Entscheidungsstichwort (Thema)
Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung muss dem Schuldner persönlich zugestellt werden
Leitsatz (NV)
Es ist höchstrichterlich bereits geklärt, dass die Zustellung der Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an den Schuldner persönlich erfolgen muss. Die Zustellung an einen Bevollmächtigten genügt daher nicht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; AO § 284 Abs. 6
Verfahrensgang
FG des Saarlandes (Urteil vom 05.10.2006; Aktenzeichen 2 K 13/06) |
Tatbestand
I. Nach ergebnisloser Pfändung in das bewegliche Vermögen hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufgefordert. Der Bescheid wurde durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung am 29. Oktober 2005 zugestellt. Den am 7. Dezember 2005 eingelegten Einspruch hat das FA wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben und beantragt, den Bescheid vom 28. Oktober 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben hilfsweise die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes festzustellen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers dessen Rechtsbehelf als Einspruch und nicht als Antrag auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes auszulegen sei. Gründe für die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes seien nach Lage der Akten nicht ersichtlich und auch nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt. Die Zustellung des Bescheides sei verfahrensfehlerfrei erfolgt. Nach § 284 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 80 der Abgabenordnung (AO) sei die Zustellung einer Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an einen Bevollmächtigten ausgeschlossen. Deshalb sei die Zustellung zu Recht an den Kläger selbst erfolgt. Da eine Übergabe des Schriftstückes nicht möglich gewesen sei, habe es der Postbedienstete in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt und dies in der Zustellungsurkunde vermerkt. Den Gegenbeweis eines anderen Geschehensablaufes habe der Kläger nicht angetreten.
Der Kläger sei auch zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet gewesen. Konkrete Gründe, ausnahmsweise von der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abzusehen, seien nicht ersichtlich. Die Vollstreckungsmaßnahme erweise sich demnach nicht als unverhältnismäßig. Ebenfalls liege kein Fehlgebrauch des dem FA zustehenden Ermessens vor. Eine Vereinbarung über die Stundung und ratenweise Tilgung der Steuerrückstände habe das FA mit dem Kläger nicht getroffen. Es sei lediglich eine Einschränkung der gegenüber dem Arbeitgeber erlassenen Einziehungsverfügung erfolgt.
Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Von grundsätzlicher Bedeutung seien die Rechtsfragen, ob die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses verlangt werden könne, wenn der Schuldner regelmäßig monatliche Ratenzahlungen auf die Steuerschuld erbringe, oder ob Vertrauensschutz zu gewähren sei, ob die Finanzbehörde --sofern die Steuerschuld noch nicht getilgt worden sei-- automatisch nach Ablauf von zwölf Monaten die Vorlage eines solchen Verzeichnisses fordern könne, wann im konkreten Einzelfall eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch des FA vorliege und ob die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nur dann einer besonderen Begründung bedürfe, wenn im Einzelfall Hinweise auf eventuelle Absehensgründe ersichtlich seien. Im Streitfall seien die Steuerrückstände mit monatlich 500 € bedient und die Steuerschulden reduziert worden. Der Finanzbehörde werde unzulässigerweise ein viel zu weiter Beurteilungs- und Ermessensspielraum eingeräumt. Eine starre Regelung, dass etwa nach zwölf Monaten die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangt werden könne, sei unverhältnismäßig und schränke das Ermessen in unzulässiger Weise ein.
Entgegen der Auffassung des FG liege darüber hinaus ein Zustellungsfehler vor. Das FA habe die Wirkung der dem Bevollmächtigten erteilten Vollmacht verkannt. § 80 Abs. 3 AO sei dahingehend einzuschränken, dass die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung dem Bevollmächtigten zuzustellen sei. Es stelle sich die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob bei Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht und der Anweisung des Schuldners, nur an den Bevollmächtigten zuzustellen, Zustellungen des FA an den Schuldner wirksam erfolgen könnten.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten. Es ist der Ansicht, dass den vom Kläger aufgeworfenen Fragen keine grundsätzliche Bedeutung zukomme; denn sie seien höchstrichterlich bereits geklärt. Der Kläger verschweige, dass Ratenzahlungen nicht mehr gewährt worden seien, weil die Steuerrückstände weiter zu- und nicht abgenommen hätten. Nach Aktenlage habe der Kläger dem Bevollmächtigten keine Empfangsvollmacht erteilt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Es kann offenbleiben, ob der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt hat. Den aufgeworfenen Rechtsfragen kommt jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu.
