmte Übungen gebunden, die vom Therapeuten in der Ausbildung erlernt und in seiner Regelhaftigkeit bezüglich bestimmter Indikationen angewendet werden. Vielmehr werden besonders die körperlich-seelischen Zusammenhänge in ihrer zentralen Bedeutung berücksichtigt.
Einmal wöchentlich nimmt die Klägerin für jeden ihrer Patienten an den Fallbesprechungen mit den Stations- und Oberärzten, Krankenschwestern, Psychologen, Sozialarbeitern, Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten der Klinik teil. Neuaufgenommene Patienten stellt der aufnehmende Arzt in einer solchen Teamsitzung vor. Die Beteiligten entwickeln und diskutieren einen Therapieplan. Wird der Patient der Klägerin zugewiesen, verschafft sie sich zunächst in einem Gespräch einen persönlichen Eindruck von dem Patienten. Ihre Vorstellung von der Arbeit mit diesem Patienten erläutert sie in der nächsten Teamsitzung oder in einem Gespräch mit dem Stationsarzt. Anschließend berichtet sie regelmäßig über den Therapieverlauf, nach Abschluß der Behandlung erstellt sie eine Dokumentation.
Weiterhin ist die Klägerin, die außerhalb des Arbeitsverhältnisses der Parteien an der Universität Hamburg, Fachbereich Psychologie, und an der Fachschule für Physiotherapie in Hamburg als Lehrbeauftragte tätig ist, von der Beklagten mit Aus- und Weiterbildungsaufgaben betraut, deren Erledigung in ihre Therapiearbeit integriert ist. Im März 1997 hospitierten bei ihr eine in der Facharztausbildung für Psychotherapie befindliche Ärztin sowie für die Dauer von sechs Monaten zugeteilte Psychologiepraktikanten jeweils einmal wöchentlich eineinhalb Stunden in einer Therapiesitzung.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei als Spezialtherapeutin nicht nach einer der Fallgruppen der Vergütungsordnung des BAT eingruppiert. Ihr Ausgangsberuf Krankengymnastin sei nur das Handwerkszeug für ihren derzeitigen Beruf und könne daher nicht alleinige Grundlage für die vergütungsrechtliche Bewertung ihrer beruflichen Leistung sein. Das Berufsbild des KB-Therapeuten habe bisher keine Aufnahme in die Fallgruppen der Vergütungsordnung des BAT gefunden. Somit liege eine unbewußte ausfüllungsbedürftige Tariflücke vor. Die Heranziehung eines Tätigkeitsmerkmales des Allgemeinen Teils der Vergütungsordnung sei rechtlich nicht möglich, da ihre Tätigkeit keinen unmittelbaren Bezug zu den eigentlichen Verwaltungsaufgaben habe. Daher sei darauf abzustellen, wie die Vergütungsordnung des BAT artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewerte. Im vorliegenden Fall biete sich ein Vergleich zu den Tätigkeitsmerkmalen für Sozialpädagogen mit entsprechender Tätigkeit an. Zwar ließen sich die Berufsbilder nur schwer vergleichen, weil beide Berufe inhaltlich verschiedene Aufgabenstellungen hätten. Die Tätigkeit des KB-Therapeuten stehe der eines Arztes oder Psychologen näher als der eines Sozialpädagogen. Einem Vergleich zugänglich seien aber die Dauer, Intensität und wissenschaftliche Ausrichtung der Ausbildung dieser beiden Berufe. Dies rechtfertige die Anwendung der Tätigkeitsmerkmale für Sozialpädagogen/Sozialarbeiter für die Eingruppierung des KB-Therapeuten. Nach den Tätigkeitsmerkmalen für Sozialpädagogen/Sozialarbeiter sei sie in die VergGr. IV a BAT eingruppiert, da ihre Tätigkeit die Heraushebungsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung (Fallgr. 15 und 16) erfülle, was die Klägerin näher begründet hat.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen,
daß die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 30. Juni 1994 nach der Vergütungsgruppe IV a BAT zu entlohnen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Tätigkeit der Klägerin sei den medizinischen Heilberufen zuzuordnen. Eine Analogie zum Sozial- und Erziehungsdienst scheitere mangels staatlicher Anerkennung der Klägerin als Sozialpädagogin oder Kinder- und Jugendpsychotherapeutin aus. Auch die Ausbildung einer KB-Therapeutin sei mit der Fachhochschulausbildung einer Sozialpädagogin nicht vergleichbar. Die Tariflücke könne somit nicht durch den Rückgriff auf die Tarifnormen für den Sozial- und Erziehungsdienst geschlossen werden. Die Tätigkeit der Klägerin bestehe im Heilen, jedenfalls im Mildern akuter Krankheitszustände. Dies sei mithin von der Richtung her eine medizinisch-therapeutische Tätigkeit, wenn diese sich auch durch das Maß der Selbständigkeit von sonstigen Heil- und Hilfsberufen abhebe. Der Versuch, die KBT im Wege der Analogie mit den sozialpädagogischen Tätigkeiten zu vergleichen und das Tarifsystem der medizinischen Hilfsberufe zu überwinden, sei tarifsystematisch nicht angängig. Schon der auf Krankheitszustände des Individums bezogene Ansatz der Tätigkeit der Klägerin sei mit dem gesellschaftlichen Bezug der sozialpädagogischen Tätigkeit nicht vergleichbar. Zudem gehe es bei der sozialpädagogischen Tätigkeit und deren Bewertung um die Breite der sozialpädagogischen Hilfestellung, während die Beschränkung auf ein enges Teilgebiet allgemein nicht als ausreichend angesehen werde. Zudem erfülle die Tätigkeit der Klägerin nicht die Heraushebungsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung in den Eingruppierungsmerkmalen für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen, was die Beklagte, die insoweit zunächst einen anderen Standpunkt eingenommen hatte, näher begründet hat.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage unbegründet.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT gegen die Beklagte.
1. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt nicht die tariflichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die von ihr geforderte Vergütung.
a) Der auf Feststellung der tarifgerechten Vergütung der Klägerin gerichteten zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklage kann nur stattgegeben werden, wenn die die Gesamtarbeitszeit der Klägerin im streitigen Anspruchszeitraum ausfüllenden Arbeitsvorgänge im tariflich geforderten Umfang die Anforderung eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der von ihr für sich in Anspruch genommenen VergGr. IV a BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).
b) Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft vertraglicher Vereinbarung der Parteien der Bundes-Angestelltentarifvertrag anzuwenden. Maßgebend ist nach den von den Parteien unbeanstandeten Ausführungen des Berufungsurteils die für die Bereiche des Bundes und der Länder geltende Fassung (BAT/BL).
c) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es unerheblich, aus welchen Arbeitsvorgängen die Tätigkeit der Klägerin besteht. Denn bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge erfüllt ihre Tätigkeit kein Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IV a BAT/BL.
d) Die Klägerin ist nicht nach den Tätigkeitsmerkmalen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst in die vorgenannte Vergütungsgruppe eingruppiert.
aa) Die Vorinstanzen haben – zuletzt in Übereinstimmung mit der Klägerin – angenommen, die Vergütungsordnung zum BAT, in der die Eingruppierung für KB-Therapeuten nicht speziell geregelt ist, enthalte diesbezüglich eine unbewußte ausfüllungsbedürftige Tariflücke, die durch die Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung des Teils II Abschnitt G der Anlage 1 a zum BAT/BL zu schließen sei. Dem folgt der Senat nicht.
bb) Es ist schon nicht unzweifelhaft, ob die Vergütungsordnung zum BAT eine Tariflücke aufweist, weil sie kein Eingruppierungsmerkmal für Therapeuten enthält, die mit der Methode der konzentrativen Bewegungstherapie arbeiten (KB-Therapeuten). Eine Tariflücke für den KB-Therapeuten liegt dann nicht vor, wenn es sich bei dessen Tätigkeit nur um eine spezielle krankengymnastische bzw. – nach Ablösung des Berufs des Krankengymnasten durch den des Physiotherapeuten durch das Gesetz über die Berufe in der Physiotherapie vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S 1084) – physiotherapeutische Tätigkeit handelt. Dafür enthält der Vortrag der Parteien verschiedene Anhaltspunkte. Dies bedarf jedoch hier keiner weiteren Prüfung. Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, daß die Vergütungsordnung zum BAT/BL wegen des Fehlens eines speziellen Tätigkeitsmerkmals für KB-Therapeuten und der – auch von der Klägerin für richtig gehaltenen – Unanwendbarkeit der Allgemeinen Tätigkeitsmerkmale für den Verwaltungsdienst auf den KB-Therapeuten eine unbewußte Tariflücke enthält. Denn diese Lücke kann entgegen der Ansicht der Klägerin nicht durch die ergänzende Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung geschlossen werden.
cc) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei der Schließung einer unbewußten Tariflücke in der Vergütungsordnung zum BAT darauf abzustellen, wie darin artverwandte und vergleichbare Tätigkeiten bewertet werden(zB Senat 23. Januar 1980 – 4 AZR 105/78 – BAGE 32, 364; Senat 7. Dezember 1983 – 4 AZR 394/81 – BAGE 44, 323; Senat 23. Januar 1985 – 4 AZR 14/84 – BAGE 48, 17). Artverwandheit und Vergleichbarkeit der Tätigkeiten sind deshalb bei Schließung einer unbewußten Tariflücke maßgebend, weil nach § 22 Abs. 2 BAT die auszuübende Tätigkeit die Eingruppierung bestimmt.
