Leitsatz (amtlich)
Veräußert der Treuhänder das treuhänderisch erworbene Grundstück auf Weisung des Treugebers an einen Dritten, so unterliegt die mit der Weiterveräußerung eintretende Auflösung des Treuhandverhältnisses nicht der Grunderwerbsteuer.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Dr. X waren am Stammkapital der Y-GmbH zu je 30 v. H. beteiligt. Die Y-GmbH hatte ein in Berlin belegenes Grundstück erworben und dieses an die Z-KG weiterveräußert. Beide Erwerbsvorgänge waren zur Grunderwerbsteuer herangezogen worden; die Steuerbescheide waren bestandskräftig geworden.
Aufgrund einer Mitteilung des für die Y-GmbH zuständigen FA, Kauf und Verkauf des Grundstücks seien von der Y-GmbH lediglich als Treuhänderin für den Kläger und Herrn Dr. X vorgenommen worden, hatte das beklagte FA die Auflösung des Treuhandverhältnisses infolge der Veräußerung des Grundstücks an die Z-KG der Grunderwerbsteuer unterworfen.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Er hatte vorgetragen, Treugeber der Y-GmbH seien nicht er und Dr. X gewesen, sondern eine Vorgesellschaft der Z-KG, die er und Dr. X vertreten hätten. Die Z-KG sei infolge der politischen Lage Berlins erst 1960 gegründet worden. Die unbestrittene Nichtaktivierung des Grundstücks in der Eröffnungsbilanz der Z-KG habe eine doppelte Erfassung des Grundstücks verhindern sollen, weil dieses bei der Z-KG als unbebautes Grundstück in Treuhandschaft bilanziert worden war. Der beim Verkauf erzielte Mehrerlös sei nach Verrechnung der Unkosten an die Gesellschafter der Z-KG ausgezahlt worden.
Das FG hat die Anfechtungsklage abgewiesen. Es sah in der Auflösung des Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und Dr. X einerseits und der Y-GmbH andererseits anläßlich der Veräußerung des Grundstücks von der Y-GmbH an die Z-KG einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 5 Satz 1 GrEStG.
Die Revision rügt Verletzung des § 1 Abs. 1 und des § 5 GrEStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Das angefochtene Urteil verletzt § 1 GrEStG. Die Auflösung des Treuhandverhältnisses infolge der Veräußerung des Grundstücks an die KG unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.
1. Die Begründung des Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und Dr. X (Treugeber) einerseits und der Y-GmbH (Treuhänder) andererseits beruhte auf dem Grundstücksbeschaffungsauftrag der Treugeber an die Y-GmbH. Mit dem (treuhänderischen) Erwerb des Grundstücks war die Y-GmbH bürgerlich-rechtliche Eigentümerin geworden; sie war aber auf Grund der Treuhandabsprache gehalten, alles, was sie aus dem Erwerbsgeschäft erlangt hatte, an die Treugeber herauszugeben (§ 667 BGB). Der Herausgabeanspruch der Treugeber entstand mit dem Grundstückserwerb des Treuhänders unbedingt, nicht erst mit dem (späteren) Herausgabeverlangen der Treugeber (vgl. Urteil des Senats vom 28. Juni 1972 II 77/64, BFHE 106, 138, 140, BStBl II 1972, 719); ausgesetzt war nicht das Recht der Treugeber, die Herausgabe des Grundstücks zu verlangen, sondern nur - entsprechend den Vereinbarungen im Treuhandvertrag - das Recht des Treuhänders, die geschuldete Leistung (Herausgabe des Grundstücks und Übertragung des Eigentums) zu erbringen.
