Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen Nichtübernahme von Auszubildenden. Schadensersatz wegen Verletzung der tariflichen Pflicht zur Übernahme Auszubildender nach erfolgreich abgelegter Abschlussprüfung. tarifliche Schlichtungsstelle
Orientierungssatz
- Der ausbildende Arbeitgeber in der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen ist nach § 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung (TV BS) verpflichtet, dem Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung die Übernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis anzubieten, sofern kein tariflicher Ausnahmetatbestand gegeben ist und der Betriebsrat der Nichtübernahme zustimmt.
- Die bloße Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle zum Zwecke der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner tariflichen Übernahmeverpflichtung. Die Verpflichtung erlischt erst mit einer entsprechenden Entscheidung der Schlichtungsstelle.
- Die Übernahmeverpflichtung besteht nach § 3 Nr. 2 TV BS nicht, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat. Der Entscheidung der Schlichtungsstelle kommt die Funktion eines Schiedsgutachtens zu. Dieses ist in entsprechender Anwendung der §§ 317 bis 319 BGB zu überprüfen.
Normenkette
BGB §§ 280, 249 a.F., §§ 251, 319
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2004 – 7 Sa 1321/02 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin und die Kläger verlangen Schadensersatz, weil sie von der Beklagten nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht in ein befristetes Arbeitsverhältnis übernommen wurden.
Die Klägerin und die Kläger wurden von der Beklagten seit September 1997 zum Energieanlagen-Elektroniker ausgebildet. Die Berufsausbildungsverhältnisse endeten mit dem Bestehen der Gesellenprüfung durch die Kläger zu 1) – 3) am 25. Januar 2002 und den Kläger zu 4) am 31. Januar 2002.
Auf die jeweiligen Ausbildungsverhältnisse fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung der Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Rheinhessen vom 26. November 2001 (künftig: TV BS 2001) Anwendung. Diese lautet – soweit hier von Interesse – wie folgt:
Ҥ 1
Geltungsbereich
Es gilt der gleiche räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich wie in § 1 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 1986 (GMTV) in seiner jeweils gültigen Fassung.
§ 2
Absenkung der Arbeitszeit
…
7. Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat bei vorübergehenden Beschäftigungsproblemen nicht über die Absenkung der tariflichen Arbeitszeit gem. Ziff. 1 einigen, so kann auf Initiative des Betriebsrates oder des Arbeitgebers eine tarifliche Schlichtungsstelle angerufen werden. Die Schlichtungsstelle setzt sich aus je 2 Vertretern der Tarifvertragsparteien und einem neutralen Vorsitzenden zusammen. Die Schlichtungsstelle trifft eine verbindliche Entscheidung innerhalb einer Frist von 4 Wochen, nur einmal bei gleichem Sachverhalt und längstens für 6 Monate. Die Tarifvertragsparteien treffen im Voraus eine Vereinbarung über den Vorsitzenden der Schlichtungsstellen.
§ 3
Übernahme von Auszubildenden
1. Auszubildende werden bei erfolgreich bestandener Abschlussprüfung im Grundsatz für mindestens 12 Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen, soweit dem nicht personenbedingte Gründe entgegenstehen.
Der Betriebsrat ist hierüber unter Angabe der Gründe zu unterrichten.
2. Mit Zustimmung des Betriebsrates kann von der Verpflichtung nach Ziff. 1 abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat.
3. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die in § 2 Ziff. 7 genannte tarifliche Schlichtungsstelle.
…
§ 5
Schlussbestimmungen
1. Diese Vereinbarung tritt am 1. Januar 2002 in Kraft.
2. Sie endet am 31. Dezember 2002 und hat mit Ausnahme von § 2 Ziff. 6 keine Nachwirkung.
3. Die Tarifvertragsparteien werden spätestens am 1. Oktober 2002 in Gespräche darüber eintreten, ob diese Vereinbarung oder Teilelemente über die vereinbarte Laufzeit hinaus weitergeführt bzw. in die jeweiligen Tarifverträge übernommen werden.”