dd) Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, die Tätigkeit des KB-Therapeuten sei derjenigen des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung artverwandt und mit ihr vergleichbar. Sie hat vielmehr stets betont, ihre Tätigkeit als KB-Therapeutin unterscheide sich ganz wesentlich von derjenigen eines Sozialarbeiters/Sozialpädagogen. So hat sie beispielsweise ausgeführt, der Beklagten sei „allenfalls insoweit Recht zu geben, daß die Tätigkeit der Klägerin der eines Arztes oder Psychologen näher steht als der eines Sozialpädagogen”. „Die Berufsbilder des Sozialpädagogen und des Therapeuten der konzentrativen Bewegungstherapie” ließen „sich nur schwer vergleichen, weil beide Berufe inhaltlich verschiedene Aufgabenstellungen haben”. Sie habe „nie bestritten, daß zwischen ihrer Tätigkeit und der eines Sozialpädagogen insoweit ein erheblicher Unterschied besteht, als daß der Bezugsrahmen der sozialpädagogischen Arbeit das Funktionssystem Gesellschaft ist, während sie physiotherapeutisch, also bezogen auf das einzelne Individuum, arbeitet”. Diese Einlassung der Klägerin haben die Vorinstanzen nicht hinreichend beachtet.
ee) Die Heranziehung der Tätigkeitsmerkmale für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung hält die Klägerin nicht wegen der Artverwandtheit und Vergleichbarkeit ihrer Tätigkeit mit derjenigen des KB-Therapeuten für zutreffend, sondern statt dessen „lediglich” deshalb, weil die Ausbildung des KB-Therapeuten und diejenige des Sozialpädagogen nach „Dauer”, „Intensität” und „wissenschaftlicher Ausrichtung” – nach ihrer Auffassung – „einem Vergleich zugänglich” seien. Dabei verkennt die Klägerin auch, daß allein nach diesen abstrakten, die fachlichen Berufsinhalte nicht betreffenden Kriterien vergleichbare Berufe in der Vergütungsordnung zum BAT durchaus unterschiedlich bewertet sein können(dazu im einzelnen Senat 10. Dezember 1997 – 4 AZR 264/96 – BAGE 87, 272).
e) Die Klägerin ist auch nicht nach einem Tätigkeitsmerkmal des Teils I – Allgemeiner Teil – der Anlage 1 a zum BAT/BL in VergGr. IV a eingruppiert, wie sie zunächst zur Begründung ihrer Klage geltend gemacht hat. Enthalten die Anlagen zum BAT keine speziellen Eingruppierungsmerkmale, so ist zwar auf die allgemeinen Merkmale für den Verwaltungsdienst zurückzugreifen. Dies gilt aber nur dann, wenn ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der speziell zu regelnden Berufsgruppe und dem allgemeinen Verwaltungsdienst besteht(ständige Rechtsprechung des Senats, zB 15. Juni 1994 – 4 AZR 330/93 – BAGE 77, 94 mwN).
Dies ist bei der Tätigkeit des KB-Therapeuten nicht der Fall, wie das Landesarbeitsgericht mit Recht angenommen hat. Diese Rechtsauffassung hat die Klägerin nicht beanstandet.
f) Die Klägerin ist auch nicht nach den Tätigkeitsmerkmalen des Teils II Abschnitt D Angestellte in medizinischen Hilfsberufen und medizinisch-technischen Berufen der Anlage 1 a zum BAT/BL in VergGr. IV a BAT eingruppiert. Zur Ausfüllung einer etwaigen Tariflücke in den Eingruppierungsmerkmalen dieses Abschnitts, die in der VergGr. IV a BAT/BL elf Fallgruppen enthalten, hat die Klägerin keine Tatsachen vorgetragen.
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT/BL nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auf die Geltendmachung dieses Anspruchs deuten ihre Ausführungen im Revisionsrechtszug in ihrem Schriftsatz vom 9. Februar 2000 hin, die Beklagte habe vor kurzem vier Krankenschwestern der UKE mit einer kürzeren Zusatzausbildung als derjenigen in KBT in VergGr. IV a (Fallgr. 15) BAT/BL höhergruppiert. Dabei handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, den der Senat nicht berücksichtigen kann.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, Rudolf, Winterholler, v. Dassel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2000 durch Freitag, der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537461 |
BB 2000, 1792 |
DB 2001, 435 |
ZTR 2000, 553 |
AP, 0 |
PersR 2000, 345 |
ZfPR 2001, 21 |