Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von im Steuerabzugsverfahren erhobener ESt
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht nur die bei der Festsetzung endgültig berücksichtigten, sondern auch die während des Veranlagungszeitraumes der Finanzverwaltung bekannt gewordenen Einkünfte erfaßt, ist nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat diese Frage bereits dahingehend entschieden, daß die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer nur in der Höhe angerechnet werden kann, soweit die zugehörigen, mit dem Steuerabzug belasteten Einkünfte ihrem Umfang nach bei der Veranlagung tatsächlich erfaßt worden sind (Urteil vom 10. Januar 1995 VII R 41/94, BFH/NV 1995, 779).
Normenkette
EStG § 36 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer 1986 veranlagt. Da die Einkommensteuererklärung keine Angaben über die Höhe der erzielten Einkünfte aus selbständiger bzw. nichtselbständiger Arbeit enthielt, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) den Gewinn des Klägers aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt auf 40 000 DM und setzte mit Bescheid vom 23. November 1987 Einkommensteuer und Kirchensteuer fest. Während eines nach erfolglosem Einspruch geführten Klageverfahrens erließ das FA zwei Änderungsbescheide, in denen ein Bruttoarbeitslohn der als Studienrätin tätigen Klägerin in Höhe von 60 000 DM berücksichtigt und einbehaltene Lohnsteuer und Kirchensteuer angerechnet wurden. In der mündlichen Verhandlung einigten sich die Parteien, daß die Einkünfte der Klägerin lediglich 50 000 DM betragen hatten und daß Versicherungsbeiträge sowie Verluste aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen seien. Da das Finanzgericht (FG) die Auffassung vertrat, daß der angefochtene Einkommensteuerbescheid während des Klageverfahrens nicht zu Lasten der Kläger hätte geändert werden dürfen, erklärte sich das FA bereit, die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung rückgängig zu machen. Mit Änderungsbescheid vom 26. April 1994 setzte das FA die Einkommensteuer und Kirchensteuer wieder in der ursprünglichen Höhe fest. In der dem Bescheid als Anlage beigefügten Abrechnung rechnte das FA die tatsächlich einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer jedoch nur zu ... % an, denn nur in dieser Höhe seien die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit bei der Veranlagung tatsächlich erfaßt worden. In einem Abrechnungsbescheid vom 25. August 1994 bestätigte das FA diese Abrechnung.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrten die Kläger die Anrechnung weiterer vom Lohn der Klägerin einbehaltener Lohnsteuer und Kirchensteuer auf die festgesetzte Einkommensteuer und Kirchensteuer 1986. Das FG wies die Klage ab. Es urteilte, die Kläger hätten keinen Anspruch auf vollständige Anrechnung der einbehaltenen Lohn- und Kirchensteuer. Nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien die Steuerabzüge, die auf bei der Veranlagung nicht erfaßte Einkunftsteile entfielen, von der Anrechnung ausgeschlossen. Im Streitfall seien nur die geschätzten Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid in Ansatz gebracht worden, die Einkünfte der Klägerin hätten dagegen keine Berücksichtigung gefunden. Entgegen der Ansicht der Kläger könne in der Nichtanrechnung auch keine Umgehung des im Klageverfahren anzuwendenden Verböserungsverbotes gesehen werden.
Mit ihrer Beschwerde gegen das Urteil des FG begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Kläger sind der Ansicht, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfasse nicht nur die bei der Festsetzung endgültig berücksichtigten, sondern auch die während des Veranlagungszeitraumes der Finanzverwaltung bekannt gewordenen Einkünfte. Im Streitfall seien die Einkünfte der Klägerin in den -- später wieder aufgehobenen -- Änderungsbescheiden erfaßt worden. Die Interpretation des Wortteils "bei der Veranlagung erfaßt" in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG sei von grundsätzlicher Bedeutung, da die Vorschrift in einer Vielzahl von Fällen Anwendung finde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Kläger ist unzulässig, denn sie entspricht nicht den Mindestanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Kläger haben eine grundsätzliche Bedeutung der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage nicht schlüssig dargelegt.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO bedarf es substantiierter und konkreter Angaben darüber, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung dienen kann. Dabei ist darzustellen, inwieweit die Problematik im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 1986 V B 61/86, BFH/NV 1987, 309, m. w. N.; vom 5. November 1993 III B 57/93, BFH/NV 1994, 190, und vom 20. Juni 1994 III B 39/94, BFH/NV 1995, 50). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger nicht. Auch die Voraussetzungen für einen Verzicht auf das Darlegungserfordernis wegen Offenkundigkeit der grundsätzlichen Bedeutung liegen nicht vor. Die für den Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Januar 1995 VII R 41/94 (BFH/NV 1995, 779) geklärt und entschieden, daß die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer nur in der Höhe angerechnet werden kann, soweit die zugehörigen, mit dem Steuerabzug belasteten Einkünfte ihrem Umfang nach bei der Veranlagung tatsächlich erfaßt worden sind. Daher kommt für Steuerabzüge, die auf Einkunftsteile entfallen, die bei der Veranlagung nicht erfaßt worden sind, eine Anrechnung nicht in Betracht. Auf diese Verknüpfung hinsichtlich des Umfanges bzw. der Höhe der bei der Veranlagung erfaßten Einkünfte und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge deutet die Verwendung des Wortes "soweit" in § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG hin.
Wie im Streitfall hatte das FA in dem vom Senat entschiedenen Fall die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung zunächst geschätzt, es dann aber versäumt, die tatsächlich erzielten Einkünfte, die den geschätzten Betrag bei weitem überstiegen, innerhalb der Festsetzungsfrist zu berücksichtigen und den Steuerbescheid entsprechend zu ändern. Demgegenüber besteht die Abweichung des Streitfalles lediglich darin, daß die nach Erlaß des ursprünglichen Steuerbescheides dem FA bekanntgewordenen Einkünfte der Klägerin aufgrund der Annahme eines der Festsetzung entgegenstehenden Verböserungsverbotes letztendlich nicht berücksichtigt worden sind. Im Ergebnis haben aber beide rechtlichen Hinderungsgründe -- Ablauf der Festsetzungsfrist und Annahme eines Verböserungsverbotes -- dazu geführt, daß ein erheblicher Teil der erzielten Einkünfte im Veranlagungsverfahren tatsächlich nicht festgesetzt und damit auch nicht i. S. von § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfaßt worden ist. In Anbetracht dieses Umstandes haben die Kläger nicht substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen der Streitfall eine von der Rechtsprechung des Senats abweichende rechtliche Beurteilung rechtfertigen könnte.
Darüber hinaus läßt die Beschwerdeschrift nicht erkennen, daß sich die Kläger zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der von ihnen aufgeworfenen Rechtsfrage eingehend mit der Rechtsprechung und etwaiger Meinungen in der Literatur auseinandergesetzt haben. Auch der bloße Hinweis, die Vorschrift des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG finde in einer Vielzahl von Fällen Anwendung, ist nicht geeignet, das Allgemeininteresse an einer Klärung der Rechtsfrage zu belegen. Vielmehr geben die besonderen Umstände des Streitfalles Anlaß zu der Annahme, daß es sich um einen eher atypischen Einzelfall handelt, dem aufgrund seiner Besonderheiten -- Erlaß von zwei Änderungsbescheiden, Annahme eines Verböserungsverbotes in der Hauptverhandlung und Wiederherstellung der ursprünglichen Festsetzung -- eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus nicht zukommt. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist das Vorbringen der Kläger nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage schlüssig darzulegen. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 421696 |
BFH/NV 1997, 106 |