Entscheidungsstichwort (Thema)
Streik. Verletzung der Friedenspflicht. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer friedenspflichtverletzenden oder tarifwidrigen Forderung dient, ist rechtswidrig.
2. Der Einwand einer streikführenden Gewerkschaft, sie hätte den Streik auch ohne die inkriminierte Forderung mit denselben Streikfolgen geführt (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist unbeachtlich.
Orientierungssatz
1. Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Die Tarifvertragsparteien können die Friedenspflicht auch gesondert vereinbaren und gestalten und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
2. Die Kündigung eines Tarifvertrags muss nicht in Schriftform gemäß § 126 BGB erklärt werden.
3. Ein Arbeitskampf kann nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden. Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer friedenspflichtverletzenden oder tarifwidrigen Tarifforderung dient, ist rechtswidrig.
4. Den bestreikten Arbeitgeber trifft grundsätzlich keine Obliegenheit, einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren.
5. Der Einwand einer streikführenden Gewerkschaft, sie hätte den Streik auch ohne die rechtswidrige Forderung mit denselben Streikfolgen geführt (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist unbeachtlich.
6. Ein Streik oder der Aufruf hierzu stellen regelmäßig keine unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriffe in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines drittbetroffenen, kampfunbeteiligten Unternehmens dar. Maßgebend ist der Streikbeschluss.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3, Art. 12, 14; EMRK Art. 11; BGB §§ 31, 126, 126b, 242, 254, 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, §§ 826, 830; TVG § 1 Abs. 2, § 7 Abs. 1 S. 1; ZPO § 287 Abs. 1, § 313 Abs. 2 S. 2, § 559 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin zu 3. wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. Dezember 2013 – 9 Sa 592/13 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Klägerin zu 3. gegen das ihren Zahlungsantrag abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 2013 – 9 Ca 5558/12 – zurückgewiesen hat.
2. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und zu 2. gegen das vorgenannte Urteil werden zurückgewiesen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht – auch über die Kosten des Rechtsstreits – zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen durchgeführter und angekündigter Arbeitskampfmaßnahmen.
Die Klägerinnen zu 1. und 2. sind Luftfahrtunternehmen. Sie nutzen ua. den Flughafen Frankfurt am Main, der von der als Aktiengesellschaft verfassten, mehrheitlich in öffentlicher Hand befindlichen Klägerin zu 3. betrieben wird. Diese beschäftigt ca. 12.000 Mitarbeiter, davon (vormals) 86 im Bereich Vorfeldkontrolle, 90 im Bereich Vorfeldaufsicht und 29 im Bereich Verkehrszentrale. Die Vorfeldkontrolle (apron control) ist die für die Verkehrslenkung von Luftfahrzeugen auf den Vorfeldflächen verantwortliche Einrichtung. Die Vorfeldaufsicht leitet die Luftfahrzeuge am Boden zu den Parkstationen. Die Verkehrszentrale bearbeitet ua. die operativen Flugplandaten.
Der beklagte eingetragene Verein ist die am 9. Juli 2003 gegründete Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Sie schloss am 20. September 2007 mit der Klägerin zu 3. und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen e.V. (KAV Hessen) den „Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007 – Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG” (TV Apron Control), der nach Satz 1 seiner Präambel Regelungen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit enthält, sowie dem Schutz vor physischen und psychischen Beeinträchtigungen durch die Tätigkeit in der Vorfeldkontrolle dient. Nach § 2 des Tarifvertrags in seiner zuletzt durch Landesbezirkstarifvertrag Nr. 19/2010 vom 4. Juni 2010 geänderten Fassung gelten die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, soweit keine abweichenden Regelungen getroffen werden. Der TV Apron Control regelt in § 3 unter der Überschrift „Entgelt” Zulagen und Einmalzahlungen, in § 4 eine „Pause bei Wechselschicht, Wochenarbeitszeit und Regenerationspausen” sowie in § 9 die Ein- und Höhergruppierung von Beschäftigten in einer bestimmten Funktion. § 10 TV Apron Control bestimmt die Folgen einer ggf. eintretenden „Funktionstrennung” zwischen Verkehrszentrale und Vorfeldkontrolle. Im Übrigen lautet der TV Apron Control:
„§ 1 |
Geltungsbereich, Zuständigkeit |
(1) |
Die vorliegende Vereinbarung gilt für alle operativen Beschäftigten der Fraport AG, die im Bereich ‚Zentrale Vorfeldkontrolle und Verkehrszentrale’ (derzeit FBA-AF41) eingesetzt werden. |
(2) |
Über den in Absatz 1 genannten Personenkreis hinaus beansprucht die GdF keine Zuständigkeit für andere Beschäftigte der Fraport AG und strebt eine solche auch im Falle einer Satzungsänderung nicht an. |
(1) |
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 wird für die Beschäftigten ein Zeitwertkonto eingeführt. |
… |
|
(6) |
… |
|
Protokollnotiz: |
|
Die Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim arbeitgeberfinanzierten Wertguthaben ist auf den Betrag beschränkt, der … |
(7) |
… |
§ 6 |
Unterstützung bei vorgezogenem Renteneintritt |
(1) |
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 erhalten Beschäftigte, die mindestens fünfzehn Jahre in der Funktion ‚Apron Control’ eingesetzt waren, zur Unterstützung eines vorgezogenen Eintritts in Altersrente einen Ausgleich für damit verbundene Rentenabschläge … |
… |
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(1) |
Die Beschäftigten nehmen ab 1. Januar 2008 einmal jährlich auf Kosten des Arbeitgebers an einem Gesundheits-Check bei der arbeitsmedizinischen Abteilung des Unternehmens teil. |
(2) |
Beschäftigte, die in der Funktion ‚Apron Control’ eingesetzt werden, sind grundsätzlich verpflichtet, in einem fünfjährigen Turnus an einer Regenerationskur von 30 Kalendertagen teilzunehmen. … |
… |
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(4) |
… |
§ 8 |
Beschäftigungssicherung |
Beschäftigten, die nach Feststellung der Arbeitsmedizin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Funktion ‚Apron Control’ eingesetzt werden können, soll ein möglichst gleichwertiger Arbeitsplatz innerhalb des Bereiches Aviation angeboten werden. Sollte ein derartiger Arbeitsplatz nicht vorhanden sein, kommt auch ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz im Unternehmen in Frage. Die Differenz zwischen den bisherigen und künftigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteilen (Stammbezüge) wird (soweit erforderlich) gestaffelt nach Tätigkeitsjahren in der Funktion ‚Apron Control’ wie folgt abgesichert:
- ab 28 Jahren zu 100 % unbegrenzt
- ab 23 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 90 % innerhalb von 8 Jahren
- ab 18 Jahren gleichmäßige Absenkung auf 80 % innerhalb von 5 Jahren.
… |
§ 12 |
Inkrafttreten, Laufzeit, Kündigung |
(1) |
Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. August 2007 in Kraft. |
|
Die Regelungen in § 5 bis § 8 sind mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2017, kündbar. Im Übrigen ist diese Vereinbarung mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, erstmalig zum 31. Dezember 2011, kündbar. |
(2) |
Die Parteien sind sich darüber einig, dass die in dieser Vereinbarung aufgeführten Regelungen für die genannten Zeiträume abschließend sind. Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte werden von der Friedenspflicht der Vereinbarung erfasst.” |
Die Beklagte erklärte mit einem an die Klägerin zu 3. gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2011 die Teilkündigung des TV Apron Control. Wörtlich heißt es in dem über der Zeile „S Vorstand Tarif/Recht” handschriftlich unterzeichneten Schreiben:
„…
auf Basis des von der zuständigen Tarifkommission der GdF gefassten Beschlusses
wir hiermit den landesbezirklichen Tarifvertrag Sonderregelung Apron Control für die Fraport AG (Landesbezirkstarifvertrag Nr. 32/2007) vom 20. September 2007 in der Fassung der Änderung …
Die Kündigung wird, mit Ausnahme der Regelungen in § 5 bis § 8, fristgemäß zum 31. Dezember 2011 ausgesprochen.
…”
Die Klägerin zu 3. erhielt dieses Schreiben am gleichen Tag sowohl per Fax als auch per PDF-Dokument und im Original am 1. Juli 2011. Ein im Wesentlichen gleichlautendes Kündigungsschreiben ging dem KAV Hessen am 29. Juni 2011 zu.
Ab dem 19. Oktober 2011 verhandelten die Beklagte und die Klägerin zu 3. unter Einbeziehung des KAV Hessen sowie der Fra-Verkehrszentrale GmbH, der Fra-Vorfeldkontrolle GmbH und der Fra-Vorfeldaufsicht GmbH über neue tarifliche Regelungen. Ein vom 13. Januar bis 1. Februar 2012 durchgeführtes Schlichtungsverfahren endete mit einer Empfehlung des Schlichters, welche auszugsweise lautet:
„Im Laufe der Verhandlungen konnte über diverse Punkte Einigung erzielt werden.
Diese Punkte sind zusammengefasst in der den Parteien vorliegenden ‚Synopse der Verhandlungen Donnerstag, 26. Januar 2012’, welche mit einer grünen Markierung versehen sind. Der Schlichter macht sich diese Einigung zu Eigen und empfiehlt einen Vertragsabschluss in diesen Punkten auf dieser Grundlage.
Gleiches gilt für Einigungen, die sich thematisch aus der am 31. Januar 2012 übergebenen Synopse über die zum Zeitpunkt der Erstellung noch strittigen Punkte ergeben, nämlich
- • der Bereich ‚Zulagen’,
- • der Bereich ‚Aktienprogramm’,
- • der Bereich ‚Zeitzuschläge’, mit Ausnahme der Überstundenregelung und
- • dem Bereich ‚Urlaubs-/Weihnachtsgeld’, wobei hier ein einheitliches Urlaubs-/Weihnachtsgeld von 100 Prozent der Bezüge vereinbart wurde.
Diese Synopse liegt den Parteien ebenfalls vor. Bis zum Ende strittig waren somit die Punkte:
- • Geltungsbereich
- • Laufzeit,
- • Entgelte,
- • Berechnung des Nachtzeitraums,
- • Vergütung der Überstunden,
- • Regelung der Rufbereitschaft und
- • die Überleitungsvorschriften.
Zu diesen Punkten erfolgt die Schlichterempfehlung.”
In der der Schlichtungsempfehlung beigefügten Synopse heißt es ua.:
… |
|
(8) |
Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Folge eines Arbeitsunfalls, den sie in Folge ihrer Arbeit ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit erlitten haben, nicht mehr vollleistungsfähig und werden sie deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt, so erhalten sie eine Ausgleichszulage in Höhe der jeweiligen Differenz zwischen ihrer bisherigen und der niedrigeren Vergütung. Zur Überbrückung besonderer wirtschaftlicher Notlagen kann der Mitarbeiterin bzw. dem Mitarbeiter auf Antrag ein zinsbegünstigtes Darlehen gewährt werden. |
… |
§ 49 – Entlastung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter |
Apron-Controller, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst gearbeitet haben, haben einen Anspruch auf einen Wechsel aus dem Wechselschichtdienst in den Schichtdienst.
