Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Erhält ein echter stiller Gesellschafter bei der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses auf Grund einer Geldwertklausel im Gesellschaftsvertrag einen höheren als den Nennbetrag seiner Einlage, so unterliegt der Mehrbetrag als Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG der Einkommensteuer.
Wird das RM-Guthaben eines echten stillen Gesellschafters im Zuge der Währungsumstellung höher als im Verhältnis 1 RM = 1 DM umgestellt, so ist der diese Grenze übersteigende Umstellungsbetrag den Einkünften aus Kapitalvermögen der DM-Zeit zuzurechnen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 2 Ziff. 1, § 24/1/a, § 34 Abs. 1, § 34/2/2; UG § 18/1/3
Tatbestand
Der Bf. hat sich im Jahre 1937 mit einer Einlage von 60.000 RM an einem Lichtspieltheater beteiligt. Sein Anteil am Gewinn und Verlust des Unternehmens betrug ein Drittel. Die Beteiligung war auf den 31. Dezember 1952 befristet. über die Rückzahlung der Einlage bei Beendigung der Gesellschaft bestimmte § 12 des Gesellschaftsvertrages:
"Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß mit der Hergabe des Geldes durch den stillen Gesellschafter die Beteiligung an einem Betriebsunternehmen beabsichtigt ist, wird für die Auseinandersetzung folgendes vereinbart:
Sofern bei der Auflösung die Reichsmark ihren jetzigen Wert erhalten und weder im Innern noch nach außen eine Veränderung ihres jetzigen Wertes erfahren hat, ist die Einlage in Höhe von RM 60.000 wieder zurückzuzahlen ohne Rücksicht darauf, ob der Betrieb z. Zt. der Auflösung höher oder geringer zu bewerten ist.
Sollte dagegen die Reichsmark eine Veränderung erfahren, so ist für die Errechnung der Einlage das Wertverhältnis maßgebend".
Im Laufe des Jahres 1952 macht der Bf. gegenüber seinen Vertragspartnern geltend, daß er bei Beendigung des Vertrags am 31. Dezember 1952 außer der Rückzahlung von 60.000 DM weitere Ansprüche habe, nämlich wegen der teilweisen Nichterfüllung des Vertrags während der Zeit der Inanspruchnahme des Kinos durch die Besatzungsmacht und außerdem auf Grund des § 12 des Gesellschaftsvertrags wegen Wertminderung seiner Einlage. Die Verhandlungen führten zu der Vereinbarung, daß der Bf. seine Einlage im Verhältnis von 1 RM = 1 DM, also mit 60.000 DM zurückerhielt und ihm außerdem für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses eine Beteiligung am Geschäftsergebnis in der bisherigen Höhe zur Abgeltung aller seiner Ansprüche eingeräumt wurde. Dem Bf. wurden auf Grund dieser Zusatzvereinbarung im Jahr 1953 16.816 DM ausgezahlt. Das Finanzamt unterwarf diesen Betrag als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer. Mit dem Einspruch bestritt der Bf. die Steuerpflicht der Zahlungen in Höhe von 10.816 DM, da insoweit ein Wertausgleich für die Wertminderung seiner Einlage vorliege. 6.000 DM bezeichnete er als Ersatz für entgangene Einkünfte während der Zeit der Inanspruchnahme des Kinos durch die Besatzungsmacht. Der Bf. drang mit diesen Einwendungen nicht durch.
Die Berufung führte zu einer Herabsetzung der Steuer, weil das Finanzgericht auf den Teilbetrag von 6.000 DM einen ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1953 anwandte. In den restlichen 10.816 DM sah das Finanzgericht einen Wertausgleich für die Veränderung des inneren Werts der Reichsmark bzw. D-Mark und nicht eine Abfindung für den Wert des Anteils an dem Lichtspieltheater. Die Parteien hätten die Einlage im Verhältnis 1 : 1 auf 60.000 DM umgestellt, also unabhängig von den Wertveränderungen im Betriebsvermögen des Unternehmens und damit möglicherweise abweichend von der gesetzlichen Umstellungsregelung. Das sei zulässig. Mit der Umstellung im Verhältnis 1 : 1 sei jedoch nicht nur für Darlehen, sondern auch für die Einlagen bei typischen stillen Gesellschaftern die obere Grenze erreicht. Die 60.000 DM übersteigende Abfindung sei ein Ausgleich für die Entwertung der DM bis Ende 1952 gegenüber der RM bei Beginn des Vertrags. Eine derartige Zahlung unterliege der Einkommensteuer im Rahmen der Einkunftsart Kapitalvermögen; alles, was einem stillen Gesellschafter über den Betrag seiner Einlage hinaus zufließe, rechne zu den Einkünften dieser Einkunftsart.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Bf. seinen Antrag auf Freistellung von 10.816 DM von der Einkommensteuer wiederholt, kann keinen Erfolg haben.
