Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz für die Herstellung von Computerprogrammen
Leitsatz (NV)
Ist ein Werkvertrag auf die Herstellung eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms gerichtet, ist die damit verbundene Einräumung und Übertragung der Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz auf den Auftraggeber wesentlicher Inhalt der geschuldeten Werkleistung.
Normenkette
FGO § 69; UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) erbrachte im Jahre 1994 an die X-GmbH (X) Werkleistungen im Wert von ... DM.
Den Leistungen lagen ein Rahmenvertrag vom ... 1993 und mehrere Einzelverträge zugrunde. Danach verpflichtete sich die Beschwerdeführerin zur Erstellung von Computerprogrammen und zur Einräumung des Rechts auf Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung oder sonstige Verwertung von Urheber- und Leistungsschutzrechten an X.
Die Beschwerdeführerin unterwarf diese Umsätze dem ermäßigten Steuersatz von 7 v. H. unter Berufung auf die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993).
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) folgte dem nicht und besteuerte die Umsätze mit dem Regelsteuersatz von 15 v. H. (Umsatzsteuerbescheid für 1994 vom 11. März 1996 i. d. F. des Änderungsbescheids vom 18. Juli 1996). Die Beschwerdeführerin hat gegen den Umsatzsteuerbescheid Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids lehnte das FA ab.
Die Beschwerdeführerin begehrte daraufhin vom Finanzgericht (FG) die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids in Höhe von ... DM. Diese Summe hatte sie nach der Abrechnung zum Umsatzsteuerbescheid vom 18. Juli 1996 noch zu zahlen.
Der Antrag hatte zunächst keinen Erfolg (Beschluß vom 30. August 1996); das FG ließ gegen seine ablehnende Entscheidung die Beschwerde zu. Dieser half das FG in Höhe von ... DM ab (Beschluß vom 22. Oktober 1996). Nur bezüglich der im Abhilfebeschluß einzeln aufgelisteten Rechnungen im Gesamtbetrag von ... DM (ohne Umsatzsteuer) verneinte das FG noch die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung. In diesen Rechnungen sei die Leistung mit "Projekt: ... " bezeichnet worden. Diese Angabe lasse eine Beurteilung, ob Rechte nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) übertragen worden seien, nicht zu. Die Verträge, auf die in den Rechnungen Bezug genommen worden sei, lägen dem FG nicht vor.
Die Beschwerdeführerin hat daraufhin die ihrer Ansicht nach maßgebenden Einzelwerkverträge vorgelegt. Sie begehrt weiterhin die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids in bisheriger Höhe.
Das FA ist der Auffassung, es gehe um Werkleistungsverträge, bei denen nicht die Übertragung eines Urheberrechts, sondern die Erbringung einer Werkleistung im Vordergrund stehe. Die Einräumung oder Übertragung urheberrechtlicher Befugnisse sei nur eine Nebenleistung.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids bestehen auch insoweit ernstliche Zweifel, als das FG die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgelehnt hat.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993 ermäßigt sich die Steuer auf 7 v. H. für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben.
Nach dem bislang festgestellten Sachverhalt muß der Senat davon ausgehen, daß das FA Werkleistungen besteuert hat, die die im Rahmenvertrag vom 28. Dezember 1993 und in den Einzelverträgen vom 9. und 16. März 1994 und vom 20. und 23. Juni 1994 beschriebenen Inhalte hatten. Auch wenn diese im Verfahren wegen der Hauptsache noch weiterer Erläuterung in tatsächlicher Hinsicht bedürfen, kommt bei der gebotenen summarischen Beurteilung doch ernstlich in Betracht, daß es um die Herstellung von Computerprogrammen i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 69 a Abs. 3 UrhG ging. Soweit die Beschwerdeführerin derartige Computerprogramme erstellt hat, die das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihrer Programmierer sind, kann schwerlich zwischen der Herstellung des Computerprogramms als Hauptleistung und der Einräumung und Übertragung von Rechten nach dem UrhG an dem Computerprogramm als Nebenleistung unterschieden werden. So ist zum Beispiel anerkannt, daß ein Autor, der seinem Verlag Verlagsrechte an einem Sprachwerk unter Überlassung des Manuskripts einräumt, an den Verlag eine einheitliche Leistung (und nicht eine Haupt- und Nebenleistung) erbringt (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 1 Anm. 91). Für Computerprogramme dürfte nichts anderes gelten. Ist ein Werkvertrag auf die Herstellung eines urheberrechtlich geschützten Computerprogramms gerichtet, ist die damit verbundene Einräumung und Übertragung der Rechte nach dem UrhG auf den Auftraggeber wesentlicher Inhalt der geschuldeten Werkleistung.
Anders wäre es, wenn die Werkverträge ganz oder teilweise auf die Herstellung von Werken gerichtet gewesen wären, die nicht nach § 2 UrhG geschützt waren. Hiervon kann aber im gegenwärtigen Stand des Verfahrens nicht ausgegangen werden.
Falls die Finanzverwaltung in Abschn. 168 Abs. 1 Satz 6 und 7 der Umsatzsteuer- Richtlinien 1996 von anderen Rechtsgrundsätzen ausgehen sollte, hindert dies nicht, ihre Auffassung im Aussetzungsverfahren als ernstlich zweifelhaft zu beurteilen.
Fundstellen