Unabhängig davon kann im Einzelfall ein Wechsel in den Schichtdienst aus persönlichen Gründen jederzeit vereinbart werden.
Der Antrag muss mindestens 6 Monate vor dem beabsichtigten Zeitpunkt der Reduzierung gestellt werden. Über diesen Antrag ist innerhalb von 8 Wochen zu entscheiden.”
Außerdem weist die Synopse unter „§ 35 – Zeitwertkonto” in den Absätzen 1 bis 6 dem § 5 Abs. 1 bis Abs. 6 TV Apron Control wortlautgleiche Regelungen aus sowie einen auf Initiative der Klägerin zu 3. eingefügten Abs. 6a zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben, welcher der mit
§ 1 Nr. 2 des Landesbezirkstarifvertrags Nr. 19/2010 nach § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control eingefügten Protokollnotiz entspricht.
Am 15. Februar 2012 beschloss der Bundesvorstand der Beklagten die Durchführung von Streikmaßnahmen. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte er gegenüber der Klägerin zu 3. an, „dass die GdF ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Donnerstag, den 16.02.2012 für die Zeit von 15.00 Uhr bis 22.1 Uhr lokaler Zeit zu einem befristeten Streik aufruft”. Weiter lautet das Schreiben:
„…
Der Arbeitskampf dient der Durchsetzung der von Herrn … den Tarifparteien vorgelegten Schlichterempfehlung mit folgenden Anpassungen:
- • Geltungsbereich eines Tarifvertrages ausschließlich für die Fraport AG;
- • Verkürzung der Laufzeit auf 24 Monate;
- • Umsetzung der Entgelttabellen zu 100 % ab Beginn der Laufzeit sowie
- • Beginn der Nachtarbeit um 20.00 Uhr ab Beginn der Laufzeit
…”
In einem weiteren Schreiben an die Klägerin zu 3. – gleichfalls vom 15. Februar 2012 – führte die Beklagte aus:
„…
wir nehmen Bezug auf unser Schreiben vom heutigen Tage betreffend die Ankündigung von Arbeitskampfmaßnahmen. Darin haben wir Ihnen auch die mit dem Arbeitskampf verfolgten Tarifziele im Einzelnen dargestellt.
Zur Vermeidung von Missverständnissen weisen wir darauf hin, dass sich unsere Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses selbstverständlich nicht auf diejenigen Regelungen bezieht, die im Schlichterspruch aus rein technischen Gründen aus den weiterhin ungekündigten Tarifverträgen zwischen den Parteien übernommen wurden. Im Hinblick auf diese Regelungen bleibt es bei derjenigen Laufzeit, die sich aus den ungekündigten Tarifverträgen ergibt.
…”
Der Streik wurde am Donnerstag, 16. Februar 2012, 15.00 Uhr begonnen und mit einer Unterbrechung am Wochenende mehrfach verlängert. Im Flugverkehr kam es zu Ausfällen und Verzögerungen, wobei die Klägerin zu 3. einen Großteil der durch die Arbeitsniederlegung in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht ausgefallenen Arbeitskräfte kompensieren konnte. In einem während der Streikmaßnahmen von „Spiegel-Online” geführten Interview erklärte der Vorstand Tarif/Recht der Beklagten – auf den sinngemäßen Vorhalt, dass das gewerkschaftliche Drohpotential schrumpfe – wörtlich:
„Naja, es läuft mehr Verkehr, als wir erwartet haben. Aber der Streik ist trotzdem ein Erfolg. Es geht doch um mehr als annullierte Flüge. Dazu kommen die Verspätungen und noch wichtiger: Die Buchungszahlen bei den Airlines sind eingebrochen.”
Der zuletzt bis 24. Februar 2012, 23.00 Uhr geplante Streik wurde am 23. Februar 2012, 21.00 Uhr wegen eines Angebots der Klägerin zu 3. auf Wiederaufnahme der Verhandlungen abgebrochen. Nachdem diese ohne Ergebnis blieben, kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 3. mit Schreiben vom 25. Februar 2012 unter Beibehaltung ihrer Streikziele an, „ihre Mitglieder bei der Fraport AG in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht am Sonntag, den 26.02.2012 von 21.00 Uhr für die Zeit bis zum Donnerstag, den 01.03.2012, 05.00 Uhr” zu einem Streik aufzurufen. Der mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zur Flugsicherung beliehenen Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) teilte sie mit Schreiben vom 28. Februar 2012 mit, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereich Tower am Tower Frankfurt” am 29. Februar 2012 für die Zeit von 05.00 Uhr bis 11.00 Uhr zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen.
Auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. und der DFS erließ das Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 28. Februar 2012 eine einstweilige Verfügung und untersagte der Beklagten, „ihre Mitglieder bei der DFS im Geschäftsbereichstower am Tower Frankfurt zu Streiks am Mittwoch, den 29. Februar 2012 von 5:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufzurufen und/oder Streiks in diesem Bereich durchzuführen”. Am 29. Februar 2012 erließ es auf Antrag der Klägerinnen zu 1. und 3. eine einstweilige Verfügung, mit der es der Beklagten untersagte, „in den Abteilungen Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und/oder Verkehrszentrale in dem Zeitraum bis Donnerstag, den 01. März 2012, 5.00 Uhr Streiks durchzuführen”. In der mündlichen Verhandlung erklärte der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten zu Protokoll:
„Die streitgegenständliche Streikmaßnahme soll nicht mehr zum Ziel haben, auch die in den §§ 18 Abs. 8 sowie 49 des Schlichtungsvorschlags vom 02.02.2012 geregelten Tarifvereinbarung durchzusetzen.”
Aufgrund der gerichtlichen Entscheidungen fand der Unterstützungsstreik nicht statt; der am 26. Februar 2012 begonnene Streik wurde am 29. Februar 2012 abgebrochen.
Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen aus delikts- und vertragsrechtlichen Gründen Schadensersatz verlangt; bei den Klägerinnen zu 1. und 2. im Wesentlichen wegen ausgefallener Flüge und stornierter oder unterlassener Flugbuchungen; bei der Klägerin zu 3. aufgrund entgangener Flughafengebühren. Die Klägerin zu 2. hat sich dabei auch auf abgetretene Ersatzansprüche ihrer Tochtergesellschaft N GmbH wegen dort entstandener Schäden berufen. Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Streik sei ebenso wie der angekündigte Unterstützungsstreik rechtswidrig gewesen. Dies folge vor allem aus einer Verletzung der Friedenspflicht aufgrund des TV Apron Control.
Soweit für die Revision zuletzt noch von Bedeutung, haben
die Klägerin zu 1. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.885.890,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;
die Klägerin zu 2. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 131.144,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen;
die Klägerin zu 3. beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.170.800,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 1. und 2. fehle es bereits an einem Eingriff in deren Gewerbebetriebe. Die Klägerin zu 3. könne als ein von der öffentlichen Hand beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen in privater Rechtsform keine Verletzung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geltend machen. Im Übrigen seien der Haupt- und der angekündigte Unterstützungsstreik rechtmäßig gewesen. Die Friedenspflicht sei schon deswegen nicht verletzt, weil diese nach der Schlichtungsvereinbarung mit Ablauf des 6. Februar 2012 geendet habe. Ginge man von einer Verletzung der Friedenspflicht aus, wären die geltend gemachten Schäden auch bei einer ihr ohne weiteres möglichen rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden.
Das Arbeitsgericht hat die – ursprünglich noch auf weitere Feststellungen gerichteten – Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen der Klägerinnen zurückgewiesen. Diese verfolgen mit ihren zuletzt auf die Abweisung der Zahlungsanträge beschränkten Revisionen ihre Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Das führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. haben dagegen keinen Erfolg.
A. Die Revision der Klägerin zu 3. ist begründet. Die Beklagte ist dieser vertraglich und deliktsrechtlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr durch den vom 16. Februar 2012, 15.00 Uhr bis 23. Februar 2012, 21.00 Uhr und vom 26. Februar 2012, 21.00 Uhr bis 29. Februar 2012 geführten Streik in der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale entstanden ist.
I. Die Beklagte ist nach § 823 Abs. 1, § 31 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats stellt ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers dar. Er führt zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers, wenn die Organe der Gewerkschaft ein Verschulden trifft (vgl. zuletzt BAG 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10 – Rn. 49 ff., BAGE 142, 98). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
1. Mit den – nach den Ankündigungen der Beklagten vom 15. und vom 25. Februar 2012 von zwei Aufrufen getragenen – Streikmaßnahmen hat die Beklagte in das Recht der Klägerin zu 3. an ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb eingegriffen.
a) Die Kampfmaßnahmen zielten unmittelbar auf Störungen der betrieblichen Abläufe im Bereich der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale.
b) Die Klägerin zu 3. ist zwar ein öffentlich beherrschtes Unternehmen der Privatwirtschaft und damit bei eigenem Handeln unmittelbar grundrechtsgebunden (BVerfG 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 – [Fraport-Urteil] Rn. 49, BVerfGE 128, 226). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie sich dennoch auf das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.
Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ein bereits vorkonstitutionell und damit unabhängig von Art. 12 GG und Art. 14 GG entwickeltes Rechtsinstitut. Es ist darauf gerichtet, ein Unternehmen in seiner wirtschaftlichen Betätigung und Funktionsfähigkeit vor darauf bezogenen rechtswidrigen Eingriffen Dritter zu schützen. Es ergänzt den gesetzlichen Deliktschutz und füllt ansonsten bestehende Haftungslücken aus (vgl. bereits RG 27. Februar 1904 – I 418/03 – RGZ 58, 24; ausf. BGH 9. Dezember 1958 – VI ZR 199/57 – zu 1 a der Gründe, BGHZ 29, 65; vgl. auch BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 21 mwN, BAGE 132, 140; BGH 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03 – Rn. 93, BGHZ 166, 84). Zwar unterliegen öffentlich beherrschte Unternehmen wegen ihrer unmittelbaren Grundrechtsbindung spezifischen Beschränkungen, denen andere Privatrechtssubjekte aufgrund ihrer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte nicht ausgesetzt sind. Diese graduellen Unterschiede der Grundrechtsbindung hindern öffentlich beherrschte Unternehmen der Privatwirtschaft aber nicht, in adäquater und weithin gleichberechtigter Weise wie Private die Handlungsinstrumente des Zivilrechts für ihre Aufgabenwahrnehmung zu nutzen und am privaten Wirtschaftsverkehr teilzunehmen (BVerfG 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 – [Fraport-Urteil] Rn. 56, BVerfGE 128, 226). Vollzieht sich diese Teilnahme im Wege einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung, ist ein Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf Eingriffe, die sich gegen seine wirtschaftliche Betätigung richten, nicht weniger schutzwürdig als Private.