2. Die Treugeber haben mit dem (treuhänderischen) Erwerb des Grundstücks durch die Y-GmbH keinen Anspruch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erlangt, der unmittelbar auf Übereignung des Grundstücks gerichtet ist. Unter diese Vorschrift fallen, wie sich aus dem Gesetzeszusammenhang (vgl. dazu Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Tz. 35, 36, 40) ergibt, nur Erwerbsvorgänge, die rechtsgeschäftlich - dem Kaufvertrag vergleichbar und unter § 313 BGB fallend - einen unmittelbaren Anspruch auf Übereignung begründen, nicht aber Vorgänge, die wie im Streitfall (lediglich) einen Anspruch gewähren, der allein auf einer gesetzlichen Übereignungspflicht (vgl. § 667 BGB) beruht.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfaßt diejenigen Rechtsgeschäfte, bei denen sich der eine Vertragsteil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen und der andere Vertragsteil einen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erlangt. Solche unmittelbaren Ansprüche ergeben sich nicht aus Rechtsgeschäften, die - in der Regel unter bestimmten Voraussetzungen - nur kraft Gesetzes zu einer Übereignungspflicht führen. Ein Auftrag (§§ 662 ff. BGB) hat keinen Anspruch auf Übereignung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zum Inhalt; ein solcher Anspruch ist lediglich Rechtsfolge aus dem Auftragsverhältnis.
Diese Rechtsauffassung steht - entgegen der Meinung des FA - nicht in Widerspruch zu den Urteilen des BFH vom 28. Juni 1972 II 77/64 (BFHE 106, 138, BStBl II 1972, 719); vom 12. Juli 1972 II 81/65 (BFHE 107, 53, BStBl II 1972, 913); vom 23. Oktober 1974 II R 87/73 (BFHE 114, 124, BStBl II 1975, 152), und vom 26. Februar 1975 II R 130/67 (BFHE 115, 284, BStBl II 1975, 456). In diesen Entscheidungen hat es der BFH bezüglich der Besteuerung eines Grundstückserwerbs durch Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) im Rahmen von Treuhandverhältnissen für maßgebend gehalten, daß den Treuhänder auf Grund des § 667 BGB eine unmittelbare Herausgabepflicht treffe, die zu einer rechtlichen Anteilsvereinigung beim Treugeber führe. Die Erwägungen, auf die sich diese Entscheidungen gründen, lassen sich nicht auf den (unmittelbaren) Grundstückserwerb im Rahmen eines Treuhandverhältnisses übertragen. Anders als in diesen Fällen richtet sich der Anspruch des Treugebers aus § 667 BGB bei einer Anteilsvereinigung im Rahmen eines Treuhandverhältnisses nicht auf das Grundstück als solches, sondern auf die Herausgabe des treuhänderisch gehaltenen oder erworbenen Anteils an der Gesellschaft (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG).
3. Die Treugeber erlangten mit dem (treuhänderischen) Erwerb des Eigentums an dem Grundstück durch die Y-GmbH im Rahmen der Treuhandabsprache die Möglichkeit, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten (§ 1 Abs. 2 GrEStG). Die der Y-GmbH nach außen zustehenden Rechte (volles bürgerlich-rechtliches Eigentum an dem Grundstück) waren im Innenverhältnis, d. h. den Treugebern gegenüber, wesentlich eingeschränkt: Die Y-GmbH sollte mit dem Grundstück nicht nach ihrem alleinigen "Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen" (vgl. § 903 BGB) dürfen. Sie war vielmehr auf Grund der Treuhandabsprache gehalten, die Interessen der Treugeber zu wahren und deren Weisungen zu folgen. Damit hatten die Treugeber eine Verwertungsbefugnis erlangt, die als steuerpflichtiger Erwerbsvorgang (§ 1 Abs. 2 GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterlag.
4. Die Veräußerung des Grundstücks durch den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer (Treuhänder) an einen Dritten (Z-KG) auf Weisung der Treugeber konnte keine weitere Grunderwerbsteuer zu Lasten der Treugeber auslösen. Dieser Veräußerungsvorgang stellt sich aus deren Sicht vielmehr als eine Verwirklichung ihrer Möglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG dar, das Grundstück für eigene Rechnung zu verwerten. Die Treugeber haben mit der auf ihre und entsprechend ihrer Weisung vorgenommenen Weiterveräußerung ihre Verwertungsmöglichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG verloren, aber weder selbst einen unmittelbaren bürgerlich-rechtlichen Anspruch auf Übereignung des Grundstücks im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erlangt, noch haben sie mit der Weiterveräußerung des Grundstücks einen solchen Anspruch einem anderen verschafft. Daher ist kein Steuertatbestand erfüllt, nach dem die Weiterveräußerung des Grundstücks in solchen Fällen (nochmals) der Grunderwerbsteuer unterliegen könnte.
