Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung; Gegenstand des Erwerbsvorgangs

 

Leitsatz (NV)

1. Keine Sicherheitsleistung, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung zu erwarten ist.

2. Zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs beim Erwerb eines Erbbaurechts (Grundstücks) durch eine KG, anschließend erfolgendem Abschluß von bei ,,Bauherrenmodellen" üblichen Verträgen und Aufnahme weiterer Gesellschafter in die KG.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 2 S. 3; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) - eine KG - wurde am 14. Mai 1987 gegründet. Gesellschafter waren zunächst die X-GmbH als Komplementärin ohne Einlage und Herr A als Kommanditist mit einer Einlage von (zunächst) 5 000 DM.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. November 1987 verpflichtete sich das Land Berlin, zugunsten der Angtragstellerin das Erbbaurecht an einem Grundstück zu bestellen. Das Erbbaurecht sollte bis zum Ablauf des Jahres 2063 bestehen. Als Erbbauzins sollten jährlich . . . DM gezahlt werden. Die zur Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Zustimmungen des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Senators für Finanzen in Berlin wurden erteilt. In dem Vertrag verpflichtete sich die Antragstellerin u. a. zur Errichtung im einzelnen bezeichneter Wohngebäude nach bewilligten Bauplänen und nach der Baugenehmigung vom 28. Oktober 1987. Bei Nichterfüllung der Bauverpflichtung war die Antragstellerin verpflichtet, das Erbbaurecht auf das Land Berlin oder einem vom Land Berlin benannten Dritten zu übertragen.

Ab Dezember 1987 schloß die Antragstellerin eine Reihe von Verträgen ab, wie sie für Bauherrrenmodelle üblich sind. Vertragspartner waren dabei u. a. Herr A und mit diesem personell und kapitalmäßig verflochtene Gesellschaften. Am 21. April 1988 trat die Y-GmbH als Kommanditist mit . . . DM in die Antragstellerin ein. Der Kommanditanteil des Herrn A wurde auf . . . DM erhöht. Aus einer im März 1988 dem Finanzamt (FA) überreichten Gesellschafterliste ergeben sich . . . - davon . . . wohl als Treugeber beteiligte - Kommanditisten mit Beteiligungen zwischen . . . DM und . . . DM.

Das beklagte FA beurteilte den Erbbaurechtsvertrag und weitere von der Antragstellerin zur geplanten Errichtung der Gebäude abgeschlossene Verträge als einheitliches Vertragswerk. Der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum vorgefaßten Plan sei ein allgemein gültiger Grundsatz dahingehend zu entnehmen, daß eine formalistische Betrachtung im Grunderwerbsteuerrecht immer dann nicht erfolgen solle, wenn sich zum Zeitpunkt der Verwirklichung des steuerbaren Vorgangs die unmittelbar daran anschließende Gestaltung bereits manifestiere, d. h. der Geschehensablauf sich nach vorgefaßtem Plan entwickele. Mit Bescheid vom 15. April 1988 setzte das beklagte FA für den am 27. November 1987 beurkundeten Erbbaurechtsvertrag Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM fest. Neben dem mit . . . DM berechneten Kapitalwert des Erbbauzinses bezog es dabei Aufwendungen für die geplante Errichtung der Gebäude in Höhe von . . . DM in die Bemessungsgrundlage ein. Im Einspruchverfahren ging das FA dann von einem Kapitalwert des Erbbauzinses in Höhe von . . . DM aus und bezog Aufwendungen für die Errichtung der Gebäude in Höhe von nur noch . . . DM in die Bemessungsgrundlage ein. Mit der Einspruchsentscheidung vom 11. November 1988 setzte es die Grunderwerbsteuer auf . . . DM fest.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Antragstellerin geltend, daß nur der Kapitalwert des Erbbauzinses zu besteuern sei. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin entrichtete bisher Grunderwerbsteuer in Höhe von . . . DM. Das FA setzte bezüglich der verbleibenden Steuer die Vollziehung in Höhe von . . . DM ohne und in Höhe von . . . DM gegen Sicherheitsleistung aus.

