Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestanforderungen an die Begründung der Revision
Leitsatz (NV)
Die für die Revisionsbegründung verlangte Auseinandersetzung mit dem Rechtsstandpunkt des FG kann durch den Hinweis auf Literaturstellen zu der streitigen Rechtsfrage und durch die Bezugnahme auf die Klageschrift nicht ersetzt werden. Die Bezugnahme auf Schriftsätze im Klageverfahren reicht ausnahmsweise dann aus, wenn der Revisionskläger seine Rechtsauffassung in erster Instanz eingehend begründet, sich dabei mit den Argumenten der (später vom FG gebilligten) Gegenmeinung auseinandergesetzt hatte und wenn mehr zu der Frage einfach nicht zu sagen ist.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (Urteil vom 23.10.1986; Aktenzeichen II 301/86) |
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Ehemann ist als Rechtsanwalt und Notar selbständig tätig, die Ehefrau ist Hausfrau.
Die Kläger haben drei Kinder, die zwischen 1970 und 1975 geboren sind und im Streitjahr 1983 im Haushalt der Eltern lebten.
Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1983 erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Sie machten geltend, sowohl der Freibetrag für freie Berufe (§ 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) als auch die für die Kinder gewährten Freibeträge (§ 32 Abs. 8 EStG 1983) seien zu niedrig und mit der Verfassung nicht vereinbar.
Der im EStG 1983 vorgesehene Freibetrag von 432 DM sei gemessen an den tatsächlichen Unterhaltsbelastungen für ein Kind völlig realitätsfremd. Für ihre drei Kinder hätten sie jährlich Unterhalt in Höhe von 23 400 DM zu leisten. Auch nach Abzug der im Streitjahr erhaltenen Kindergeldbeträge in Höhe von 3 120 DM verbleibe ein jährlicher Unterhaltsaufwand von 20 280 DM. Selbst bei Ansatz eines für die Kinder erforderlichen Aufwands von 10 000 DM - entsprechend der Regelbedarfsverordnung für nichteheliche Kinder - genüge der gesetzliche Freibetrag in Höhe von 432 DM je Kind nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Der Freibetrag für freie Berufe, der nur 1 200 DM im Jahr betrage, könne seine Funktion, die besonderen Belastungen von freiberuflich Tätigen für Vorsorgeaufwendungen abzudecken, nicht erfüllen. Freiberufler seien im Vergleich zu Arbeitnehmern benachteiligt, weil diese die Hälfte der Leistungen zur Sozialversicherung von ihrem Arbeitgeber steuerfrei erhielten, gleichwohl aber als Sonderausgaben in gleichem Umfang geltend machen könnten. Der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung sei in der Weise zu entsprechen, daß freiberuflich Tätigen zumindest die Hälfte der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung in Form eines Freibetrages zugebilligt werde.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus, die Kläger hätten übersehen, daß nicht nur durch die Gewährung der Freibeträge des § 32 Abs. 8 EStG den Belastungen von Eltern mit Kindern in besonderer Weise Rechnung getragen werde. Neben dem Kindergeld stehe Steuerpflichtigen mit unterhaltsberechtigten Kindern auch im Einkommensteuerrrecht ein ganzer Katalog von weiteren Vergünstigungen zu, insbesondere die Erhöhung diverser sonstiger Freibeträge und Pauschalen. Weiter irrten die Kläger auch darin, wenn sie meinten, der Freibetrag für freie Berufe sei dazu bestimmt, sämtliche besonderen Lasten des Freiberuflers abzudecken, insbesondere auch die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Altersvorsorge. Gerade diese Aufwendungen würden bereits in erheblichem Umfang als Sonderausgaben berücksichtigt. Die dafür geltende Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 3 EStG sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Mai 1978 1 BvR 136/78 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, 293, Der Betrieb 1978, 1670) dürfe der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei der steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen zwischen Selbständigen und Nichtselbständigen unterscheiden. Diese Rechtsprechung habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Beschluß vom 30. Januar 1980 VI B 114/79 (BFHE 129, 553, BStBl II 1980, 320) bestätigt.
Ihre vom FG zugelassene Revision begründen die Kläger damit, sie seien weiterhin der Auffassung, daß die Vorschriften der §§ 32 Abs. 8 und 18 Abs. 4 EStG 1983 gegen das Grundgesetz verstießen. Dazu führen sie wörtlich aus: ,,Wegen der näheren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bisher nicht berücksichtigten Ausführungen in der Klageschrift vom 21. März 1986 verwiesen. Die von den Klägern geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken werden auch in der juristischen Fachliteratur in einem immer stärker werdenden Maße geteilt. Wir verweisen ergänzend auf Herden / Gmach (Die Entwicklung des steuerlichen Rechtes, NJW 1986, S. 2021, insbesondere S. 2022 unter Nr. 6 und NJW 1986, S. 2921, insbesondere S. 2922 unter Nr. 4)."
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Die Kläger haben sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist ordnungsgemäß begründet.
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Wie sich aus den Worten ,,die Revision ist . . . zu begründen" und ,,Revisionsbegründung" ergibt, muß der Kläger darlegen, weshalb er dem angefochtenen Urteil nicht zustimmen kann. Dazu bedarf es wenigstens einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung (z. B. BFH-Beschlüsse vom 12. Januar 1977 I R 134 /76, BFHE 121, 19, BStBl II 1977, 217, m. w. N.; vom 6. Oktober 1982 I R 71 /82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48, und vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, ebenfalls m. w. N.).
Daran fehlt es hier. Ohne auf das Urteil des FG einzugehen, haben die Kläger sich lediglich dahingehend geäußert, sie hielten an ihrer bisherigen Auffassung fest. Dazu haben sie auf ihre Klageschrift Bezug genommen und zwei Literaturstellen benannt. Solche Hinweise können die für die Revisionsbegründung verlangte Auseinandersetzung mit dem Rechtsstandpunkt des FG aber nicht ersetzen (vgl. Beschluß in BFHE 121, 19, BStBl II 1977, 217 für den Hinweis auf Literaturstellen, und BFH-Beschluß vom 8. März 1967 I R 185/66, BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342 für die Bezugnahme auf die Klageschrift). Zwar wird die Bezugnahme auf Schriftsätze im Klageverfahren ausnahmsweise dann als ausreichend anerkannt, wenn der Revisionskläger seine Rechtsauffassung in erster Instanz eingehend begründet, sich dabei auch mit den Argumenten der (später vom FG in seinem Urteil gebilligten) Gegenmeinung auseinandergesetzt hatte und ,,wenn mehr zu der Frage einfach nicht zu sagen ist" (Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 19. September 1966 VII ZB 23/66, Versicherungsrecht 1966, 1138; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 34). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.
Die Frist zur Begründung der Revision ist am 9. Februar 1987 abgelaufen. Damit kann das Vorbringen der Kläger in ihren weiteren Schriftsätzen vom 19. Juni 1987 und vom 29. Juli 1987 nicht mehr berücksichtigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 424306 |
BFH/NV 1989, 790 |