Nachdem der Betriebsrat darüber informiert wurde, dass die Anfang 2002 ihr Ausbildungsverhältnis beendenden Auszubildenden nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden sollten, verweigerte er, nach Schriftwechsel und erfolglosen Verhandlungsversuchen mit der Beklagten, mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 seine gem. § 3 Nr. 2 TV BS 2001 erforderliche Zustimmung zur Befreiung von der Übernahmepflicht. Mit Schreiben vom 17. Januar 2002 teilte die Beklagte den betroffenen Auszubildenden mit, dass “eine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis nicht erfolgt”.
Nach Ablegung der Gesellenprüfung waren die Klägerin und die Kläger zunächst arbeitslos und bezogen Arbeitslosengeld. Mit Wirkung vom 2. April 2002 wurde der Kläger zu 1) zum Zivildienst einberufen; die Klägerin zu 2) ging, ebenfalls ab 2. April 2002, zur Bundeswehr.
Am 20. Februar 2002 trafen die Tarifvertragsparteien des TV BS 2001 eine Vereinbarung über die Errichtung einer Schlichtungsstelle. Sie lautet – soweit hier von Belang – wie folgt:
Ҥ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag hat den gleichen räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich wie der Gemeinsamen Manteltarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 1986.
§ 2
Errichtung einer Schlichtungsstelle
Gemäß § 2 Ziff. 7 und § 3 Ziff. 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung vom 26. November 2001 wird eine Schlichtungsstelle der Tarifvertragsparteien gebildet.
Diese Schlichtungsstelle setzt sich zusammen aus
je 2 Vertretern der Tarifvertragsparteien
sowie einem unparteiischen Vorsitzenden
Die Vertreter der Tarifvertragsparteien werden von diesen fallweise benannt.
Die Tarifvertragsparteien einigen sich fallweise auf einen unparteiischen Vorsitzenden. Kommt eine Einigung nicht zustande, benennt jede Seite einen Vorsitzenden. Die Auswahl erfolgt in diesem Fall durch Losentscheid.
§ 3
Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle
Die tarifliche Schlichtungsstelle wird durch das Unternehmen oder den Betriebsrat des Unternehmens bei einer der Tarifvertragsparteien angerufen. Das Schlichtungsverfahren ist eingeleitet, sobald die Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle bei einer der Tarifvertragsparteien schriftlich eingegangen ist. Die Tarifvertragspartei, bei der das Schreiben zur Anrufung der Schlichtungsstelle eingeht, leitet dieses unverzüglich an die andere Tarifvertragspartei weiter. Sodann ist binnen einer Woche die Einigung auf einen unparteiischen Vorsitzenden gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 herbeizuführen.
Die Benennung der Beisitzer der tariflichen Schlichtungsstelle erfolgt unverzüglich nach Eingang des Antrages auf Durchführung des Schlichtungsverfahrens gem. § 2 Ziff. 7 oder § 3 Ziff. 3 der Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung.
Die Schlichtungsstelle fasst ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit.
…
§ 5
In-Kraft-Treten
Diese Vereinbarung tritt zum 01. Januar 2002 in Kraft. Sie endet zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Tarifvereinbarung zur Beschäftigungssicherung für Rheinland-Pfalz abläuft und nicht mehr verlängert wird. Eine Nachwirkung ist ausgeschlossen.”
Mit Schreiben an den designierten Schlichtungsstellenvorsitzenden vom 27. Februar 2002 rief die Beklagte die Schlichtungsstelle gem. § 3 Nr. 3 TV BS 2001 an. Die IG Metall teilte mit Schreiben vom 29. August 2002 mit, “dass wir … keinem Schlichtungsverfahren zustimmen”. Begründet wurde dies damit, dass der Arbeitgeber die tarifliche Schlichtungsstelle nur während des bestehenden Ausbildungsverhältnisses anrufen könne. Dies bekräftigte die IG Metall mit Schreiben vom 10. September 2002. Mit Protokoll vom 15. März 2004 vertrat die Schlichtungsstelle schließlich die Auffassung, dass sie zu einer Entscheidung in der Sache nicht mehr berufen sei. Die Erfüllung einer eventuellen Übernahmeverpflichtung der Beklagten sei nunmehr unmöglich. Die tarifliche Schlichtungsstelle werde daher eingestellt.