Die Antragstellerin beantragte beim Finanzgericht (FG), die Aussetzung der Vollziehung in Höhe des strittigen Teils der Steuer in vollem Umfang ohne Sicherheitsleistung zu gewähren.

Das FG hat diesem Antrag stattgegeben. Die Aussetzung der Vollziehung werde nicht von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht, da es in hohem Maße zweifelhaft sei, ob Vertragsgegenstand das zu errichtende Gebäude sei.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA, unter Aufhebung der Entscheidung des FG, die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von . . . DM nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren. Die Anwendung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung auf den Streitfall sei zwar zweifelhaft aber für die Frage der Sicherheitsleistung nicht hinreichend unwahrscheinlich.

Die Antragstellerin wendet sich sachlich gegen das Beschwerdeziel.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde in unbegründet.

Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß kein öffentliches Interesse an einer Sicherheitsleistung besteht, wenn mit Gewißheit oder großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127, und BFH-Urteil vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BFHE 154, 532, BStBl II 1989, 39). Es hat auch zutreffend entschieden, daß der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid im Ausmaß der Anfechtung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist.

Mit dem angefochtenen Steuerbescheid soll - wie sich aus seiner Begründung und der Einspruchsentscheidung eindeutig ergibt - besteuert werden der Vertrag über die Verpflichtung zur Bestellung des Erbbaurechts. Dieser Vertrag ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) ein der Grunderwerbsteuer unterliegendes Rechtsgeschäft, für das sich die Steuer nach dem Wert der Gegenleistung bemißt (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Gegenleistung ist die Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses. Zutreffend ist demgemäß der Kapitalwert des vereinbarten Erbbauzinses als Bemessungsgrundlage herangezogen worden. Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Einbeziehung darüber hinausgehender Leistungen in die Bemessungsgrundlage findet jedoch bei summarischer Überprüfung im Gesetz keine Stütze. In dem zwischen der Antragstellerin und dem Grundstückseigentümer abgeschlossenen Vertrag vom 27. November 1987 wurden über den Erbbauzins hinaus - soweit ersichtlich - keine weiteren Gegenleistungen vereinbart. Auch für das Vorliegen weiterer Leistungen nach § 9 Abs. 2 GrEStG 1983 gibt der Sachverhalt keinen Anlaß. Die Aufwendungen für die Errichtung der Neubauten können daher bei summarischer Prüfung nicht in die Bemessungsgrundlage für diesen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang einbezogen werden.

Auch die Grundsätze der vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk bzw. zum ,,Erwerb im Bauherrenmodell" (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333, jeweils m.w.N.) führen zu keinem anderen Ergebnis, weil sie sich auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwenden lassen. Denn im vorliegenden Fall ist das Erbbaurecht von dem Grundstückseigentümer unbebaut bestellt worden und auch in diesem Zustand bei der Erwerberin - der Antragstellerin - angekommen. Die Aktivitäten zur Bebauung wurden - und das ist der maßgebliche Unterschied zu den der angeführten Rechtsprechung zugrunde liegenden Sachverhalten - nicht von der Veräußererseite, sondern von der Erwerberseite entfaltet. Damit aber fehlt es an den entscheidenden sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung.

Soweit das FG ausgeführt hat, der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid finde seine Rechtfertigung auch nicht in einem mit dem Beitritt weiterer Kommanditisten erfolgten Gesellschafterwechsel, tritt der Senat dem im Ergebnis bei. Eine möglicherweise sich durch den Beitritt (Auswechslung) von Gesellschaftern ergebende Steuerpflicht ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens, da dieser Sachverhalt von dem angefochtenen Bescheid nicht erfaßt wird. Das gleiche gilt, soweit das FG es im Ergebnis abgelehnt hat, eine Gesamtschau aller Abläufe unter Einschluß des Beitritts der Kommanditisten grunderwerbsteuerrechtlich für erheblich zu halten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416746

BFH/NV 1990, 671

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