2. Die Streikmaßnahmen waren rechtswidrig. Die Beklagte hat mit ihnen die nach dem TV Apron Control gesondert vereinbarte Friedenspflicht verletzt.
a) Mit dem Abschluss eines Tarifvertrags und der sich daraus ergebenden Friedenspflicht begründen die Tarifvertragsparteien regelmäßig eine Beschränkung ihrer Arbeitskampffreiheit. Deren sachliche Reichweite ist durch Auslegung der tariflichen Regelungen zu ermitteln. Haben die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Sachmaterie erkennbar umfassend geregelt, ist davon auszugehen, dass sie diesen Bereich der Friedenspflicht unterwerfen und für die Laufzeit des Tarifvertrags die kampfweise Durchsetzung weiterer Regelungen unterbinden wollten, die in einem sachlichen inneren Zusammenhang mit dem befriedeten Bereich stehen (BAG 18. Februar 2003 – 1 AZR 142/02 – zu D I der Gründe, BAGE 105, 5). Diese relative Friedenspflicht ist – auch ohne besondere Vereinbarung – dem Tarifvertrag als einer Friedensordnung immanent (vgl. BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06 – Rn. 18, BAGE 123, 134). Mit Ablauf der vereinbarten Dauer oder der Kündigungsfrist für eine tarifliche Bestimmung endet die mit ihr verbundene relative Friedenspflicht für die beteiligten Tarifvertragsparteien (BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 64, BAGE 122, 134). Die Tarifvertragsparteien können die Reichweite der Friedenspflicht aber auch gesondert vereinbaren und auf Sachmaterien beziehen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind oder mit der Regelungsmaterie in keinem engen sachlichen Zusammenhang stehen (vgl. Pfohl Die Friedenspflicht der Tarifvertragsparteien Diss. 2010 S. 32 f.).
b) Mit den Streikmaßnahmen hat die Beklagte gegen die vertraglich ausdrücklich vereinbarte Friedenspflicht verstoßen.
aa) Dies folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die Friedenspflicht im Zeitpunkt der Arbeitskampfmaßnahmen wegen insgesamt noch ungekündigter Regelungen des TV Apron Control galt. Die Beklagte hatte mit ihrem Schreiben vom 29. Juni 2011 wirksam eine Teilkündigung dieses Tarifvertrags zum 31. Dezember 2011 erklärt.
(1) Die Teilkündigung war an sich zulässig.
(a) Ein Tarifvertrag ist regelmäßig nur als Ganzes kündbar. Zulässig ist seine Teilkündigung nur bei einer ausdrücklichen Vereinbarung. Geht aus der vereinbarten Zulassung mit der gebotenen Klarheit hervor, auf welche konkreten Bestimmungen oder Teile des jeweiligen Tarifvertrags sich die Möglichkeit der Teilkündigung beziehen soll, begegnen ihr keine rechtlichen Bedenken (vgl. BAG 3. Mai 2006 – 4 AZR 795/05 – Rn. 20, BAGE 118, 159).
(b) Das ist vorliegend der Fall. § 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV Apron Control legt eine Kündbarkeit seiner Regelungen mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende – in §§ 5 bis 8 erstmalig zum 31. Dezember 2017 und im Übrigen erstmalig zum 31. Dezember 2011 – fest. In den unterschiedlichen Kündigungsterminen drückt sich aus, dass die Tarifvertragsparteien die Zulässigkeit einer nur auf Teile des TV Apron Control bezogenen Kündigung verabredet haben. Nach dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang der Vereinbarung ist auch hinreichend klar, auf welche Bestimmungen sich die unterschiedlichen Kündigungsmöglichkeiten beziehen: Einerseits auf §§ 5 bis 8 TV Apron Control und andererseits auf den TV Apron Control „im Übrigen”. Im buchstäblichen Sinn beinhaltet der Ausdruck „im Übrigen” einen Bezug auf all jenes, was nicht besonders ausgewiesen ist. Dies ist der mit „Regelungen in § 5 bis § 8” beschriebene Teil des Tarifwerks, zu denen – dies gebieten Gesichtspunkte der Systematik und Praktikabilität – jene tariflichen Bestimmungen gehören, die auf diesen Regelungskomplex Bezug nehmen oder mit ihm in untrennbarem Zusammenhang stehen. Dazu gehören jedenfalls die Geltungsbereichsfestlegung in § 1 Abs. 1 TV Apron Control, die für §§ 5 bis 8 TV Apron Control festgelegte (längere) Kündigungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 TV Apron Control und die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control ausgedrückte Einigung auf „abschließende Regelungen” sowie die Reichweite der Friedenspflicht. Mit der Verständigung darüber, der Regelungsbereich nach §§ 5 bis 8 TV Apron Control solle einer anderen Kündigungsmodalität unterliegen als der Tarifvertrag im Übrigen, haben die Tarifvertragsparteien dies klar vorgegeben. Entgegen der Ansicht der Revision entbehren die Regelungen über die Teilkündigung nicht bereits schon deshalb der notwendigen Klarheit, weil sich die arbeits- und die landesarbeitsgerichtlichen Wertungen hinsichtlich gekündigter und ungekündigter Tarifbestimmungen nicht vollständig decken.
(2) Die Friedenspflicht galt auch nicht deshalb noch uneingeschränkt, weil im Zeitpunkt der Streikmaßnahmen die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TV Apron Control festgelegte Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen war. Die Klägerin zu 3. hat eine textlich-verkörperte Kündigung der Beklagten am 29. Juni 2011 erhalten. Damit lief die Kündigungsfrist am 31. Dezember 2011 ab. Die Kündigung eines Tarifvertrags muss nicht in Schriftform gemäß § 126 BGB erklärt werden. Auf den Zugang des dem Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB entsprechenden Kündigungsschreibens am 1. Juli 2011 – mit der Folge, dass die Kündigungsfrist erst am 31. März 2012 abgelaufen wäre – kommt es nicht an.
(a) Zwar bedürfen Tarifverträge nach § 1 Abs. 2 TVG der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Vorschrift (BAG 21. September 2011 – 7 ABR 54/10 – Rn. 33, BAGE 139, 197; 7. Juli 2010 – 4 AZR 1023/08 – Rn. 14).
(b) Für die Kündigung eines Tarifvertrags gelten aber kraft Gesetzes keine Formvorschriften. Vorbehaltlich anderer Abreden im Tarifvertrag selbst – die im TV Apron Control nicht getroffen sind – begegnet jedenfalls eine der Textform des § 126b BGB entsprechende Kündigungserklärung keinen rechtlichen Bedenken. Das Schriftformgebot des § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB ist für die Kündigung nicht entsprechend heranzuziehen (ebenso ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 32; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 13 II 1 a; Kempen/Zachert/Stein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 189; Oetker in Jacobs/Krause/ Oetker/Schubert Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 8 Rn. 10; Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 319; für einen den Tarifvertrag aufhebenden Vertrag vgl. BAG 8. September 1976 – 4 AZR 359/75 – zu III 2 der Gründe; aA Bepler in Henssler/Moll/Bepler Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 3 Rn. 213; Däubler TVG/ Deinert 4. Aufl. § 4 Rn. 122; Däubler TVG/Nebe 4. Aufl. § 1 Rn. 172 f.; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1443). Hierfür fehlt es an der erforderlichen Regelungslücke. Das zeigt bereits § 7 Abs. 1 Satz 1 TVG. Danach sind die Tarifvertragsparteien verpflichtet, „die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift” eines jeden Tarifvertrags und seiner Änderungen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu übersenden. Das Außerkrafttreten ist lediglich „mitzuteilen”, ohne dass es bei der Kündigung des Tarifvertrags einer Übersendung des Kündigungsschreibens bedürfte. Vor allem aber mangelt es – ausgehend vom Zweck des § 1 Abs. 2 TVG – an einer vergleichbaren Interessenlage. § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und dem Gebot der Normenklarheit (vgl. BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 22 mwN). Dieser Zweck erfordert keine Erstreckung auf die Tarifvertragskündigung. Die dem Tarifvertrag Normunterworfenen wären bei einer dem Schriftformerfordernis unterliegenden, allein gegenüber dem Tarifvertragspartner zu erklärenden und nicht publikationsbedürftigen Kündigung nicht anders gestellt.
bb) Die Beklagte hat aber mit den von ihr getragenen Streikmaßnahmen vom 16. bis 23. und vom 26. bis 29. Februar 2012 die in § 12 Abs. 2 TV Apron Control besonders vereinbarte Friedenspflicht verletzt, weil ihr Streikziel Forderungen umfasste, die dieser Pflicht unterlagen.
(1) Mit § 12 Abs. 2 TV Apron Control haben die Tarifvertragsparteien die Reichweite der Friedenspflicht ausgestaltet. In dessen Satz 1 haben sie für die beiden aufgeführten tariflichen Regelungskomplexe durch die unterschiedlichen Kündigungsfristen deutlich gemacht, diese jeweils für genannte Zeiträume als abschließend anzusehen. Satz 2 der Tarifvorschrift modifiziert die jedem Tarifvertrag immanente relative Friedenspflicht, indem diese „Sachverhalte außerhalb der in der Vereinbarung behandelten Regelungsinhalte … erfasst”. Damit haben die Tarifvertragsparteien mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbart, während der Geltungsdauer der §§ 5 bis 8 TV Apron Control einerseits und des TV Apron Control im Übrigen andererseits auf die jeweiligen Materien bezogene weitere oder auch nur ergänzende Regelungsziele nicht mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen „erweiterte Friedenspflicht”). Auf einen engeren Zusammenhang zwischen geregelter und erstrebter Sachmaterie haben sie dabei nicht abgehoben. Es ging ihnen um den Ausschluss jeglicher kampfweisen Durchsetzung von Ergänzungen der tariflich geregelten Bestimmungen, sofern diese einen Bezug zu den beiden Regelungskomplexen haben.
(2) Das von der Beklagten aufgestellte Streikziel enthielt Forderungen, die von der so erweiterten Friedenspflicht erfasst waren.