Die von der Klägerin und den Klägern nach dem Ausbildungsende eingereichten Klagen auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis (Arbeitsgericht Kaiserslautern, Auswärtige Kammern Pirmasens, Aktenzeichen: – 4 Ca 213/02, 4 Ca 214/02, 4 Ca 216/02 und 4 Ca 246/02 –) wurden mangels vorheriger Durchführung des Schlichtungsverfahrens als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin und die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihnen wegen der unterbliebenen Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zum Schadensersatz verpflichtet. Die Beklagte hätte unmittelbar nach der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats mit Schreiben vom 6. Dezember 2001 die Schlichtungsstelle anrufen müssen, damit diese ihre Entscheidung noch vor dem Ende der Ausbildung hätte treffen können. Das sei auch möglich gewesen. Nunmehr stehe fest, dass die tarifliche Schlichtungsstelle wegen des Zeitablaufs nicht mehr tätig werden könne. Da die Zustimmung des Betriebsrats zur Abweichung von der Übernahmeverpflichtung nicht vorgelegen habe, hätten die Klägerin und die Kläger in ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten übernommen werden müssen. Da dies unmöglich geworden sei, schulde die Beklagte zwar keinen Lohn, wohl aber Schadensersatz in Höhe des ausgefallenen Lohns, worauf die erhaltenen Leistungen (Arbeitslosengeld, Entgelt) anzurechnen seien. Der Anspruch werde im Fall der Kläger zu 1) und 2) zunächst für die Zeit vom Ausbildungsende bis einschließlich Juni 2002 und im Falle der Kläger zu 3) und 4) zunächst für die Zeit vom Ausbildungsende bis einschließlich Mai 2002 geltend gemacht.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 10.630,10 Euro, zu 2) 10.630,10 Euro, zu 3) 8.877,70 Euro und zu 4) 8.548,84 Euro brutto abzüglich 1) 2.264,34 Euro, 2) 3.982,32 Euro, 3) 1.805,00 Euro, 4) 1.582,70 Euro netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, es sei ihr nicht möglich gewesen, den Auszubildenden Arbeitsverhältnisse anzubieten. Das Angebot eines Arbeitsverhältnisses sei wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb und auch, weil der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen habe, nicht möglich gewesen. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, die mit Schreiben vom 27. Februar 2002 an den Schlichtungsstellenvorsitzenden erfolgte Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle sei, auch vor dem Hintergrund, dass diese erst am 20. Februar 2002 eingerichtet worden sei, ausreichend. Es bestehe keine Verpflichtung, die Schlichtungsstelle vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses anzurufen. Schließlich hat die Beklagte noch vorgetragen, auch bei einer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis hätten die Kläger die ersten sechs Monate “Kurzarbeit null” arbeiten müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichteten Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerin und die Kläger ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung der Kläger seien die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nicht gegeben. Ein solcher komme nur dann in Betracht, wenn die Beklagte schuldhaft eine der sich aus dem TV BS 2001 ergebenden Verpflichtungen verletzt hätte. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere treffe die Beklagte kein Verschulden daran, dass die nach der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats gem. § 3 Nr. 3 TV BS 2001 erforderliche Entscheidung einer tariflichen Schlichtungsstelle unterblieben sei. Insoweit habe die Beklagte in jeder Hinsicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet; es sei nicht erkennbar, woraus ihr im Einzelnen ein Vorwurf schuldhaften Verhaltens gemacht werden könne. Außerdem sei die von den Klägern vertretene Rechtsauffassung, die Beklagte hätte sich so früh an die Schlichtungsstelle wenden müssen, dass eine Entscheidung noch vor dem Abschluss der Ausbildungsverhältnisse hätte herbeigeführt werden können, nicht nachvollziehbar.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts können die Ansprüche der Klägerin und der Kläger nicht abgewiesen werden. Es bedarf aber noch weiterer Feststellungen zur Höhe des Schadens.