1. Einer Rechtsfrage ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Frage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Januar 2004 VII B 190/03, BFH/NV 2004, 845).
a) Soweit der Kläger vorträgt, dass entgegen der Auffassung des FG im Streitfall ein Zustellungsfehler vorliege, wendet er sich gegen die vermeintlich fehlerhafte materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz, was jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen kann (BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 2003 VII B 144/03, BFH/NV 2004, 651, und vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476).
Die Frage, ob die Ladung zum Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung an den Schuldner oder an den vom Schuldner mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragten Bevollmächtigten zuzustellen ist, ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz und bedarf daher keiner höchstrichterlichen Klärung. Nach dem eindeutigen Wortlaut von § 284 Abs. 6 Satz 1 AO ist die Ladung dem Vollstreckungsschuldner selbst zuzustellen. Da das Gesetz vorschreibt, dass die Ladung persönlich zuzustellen ist, genügt die Zustellung an einen Bevollmächtigten (§ 80 AO) nicht (Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 284 AO Rz 76, und Geist in Beermann/Gosch, AO § 284 Rz 42). Jedenfalls kann die Zustellung an den Schuldner selbst keinen Zustellungsmangel begründen.
Somit wäre in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Verwaltungsaktes verfahrensfehlerfrei erfolgt ist. Einwände gegen die Richtigkeit des Inhalts der Zustellungsurkunde hat der Kläger weder im finanzgerichtlichen Verfahren noch mit der Beschwerde vorgebracht. Nach den Feststellungen des FG, die mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden sind, hat der Kläger gegen den ihm am 29. Oktober 2005 zugestellten Verwaltungsakt erst am 7. Dezember 2005 --und damit einen Tag vor dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung-- einen als Einspruch zu deutenden Rechtsbehelf eingelegt, den das FA aufgrund der Verfristung zu Recht als unzulässig verworfen hat. Wie das FG des Weiteren festgestellt hat, sind Gründe für die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes weder ersichtlich noch vom Kläger substantiiert dargelegt worden. Der Senat vermag solche Gründe ebenfalls nicht zu erkennen. Auch mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger nicht gegen die Feststellung des FG, dass eine Nichtigkeit der Verfügung nicht vorliege.
b) Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass der angefochtene Verwaltungsakt in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren als bestandskräftig angesehen werden müsste. Die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen beziehen sich damit auf die Rechtmäßigkeit eines auf § 284 AO gestützten und in Bestandskraft erwachsenen Verwaltungsaktes. Daraus folgt, dass die zur Auslegung von § 284 AO formulierten Rechtsfragen einer Klärung bereits nicht fähig sind. Ungeachtet dessen hat der Senat in mehreren Entscheidungen nicht nur zur Rangfolge der einzelnen Maßnahmen des § 284 AO, sondern insbesondere auch zur Ausübung des Ermessens sowie zu den Anforderungen an eine Begründung bei der Aufforderung zur Vorlage des Vermögensverzeichnisses und einer sich anschließenden oder mit ihr verbundenen Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ausführlich Stellung genommen, so dass sich auch aus diesem Grunde ein weiteres Bedürfnis nach Klärung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen nicht ergibt (Senatsentscheidungen vom 24. September 1991 VII R 34/90, BFHE 165, 477, BStBl II 1992, 57; vom 12. Dezember 2001 VII B 318/00, BFH/NV 2002, 617, und vom 27. November 2003 VII B 278/03, BFH/NV 2004, 607). Mit der umfangreichen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung von § 284 AO setzt sich die Beschwerde nicht einmal ansatzweise auseinander.
2. Schließlich geht die Beschwerde mit der Annahme einer Stundungsabrede und der Vereinbarung einer Ratenzahlung von einem Sachverhalt aus, der sich dem erstinstanzlichen Urteil nicht entnehmen lässt. Vielmehr hat das FG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das FA mit dem Kläger keine Vereinbarung über die Stundung und ratenweise Tilgung der Steuerrückstände getroffen hat. Verfahrensrügen gegen diese Feststellung werden mit der Beschwerde nicht geltend gemacht. Auch aus diesem Grund kommt eine Zulassung der Revision hinsichtlich der Frage, ob trotz regelmäßiger monatlicher Ratenzahlung die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses verlangt werden kann, mangels Klärungsfähigkeit nicht in Betracht. Im Übrigen ist dem FG-Urteil auch die behauptete Aussage nicht zu entnehmen, dass Steuerrückstände in jedem Fall innerhalb einer Frist von zwölf Monaten zu tilgen seien und dass nach dem Ablauf dieser Frist die Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwingend vorlägen.
Fundstellen
Haufe-Index 1818364 |
BFH/NV 2007, 2230 |