(a) Maßgeblich für den Inhalt des mit einem Streik verfolgten Ziels sind die dem Gegner in Form des konkreten, von den dazu legitimierten Gremien der Gewerkschaft getroffenen Streikbeschlusses übermittelten Tarifforderungen (BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 109, BAGE 122, 134). Nach den gesamten Umständen – Anderes ist nicht festgestellt – ist davon auszugehen, dass der Streikbeschluss des hierzu berechtigten Bundesvorstands der Beklagten inhaltlich dem Streikziel entsprach, das der Klägerin zu 3. in den Streikankündigungsschreiben vom 15. Februar 2012 – ergänzt um ein weiteres Schreiben selben Datums – und vom 25. Februar 2012 übermittelt wurde. In dem ersten Schreiben bezog sich die Beklagte klar auf die Durchsetzung der Schlichterempfehlung mit näher bezeichneten Anpassungen und hielt in dem weiteren daran fest.
(b) Das Streikziel der Durchsetzung der Schlichterempfehlung (SE) bezog sich auf die in §§ 5 bis 8 TV Apron Control geregelte Sachmaterie, für die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control eine erweiterte Friedenspflicht (fort-)galt.
(aa) Dies betrifft allerdings nicht § 35 Abs. 6a SE. Damit sollte lediglich die Regelungstechnik modifiziert werden, indem die bisherige Protokollnotiz zu § 5 Abs. 6 Unterabs. 1 TV Apron Control nunmehr als eigener Absatz den Regelungen zum Zeitwertkonto beigefügt wird. Damit erfolgt keine inhaltliche Änderung der tariflichen Regelungen. Der Protokollnotiz zur Werterhaltungsgarantie des Arbeitgebers beim Wertguthaben kommt ein normativer Regelungsgehalt zu.
(bb) Hingegen enthalten § 18 Abs. 8 und § 49 SE eigenständige, neue Forderungen, die dem Regelungskomplex der §§ 5 bis 8 TV Apron Control zuzuordnen sind. § 18 Abs. 8 SE sieht für Mitarbeiter, die infolge eines Arbeitsunfalls nicht mehr vollleistungsfähig sind und deshalb in einer niedrigeren Vergütungsgruppe weiterbeschäftigt werden, eine Ausgleichszulagenzahlung und die Möglichkeit einer Darlehensgewährung vor. In § 8 TV Apron Control sind unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigungssichernde Maßnahmen und eine Entgeltsicherung geregelt. Ergänzungen hierzu sollen nach der Friedenspflichtvereinbarung des § 12 Abs. 2 TV Apron Control für die Dauer der Geltung des § 8 TV Apron Control nicht kampfweise durchsetzbar sein. Gleiches gilt für die Forderung nach § 49 SE, die ebenso wie die bestehende Tarifregelung des § 7 TV Apron Control dem Belastungsausgleich von Beschäftigten dient und daher einen Bezug zu dem vor dem 31. Dezember 2017 nicht kündbaren tariflichen Regelungskomplex aufweist. Im Hinblick auf die Reichweite der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Friedenspflicht kommt es auch lediglich auf eine Zuordnung der erstrebten Forderung zu dem noch geltenden tarifierten Bereich an und nicht – wie die Beklagte meint – auf einen sachlichen inneren Zusammenhang, auf den allerdings auch die Vorinstanzen in Verkennung der besonders vereinbarten Friedenspflicht abgehoben haben.
cc) § 3 der Schlichtungsvereinbarung (SV) steht der Annahme einer Friedenspflichtverletzung nicht entgegen. Hiermit ist die erweiterte Friedenspflicht des § 12 Abs. 2 TV Apron Control, welche für §§ 5 bis 8 TV Apron Control noch galt, weder aufgehoben noch beschränkt worden.
(1) Bei dem Verweis der Beklagten in der Revisionserwiderung auf die SV handelt es sich – anders als die Klägerin zu 3. meint – nicht um neuen, in der Revisionsinstanz unbeachtlichen Tatsachenvortrag. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils und dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Dazu gehört auch das aus in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen ersichtliche Parteivorbringen (vgl. zur Vorgängervorschrift des § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO BAG 28. Oktober 1999 – 6 AZR 243/98 – zu II 2 a der Gründe). Die Beklagte hatte die SV erstinstanzlich zur Akte gereicht. Sie ist von der zulässigen ergänzenden Bezugnahme des Berufungsurteils auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils erfasst, welcher seinerseits in nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässiger Weise auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze verweist.
(2) Mit § 3 SV haben sich die verhandelnden Tarifvertragsparteien auf eine umfassende Friedenspflicht begrenzt auf die Dauer des Schlichtungsverfahrens geeinigt. Die Vorschrift bestimmt eine eigenständige, allein auf das konkrete Schlichtungsverfahren bezogene Friedenspflicht. Nach ihrem Sinn und Zweck sichert sie die Funktionsbedingungen der Schlichtung, welche nicht mit Arbeitskampfmaßnahmen belastet sein soll. Weder Wortlaut noch Systematik lassen Anhaltspunkte für einen Regelungswillen erkennen, anderweitig vereinbarte und bestehende Friedenspflichten aufzuheben, zu beenden oder gegenständlich zu beschränken.
dd) Die Klägerin zu 3. kann auch eine Verletzung der Friedenspflicht geltend machen. Es handelt sich dabei nicht um eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts lässt zwar eine entsprechende tatrichterliche Wertung vermissen. Anhand der getroffenen Feststellungen vermag der Senat aber eine entsprechende Wertung selbst vorzunehmen.
(1) Eine unzulässige Rechtsausübung setzt nicht zwingend voraus, dass schon die betreffende Rechtsposition unredlich, mit Schädigungsvorsatz oder sonst schuldhaft erworben ist. Es kommt lediglich darauf an, ob bei objektiver Betrachtung ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt (vgl. BGH 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13 – zu II 2 a der Gründe, BGHZ 202, 102).
(2) Von einem solchen Verstoß ist im Streitfall nicht auszugehen. Er folgt vor allem nicht aus dem „Sich-Einlassen” der Klägerin zu 3. auf der Friedenspflicht unterliegende Verhandlungsgegenstände in den Tarifvertrags- und Schlichtungsverhandlungen. Die – hier in § 12 Abs. 2 TV Apron Control eigenständig vereinbarte, erweiterte relative – Friedenspflicht verbietet es den Tarifvertragsparteien nur, einen Tarifvertrag bis zum Ablauf seiner vereinbarten Dauer oder der für ihn maßgeblichen Kündigungsfrist inhaltlich dadurch in Frage zu stellen, dass Änderungen der tariflich geregelten Gegenstände mit Mitteln des Arbeitskampfes erreicht werden sollen. Sie schließt es nach ihrem Sinn und Zweck aber nicht aus, über diese Gegenstände zu verhandeln und sie in ein Schlichtungsverfahren einzubeziehen. Ebenso wie bloße Verhandlungen der Tarifvertragsparteien über eine bestimmte Tarifforderung keine auf ihren Gegenstand bezogene Friedenspflicht zu begründen vermögen (vgl. BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 66, BAGE 122, 134), kann aus Verhandlungen über der Friedenspflicht unterliegende Forderungen oder deren Einbeziehung in das Schlichtungsverfahren nicht der Schluss gezogen werden, die Gegenseite werde sich im Falle eines Arbeitskampfes nicht auf eine Friedenspflichtverletzung berufen. Eine solche Annahme verbietet sich schon deshalb, weil Tarifvertragsverhandlungen typischerweise von Kompromissversuchen geprägt und geleitet sind. Im Interesse der Erzielung einer Gesamtlösung kann es daher sinnvoll sein, friedenspflichtige Gegenstände in die Verhandlung und Schlichtung einzubeziehen, um eine Einigung ohne Arbeitskampf zu erreichen.
ee) Im Hinblick auf das übermittelte Streikziel, welches auch der Friedenspflicht unterliegende Forderungen enthielt, ist der vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführte Streik rechtswidrig.
(1) Der Senat hat bisher offengelassen, ob bei einem Streik, der um den Abschluss eines zahlreiche Regelungen umfassenden Tarifvertrags geführt wird, die Rechtswidrigkeit schon einer Forderung zu dessen Rechtswidrigkeit führt (BAG 4. Mai 1955 – 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75). Jedenfalls dann, wenn es sich bei der die Friedenspflicht verletzenden oder tarifwidrigen Forderung um eine zentrale Forderung handelt, bedingt dies die Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks (vgl. BAG 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – zu B I 4 der Gründe, BAGE 104, 155). Im Schrifttum wird vertreten, ein Streik sei rechtswidrig, wenn er sich auch auf die Durchsetzung einzelner unerlaubter Forderungen richte (vgl. Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 53; Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 451; Rieble BB 2014, 949, 950; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 5 Rn. 25; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1401; wohl auch Kissel Arbeitskampfrecht § 24 Rn. 11). Zum Teil wird unter Heranziehung schadenszurechnungsrelevanter Kriterien die Rechtswidrigkeit eines Streiks danach beurteilt, ob er auch ohne die unzulässige Forderung geführt worden wäre (Rüthers in Brox/Rüthers Arbeitskampfrecht 2. Aufl. Rn. 159; Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 22 I 2 a (3)). Nach wiederum anderer Auffassung kommt es ausgehend von einem verobjektivierten Maßstab darauf an, welche der dem Arbeitgeber übermittelten Forderungen dem Arbeitskampf im Rahmen einer Gesamtschau das Gepräge geben (Reinfelder in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 15 Rn. 25); bei Kampfzielen, die eine Einheit bildeten, sei das unrechtmäßige Ziel entscheidend (Reuss AuR 1966, 33, 34).
(2) Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer nicht rechtmäßigen Tarifforderung dient, ist insgesamt rechtswidrig.
(a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann ein Arbeitskampf nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer und friedenspflichtwahrender Ziele geführt werden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – zu B I 2 ff. der Gründe, BAGE 104, 155). Das gibt die Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie vor. Diese ist darauf gerichtet, das Arbeitsleben in dem von staatlicher Rechtsordnung freigelassenen Raum durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen und zu befrieden. Dieses Ziel kann ua. nur erreicht werden, wenn ein Tarifvertrag während seiner Geltungsdauer durch einen Arbeitskampf nicht in Frage gestellt wird und die durch ihn vermittelte Planungssicherheit wahrt. Diese Funktionsbedingung der Tarifautonomie ist gefährdet, wenn ein Arbeitskampf auch darauf gerichtet ist, eine kollektive Regelung vor deren Ende zu beseitigen oder zu ändern (vgl. BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 396/06 – Rn. 18, BAGE 123, 134). Das hat zur Folge, dass eine Forderung, die kampfweise durchgesetzt werden soll, sowohl tariflich regelbare Gegenstände betreffen als auch die Friedenspflicht beachten muss. Forderungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, sind nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt und beeinträchtigen grundrechtlich geschützte Interessen des Kampfgegners. Dieser hat zwar davon auszugehen, dass eine Gewerkschaft auf eine uneingeschränkte Umsetzung der verlautbarten Streikziele typischerweise nicht besteht, sondern mit Widerstand rechnet. Daher gehen deren Tarifforderungen aus unterschiedlichen Motiven regelmäßig über dasjenige Maß hinaus, bei dessen Erreichen die Gewerkschaft zum Tarifabschluss bereit ist (vgl. BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 100, BAGE 122, 134). Jede Tarifforderung hat aber auch arbeitskampftaktische und verbandspolitische Gründe sowie die Funktion, die jeweiligen Mitglieder zu motivieren und Tarifverhandlungen zunächst einmal in Gang zu bringen. Zwangsläufig hat jede verlautbarte Tarifforderung Einfluss auf die Verteidigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite. Sie muss sich auf die ihr gegenüber erhobenen Forderungen einstellen und sowohl ihr Verhandlungsangebot als auch ihre Kampfstrategie darauf einrichten. Hierin wird sie unzulässig beeinträchtigt, wenn sie ihre Verhandlungsmacht dafür einsetzen muss, eine durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht gedeckte Forderung abzuwehren.
