Leitsatz (amtlich)
Die durch die Eintragung einer Personengesellschaft in das Handelsregister begründete Vermutung für das Vorliegen eines Gewerbebetriebes wird jedenfalls bei nur kurzer Betätigung und unter besonderen Umständen, die der Gesellschaft die Verwirklichung ihres satzungsmäßigen Zwecks unmöglich machen, nicht allein dadurch widerlegt, daß die Gesellschaft nur eine Tätigkeit ausgeübt hat, die für sich betrachtet noch keine gewerbliche Betätigung darstellt.
Normenkette
EStG 1961 § 15 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Jahres 1964, ob bei der Beendigung der "Wohnungsbau M - OHG" (OHG) ein steuerpflichtiger Betriebsaufgabegewinn entstanden ist.
Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (K) und der Beigeladene und Revisionskläger zu 2. (B) gründeten 1960 die OHG, die in das Handelsregister eingetragen wurde und in deren Gesellschaftsvertrag u. a. bestimmt ist:
"Der Zweck der Gesellschaft ist die Errichtung von Wohnungsbauten, der An- und Verkauf von Grundstücken für Wohnungsbauten, die Planung von Wohnungsbauten auf Grundstücken sowie im Erbbaurecht. Die Gesellschaft ist berechtigt, gleichartige oder ähnliche Unternehmungen neu zu errichten oder bestehende zu erwerben oder sich an diesen zu beteiligen und sämtliche Geschäfte zu betreiben, die geeignet sind, die Unternehmungen der Gesellschaft zu fördern."
Die OHG errichtete auf einem Erbbaugrundstück Mietwohnhäuser. Die Firma X hatte den Bau durch zinsverbilligte Darlehen und verlorene Zuschüsse gefördert. Aufgrund einer gegenüber der Firma X auf 25 Jahre eingegangenen Verpflichtung vermietete die OHG die Wohnungen ausschließlich an deren Bedienstete. Die jährlichen Mieteinnahmen betrugen 33 000 DM. Die OHG führte Bücher und ermittelte ihren Gewinn durch Vermögensbestandsvergleich. Sie reichte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) Umsatzsteuererklärungen, Gewinnerklärungen und Gewerbesteuererklärungen ein. Für die Jahre 1960 bis 1963 erklärte sie Verluste aus Gewerbebetrieb, die das FA bei den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen übernahm.
Alsbald nach Gründung der OHG kam es zwischen den Gesellschaftern zu Streitigkeiten und ab 1961 zu einer auf Ausschluß des B aus der Gesellschaft gerichteten Klage des K. Der Prozeß wurde im Jahre 1964 durch einen Vergleich beendet: Die Gesellschafter setzten sich auseinander. K zahlte dem B eine Abfindung und übernahm dafür den Grundbesitz der OHG, den er "in sein Privatvermögen überführte".
Das FA sah in diesen Vorgängen eine Betriebsaufgabe, bei der alle stillen Reserven des Betriebsvermögens aufgelöst worden seien und der sich ergebende Veräußerungsgewinn (Betriebsaufgabegewinn) von den Gesellschaftern versteuert werden müsse. Es erließ nach einer Betriebsprüfung einen Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr. Mit dem Einspruch begehrte K die Herabsetzung und, hilfsweise, die Aufhebung der Feststellung des Veräußerungsgewinns. Er machte geltend, die OHG habe nur Vermietungstätigkeit ausgeübt und deshalb keinen Gewerbebetrieb unterhalten. Das FA setzte den Veräußerungsgewinn des K auf 136 712 DM, den Veräußerungsgewinn des B auf 148 839 DM herab.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG hat nach Anhörung der Revisionskläger und Durchführung einer Beweisaufnahme, in der neben dem Betriebsprüfer der frühere steuerliche Berater der OHG und zwei seiner Angestellten als Zeugen vernommen wurden, zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Die Beweisaufnahme habe zwar bestätigt, daß sich die Tätigkeit der OHG während der Dauer ihres Bestehens auf die Errichtung und anschließende Vermietung von Wohngebäuden beschränkt habe. Eine solche Tätigkeit sei in der Regel nicht als Gewerbebetrieb anzusehen. Auch die Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft, der sich die Revisionskläger bedient hätten, beweise für sich allein noch nicht, daß ein Gewerbebetrieb im steuerrechtlichen Sinne vorgelegen habe, da auch eine OHG, die sich allein auf die Verwaltung ihres Hausbesitzes beschränke, in der Regel Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele. Da es schon im zweiten Jahr nach dem Beginn der Gesellschaft zu einem Rechtsstreit über die Ausschließung des B aus der Gesellschaft gekommen und die Gesellschaft alsbald aufgelöst worden sei, könne sich die Beurteilung, ob ein gewerblicher Betrieb oder nur eine Vermögensverwaltung vorgelegen habe, nicht allein danach richten, wie sich die OHG