Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Versagung des Betriebsausgabenabzugs wegen unzureichender Benennung von Zahlungsempfängern sind deren steuerliche Verhältnisse zu berücksichtigen
Leitsatz (NV)
1. Eine Aufforderung zur Benennung von Zahlungsempfängern ist auch dann rechtmäßig, wenn dem Steuerpflichtigen mit Sicherheit Betriebsausgaben entstanden sind (Anschluß an BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995).
2. Sind die Zahlungsempfänger zwar nicht oder nur zum Teil im einzelnen benannt, aber nach den Gesamtumständen in ihrer Zusammensetzung bekannt, so sind ihre steuerlichen Verhältnisse bei der Höhe der nach § 160 AO 1977 nicht abziehbaren Beträge zu berücksichtigen (ebenfalls Anschluß an BFH-Urteil in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Dazu kann auch die Frage gehören, ob die Beträge ggf. der Einkommensteuer, nicht aber der Gewerbesteuer unterfallen.
Normenkette
AO 1977 § 160; GewStG § 11 Abs. 1 S. 3; FGO § 142; ZPO § 114
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betrieb seit 1980 ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Verleih von Planen sowie die Herstellung, Reparatur, der An- und der Verkauf von Paletten und Gitterboxen war.
Für die Streitjahre (1980 bis 1982) hat der Beklagte (Finanzamt - FA -) den Abzug der von dem Antragsteller geltend gemachten Beträge für Wareneinkäufe (Paletten und Gitterboxen) als Betriebsausgaben in Höhe von ... DM (1980), ... DM (1981) und ... DM (1982) nicht zugelassen. Das FA stützte sich dabei auf § 160 der Abgabenordnung (AO 1977). Nach Feststellungen der Steuerfahndung handelte es sich bei den vom Antragsteller angegebenen Lieferanten bzw. Zahlungsempfängern nämlich überwiegend um nicht existente Personen. Der Antragsteller sei dem Verlangen auf Benennung der tatsächlichen Lieferanten bzw. Zahlungsempfänger nicht nachgekommen.
Die gegen die hiernach ergangenen Gewerbesteuermeßbescheide 1980 bis 1982 eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Über die anschließend erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Den - unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gestellten Antrag des Antragstellers, ihm für die Durchführung des Klageverfahrens Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren, wies das FG ab. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antragsteller habe nicht substantiiert dargetan, wer Empfänger der vom FA nicht als Betriebsausgaben anerkannten Beträge gewesen sei. Er habe zwar eine Reihe von Zeugen für die tatsächliche Durchführung der Lieferungen benannt, jedoch keine Ausführungen dazu gemacht, welche Umsätze diesen Personen zuzurechnen seien. Überdies handle es sich sämtlich um Personen, deren Existenz und Empfängereigenschaft das FA nicht bestritten habe. Die insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben seien grundsätzlich anerkannt und lediglich der Höhe nach reduziert worden. Weitere Erkenntnisse über die tatsächlichen Lieferanten, ihre persönliche Steuerpflicht, die diesen Personen ihrerseits entstandenen Betriebsausgaben usw. seien nicht bekannt.
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, bezieht sich der Antragsteller auf das gegen ihn ergangene rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts ... vom ..., durch das er u.a. wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist. Aus diesem Urteil ergebe sich, daß die Steuerfahndungsbehörde von ihrem Umfang nach überhöhten Lieferungen ausgehe. Der Sachverhalt bedürfe in jedem Fall weiterer Aufklärung. Folge man den Feststellungen im Strafurteil nicht, müsse eine erneute Vernehmung der von ihm benannten und der vom Landgericht einvernommenen Zeugen erfolgen. Diese Zeugenvernehmung könne in dem summarischen PKH-Verfahren nicht vorweggenommen werden.
Der Antragsteller hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller ist PKH zu bewilligen.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dies bedeutet nicht, daß die später im Urteil gefundene Entscheidung maßgebend ist. Vielmehr kommt es für die Gewährung der PKH darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Umstände des Streitfalles der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526; vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217 m.w.N.).