Diese Auffassung des Senats wird gestützt durch die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung, welche die Zurechnung gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG in zwei anderen Fällen erfährt.
Das Einbringen eines Grundstücks, das ein Gesellschafter "dem Werte nach" seiner Gesellschaft überläßt, unterliegt zu Lasten der Gesellschaft der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG. Die Veräußerung dieses Grundstücks durch den Gesellschafter-Eigentümer, die nur mit Zustimmung und für Rechnung der Gesellschaft geschehen kann, ist bisher in keinem Falle (neben der gesamtschuldnerischen Steuer des Grundstückserwerbers und des veräußernden Gesellschafters) einer weiteren Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG unterworfen worden.
Ähnliches gilt für einen Makler, der den Grundstückseigentümer soweit gebunden hat, daß die Veräußerung des Grundstücks letztlich auf seine Rechnung geht. Der Makler unterliegt zwar der Steuer aus § 1 Abs. 2 GrEStG für die Erlangung dieser Verwertungsbefugnis, nicht aber für deren spätere Verwirklichung (Beschluß vom 3. Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, BStBl II 1969, 170). Mit ähnlichen Erwägungen haben der RFH und der BFH in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG den "Zwischenerwerber" als Steuerschuldner angesehen (Urteil des Senats vom 10. Juli 1974 II R 12/70, BFHE 113, 313, BStBl II 1974, 772).
5. Die Rechtsauffassung, von der das FG in dem angefochtenen Urteil ausgegangen ist, kann die Besteuerung der Weiterveräußerung des Grundstücks zu Lasten des Klägers nicht rechtfertigen.
Eine Art "Rückabtretung" des Herausgabe-(Übereignungs-)Anspruchs der Treugeber auf den Treuhänder, von dem das FG offenbar ausgegangen ist, gibt es nicht. Selbst wenn es sich dabei um einen Erlaß dieses Anspruchs handeln würde, unterläge dieser Vorgang nicht der Steuer gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG. Das läßt sich aus § 17 Abs. 1 GrEStG ableiten, der - anders als § 17 Abs. 2 GrEStG - nur von der Nichterhebung oder Erstattung der Steuer auf den eigentlichen Erwerbsvorgang ausgeht, eine Steuer auf den darauf folgenden Vorgang, den Erlaß, aber außer Betracht läßt.
Ebensowenig können die Erwägungen des Treuhanderlasses (vom 18. Juni 1940, RStBl 1940, 617) die Auffassung des FG stützen. In diesem Erlaß wird zu dem hier einschlägigen Fall 3 Buchst. c auf Fall 1 Buchst. c Bezug genommen. Nach Buchst. c aa) war jedoch "unter den in Buchst. a bezeichneten Voraussetzungen ... von der Geltendmachung der Steuer" abzusehen. Denn der Erlaß geht davon aus, daß "die Begründung und die Auflösung des Treuhandverhältnisses ... zweimal die Steuer" erfordert, diese zweifache Besteuerung aber unbillig erscheine. Daraus kann jedoch entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht geschlossen werden, daß die Auflösung des Treuhandverhältnisses -"da für die Begründung ... keine Steuer erhoben worden ... und die Steuer ... inzwischen verjährt war" (vgl. S. 8 des angefochtenen Urteils) - voll zu besteuern sei. Dafür fehlt es, wie unter 4. dargelegt, an einer gesetzlichen Grundlage ...
Fundstellen
Haufe-Index 72106 |
BStBl II 1977, 12 |
BFHE 1977, 66 |