Entscheidungsstichwort (Thema)
Unstatthaftigkeit vom FG nicht zugelassener Beschwerde gegen AdV-Beschluß; außerordentliche Beschwerde bei greifbarer Gesetzwidrigkeit
Leitsatz (NV)
1. Für die Zulassung der Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzgericht gelten zwar die in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe entsprechend. Indessen ist eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung dieses Rechtsmittels durch das Finanzgericht nicht statthaft.
2. Eine "außerordentliche Beschwerde" gegen einen kraft Gesetzes unanfechtbaren Beschluß des Finanzgerichts kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dieser unter einer schwerwiegenden Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist oder auf einer offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht, die zu einer durch das Gesetz offensichtlich ausgeschlosssenen Gesetzesanwendung führt.
Normenkette
AO 1977 § 90 Abs. 2; FGO § 69 Abs. 3, § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2-3, § 128 Abs. 3 Sätze 1-2
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1981 bis 1990 und Vermögensteuerbescheide 1. Januar 1982 bis 1. Januar 1990 auszusetzen abgelehnt. Die Beschwerde gegen diesen Beschluß hat das FG nicht zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde angegeben, daß kein Rechtsmittel gegeben ist (§ 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Antragsteller haben trotzdem gegen den Beschluß des FG Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Gemäß § 128 Abs. 3 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen den Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 und 5 FGO nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend.
Der Hinweis auf § 115 FGO besagt lediglich, daß die in § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO genannten Kriterien für die Zulassung der Beschwerde maßgebend sind. Die Entscheidung über die Zulassung selbst ist jedoch in die ausschließliche Zuständigkeit des FG gestellt. Die Anordnung einer entsprechenden Anwendung des § 115 Abs. 3 FGO, der die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision vorsieht, ist in § 128 FGO nicht enthalten. Daraus ergibt sich, daß eine Nichtzulassungsbeschwerde bei Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung nicht statthaft ist (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. August 1995 II B 6/95, BFH/NV 1996, 218, ständige Rechtsprechung, Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl, § 69 Rz. 173, m. w. N.).§
128 Abs. 3 Satz 1 und 2 FGO entspricht, soweit Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung betroffen sind, der aufgehobenen Vorschrift des Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs. Zu dieser Regelung hat der BFH in ständiger Rechtsprechung stets die Ansicht vertreten, daß bei Entscheidungen des FG über die Aussetzung der Vollziehung eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Beschwerde durch das FG nicht vor gesehen ist. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bestehen gegen diese Regelung keine verfassungsmäßigen Bedenken (Beschluß vom 6. Oktober 1977 2 BvR 502/77, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs, Rechtsspruch 39).
Die Antragsteller rügen zwar Verfahrensmängel. Nach der Rechtsprechung wird aber nur ausnahmsweise gegen einen kraft Gesetzes unanfechtbaren Beschluß eine "außerordentliche" Beschwerde für möglich gehalten, wenn der angefochtene Beschluß unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen wird (vgl. BFH-Beschluß vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, m. w. N.).
Solche schwerwiegenden Gründe hat die Beschwerde jedoch nicht substantiiert vorgetragen, zumal das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ein summarisches Verfahren ist, in welchem der Prozeßstoff auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen und präsenten Beweismittel beschränkt ist (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 791, 792). Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug -- wie im Streitfall -- besteht überdies gemäß § 76 Abs. 1 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) eine den Steuerpflichtigen treffende Aufklärungs- und Beweismittelbeschaffungspflicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Mai 1992 VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32; vom 16. September 1993 IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449, st. Rspr.).
Fundstellen
Haufe-Index 421917 |
BFH/NV 1997, 364 |