2. Das FG hat diese Grundsätze nicht beachtet. Seine Auffassung, daß die Rechtsverfolgung im Streitfall keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot, ist unzutreffend.
a) Nach § 160 AO 1977 sind Betriebsausgaben steuerlich regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger genau zu benennen. Dabei vollzieht das Verfahren nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sich in zwei Stufen (BFH-Urteil vom 9. August 1989 I R 66/86, BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995 m.w.N.). Auf der ersten Stufe entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO 1977) darüber, ob ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen geboten ist. Auf der zweiten Stufe ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und inwieweit die in § 160 AO 1977 genannten Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht genau bezeichnet ist, zum Abzug zugelassen werden.
b) Das FG hält im Streitfall die Ermessensentscheidung des FA auf der ersten Stufe für rechtmäßig. Dies ist nach Lage der Dinge nicht zu beanstanden. Der Antragsteller hat zum Teil nicht existente Personen als Lieferanten und Empfänger der von ihm getätigten Zahlungen angegeben. Ein Benennungsverlangen ist unter diesen Umständen grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn die Vermutung naheliegt, daß der Zahlungsempfänger den Bezug zu Unrecht nicht versteuert hat (BFH-Urteil in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995). Dies ist im Streitfall anzunehmen. Der Antragsteller hat - wie sich aus dem Urteil des Landgerichts ergibt - die fraglichen Paletten und Gitterboxen vornehmlich von LKW-Fahrern fremder Speditionen aufgekauft, wobei davon auszugehen ist, daß die Fahrer die Paletten und Gitterboxen zuvor überwiegend auf unrechtmäßige Weise von ihren jeweiligen Arbeitgebern an sich genommen haben. Gerade aus diesem Grunde sind die wahren Namen der Zahlungsempfänger auf den Zahlungsbelegen verfälscht worden. Bei dieser Sachlage ist nicht zu mutmaßen, daß die vereinnahmten Gelder einkommenversteuert worden sind. Zweck des § 160 AO 1977 ist es aber gerade, diejenigen Fälle zu erfassen, in denen nach der Lebenserfahrung der Verdacht besteht, daß die Nichtbenennung des Empfängers diesem die Nichtversteuerung ermöglicht oder ermöglichen soll (BFH-Urteil in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995 m.w.N.).
Es ist auch nicht ersichtlich, daß es dem Antragsteller unmöglich oder unzumutbar wäre, dem Verlangen des FA, die tatsächlichen Empfänger zu benennen, nachzukommen. Der Umstand, daß die Geschäftsunterlagen beschlagnahmt worden sind, steht dem nicht entgegen, da der Prozeßbevollmächtigte des Antragstellers jederzeit Akteneinsicht nehmen konnte und nach eigener Darstellung auch genommen hat.
Im summarischen Verfahren erscheint es deshalb gerechtfertigt, daß der Antragsteller zur Benennung der Zahlungsempfänger aufgefordert worden ist. Von dieser Rechtslage geht zwischenzeitlich wohl auch der Antragsteller selbst aus. Er hat im Beschwerdeverfahren jedenfalls keine entsprechenden Einwände mehr geltend gemacht.
c) Nach wie vor wendet er sich aber gegen den Umfang, in dem das FA den Betriebsausgabenabzug versagt hat. Er ist der Meinung, in Anlehnung an die Ergebnisse des gegen ihn durchgeführten Strafverfahrens vor dem Landgericht sei von einer erheblich geringeren Größenordnung an angeschafften Paletten und Gitterboxen auszugehen. Das FG hält das Vorgehen des FA hingegen für rechtmäßig. Die nicht benannten Empfänger seien nicht bekannt. Anhaltspunkte für deren tatsächliche steuerlichen Verhältnisse lägen nicht vor, so daß bei summarischer Prüfung zum Nachteil des Antragstellers von einer nicht geringeren steuerlichen Belastung auszugehen sei, als sie den Antragsteller selbst treffe. Der Antragsteller habe auch nicht substantiiert dargetan, daß den nicht benannten Lieferanten selbst Betriebsausgaben entstanden gewesen seien.
