Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerbefreiung im Umlegungsverfahren; Erwerb eines erbbaurechtsbelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten
Leitsatz (NV)
1. Der Erwerb eines Erbbaurechtes oder eines Grundstückes ist im Umlegungsverfahren nur insoweit steuerbegünstigt, als der Erwerbende seinerseits ein Erbbaurecht oder Grundstückseigentum in die Umlegungsmasse eingebracht hat.
2. § 1 Abs. 7 GrEStG 1983 greift nicht ein, wenn der Erwerb des Erbbaurechtes gemäß § 3 Nr. 8 GrEStG NW nicht der Steuer unterlag.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 Buchst. b, Abs. 7; GrEStG NW § 3 Nr. 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger hat das Erbbaurecht an Grundstücken, die durch ein Umlegungsverfahren betroffen waren. Der Grundstückseigentümer und Erbbauverpflichtete erhielt in diesem Verfahren einerseits zusätzliche an die erbbaubelasteten Grundstücke angrenzende Flächen, an welchen für den Kläger ebenfalls gemäß § 61 des Bundesbaugesetzes (BBauG) das Erbbaurecht begründet wurde; andererseits gab der Erbbauverpflichtete durch Zuteilung nach § 59 Abs. 1 BBauG das Eigentum an einem Teil der erbbaubelasteten Flächen an den Kläger gegen (dessen) Zahlung von . . . DM ab, so daß dieser insoweit nicht nur Erbbauberechtigter war, sondern auch Grundstückseigentümer und Erbbauverpflichteter wurde.
Der Beschluß des Umlegungsausschusses, welcher die vorgenannten Rechtsänderungen zur Folge hatte, wurde am 7. Juli 1983 gefaßt.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte mit zwei Bescheiden gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest, nämlich für den Erwerb des zusätzlichen Erbbaurechtes an der dem Erbbauverpflichteten zugeteilten Grundstücksfläche und für den Erwerb des Eigentums an der dem Kläger zu Eigentum zugeteilten Fläche.
Die Einsprüche, mit welchen der Kläger Steuervergünstigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 begehrte, hatten keinen Erfolg. Die Steuer für den Erwerb des Erbbaurechtes erhöhte das FA in der Einspruchsentscheidung nach Vorankündigung.
Der Klage gegen die beiden Steuerbescheide (in Gestalt der Einspruchsentscheidungen) gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt.
Den Erwerb des Erbbaurechtes habe das FA zu Unrecht besteuert. Dieser Erwerb sei nach der genannten Vorschrift begünstigt. Der Kläger sei als Erbbauberechtigter Beteiligter des Umlegungsverfahrens gewesen und habe in diesem Verfahren das Erbbaurecht erworben. Daß er von seinem bestehenden Erbbaurecht nichts eingebüßt habe, sei unerheblich. Entscheidend sei, daß der Umlegungsausschuß die ihm durch § 61 Abs. 1 BBauG übertragene Gestaltungsbefugnis im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ausgeübt habe.
Dagegen sei der Erwerb des Grundstückseigentums nicht begünstigt. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 dürfe nicht dahin ausgelegt werden, daß ein Erbbauberechtigter im Umlegungsverfahren nicht nur ein Erbbaurecht, sondern auch Grundstückseigentum steuerfrei erwerben könne. Eine solche Auslegung stünde im Widerspruch zu Wesen, Sinn und Zweck des Umlegungsverfahrens.
Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers, welcher das FG nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Das FG-Urteil wurde dem Kläger am 8. August 1986 zugestellt. Die Beschwerdeschrift ist zwar erst am 9. September 1986 und daher einen Tag nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG eingegangen. Dem Kläger ist jedoch wegen Versäumung dieser Frist gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil der verspätete Eingang des Beschwerdeschriftsatzes durch Verzögerungen in der Beförderung des Briefes durch die Post und damit ohne Verschulden des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten verursacht worden ist.
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
a) Zwar mag die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob ein Erbbauberechtigter im Umlegungsverfahren gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 Grundstückseigentum steuerfrei erwerben kann, klärungsbedürftig sein. Im vorliegenden Fall ist jedoch diese Frage nicht zu entscheiden, weil sie hier unerheblich ist.
Denn die genannte Vorschrift könnte den Kläger als Grundstückserwerber nur insoweit begünstigen, als er seinerseits Erbbaurechte oder Grundstückseigentum in die Umlegungsmasse eingebracht hat. Ein darüber hinaus gehender Grundstückserwerb - also eine sog. Mehrabfindung - ist nicht begünstigt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. September 1985 II R 131/83, BFHE 144, 470, BStBl II 1985, 713).
Dieser Grundsatz gilt auch nach dem Inkrafttreten des GrEStG 1983 unverändert. Das Umlegungsverfahren ist ein gesetzlich geregelter Grundstückstausch. Auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 greift daher nur insoweit ein, als ein solcher Austausch stattgefunden hat. Der zusätzliche Erwerb von Grundbesitz ist nicht begünstigt. Der Kläger hat in dem Umlegungsverfahren Grundstückseigentum erworben, ohne seinerseits dafür Eigentum oder ein Erbbaurecht an anderen Grundstücken hergegeben zu haben. Er hat das Grundstückseigentum (wie auch das Erbbaurecht) zusätzlich erhalten. Damit scheidet die genannte Steuervergünstigung schon deshalb aus.
b) Der Kläger trägt weiter vor, es werde ,,vorliegend verkannt, daß (er) das Grundstück von dem (Erbbauverpflichteten) gemäß § 3 Abs. 7 GrEStG hätte erwerben können, ohne daß Grunderwerbsteuer zumindest in der vorliegenden Höhe angefallen wäre". Welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Ansicht des Klägers durch ein Urteil des BFH geklärt werden muß, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen. Ergibt sich nach Ansicht des Klägers die Steuerfreiheit seines Erwerbes ohne weiteres aus dem Gesetz (gemeint ist offenbar § 1 Abs. 7 GrEStG 1983), so besteht kein Bedürfnis für eine klärende Entscheidung des BFH. Der Kläger wechselt hier von der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde in die Begründung einer Revision; nur letztere kann darauf gestützt werden, daß das FG-Urteil eine Besteuerungsvorschrift ,,verletzt", also gegen diese Verstoße (§ 118 Abs. 1 FGO).
Außerdem übersieht der Kläger, daß § 1 Abs. 7 GrEStG 1983 nur insoweit eingreift, als für die Begründung oder den Erwerb des Erbbaurechts Steuer ,,berechnet" worden ist. Da die Begründung oder der Erwerb des Erbbaurechts im vorliegenden Fall gemäß § 3 Nr. 8 GrEStG NW steuerfrei war und demnach hierfür keine Steuer berechnet worden ist, würde § 1 Abs. 7 GrEStG 1983 schon aus diesem Grunde nicht eingreifen. Die Frage, ob die genannte Vorschrift anzuwenden ist, könnte demnach hier im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414931 |
BFH/NV 1988, 463 |