(b) Die graduelle Bewertung einer Tarifforderung im Verhältnis zu anderen und eine daran knüpfende gewichtende Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines um deren Durchsetzung geführten Arbeitskampfes sind einer Rechtskontrolle nicht zugänglich.
(aa) Welche Bedeutung eine einzelne Tarifforderung unter mehreren aus Sicht der Gewerkschaft für den von ihr für annehmbar gehaltenen Tarifabschluss oder ihre Durchsetzungsfähigkeit im Rahmen der Tarifvertragsverhandlungen und ggf. eines Arbeitskampfes hat, obliegt deren Einschätzung. Ob eine konkrete Tarifforderung für den angestrebten Tarifabschluss haupt- oder nebensächlich, bedeutend oder unbedeutend ist oder die Gesamtheit der aufgestellten Forderungen wirtschaftlich oder organisationspolitisch prägt, ist für die Arbeitgeberseite in der konkreten Arbeitskampfsituation nicht erkennbar und entzieht sich wegen der nicht objektivierbaren Auswirkungen auf die Verhandlungsmacht und Kampfkraft der Gewerkschaft und den mit jeder Forderung geschaffenen Verhandlungsspielraum auch einer gerichtlichen Bewertung und Feststellung.
(bb) Der Verzicht auf eine solche Kontrolle beeinträchtigt nicht die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsbetätigungsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft. Sie allein entscheidet über die Festlegung der Tarifforderungen, die durch den Aufruf zu einem Streik und dessen Befolgung erkämpft werden sollen. Hierbei hat sie zu prüfen, ob die erhobenen Forderungen durch Art. 9 Abs. 3 GG legitimiert sind. Zu einer solchen Prüfung ist eine Gewerkschaft auch ohne weiteres in der Lage. Deren Tariffähigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur eine Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, sondern auch das Vorhalten einer leistungsfähigen Organisation, die sie befähigt, die ihr von Art. 9 Abs. 3 GG zugedachten Aufgaben zu erfüllen (BVerfG 24. Februar 1999 – 1 BvR 123/93 – zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Dazu gehört unabdingbar eine entsprechende Anzahl an Mitarbeitern, die Verhandlungen und den Abschluss von Tarifverträgen vorbereiten (vgl. zur organisatorischen Leistungsfähigkeit BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 53, BAGE 117, 308). Hierzu zählt auch die Überprüfung der Legitimität einer Tarifforderung als Voraussetzung der Rechtmäßigkeit des um ihre Durchsetzung geführten Arbeitskampfes (BAG 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10 – Rn. 52, BAGE 142, 98). Unzumutbare, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Haftungsrisiken sind damit nicht verbunden. Diese betreffen nicht die Bewertung der Rechtswidrigkeit des Arbeitskampfes, sondern relativieren die verschuldensabhängige Einstandspflicht für arbeitskampfbedingte Schäden (vgl. BAG 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 104, 155).
(3) Dem Umstand, dass der damalige Bundesvorsitzende der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in dem einstweiligen Verfügungsverfahren beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main (– 9 Ga 24/12 –) am 29. Februar 2012 sinngemäß zu Protokoll erklärt hat, die friedenspflichtverletzenden Forderungen würden fallengelassen, kommt keine streitentscheidende Bedeutung zu. Es kann offenbleiben, ob das Aufgeben unzulässiger Einzelforderungen während eines Streiks dessen Rechtswidrigkeit vergangenheitsbezogen zu beseitigen vermag. Der Streik wurde am 29. Februar 2012 allein aufgrund der Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgebrochen.
3. Die Beklagte – handelnd durch ihre Organe – trifft ein Verschulden iSv. § 823 Abs. 1, § 31 BGB.
a) Verschulden iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus. Nicht jedes rechtswidrige Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden. Vor einem Streik mit seinen vielfältigen Auswirkungen hat die Gewerkschaft ihre kampfweise durchzusetzenden Tarifforderungen sorgfältig zu prüfen. Bei Zweifeln über dessen Rechtmäßigkeit darf sie von ihrem Streikrecht nur in maßvollem Rahmen und vor allem auch nur dann Gebrauch machen, wenn für die Zulässigkeit des Streiks sehr beachtliche Gründe sprechen und des Weiteren eine endgültige Klärung der Rechtslage nicht anders zu erreichen ist (vgl. BAG 19. Juni 2012 – 1 AZR 775/10 – Rn. 52 mwN, BAGE 142, 98).
b) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist von einem fahrlässigen Verhalten der Beklagten auszugehen. Diese hatte das Streikziel auf den Abschluss eines Tarifvertrags entsprechend der Schlichterempfehlung – mit näheren geforderten Anpassungen – bezogen. Ihr Kampfziel, der über die verlautbarten Forderungen abzuschließende Tarifvertrag, umfasste Regelungsgegenstände, hinsichtlich derer die nach dem TV Apron Control besonders ausgestaltete Friedenspflicht noch galt. Die Beklagte hätte wegen der Teilkündigung des TV Apron Control die Zulässigkeit der Forderungen, die in ihrer Gesamtheit das erklärte Streikziel bildeten, im Einzelnen gewissenhaft prüfen müssen. Sie musste erkennen, dass die Friedenspflicht aus dem ungekündigten Teil des TV Apron Control die Grenze der Rechtmäßigkeit bildete. Dass ihr diese Problematik bewusst war, zeigt ihr der Streikankündigung vom 15. Februar 2012 nachgeschobenes Schreiben vom gleichen Tag an die Klägerin zu 3., das klarstellen sollte, dass die erhobene Forderung zur Laufzeit des Tarifabschlusses nicht den ungekündigten Teil des TV Apron Control betreffen sollte.
c) Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Streiks wegen der friedenspflichtverletzenden Forderungen befand sich die Beklagte nicht in einem ihr Verschulden ausschließenden unvermeidbaren Rechtsirrtum.
aa) An einen unvermeidbaren Rechtsirrtum sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Geltungsanspruch des Rechts erfordert im Grundsatz, dass der Schuldner das Risiko eines Rechtsirrtums selbst trägt und es nicht dem Gläubiger überbürden kann. Beruht die Ungewissheit über die Schuld auf rechtlichen Zweifeln des Schuldners (sog. Rechtsirrtum), ist dieser entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat (BAG 19. August 2015 – 5 AZR 975/13 – Rn. 31 mwN, BAGE 152, 213).
bb) Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Rechtslage zur Reichweite der sich aus dem TV Apron Control ergebenden Friedenspflicht kann schon deshalb nicht als objektiv unklar angesehen werden, weil sie von den Tarifvertragsparteien selbst näher ausgestaltet worden ist. Die Beklagte hätte wegen der unterschiedlichen Kündigungsmodalitäten, an die sie sich mit der Teilkündigung auch gehalten hat, die Zulässigkeit ihres auf den Gesamtabschluss eines neuen Tarifvertrags gerichteten Streikziels umso sorgfältiger prüfen müssen. Der Sachverhalt hierzu war nicht – wie etwa bei einer Vielzahl von einzelnen, teils gekündigten, teils ungekündigten Tarifverträgen – unübersichtlich. Die friedenspflichtverletzenden Gegenstände betrafen vielmehr einen überschaubaren und klar abgrenzbaren Bereich des teilgekündigten TV Apron Control.
4. Der danach bestehenden Ersatzpflicht der Beklagten für die durch den Streik der Klägerin zu 3. entstandenen Schäden steht § 254 BGB nicht entgegen.
a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des Ersatzes insbesondere davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Schädiger oder dem Geschädigten verursacht worden ist. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei vorsätzlicher Schadensverursachung durch den Geschädigten die Ersatzpflicht des nur fahrlässig handelnden Schädigers entfällt (BAG 19. Februar 1998 – 8 AZR 645/96 – zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 88, 101). In diesem Sinn ist die Haftung der Beklagten nicht wegen einer der Klägerin zu 3. zuzurechnenden vorsätzlichen „Selbstschädigung” ausgeschlossen. Eine solche kann insbesondere – unabhängig vom Verschuldensgrad und anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen – nicht darin gesehen werden, dass die Klägerin zu 3. die Verletzungshandlung nicht abgewehrt hat. Diese beginnt bei einem Streik schon mit seinem Aufruf. Der zu bestreikende Arbeitgeber vermag aber einen gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zu verhindern; er kann sich allenfalls – vor allem mit Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes – gegen die Arbeitsniederlegungen wehren, welche die Verletzungshandlung fortsetzen.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht Schadensersatzansprüche für die Zeit bis einschließlich 27. Februar 2012 deshalb als „nicht in Betracht kommend” angesehen hat, weil die Klägerin zu 3. keinen Rechtsbehelf gegen den von ihr als rechtswidrig erkannten Streik ergriffen und damit schuldhaft eine Schadensabwendung iSv. § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB unterlassen habe, tragen seine eigenen Feststellungen diese Würdigung nicht. Das Berufungsgericht müsste – nach seiner Auffassung konsequent – davon ausgehen, dass eine (rechtskräftige) gerichtliche Untersagung des mit Schreiben vom 15. Februar 2012 angekündigten Streiks noch vor Beginn der Streikmaßnahmen am 16. Februar 2012, 15.00 Uhr hätte erstritten werden können. Hierzu verhält sich die angegriffene Entscheidung nicht. Ungeachtet dessen war die Klägerin zu 3. nicht gehalten, zur Abwendung oder Minderung der durch den Streik entstandenen Schäden rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Zum einen ist der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens bei einem zulässigen Antrag auf Untersagung oder Abbruch eines Streiks im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nicht sicher prognostizierbar. Ein Geschädigter muss sich prinzipiell nicht zur Schadensabwendung auf Rechtsstreitigkeiten einlassen, deren Erfolgsaussichten ungewiss sind (vgl. BGH 6. Dezember 1984 – III ZR 141/83 – zu I 4 b der Gründe; vgl. auch Erman/Ebert BGB 14. Aufl. § 254 Rn. 70). Zum anderen – und vor allem – trifft einen bestreikten Arbeitgeber grundsätzlich keine Obliegenheit, einen gegen ihn gerichteten rechtswidrigen Streik mit rechtlichen Mitteln abzuwehren.