1. Streitgegenstand iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist allein der zuletzt geltend gemachte Schadensersatzanspruch der Klägerin und der Kläger gegen die Beklagte, weil diese mit ihnen keine auf zwölf Monate befristeten Arbeitsverträge im Anschluss an die Ende Januar 2002 beendete Ausbildung abgeschlossen hat. Um Klagen auf Abgabe einer Willenserklärung (Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages) bzw. auf Erfüllung (Entgeltzahlung auf Grund Annahmeverzugs) geht es nicht mehr.
2. Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin und den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 280 BGB in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
a) Nach Art. 229 § 5 EGBGB ist auf Schuldverhältnisse, die vor dem 1. Januar 2002 entstanden sind, das BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung anzuwenden; bei Dauerschuldverhältnissen jedoch nur bis zum 31. Dezember 2002 (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB). Etwas anderes gilt jedoch für neue von außen auf das Schuldverhältnis einwirkende, sich nicht aus einer inneren Entwicklung ergebende Umstände (BAG 27. November 2003 – 2 AZR 177/03 – AP BGB § 312 Nr. 2, zu B I 1c der Gründe; BGH 18. Juni 1993 – V ZR 47/92 – BGHZ 123, 58, 63; 13. Juni 1995 – IX ZR 137/94 – BGHZ 130, 76, 83; 27. Mai 1999 – VII ZR 245/97 – NZG 1999, 1179, 1181; Palandt/Heinrichs 64. Aufl. BGB Art. 232 § 1 EGBGB Rn. 8; MünchKommBGBHeinrichs 3. Aufl. Art. 232 § 1 Rn. 14; Staudinger/Rauscher BGB 2003 Art. 232 § 1 EGBGB Rn. 93). Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Regelungen erfassen nicht mehr solche Umstände, die das Schuldverhältnis nachträglich verändern. In einem solchen Fall gilt das neue Recht des BGB (vgl. AnwKBGB/Budzikiewicz/Mansel Art. 229 § 5 EGBGB Rn. 51; Palandt/Heinrichs aaO; MünchKommBGB-Heinrichs aaO; Heß NJW 2002, 253, 255; BGH 27. Mai 1999 – VII ZR 245/97 – aaO). Zu derartigen Umständen zählt eine schadensersatzbegründende Handlung nach dem 1. Januar 2002 (BGH 27. Mai 1999 – VII ZR 245/97 – aaO).
b) Da die Ausbildungsverhältnisse der Klägerin und der Kläger mit der Beklagten Ende Januar 2002 endeten, ist neues Recht auch für den Schadensersatzanspruch, der sich darauf stützt, dass die Beklagte der Klägerin und den Klägern keine befristeten Arbeitsverträge ab 1. Februar 2002 angeboten hatte, anwendbar.
3. Voraussetzung für den von der Klägerin und den Klägern geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung nach § 280 BGB nF ist zunächst das Bestehen eines Anspruchs der Kläger auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Dieser kann nicht mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts verneint werden.
a) § 3 Nr. 1 TV BS 2001 enthält den Grundsatz, dass Auszubildende bei erfolgreich bestandener Abschlussprüfung für mindestens zwölf Monate in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden. Ausnahmen hiervon bestimmt § 3 Nr. 1 TV BS 2001 und § 3 Nr. 2 TV BS 2001. Der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis können personenbedingte Gründe (zum Begriff: BAG 17. Juni 1998 – 7 AZR 443/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 158 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 13, zu 3b aa der Gründe mwN auf die ständige Rechtsprechung des Siebten Senats) entgegenstehen. In formeller Hinsicht ist der Betriebsrat unter Angabe der Gründe zu unterrichten, § 3 Nr. 1 TV BS 2001. Von der Verpflichtung zur Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis kann abgewichen werden, wenn das Angebot eines Arbeitsverhältnisses wegen akuter Beschäftigungsprobleme im Betrieb nicht möglich ist oder der Betrieb über seinen Bedarf hinaus Ausbildungsverträge abgeschlossen hat. Dazu ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich, § 3 Nr. 2 TV BS 2001. Der neu eingeführte § 3 Nr. 3 TV BS 2001 bestimmt, dass im Fall der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats auf Antrag des Arbeitgebers die in § 2 Nr. 7 TV BS 2001 genannte tarifliche Schlichtungsstelle entscheidet.