Daran ist richtig, daß die Nichtanerkennung der geltend gemachten Ausgaben bei fehlender Benennung der Empfänger vom Steuerpflichtigen grundsätzlich als Folge des § 160 AO 1977 hinzunehmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 228/78, BFHE 138, 317, BStBl II 1983, 654). Es ist auch richtig, daß etwaige Einstandspreise des wahren Verkäufers und Zahlungsempfängers nicht berücksichtigt zu werden brauchen. Die Herkunft der Ware ist nach den getroffenen Feststellungen ungewiß. Insbesondere ist zu vermuten, daß sie gestohlen oder unterschlagen worden ist. Dadurch bedingte Ungewißheit über die steuerlichen Verhältnisse des unbekannten Empfängers gehen nach dem Zweck der Vorschrift aber zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 228/78, BFHE 138, 317, BStBl II 1983, 654).
Der Auffassung des FG läßt sich aber entgegenhalten, daß der Kreis der in Betracht kommenden Zahlungsempfänger in seiner Zusammensetzung weitestgehend bekannt ist. Dies kann zur Folge haben, daß die Einkommensverhältnisse dieses Personenkreises bei der Höhe des nach § 160 AO 1977 nicht abziehbaren Betrages zu berücksichtigen sind (BFH-Urteile vom 22. Mai 1968 I 59/65, BFHE 93, 118, BStBl II 1968, 727; vom 29. November 1978 I R 148/76, BFHE 128, 1, BStBl II 1979, 587; in BFHE 158, 7, BStBl II 1989, 995; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 160 Rdnr. 14). Dazu kann auch die Frage gehören, ob die Beträge ggf. der Einkommensteuer, nicht aber der - vorliegend im Streit stehenden - Gewerbesteuer unterfallen (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O.).
Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung, vor allem aber der Strafverfolgungsbehörden (vgl. Urteil des Landgerichts), handelte es sich bei den Lieferanten der Paletten und Gitterboxen, wie erwähnt, um (angestellte) LKW-Fahrer verschiedener Speditionen. Es spricht nach der vom Landgericht durchgeführten Zeugenvernehmung einiges dafür, daß die meisten dieser Personen die Paletten und Gitterboxen nur gelegentlich und auch nur an den Antragsteller veräußert haben. Dies zugrunde gelegt, unterfielen die den Ausgaben entsprechenden Einnahmen auf Seiten der Empfänger zwar grundsätzlich der Einkommensteuer, zum großen Teil aber nicht der Gewerbesteuer. Denn nach den Bekundungen der Zeugen im Strafprozeß dürften deren Einnahmen durchweg deutlich geringer sein als der in § 11 Abs. 1 Satz 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung eingeräumte Freibetrag von 36000 DM. Teilweise ließe sich dies auch anhand der Feststellungen der Steuerfahndung konkret nachprüfen. Danach sind Beträge an eine Reihe existenter und namentlich bekannter Personen geflossen (s. Bericht der Steuerfahndung). Das FA hat im Hinblick auf diese Personen einen Teil der Ausgaben auch als Betriebsausgaben anerkannt bzw. geschätzt. Ob dies den Gegebenheiten hinreichend Rechnung trägt, bedürfte der Überprüfung. Dies könnte durch Anhörung der vom Antragsteller benannten sowie der sonstigen namentlich bekannten Personen als Zeugen im Hauptverfahren vor dem FG geschehen. Durch den Umfang der hiernach voraussichtlich gebotenen Maßnahmen zur Sachaufklärung (s. auch das 117 Seiten starke Urteil des Landgerichts nach zwölftägiger Hauptverhandlung und nach Einvernahme von 46 Zeugen) wird jedenfalls verdeutlicht, daß die Rechtsverfolgung nicht von vornherein als aussichtslos bezeichnet werden kann (vgl. auch BFH-Beschluß vom 20. Januar 1990 VIII B 39/85, BFH/NV 1990, 785).
3. Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen. Auch eine Ratenzahlung kommt nicht in Betracht, da das allein auf Sozialhilfeleistungen beruhende Einkommen im Zeitpunkt der Antragstellung unter den in der Tabelle zu § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträgen liegt.
4. Nach allem ist die beantragte PKH für die Durchführung des Klageverfahrens vor dem FG zu gewähren.
Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1969 V B 29/69, BFHE 96, 257, BStBl II 1969, 593).
Fundstellen