während der kurzen Zeit ihres Bestehens tatsächlich betätigt habe. Es komme entscheidend darauf an, wie die Tätigkeit der OHG zu beurteilen wäre, wenn sie nicht im Anfangsstadium zur Auflösung gekommen wäre, sondern ihre bestimmungsgemäße Tätigkeit, wie sie die Gesellschafter bei ihrer Gründung im Sinn gehabt hätten, entfaltet hätte. Nach den satzungsmäßigen Vereinbarungen habe die Gesellschaft den Betrieb eines gewerblichen Unternehmens bezweckt. Auch die Eintragung in das Handelsregister sei nach der Rechtsprechung (Urteil des BFH vom 9. Juli 1964 IV 427/62 U, BFHE 80, 154, BStBl III 1964, 530) ein starkes Beweisanzeichen für die Ausübung gewerblicher Tätigkeit. Unter diesen Umständen müsse die Errichtung und anschließende Vermietung der Wohngebäude durch die OHG als Beginn und damit als Teil ihrer gewerblichen Tätigkeit angesehen werden. Zu einem anderen Ergebnis könne man nur gelangen, wenn die Gesellschafter das, was sie im Gesellschaftsvertrag vereinbart hätten, von Anfang an überhaupt nicht gewollt, sondern von vornherein auch für die Zukunft nur eine das Vermögen nutzende Tätigkeit beabsichtigt hätten. Für eine solche Annahme hätten sich jedoch keine Anhaltspunkte ergeben. K habe nur glaubhaft gemacht, daß bezüglich des bereits zur Ausführung gekommenen Objekts keine Verkaufsabsichten und über weitere Objekte noch keine konkreten Vorstellungen bestanden hätten. Bei der kurzen Lebensdauer der OHG besage dies nichts über die ursprüngliche Zielsetzung. B habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, für die Zukunft und für andere Bauvorhaben sei eine Beschränkung auf Mietwohnungsbau nicht vorgesehen gewesen. Er habe ferner eingeräumt, daß sich im Falle des Fortbestehens der OHG, wenn es zur Bebauung weiterer Grundstücke gekommen wäre, der weitere Gesellschaftszweck, wie er vertraglich vereinbart gewesen sei, möglicherweise hätte realisieren lassen. Schließlich hätten K und B die OHG auch in ihren Steuererklärungen als Gewerbebetrieb behandelt und den Grundbesitz als Betriebsvermögen ausgewiesen, den Gewinn durch Vermögensvergleich ermittelt und laufende Verluste aus Gewerbebetrieb erklärt.
Zur Begründung der Revision, mit der Verletzung materiellen Rechts und fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt wird, haben die Revisionskläger im wesentlichen ausgeführt: Die OHG habe keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, sondern ausschließlich Einkünfte aus der Vermietung der Wohnungen bezogen. Das habe die Beweisaufnahme ergeben und sei auch durch den Betriebsprüfer bestätigt worden. Die weite Fassung des Gesellschaftszwecks im Gesellschaftsvertrag habe nur dazu gedient, die Eintragung in das Handelsregister zu ermöglichen. Das habe auch der frühere steuerliche Berater ausgesagt. Die errichteten Wohnungen seien auf 25 Jahre vermietet und damit praktisch unverkäuflich. Etwas anderes als Vermietung der Wohnungen hätten die Gesellschafter der OHG auch nicht beabsichtigt. Bislang sei jedenfalls kein Grundstück, das bebaut worden sei, verkauft worden und keiner der Gesellschafter habe Grundstücksgeschäfte oder Maklergeschäfte getätigt. Dem K sei es nur darauf angekommen, die Sonderabschreibungen nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen zu können.
Die Revisionskläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Feststellung des Veräußerungsgewinns aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zutreffend dargelegt, daß die beiden Revisionskläger im Rahmen der von ihnen gegründeten und im Handelsregister eingetragenen OHG einen Gewerbebetrieb i. S. des § 15 Nr. 2 EStG unterhalten haben.
1. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH besteht bei einer in das Handelsregister eingetragenen Personengesellschaft die Vermutung, daß sie tatsächlich ein Handelsgewerbe betreibt und damit gleichzeitig einen Gewerbebetrieb i. S. des Steuerrechts unterhält (Urteil vom 8. Dezember 1972 III R 36/72, BFHE 108, 383, BStBl II 1973, 357). Diese Vermutung kann widerlegt werden (vgl. dazu BFH-Urteil IV 427/62 U).
b) Für die Widerlegung der durch die handelsregisterliche Eintragung begründeten Vermutung ist die Feststellung ausreichend, daß die Gesellschaft von Anfang an zu Unrecht in das Handelsregister eingetragen worden ist und keine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dabei ist es grundsätzlich gleichgültig, worauf die Eintragung beruht (z. B. unrichtige Angabe des Gesellschaftszwecks im Vertrag oder Rechtsirrtum).