Selbst einem als rechtwidrig erkannten Streik kann der Bestreikte begegnen, indem er ihn aushält. Auch darin liegt – schon wegen des Wesens des Arbeitskampfes – jedenfalls typischerweise Druckausübung zur Verbesserung der Verhandlungsposition.
c) Anders als die Beklagte meint, wirkt sich auch der Umstand nicht aus, dass die Klägerin zu 3. sie erst im einstweiligen Verfügungsverfahren auf die Rechtswidrigkeit des Streiks hingewiesen hat. Eine solche Annahme setzt eine entsprechende Hinweispflicht oder -obliegenheit voraus, die sich aus arbeitskampfrechtlichen Gründen verbietet. Sie würde das „Aushalten” eines Streiks als legitimes Kampfmittel zur Ausübung von (Gegen-)Druck auf die streikführende Gewerkschaft konterkarieren.
5. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens zu versagen.
a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, dh. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwandes richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm oder Vertragspflicht (vgl. BGH 14. Juli 2016 – III ZR 446/15 – Rn. 29; 9. März 2012 – V ZR 156/11 – Rn. 17; 25. November 1992 – VIII ZR 170/91 – zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 120, 281; 24. Oktober 1985 – IX ZR 91/84 – zu II 5 b der Gründe, BGHZ 96, 157). Rechtmäßiges Alternativverhalten setzt voraus, dass derselbe Schadenserfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus (BGH 9. März 2012 – V ZR 156/11 – Rn. 17). Darlegungs- und beweispflichtig ist der Schädiger.
b) Hiervon ausgehend tragen bereits die vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Umstände nicht seine Würdigung, der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei ausnahmsweise gerechtfertigt. Das Berufungsgericht sieht seine Annahme, der Streik hätte auch ohne die inkriminierten Tarifforderungen zur selben Zeit, am selben Ort und auf dieselbe Art und Weise stattgefunden, dadurch belegt, dass sich der Streit der Tarifvertragsparteien am Ende der Schlichtung auf andere Regelungsgegenstände bezogen habe und hinsichtlich der friedenspflichtverletzenden Forderungen bereits eine Einigung erzielt worden sei. Mit dieser Begründung nimmt das Landesarbeitsgericht die arbeitskampfrechtlich spezifische Situation nicht ausreichend in den Blick. Verständigen sich Tarifvertragsparteien in Tarifvertragsverhandlungen auf bestimmte Punkte oder stehen diese Punkte am Ende eines (freiwilligen) Schlichtungsverfahrens nicht (mehr) im Streit, haben sie sich letztlich auch bezüglich dieser Regelungsgegenstände nicht geeinigt, wenn das „Gesamtpaket” nicht zustande kommt. Auch vorliegend war am Ende des Schlichtungsverfahrens der Abschluss des gesamten Tarifvertrags mit dem vom Schlichter empfohlenen Inhalt „an sich” streitig. Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, bestimmte Tarifforderungen hätten den Streik nicht beeinflusst. Ebenso verkennt das Berufungsgericht die arbeitskampfrechtlichen Besonderheiten, wenn es seine Schlussfolgerung, die friedenspflichtverletzenden Forderungen seien nicht streikbestimmend gewesen, darauf stützt, dass nach deren Fallenlassen nicht sogleich weitere Verhandlungen aufgenommen worden seien.
c) Ungeachtet dessen ist bei einem aufgrund einer Friedenspflichtverletzung rechtswidrigen Streik für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens kein Raum (so auch Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1261; Jauernig/Teichmann BGB 16. Aufl. Vor §§ 249-253 Rn. 48; Rieble BB 2014, 949, 951; Willemsen/Mehrens NZA 2013, 1400, 1402; vgl. auch Wiedemann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 971).
aa) Dies folgt allerdings nicht aus einer der Friedenspflicht beizumessenden Funktion, dass mit ihr die typischerweise schwerwiegenden Folgen kollektiver Kampfmaßnahmen für die Gesamtheit und die beteiligten Kreise des Arbeitslebens im Rahmen des Möglichen vermieden werden sollen (so noch BAG 31. Oktober 1958 – 1 AZR 632/57 – zu V 3 der Gründe, BAGE 6, 321; vgl. bereits zuvor BAG 8. Februar 1957 – 1 AZR 169/55 – BAGE 3, 280; kritisch hierzu zB Nitsche in Däubler Arbeitskampfrecht 3. Aufl. § 22 Rn. 125; Hanau Die Kausalität der Pflichtwidrigkeit S. 54 ff.; MüKoBGB/Oetker 7. Aufl. § 249 Rn. 223; Staudinger/Schiemann (2005) § 249 Rn. 105; sh. auch Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Band I § 26 II 5 a (2)). Eine solche die Allgemeinheit oder Dritte schützende Wirkung kommt der schuldrechtlich determinierten Friedenspflicht nicht – jedenfalls nicht typischerweise – zu. Ebenso trägt der Gedanke nicht, dass im Arbeitskampfrecht die Verletzung der Friedenspflicht praktisch weitgehend sanktionslos bliebe, wenn man die Möglichkeit eines zulässigen Streiks als rechtmäßige Alternative in Betracht ziehen würde (so aber BAG 31. Oktober 1958 – 1 AZR 632/57 – aaO). Eine sanktionierende Wirkung ist dem Schadensersatzrecht im Allgemeinen fremd; auch die Schadensersatzpflicht bei rechtswidrigem Streik hat Ausgleichs- und keine Sanktionsfunktion.
bb) Nach ihrem Sinn und Zweck soll die sich aus einem bestehenden Tarifvertrag ergebende Friedenspflicht verhindern, dass Änderungen oder Verbesserungen der tariflich geregelten Gegenstände gegenüber dem Tarifvertragspartner mit Mitteln des Arbeitskampfes durchzusetzen versucht wird. Sie ist darauf gerichtet, für die Dauer ihres Bestehens die Schädigung des Arbeitgebers durch einen Streik „als solchen” auszuschließen. Hiervon ausgehend kann die Beklagte nicht entlasten, dass ein von ihr getragener Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen bei der Klägerin zu 3. die (genau) gleichen Folgen gehabt hätte. Es hätte sich wegen des dann anderen Streikziels um einen anderen Arbeitskampf gehandelt. Ein solcher vermag keine Alternativhandlung abzugeben. Anderenfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt. Eine solche Fallgestaltung erfasst der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens regelmäßig nicht (vgl. [bei behördlichem Handeln und hypothetischem Verwaltungsakt] BGH 3. Februar 2000 – III ZR 296/98 – zu II 2 b der Gründe, BGHZ 143, 362).
6. Entgegen der Auffassung der Beklagten verbietet sich die Annahme ihrer Ersatzpflicht für die durch den Streik entstandenen Schäden bei der Klägerin zu 3. nicht aus konventionsrechtlichen Gründen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bei der Anwendung und Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes als Auslegungshilfe heranzuziehen (vgl. BVerfG 22. Oktober 2014 – 2 BvR 661/12 – Rn. 128, BVerfGE 137, 273). Auf der Ebene des einfachen Rechts trifft die Fachgerichte die Verpflichtung, die Gewährleistungen der EMRK und ihrer Zusatzprotokolle zu berücksichtigen und in den betroffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung mittels einer konventionsfreundlichen Auslegung einzupassen (BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 27). In diesem Rahmen sind als Auslegungshilfe auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des EGMR für die Auslegung der EMRK auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. BVerfG 18. August 2013 – 2 BvR 1380/08 – Rn. 28; BAG 20. Oktober 2015 – 9 AZR 743/14 – Rn. 13; 20. November 2012 – 1 AZR 611/11 – Rn. 69 mwN, BAGE 144, 1).
b) Vorliegend ist die durch Art. 11 EMRK geschützte Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das damit verbundene Streikrecht (vgl. dazu zB EGMR 21. April 2009 – 68959/01 – [Enerji Yapi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) zu berücksichtigen. Insoweit hat der EGMR mit seinen Entscheidungen zu Art. 11 EMRK verdeutlicht, dass an die Rechtfertigung einer Einschränkung der Vereinigungsfreiheit und des damit verbundenen Streikrechts nicht unerhebliche Anforderungen zu stellen sind (vgl. BAG 20. November 2012 – 1 AZR 179/11 – Rn. 130, BAGE 143, 354). Mit der Annahme der Schadensersatzpflicht der Beklagten, die mit dem von ihr getragenen Streik gegen die Friedenspflicht nach einem von ihr vereinbarten Tarifvertrag verstößt, wird aber deren Streikrecht nicht unverhältnismäßig beschränkt. Gegenteiliges lässt sich auch der Entscheidung des EGMR in der Sache „Hrvatski Lijecnicki Sindikat (HLS) / Kroatien” (EGMR [I. Sektion] 27. November 2014 – 36701/09 – AuR 2015, 146) nicht entnehmen. Diese Entscheidung betrifft ein Streikverbot aufgrund eines innerstaatlichen Gerichtsurteils. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat der Gerichtshof festgestellt, dass das innerstaatliche Gericht die Zulässigkeit des Streiks nicht umfassend geprüft habe und auf einen „dritten Streikgrund” – den die Gewerkschaft hilfsweise zur Organisation des Streiks angegeben hatte – nicht eingegangen sei (Rn. 58 iVm. Rn. 14). Ergebnis dieses Ansatzes sei gewesen, dass die beschwerdeführende Gewerkschaft trotz eines tariflosen Zustandes für die Dauer von drei Jahren und acht Monaten nicht berechtigt gewesen sei, einen Streik durchzuführen, was nicht als verhältnismäßig angesehen werden könne (Rn. 59). Dies ist mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Die Beklagte hat mit dem von ihr geführten Arbeitskampf gegen eine von ihr selbst vereinbarte Friedenspflicht verstoßen, indem sie ihr – einheitlich zu bewertendes – Streikziel auf die Durchsetzung bereits geregelter Gegenstände bezog. Abgesehen davon, dass es mithin nicht wie in der Sache „Hrvatski Lijecnicki Sindikat (HLS) / Kroatien” um einen verlautbarten – von den kroatischen Gerichten aber nicht geprüften – „hilfsweisen Streikgrund” geht, geben die vom EGMR in Bezug auf Art. 11 EMRK aufgestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht vor, die Illegitimität kampfweise durchzusetzender Forderungen bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit eines Arbeitskampfes zu ignorieren (aA wohl Lörcher AuR 2015, 126, 129; vgl. auch Jacobs/Schmidt EuZA 2016, 82, 94 f.).