§ 3 Nr. 1 TV BS 2001 begründet nicht automatisch ein Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss der Ausbildung. Die Tarifnorm begründet lediglich einen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift (st. Rspr. seit BAG 14. Mai 1997 – 7 AZR 159/96 – BAGE 85, 367 = AP BGB § 611 Übernahme ins Arbeitsverhältnis Nr. 2 = EzA TVG § 4 Beschäftigungssicherung Nr. 1, zu 1 der Gründe). Der Abschluss eines Arbeitsvertrages kann für eine sich direkt an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung verlangt werden. Zur Begründung wird zum einen auf den Tarifwortlaut, der insbesondere die “Übernahme” des Auszubildenden vorsieht, aber auch auf die mit der Tarifnorm verfolgten Zwecke abgestellt. Diese bestehen darin, dem Auszubildenden durch die Umsetzung seiner in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten Berufspraxis zu verschaffen sowie die Bemessungsgrundlage für die Gewährung von Arbeitslosengeld zu verbessern, was sich nur durch eine unmittelbar oder doch jedenfalls sehr zeitnah an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis erreichen lässt (st. Rspr. seit BAG 14. Oktober 1997 – 7 AZR 811/96 – BAGE 87, 1 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 155 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 11, zu I 6a der Gründe). Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zu mehreren – abgesehen vom Fehlen einer § 3 Nr. 3 TV BS 2001 entsprechenden Regelung – gleich- oder fast gleich lautenden Tarifverträgen entschieden, dass damit lediglich der Abschluss eines Arbeitsvertrages für eine sich direkt an die Berufsausbildung anschließende Beschäftigung verlangt werden kann (zuletzt: 17. Juni 1998 – 7 AZR 443/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 158 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 13, zu 2a der Gründe mwN).
b) Das Bundesarbeitsgericht hat zu einem wortgleichen Tarifvertrag außerdem entschieden, es halte derartige Regelungen für verfassungsgemäß, weil der Tarifvertrag von der grundsätzlichen Übernahmeverpflichtung des Arbeitgebers Ausnahmen zulasse. Eine unverhältnismäßige Beschränkung der nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit des Arbeitgebers liege insbesondere deshalb nicht vor, weil der Arbeitgeber sowohl bei entgegenstehenden Gründen aus der Person des Auszubildenden als auch bei den weiterhin genannten Gründen aus der betrieblichen Sphäre die Übernahme des Auszubildenden ablehnen könne. Ein Kontrahierungszwang des Arbeitgebers auch in den Fällen, in denen § 3 Nr. 2 TV BS 2001 aus sachlichen Gründen eine Ausnahme vorsähe, stehe außerdem auch nicht mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Einklang.