Die Eintragung in das Handelsregister ist aber in den Fällen von besonderer Bedeutung, in denen die Gesellschaft bis zu ihrer Auflösung eine Tätigkeit ausgeübt hat, die sowohl für den Beginn eines Gewerbebetriebes geeignet war, als auch bei vorzeitiger Aufgabe - für sich betrachtet - nicht zwingend auf einen Gewerbebetrieb schließen läßt. In diesen Fällen ist die Gründung eines Gewerbebetriebes zu bejahen mit der Folge, daß das Vermögen der Gesellschaft gewerbliches Betriebsvermögen darstellt und die Kosten für alle Maßnahmen, die der Aufnahme des Betriebs der Gesellschaft dienen konnten, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, wenn diese Maßnahmen im Rahmen der Gesellschaftsgründung als Teil der vorgesehenen gewerblichen Tätigkeit zu werten sind und nicht feststeht, daß die Eintragung in das Handelsregister von Anfang an unrichtig war. Grundsätzlich ist dabei davon auszugehen, daß Steuerpflichtige die zwischen ihnen geschlossenen Verträge ernstlich wollen und auch durchzuführen beabsichtigen. Die Bedeutung, die der BFH in ständiger Rechtsprechung der Eintragung einer Personengesellschaft in das Handelsregister beimißt, beruht angesichts der weitgehenden Übereinstimmung des handelsrechtlichen Begriffes des Handelsgewerbes und des steuerrechtlichen Begriffes des Gewerbes (vgl. Urteil IV 427/62 U) im wesentlichen auf dieser Erwägung und auf der Tatsache, daß alle Gesellschafter nicht nur beim Abschluß des Gesellschaftsvertrages, sondern auch bei der Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister mitwirken müssen.
2. a) Im Streitfall ist die durch die Eintragung in das Handelsregister begründete Vermutung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als widerlegt anzusehen. Das FG ist in nicht zu beanstandender Würdigung der Zeugenaussagen und der Einlassungen der Revisionskläger in der mündlichen Verhandlung vor dem FG zu dem Ergebnis gelangt, es sei nicht erwiesen, daß die Gesellschaft von Anfang an ihre Tätigkeit auf die Errichtung und Vermietung von Wohnungen habe beschränken wollen.
Die dagegen erhobenen Revisionsrügen gehen fehl. Der als Zeuge vernommene frühere steuerliche Berater hat bei seiner Aussage mehrfach betont, er könne sich an die Gründungsvorgänge der OHG und die Erwägungen, die zu der weiten Fassung des Gesellschaftszwecks sowie der Eintragung in das Handelsregister führten, nicht mehr erinnern. Das FG hat deshalb zu Recht der von dem Zeugen geäußerten Vermutung, daß die Formulierung des Gesellschaftszwecks gewählt worden sei, um die Eintragung im Handelsregister zu erreichen, keine Bedeutung beigemessen. Angesichts des dem Rechtsstreit vorangegangenen Verhaltens der OHG (Abgabe von Gewerbesteuererklärungen und Erklärungen zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung, Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich) und der einander widersprechenden Einlassungen der Revisionskläger vor dem FG über die Ernsthaftigkeit des im Gesellschaftsvertrag festgelegten (gewerblichen) Zwecks der OHG brauchte das FG nicht zu dem Ergebnis zu gelangen, daß die die Absicht zu gewerblicher Tätigkeit ausdrückende Formulierung des Gesellschaftsvertrages allein deshalb gewählt worden sei, um die Eintragung in das Handelsregister zu erreichen.
b) Bei dieser Sachlage hat das FG zu Recht in Übereinstimmung mit dem in dieser Sache im Aussetzungsverfahren ergangenen BFH-Beschluß angenommen, daß die von der OHG ausgeübte Tätigkeit (Errichtung und Vermietung von Wohnungsbauten) der Beginn der beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit war. Zutreffend ist das FG dabei insbesondere davon ausgegangen, daß bei der Beurteilung, ob ein gewerblicher Betrieb oder nur eine Vermögensverwaltung vorliegt, angesichts der vorzeitigen, auf den Auseinandersetzungen zwischen den Gesellschaftern beruhenden Beendigung der im Handelsregister eingetragenen OHG nicht allein darauf abgestellt werden kann, wie die Gesellschaft sich während der kurzen Zeit ihres Bestehens betätigt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 72605 |
BStBl II 1978, 54 |
BFHE 1978, 470 |