II. Der Klägerin zu 3. steht daneben ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1, § 31 BGB zu. Die Beklagte hat – handelnd durch ihre Organe – mit dem vom 16. bis 23. Februar 2012 und vom 26. bis 29. Februar 2012 geführten Streik die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control verabredete Friedenspflicht hinsichtlich der §§ 5 bis 8 TV Apron Control schuldhaft verletzt. Weder nach § 254 BGB noch unter dem Gesichtspunkt eines rechtmäßigen Alternativverhaltens noch nach konventionsrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Ersatzpflicht der Beklagten ausgeschlossen.
III. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif und daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Die Beklagte hat die von der Klägerin zu 3. geltend gemachten Schadenspositionen bestritten. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu keine Feststellungen getroffen.
2. Dabei gilt allerdings für das von der Klägerin zu 3. (auch) herangezogene schadensstiftende Ereignis der Ankündigung des Unterstützungsstreiks gegenüber der DFS mit Schreiben vom 28. Februar 2012, dass das Landesarbeitsgericht insoweit zu Recht davon ausgegangen ist, ein hierauf bezogener Schadensersatzanspruch scheide aus, weil nach deren Vortrag nicht festgestellt werden könne, welche konkreten Beeinträchtigungen oder Schäden hierauf zurückzuführen seien. Ausgehend vom Beweismaß des § 287 Abs. 1 ZPO ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann daher offenbleiben, ob die der DFS angekündigte Absicht der Beklagten, ihre Mitglieder im Geschäftsbereich Tower zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Arbeitskampfes in der Vorfeldkontrolle, Verkehrszentrale und Vorfeldaufsicht aufzurufen, einen Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt.
a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch – soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht – für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist (BGH 12. Juli 2016 – KZR 25/14 – Rn. 42 mwN). Im Anwendungsbereich der Vorschrift ist der Tatrichter besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH 5. März 2013 – VI ZR 245/11 – Rn. 14 mwN).
b) Derartige Rechtsfehler werden von der Revision der Klägerin zu 3. nicht aufgezeigt.
aa) Es ist nicht – anders als die Revision meint – davon auszugehen, das Landesarbeitsgericht habe die deliktsrechtlichen Grundsätze zur Haftung mehrerer Schädiger nach § 830 BGB verkannt, die „erst recht” anzuwenden seien, wenn nur ein Schädiger mehrere Schadensursachen verantworte. Die Haftungsverbandsregel des § 830 BGB durchbricht das dem BGB innewohnende Prinzip, wonach Schadensersatz nur von demjenigen verlangt werden kann, der den Schaden verursacht hat. Die Fallgruppen der Vorschrift sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht nur eine einzige Person als Schädiger in Betracht kommt, sondern an der Entstehung des Schadens mehrere Personen mitgewirkt haben (vgl. Staudinger/Eberl-Borges (2012) § 830 Rn. 2). So ist etwa bei § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Voraussetzung, dass bei jedem Beteiligten – vom Nachweis der Ursächlichkeit abgesehen – ein den klägerischen Anspruch begründendes Verhalten gegeben war, eine der unter dem Begriff „Beteiligung” zusammengefassten Personen den Schaden verursacht haben muss und nicht feststellbar ist, welcher von ihnen den Schaden – ganz (Urheberzweifel) oder teilweise (Anteilszweifel) – verursacht hat (BGH 23. Mai 2006 – VI ZR 259/04 – Rn. 9). Nur wegen der Mehrheit der Schädiger dürfen sich die Kausalitätsprobleme stellen. Das ist vorliegend nicht der Fall.
bb) Auch die von der Revision herangezogenen Grundsätze der kumulativen Gesamtkausalität und der Doppelkausalität sind nicht einschlägig.
(1) Die kumulative Gesamtkausalität betrifft die Frage des Zurechnungszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden, wenn ein Schaden haftungsrechtlich auf mehreren Ursachen beruht, die von verschiedenen Personen gesetzt worden sind (vgl. etwa BGH 18. Dezember 2008 – IX ZR 179/07 – Rn. 19 f.). Um eine solche Konstellation handelt es sich vorliegend nicht.
(2) Eine Doppelkausalität wird angenommen, wenn zwei Umstände einen Schaden verursachen und jeder für sich allein ausgereicht hätte, den ganzen Schaden zu verursachen. Dann sind beide Umstände als ursächlich zu behandeln. Dafür ist nicht erforderlich, dass die Schädigung durch zwei verschiedene Personen erfolgt. Es genügt, wenn eine Person zwei Ursachen setzt, welche jede für sich den vollen Schaden herbeigeführt hätte (BGH 4. April 2014 – V ZR 275/12 – Rn. 16, BGHZ 200, 350). Davon, dass der Haupt- und der Unterstützungsstreik jeweils für sich gesehen den geltend gemachten Umfang der Ersatzpflicht auslösten, ist aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin zu 3. nicht auszugehen.
B. Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen gegen die ihre Zahlungsanträge abweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der jeweils geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aus deliktsrechtlichen Gründen unbegründet. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützter Schadensersatzanspruch besteht nicht.
I. Die von den Klägerinnen zu 1. und 2. geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten. Es fehlt bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut der beiden Klägerinnen.
1. Eine zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtende Verletzung des Eigentums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ihren Flugzeugen – und bei der Klägerin zu 2. im Hinblick auf die abgetretenen Forderungen an denen der N GmbH – durch die durchgeführten Streikmaßnahmen und den angekündigten Unterstützungsstreik machen die Klägerinnen zu 1. und 2. nicht geltend.
2. Ein Anspruch der Klägerinnen zu 1. und 2. – bei letzterer zT aus abgetretenem Recht – folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Es fehlt an einem unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff.
a) Streikmaßnahmen sind mit der nach § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen spezifischen Betriebsbezogenheit eines Eingriffs in den Gewerbebetrieb des Kampfgegners verbunden. Dessen unmittelbare Kampfbetroffenheit folgt aus dem gewerkschaftlichen Streikaufruf. In diesem drückt sich die objektive Stoßrichtung der Kampfmaßnahme aus. Demgegenüber stellt der Streik oder der Aufruf hierzu regelmäßig keinen unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines drittbetroffenen, kampfunbeteiligten Unternehmens dar (vgl. BAG 25. August 2015 – 1 AZR 754/13 – Rn. 38, BAGE 152, 240 und – 1 AZR 875/13 – Rn. 26, BAGE 152, 260). Beachtlich ist allein der Streikbeschluss der kampfführenden Gewerkschaft. Auf dessen Bewertung durch Externe oder Drittbetroffene kommt es dabei nicht an. Anderes kann allenfalls gelten, wenn das dem Kampfgegner übermittelte Kampfziel nur in dem Sinn vorgeschoben ist, dass tatsächlich ein mit diesem verbundener Dritter in Anspruch genommen werden soll. Zu einer solchen Annahme gereicht nicht die Betroffenheit des Dritten vom Streik (Bayreuther RdA 2016, 181, 182).
b) Danach haben die Vorinstanzen zu Recht erkannt, dass von einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. – oder das der N GmbH – am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht ausgegangen werden kann.
aa) Dies gilt zunächst für den durchgeführten (Haupt-)Streik.
(1) Nach den der Klägerin zu 3. mit Schreiben der Beklagten vom 15. Februar 2012 und vom 25. Februar 2012 mitgeteilten Ankündigungen der Streikmaßnahmen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Aufruf der Beklagten hierzu einen anderen Kampfgegner als die Klägerin zu 3. anbelangte. Die Arbeitsniederlegungen betrafen deren unternehmerischen Bereiche der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale am Flughafen Frankfurt am Main. Die objektive Stoßrichtung der Streikaktionen zielte auf eine Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs der Klägerin zu 3.
(2) Eine gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtete Zielrichtung drückt sich nicht in der Äußerung des Vorstands der Beklagten Tarif/Recht in dem angeführten Interview aus. Die Wertung des Landesarbeitsgerichts, hierin liege nicht mehr als eine Beschreibung der Streikfolgen für (dritt-)betroffene Fluggesellschaften, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der dagegen angebrachte Revisionsangriff der Klägerinnen zu 1. und 2. setzt insoweit nur deren Verständnis des Erklärungswerts der Aussage an die Stelle desjenigen des Berufungsgerichts. Ungeachtet dessen müsste – folgte man der Argumentation der Klägerinnen zu 1. und 2. – der Streikaufruf, der sich unmissverständlich allein auf den Gewerbebetrieb der Klägerin zu 3. bezog, als vorgeschoben zu bewerten sein (dazu Bayreuther RdA 2016, 181, 182). Hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, zumal eine nachträglich – und sei es von einem Vorstandsmitglied der streikführenden Gewerkschaft – abgegebene Erklärung die in dem Streikaufruf verlautbarte objektive Zielrichtung des Streiks grundsätzlich nicht zu relativieren vermag.
(3) Die Stoßrichtung des Streiks muss auch nicht deshalb als gegen die eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH gerichtet bewertet werden, weil deren unternehmerische Tätigkeit zwingend von der Inanspruchnahme der durch die Klägerin zu 3. erbrachten Dienste der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale abhängt. Diese Leistungen – im Wesentlichen als Teil des Flugverkehrskontrolldienstes – gehören zu den flugsicherungsbetrieblichen Diensten für den Flugbetrieb auf Flugplätzen. Deren „Ausfall” bedingt kraft luftverkehrsrechtlicher Vorgaben Störungen bei der Durchführung von Flügen. Diese funktionale Verflechtung modifiziert aber nicht den deliktsrechtlichen Grundsatz, wonach kein Ersatz für mittelbare Vermögensschäden geschuldet wird, die Dritte bei Verletzung ihrer Rechtsgüter durch eine Reflexwirkung erleiden. Aus der Unausweichlichkeit von Beeinträchtigungen der Gewerbebetriebe der klagenden Luftfahrtunternehmen bei streikbedingten Störungen oder Beeinträchtigungen der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale an einem von ihnen genutzten Flughafen folgt nicht – gewissermaßen zwangsläufig – eine gegen diese Unternehmen gerichtete Zielrichtung des Streiks.