Außerdem setzt die Schaffung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats durch Tarifvertrag voraus, dass die Tarifvertragsparteien ein gerichtlich überprüfbares Schlichtungs- bzw. Einigungsstellenverfahren vorsähen (BAG 12. November 1997 – 7 AZR 422/96 – BAGE 87, 98 = AP BGB § 611 Übernahme ins Arbeitsverhältnis Nr. 3 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 12, zu A II 1a – c der Gründe mit Hinweis auf 10. Februar 1988 – 1 ABR 70/86 – BAGE 57, 317 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 53 = EzA TVG § 1 Nr. 34, zu B II 2c der Gründe; 17. Juni 1998 – 7 AZR 291/97 –, zu II 2 der Gründe). Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat vor diesem Hintergrund das Beteiligungsrecht des Betriebsrats in § 3 Nr. 2 TV BS 2001 als umfassendes Beratungsrecht ausgelegt. Der Arbeitgeber müsse vor seiner Entscheidung über die Übernahme oder Nichtübernahme den Betriebsrat um Zustimmung bitten. Lehne der Betriebsrat ab, so müsse sich der Arbeitgeber mit den Einwendungen des Betriebsrats auseinander setzen, die Beschäftigungsmöglichkeiten überdenken und gegebenenfalls weitere Gründe vortragen, um die Zustimmung des Betriebsrats zu erlangen. Erst wenn das misslinge, könne er die Entscheidung treffen (BAG 12. November 1997 – 7 AZR 422/96 – aaO, zu A II 1d der Gründe).
c) Im Streitfall liegt eine Zustimmung des Betriebsrats zur Befreiung von der Übernahmepflicht iSd. § 3 Nr. 2 TV BS 2001 nicht vor. Der Betriebsrat verweigerte nach Information darüber, dass die Klägerin und die Kläger nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden sollten, nach Schriftwechsel und erfolglosen Verhandlungen mit der Beklagten, die gem. § 3 Nr. 2 TV BS 2001 erforderliche Zustimmung.
Auch die nach § 3 Nr. 3 TV BS 2001 zuständige und gemäß der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien des TV BS 2001 vom 20. Februar 2002 eingerichtete Schlichtungsstelle hat die ihr übertragene Entscheidung nicht getroffen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies zu Recht geschehen ist. Eine Entscheidung der Schlichtungsstelle über die Zustimmung zur Befreiung von der tariflichen Übernahmepflicht ist jedenfalls nicht gegeben.
4. Es besteht daher eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Pflichtverletzung nach § 280 BGB nF. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe nicht schuldhaft gehandelt, weil sie die tarifliche Schlichtungsstelle angerufen habe. Solange kein tariflicher Ausnahmetatbestand gegeben ist, hat die Beklagte ihre tarifvertragliche Verpflichtung, den Auszubildenden nach erfolgreich bestandener Abschlussprüfung die Übernahme in ein befristetes Arbeitsverhältnis anzubieten, zu erfüllen (vgl. BAG 14. Mai 1997 – 7 AZR 159/96 – BAGE 85, 367 = AP BGB § 611 Übernahme ins Arbeitsverhältnis Nr. 2 = EzA TVG § 4 Beschäftigungssicherung Nr. 1, zu 1 der Gründe). Die Nichterfüllung dieser Pflicht führt zu einem Schadensersatzanspruch der Klägerin und der Kläger gegen die Beklagte wegen Pflichtverletzung nach § 280 BGB nF.
5. Der Schadensersatzanspruch besteht in einer Entschädigung in Geld gem. § 251 Abs. 1 1. Alt. BGB. Denn durch eine erst sehr viel spätere tatsächliche Beschäftigung könnten die Zwecke der Tarifnorm nicht erreicht werden, so dass eine tatsächliche Herstellung des früheren Zustandes iSd. § 249 Satz 1 BGB aF nicht mehr möglich wäre (vgl. BAG 17. Juni 1998 – 7 AZR 443/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 158 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 13, zu 2b der Gründe). Zur Höhe des Schadensersatzanspruchs hat das Landesarbeitsgericht bisher – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen getroffen; dies ist nachzuholen.
Hier ist auch der Behauptung der Beklagten nachzugehen, die Kläger hätten bei einer unmittelbar an ihre Ausbildung anschließenden Übernahme in ein Arbeitsverhältnis zunächst “Kurzarbeit null” gearbeitet. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) am 2. April 2002 zur Ableistung des Zivildienstes einberufen wurde.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Wankel, Volz
Fundstellen
Haufe-Index 1493064 |
DB 2006, 1280 |
NZA 2006, 808 |
AP, 0 |
EzA-SD 2006, 11 |
EzA |
NJOZ 2006, 2547 |