Die Beteiligten sind übereinstimmend davon ausgegangen, daß der Bf. ein echter stiller Gesellschafter war. Das Finanzgericht ist dem gefolgt. Da der Wortlaut des Vertrages vom 30. Juni 1937 keine Bestimmungen enthält, die eindeutig auf eine unechte stille Gesellschaft hinweisen tritt der Senat trotz einiger für eine unechte stille Gesellschaft sprechenden Ausführungen des Bf. dieser Beurteilung bei.
Das Finanzgericht ist dem Antrag des Bf. gefolgt und hat den Teilbetrag von 6.000 DM als Entschädigung für entgangene Einnahmen des Bf. im Sinne des § 24 Ziff. 1 Buchst. a EStG angesehen. Nach Angabe des Bf. wurde vom Oberverwaltungsgericht die Entschädigung für das Lichtspieltheater wegen der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht auf etwa 18.000 DM festgesetzt. Da er mit 1/3 am Gewinn des Unternehmens beteiligt war, ist die vom Finanzgericht auf Grund freier Beweiswürdigung vorgenommene Schätzung der nach § 34 Abs. 1 EStG mit einem ermäßigten Steuersatz steuerpflichtigen Entschädigung in einer den Senat gemäß § 288 AO bindenden Weise festgestellt.
Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Umstellung der im Jahre 1937 geleisteten Einlagen des Bf. nach § 18 Abs. 1 Ziff. 3 des Umstellungsgesetzes (UG) nicht im Verhältnis 1 : 1 hätte erfolgen müssen, daß aber die Vertragspartner eine solche Umstellung hätten vereinbaren können, ohne daß durch diesen auf dem Währungsgebiet liegenden Vorgang eine Einkommensteuerpflicht des Bf. ausgelöst worden sei (Urteile des Bundesfinanzhofs I 1/52 S vom 29. Januar 1952, BStBl 1952 III S. 73, Slg. Bd. 56 S. 180; I 55/52 U vom 9. September 1952, BStBl 1952 III S. 276, Slg. Bd. 56 S. 719). Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 92/53 U vom 16. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 125, Slg. Bd. 58 S. 562) liegt aber die obere Grenze für die Annahme einer einkommensteuerlich unbeachtlichen erhöhten Umstellung bei Umstellung von Darlehnsschulden bei dem Umstellungsverhältnis 1 RM = 1 DM. Der Senat hat keine Bedenken, diesen für Darlehen geltenden Grundsatz auch für die den Darlehen in wirtschaftlicher Hinsicht ähnlichen echten stillen Beteiligungen anzuwenden. Die Umstellung der Einlage des Bf. auf 60.000 DM ist daher für seine Einkommensbesteuerung ohne Auswirkung.
Dem Finanzgericht ist auch zu folgen, wenn es die weiteren 10.816 DM, die der Bf. über die Rückzahlung seiner Einlage mit 60.000 DM und die als Entschädigung zu wertenden 6.000 DM hinaus erhalten hat, als Einkünfte im Sinne des § 20 EStG angesehen hat, die nach dem allgemeinen Einkommensteuertarif zu besteuern sind. Grundsätzlich gehören alle Bezüge, die ein stiller Gesellschafter erhält, soweit sie nicht die Rückzahlung seiner Einlage sind, als Erträge seiner Beteiligung zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen. Dem steht auch nicht der Einwand des Bf. entgegen, nach § 12 des Gesellschaftsvertrages sei eine Geldwertschuld und nicht eine gewöhnliche Geldschuld begründet worden. Selbst wenn man dieser Auffassung über das Wesen seines Anspruchs bei der Beendigung der stillen Gesellschaft folgt, steht das der Einkommensteuerpflicht nicht entgegen, soweit es sich um die Besteuerung der 10.816 DM handelt. Der Betrag, den der Bf. durch die Ausgestaltung seines Rückforderungsanspruchs als Geldwertschuld über den Nennbetrag hinaus bekommt, ist ein Vorteil aus seiner Beteiligung als stiller Gesellschafter, der nach § 20 Abs. 2 EStG den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen ist. Diese Vorschrift ist absichtlich weit gefaßt worden und ergreift auch auf Zahlungsklauseln beruhende erhöhte Rückzahlungen an einen stillen Gesellschafter. Das Finanzgericht hat demnach im Ergebnis ohne Rechtsirrtum die Steuerpflicht der 10.816 DM nach dem allgemeinen Tarif des Einkommensteuerrechts bejaht.
Fundstellen
Haufe-Index 410184 |
BStBl III 1961, 468 |
BFHE 1962, 558 |
BFHE 73, 558 |