bb) Auch im Hinblick auf die Ankündigung der Beklagten gegenüber der DFS, ihre Mitglieder am Tower Frankfurt am Main am 29. Februar 2012 zu einem befristeten Streik zur Unterstützung des Hauptstreiks aufzurufen, fehlt es an einem unmittelbaren Eingriff in das Recht der Klägerinnen zu 1. und 2. sowie der N GmbH am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher schon deshalb ausscheidet, weil sich die Ankündigung allein an die DFS richtete. Selbst wenn man zugunsten der Klägerinnen zu 1. und 2. die Verletzungshandlung in dem öffentlichen Bekanntwerden der an die DFS gerichteten Ankündigung sähe, ließe sich hieraus nicht ohne weiteres auf eine direkt gegen deren Gewerbebetriebe sowie den der N GmbH zielende Maßnahme schließen. Zwar verweisen die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. zutreffend darauf, dass nach der Ankündigung der Beklagten – anders als in dem vom Senat am 25. August 2015 entschiedenen Rechtsstreit (– 1 AZR 875/13 – BAGE 152, 260) zu einem Tarifkonflikt zwischen der DFS und der Beklagten mit Arbeitskampfandrohungen im August 2011 – nicht alle tariflich beschäftigten Mitarbeiter der DFS zum (Unterstützungs-)Streik aufgerufen werden sollten, sondern (allein) die Gewerkschaftsmitglieder am Tower Frankfurt am Main. Damit zielte die beabsichtigte Maßnahme darauf, nicht den gesamten Betrieb der DFS zu beeinträchtigen, sondern den einer ihrer Flugsicherungsdienste erbringenden Einrichtung. Aus dem Umstand einer (beabsichtigten) Störung der Flugsicherungsdienste lässt sich aber nicht „per se” ein unmittelbarer Eingriff in die Gewerbebetriebe der von der Erbringung dieser Leistung abhängigen Fluggesellschaften herleiten (ausf. BAG 25. August 2015 – 1 AZR 754/13 – Rn. 41 bis 45, BAGE 152, 240). Auch im vorliegenden Fall kann nichts anderes festgestellt werden, als dass mittels der beabsichtigten Arbeitsniederlegung der im Tower tätigen Mitarbeiter (Fluglotsen) auf die DFS eingewirkt werden sollte, um den Druck auf die Klägerin zu 3. zu verstärken und den gegen deren Unternehmen geführten Hauptarbeitskampf zu beeinflussen. Inwieweit sich eine objektiv gegen die Gewerbebetriebe der Klägerinnen zu 1. und 2. (bzw. der N GmbH) gerichtete Stoßrichtung aus der bereits behandelten Äußerung des Vorstands Tarif/Recht im Interview mit „Spiegel-Online” ergeben soll, erschließt sich mit Blick auf die angekündigte (Unterstützungs-)Streikmaßnahme bereits deshalb nicht, weil die Aussage nach der nicht angegriffenen und damit bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellung des Landesarbeitsgerichts „während der Durchführung” des Hauptstreiks gemacht worden ist und es insoweit von vornherein an einem zeitlichen, auf die Unterstützungskampfmaßnahme bezogenen Kontext fehlt.
cc) Soweit die Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. in Auseinandersetzung mit der Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. August 2015 (– 1 AZR 754/13 – Rn. 46 bis 51, BAGE 152, 240) meinen, ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB könne wegen der Entscheidung des Dritten Senats des Bundesgerichtshofs vom 16. Juni 1977 zu der streikähnlichen Aktion von Flugleitern im Jahre 1973 (– III ZR 179/75 – BGHZ 69, 128; vgl. in der Folge auch BGH 31. Januar 1978 – VI ZR 32/77 – BGHZ 70, 277; 22. März 1979 – III ZR 24/78 –; 28. Februar 1980 – III ZR 131/77 – BGHZ 76, 387) nicht abgelehnt werden, trifft diese Bewertung nicht zu. Die einzelfallbezogenen Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu einer kollektiven Amtspflichtverletzung sind auf gewerkschaftlich getragene Streiks von vornherein nicht übertragbar.
dd) Schließlich verfängt die unter Verweis auf frühere Senatsentscheidungen (BAG 21. Juni 1988 – 1 AZR 653/86 – BAGE 59, 48; 8. November 1988 – 1 AZR 417/86 – BAGE 60, 101) vertiefte Argumentation der Revisionsklägerinnen zu 1. und 2. nicht, die durchgeführten und die angekündigte Streikaktionen stellten eine Betriebsblockade dar und seien deshalb als unmittelbarer Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der betroffenen Fluggesellschaften zu werten. Ungeachtet dessen, dass die durchgeführten – und schon gar nicht die beabsichtigte – Kampfmaßnahmen keine über die (beabsichtigte) kollektive Arbeitsniederlegung hinausgehende und eine Betriebsblockade typischerweise charakterisierende äußerliche physische Absperrung eines Betriebs betrafen, waren sie nicht auf die Verhinderung eines von mehreren Unternehmen arbeitsteilig verfassten Produkts gerichtet. Die Klägerinnen zu 1. und 2. sowie die Klägerin zu 3. und die DFS erbringen kein „Produkt” der Passagierbeförderung auf dem Luftweg in bewusst betriebsgemeinsamarbeitsteilig verfasster Weise, auf deren Verhinderung die Aktionen der Beklagten zielten. Die in den zitierten Entscheidungen zur Wertung herangezogene „arbeitsteilige Produkterbringung” liegt auch nicht – wie die Klägerinnen zu 1. und 2. offensichtlich meinen – in jeder „Produkterbringung in Abhängigkeit von der Leistung anderer”. Aus den (Mitteilungen zu) Streikankündigungen der Beklagten folgt nur eine objektiv-planvolle Verhinderung der allein von der Klägerin zu 3. erbrachten Dienstleistung „Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale” und der allein von der DFS zu erbringenden Flugsicherungsdienstleistung. Die hierdurch bedingten Betriebsablaufstörungen bei den klagenden Fluggesellschaften waren schlichte Folge des (absehbaren) Leistungsausfalls.
II. Etwaige Ansprüche der Klägerinnen zu 1. und 2. aus § 826 BGB sind nicht Gegenstand der Revisionsverfahren. Das Landesarbeitsgericht hat die Zahlungsanträge der Klägerinnen zu 1. und 2. auch insoweit als nicht begründet angesehen. Dagegen wenden sich die Revisionen nicht.
III. Die Klägerinnen zu 1. und 2. haben keinen (abgetretenen) vertraglichen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem zwischen der Beklagten und ua. der Klägerin zu 3. geschlossenen TV Apron Control. Sie wie auch die N GmbH sind nicht in den Schutzbereich dieses Tarifwerks einbezogen.
1. Auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen können grundsätzlich in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB; BGH 9. April 2015 – VII ZR 36/14 – Rn. 25 mwN). Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BAG 25. August 2015 – 1 AZR 875/13 – Rn. 42 mwN, BAGE 152, 260).
2. In schuldrechtliche Verpflichtungen von Tarifvertragsparteien sind andere Dritte regelmäßig nicht einbezogen. Dies gilt nicht nur für die einem Tarifvertrag ohne besondere Vereinbarung regelmäßig immanente relative Friedenspflicht (vgl. hierzu BAG 25. August 2015 – 1 AZR 875/13 – Rn. 43, BAGE 152, 260), sondern auch für eine ausdrücklich vereinbarte – hier nach dem TV Apron Control erweiterte relative – Friedenspflicht. Eine solche Erweiterung der Haftung für die jeweilige Tarifvertragspartei ist für diese wegen der fehlenden Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Folgen regelmäßig nicht zumutbar. Für eine gegenteilige Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarungen müssen besondere Anhaltspunkte bestehen.
3. Gemessen hieran scheidet eine vertragliche Einstandspflicht der Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu 1. und 2. und der N GmbH aus.
a) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Luftfahrtunternehmen in die Friedenspflicht nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control einbezogen sind. Auf eine solche Einbeziehung Dritter kann insbesondere nicht, anders als die Klägerinnen zu 1. und 2. meinen, aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ihrer Leistungen mit denen der Klägerin zu 3. sowie der funktionalen Abhängigkeit der Fluggesellschaften vom Flughafenbetreiber geschlossen werden. Bereits wegen der erforderlichen Abgrenzung zum deliktischen Haftungsbereich darf die für die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderliche Leistungsnähe nicht nur faktisch gegeben sein (ausf. Staudinger/ Klumpp (2015) § 328 Rn. 112 mwN aus der Rspr.). Entsprechend lehnt auch der Bundesgerichtshof selbst Hinweise auf konzernmäßige enge Verflechtungen zur Begründung der Leistungsnähe als „von vornherein nicht geeignet” ab (zu einem Darlehensvertrag BGH 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03 – Rn. 56, BGHZ 166, 84; vgl. auch Kort NJW 2006, 1098 f.).
b) Ein Drittschutz ist in der Friedenspflicht nach dem TV Apron Control weiterhin nicht deshalb angelegt, weil sie objektiv auch den Interessen der Nutzer des von der Klägerin zu 3. betriebenen Flughafens, darunter jenen der Fluggesellschaften, dient. Es kommt vielmehr darauf an, ob es – hier nicht ersichtliche – konkrete Anhaltspunkte für einen subjektiven Willen dafür gibt, dass die Tarifvertragsparteien die schuldrechtliche Verpflichtung nach § 12 Abs. 2 TV Apron Control (auch) mit Blick auf Dritte vereinbart haben. Insofern überzeugt das Argument der Revisionsführer nicht, die Friedenspflicht aus Tarifverträgen für Mitarbeiter der Bereiche Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale eines Flughafens wäre ohne Einbeziehung der Fluggesellschaften „weitgehend bedeutungslos, da dem Flughafenbetreiber infolge eines Streiks dieser Mitarbeiter erst dann ein Schaden entsteht, wenn die Fluggesellschaften ihre Leistungen nicht erbringen können”. Dies ist letztlich immer der Fall, wenn es um Tarifverträge in einem Bereich geht, in dem der Gegenstand unternehmerischer Betätigung „abnehmerbezogen” ist.
C. Über die Kosten des Rechtsstreits kann der Senat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung nicht abschließend befinden. Die Entscheidung hängt davon ab, ob und ggf. in welchem Umfang die Klägerin zu 3. nach der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht in der Sache obsiegen wird. Das Landesarbeitsgericht wird daher über die Kosten des Rechtsstreits – auch im Hinblick auf die zurückgewiesenen Revisionen der Klägerinnen zu 1. und 2. – zu entscheiden haben. Es kann als Rechtsmittelgericht unter Gewährung rechtlichen Gehörs eine die im Rechtsmittelverfahren dann nicht mehr beteiligten Klägerinnen zu 1. und 2. betreffende Kostenentscheidung treffen (vgl. BGH 14. Juli 1981 – VI ZR 35/79 – zu III der Gründe).
Unterschriften
Schmidt, Treber, K. Schmidt, Klebe, Benrath
Fundstellen
BAGE 2017, 347 |
BB 2016, 1843 |
BB 2016, 2931 |
BB 2016, 3066 |
DB 2016, 14 |
DB 2016, 6 |
NJW 2016, 10 |
FA 2017, 61 |
JR 2018, 213 |
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AA 2016, 160 |
AUR 2016, 436 |
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JM 2017, 149 |
SPA 2016, 127 |