Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausfüllung einer Tariflücke im Wege der Rechtsanalogie. Besondere Schwierigkeit und Bedeutung
Leitsatz (amtlich)
Die Klägerin, die ehemals Krankengymnastin gelernt hat, hat sich in Konzentratativer Bewegungstherapie weitergebildet. Ihr Abschluß ist staatlich nicht anerkannt.
Sie ist seitdem in der Psych.Klinik des UniKH als Fachtherapeutin mit schwer psychisch kranken Patienten befaßt. Sie ist in hohem Maße eigenverantwortlich tätig. Die Fachärzte für Psychiatrie verfügen über keine Kompetenz im Bereich der Konzentrativen Bewegungstherapie (KBT). Die Klägerin führt Unterrichtsstunden durch, in denen Schwestern und Ärzte durch beobachtende Teilnahme weitergebildet werden, um sich die seitens der Klinik für notwendig gehaltenen Kenntnisse in KBT anzueignen.
Die Tätigkeit der Klägerin, die mit einer krankengymnastischen Tätigkeit nichts mehr zu tun hat, ist – mit Vorbehalt – der Tätigkeit von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen zu vergleichen, die Tariflücke daher entsprechend zu schließen.
Unter den besonderen Umständen des vorl. Falls ist die Heraushebung durch die bes. Schwierigkeit und Bedeutung zu bejahen.
Leitsatz (redaktionell)
Auf die Tätigkeit einer mit Konzentrativer Bewegungstherapie an einer Psychiatrischen Klinik eines UniversitätsKH eigenverantworlich befaßten Therapeutin sind die Tarifnormen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst entsprechend anwendbar.
Normenkette
BAT §§ 22-23
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 06.11.1992; Aktenzeichen 28 Ca 315/96) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. November 1997 – 28 Ca 315/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob die Tätigkeit der Klägerin zwecks Ausfüllung einer Tariflücke im Wege der Rechtsanalogie mit der Tätigkeit einer staatlich anerkannten Sozialpädagogin vergleichbar ist und ob sie sich zusätzlich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b BAT heraushebt und entsprechend zu vergüten ist.
Die 19 … geborene Klägerin ist seit 1981 in der Psychiatrischen und Nervenklinik des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf (UKE) der beklagten … beschäftigt. Ihre Einstellung erfolgte als Krankengymnastin. Auf den Arbeitsvertrag vom 1. April 1981 wird verwiesen (Bl. 24 d. A.). Durch Zertifikat vom 30. Oktober 1989 hat der Deutsche Arbeitskreis für Konzentrative Bewegungstherapie e. V. der Klägerin den Abschluß der (dreieinhalbjährigen berufsbegleitenden) Weiterbildung in Konzentrativer Bewegungstherapie (KBT) mit Prüfung bescheinigt (Bl. 12 d. A.). Nach der Weiterbildungsordnung (vom 1. Juli 1993) des Deutschen Arbeitskreises für Konzentrative Bewegungstherapie e. V. erfolgt die Zulassung zur Weiterbildung unter folgenden Voraussetzungen:
- Mindestalter 25 Jahre
- Grundberuf aus den Bereichen Medizin und anderen Gesundheitsdienstberufen, Psychologie, Pädagogik und verwandter Berufe (mindestens eine dreijährige Ausbildung umfassend)
- Zwei Jahre Berufserfahrung im Grundberuf
- Selbsterfahrung in einem tiefen psychologisch fundierten Verfahren (100 Einzel- oder 200 Gruppenstunden) KBT-Erfahrung (50 Einzel- oder 100 Gruppenstunden).
Wegen weiterer Einzelheiten zur Weiterbildung in Konzentrativer Bewegungstherapie wird auf die Weiterbildungsordnung des genannten Arbeitskreises Bezug genommen (Bl. 83–86 d. A.). Nach den Informationen dieses Arbeitskreises (Stand: 1996) ist die Konzentrative Bewegungstherapie in rund 100, meist psychosomatisch/psychiatrischen Kliniken als körperorientiertes, therapeutisches Verfahren fest etabliert. Neben den klinischen Feldern findet die KBT Anwendung in therapeutischen Praxen, in Beratungsstellen, in der Erwachsenenbildung und in der Arbeit mit Kindern und älteren Menschen. Auf die Informationen wird ergänzend verwiesen (Bl. 79–82).
Die Klägerin ist seit Oktober 1989, mithin seit Abschluß ihrer Weiterbildung in KBT, in der Psychiatrischen und Nervenklinik des UKE als Fachtherapeutin tätig. Im Juni 1994 beantragte die Klinik unter Hinweis auf die unverzichtbare Tätigkeit der Klägerin als KB-Therapeutin deren Höhergruppierung in die VergGr. IV a BAT. Im Schreiben vom 11. Juni 1994 (Bl. 5–6 d. A.) heißt es auszugsweise:
„Die entscheidenden Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmale sind in der gänzlich eigenständigen und eigenverantwortlichen Planung. Durchführung und Dokumentation der Behandlung zu sehen. Auch die Stellung der Indikation zur Behandlung erfolgt teilweise eigenständig, da Ärzte und Psychologen bislang mit diesem Therapieverfahren oftmals nicht vertraut sind und deshalb Notwendigkeit und Sinn seiner Anwendung nicht frühzeitig genug erkennen. Ein weiteres Qualifikations- und Tätigkeitsmerkmal ist in der Lehrtätigkeit im Rahmen des psychotherapeutischen Teils des neuen Curriculums für den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zu sehen.
Insgesamt ist die Tätigkeit eines KB-Therapeu...