Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauch des Verlustabzugs; Zuordnung von Betriebseinnahmen zu Teilbetrieben
Leitsatz (NV)
1. Für Veranlagungszeiträume vor 1990 ist im Jahre des Verlustabzugs nicht nur über Grund und Höhe des zum Abzug anstehenden Verlustes im Entstehungsjahr zu entscheiden, sondern ebenso, ob und inwieweit anstehende Verluste bereits durch Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorangegangener Veranlagungszeiträume erloschen sind. Damit ist - ohne Bindung an die Steuerfestsetzung - auch über die Höhe des jeweiligen Gesamtbetrags der Einkünfte zu entscheiden.
2. Für die Zurechnung von Betriebseinnahmen zu verschiedenen betrieblichen Bereichen mit unterschiedlichen steuerlichen Wirkungen ist darauf abzustellen, durch welche Umstände im Einzelfall nach den gegebenen objektiven Verhältnissen die jeweiligen Betriebseinnahmen veranlaßt sind.
3. Sanierungsleistungen sind nicht nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei, wenn sie nicht den Erlaß bestehender Schulden, sondern die unentgeltliche Lieferung von Waren zum Inhalt hatten oder der Leistende nicht in Sanierungsabsicht handelte.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 66, § 4 Abs. 4; EStG a.F. §§ 10d, 15 Abs. 2
Tatbestand
Der tatsächliche Geschäftsbereich der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, umfaßte den Großhandel mit . . . und die gewerbliche Haltung und Zucht von Turnierpferden.
Am 16. Januar 1979 wurde das Stammkapital der Klägerin von 20 000 DM, das zuletzt die J-GmbH & Co. KG in Höhe von 19 000 DM und J persönlich zu 1000 DM hielten, auf 200 000 DM erhöht. Davon übernahm die C-GmbH & Co. KG (C-KG) einen Anteil von 160 000 DM und die J-KG einen weiteren Anteil in Höhe von 20 000 DM.
Ebenfalls am 16. Januar 1979 trafen die Klägerin, die C-KG, die J-KG und K-GmbH eine Vereinbarung zur ,,Konsolidierung" der nach der Bilanz zum 31. Dezember 1978 mit 433 000 DM überschuldeten Klägerin. Die K-GmbH war Hauptlieferantin der Klägerin und hatte zum 31. Dezember 1978 gegen diese Forderungen in Höhe von ca. 3,5 Mio DM.
Nach der Vereinbarung sollte das im Betriebsvermögen befindliche Gestüt, auf das die Überschuldung der Klägerin zurückging, im Laufe des Jahres 1979 veräußert werden. Zum Ausgleich des durch den Betrieb und die Veräußerung des Gestüts voraussichtlich entstehenden Verlustes verpflichtete sich insbesondere die K-GmbH, in den Jahren 1979 bis 1981 ,,Zahlungen" in Form von Gutschriften bis zu einem Gesamtbetrag von 420 000 DM zu leisten. Dabei sollte die K-GmbH ,,bis zum 31. Dezember 1978" einen Betrag in Höhe von ca. 180 000 DM bis 200 000 DM gutschreiben. Mehr- oder Minderverluste aus dem Verkauf des Gestüts sollte die K-GmbH zu einem Drittel tragen.
Das Gestüt wurde 1979 veräußert. Die K-GmbH kam ihrer Verpflichtung nach und leistete ,,für 1978" rund 194 699 DM und für 1979 392 121 DM (= 586 820 DM). Der Mehrbetrag gegenüber der Vereinbarung ergab sich daraus, daß für 1979 wegen weiterer laufender Verluste aus der gewerblichen Tierzucht höhere Zuschüsse gegeben werden mußten, die die K-GmbH übernahm.
Nach einer Außenprüfung ermittelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für das Jahr 1975 einen Verlust von 230 150 DM und für 1976 einen Verlust von 167 238 DM; der für 1975 ermittelte Verlust wurde in Höhe von 209 035 DM auf 1974 zurückgetragen (Rest: 21 115 DM).
Im Jahre 1983 fand eine weitere Außenprüfung statt, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1980 erstreckte. Der Prüfer ließ für 1976 die Verluste der Klägerin aus gewerblicher Tierzucht außer Ansatz und ermittelte deshalb für dieses Jahr statt des bisher erklärten Verlustes von 167 238 DM einen Gewinn, mit dem er die Verluste aus 1975 und 1977 verrechnete, so daß sich für die Veranlagungszeiträume ab 1978 keine abziehbaren Verluste mehr ergaben. Entgegen dem Begehren der Klägerin rechnete der Prüfer die Gutschriften der K-GmbH nicht dem Gestüt zu, sondern beließ es bei der Zurechnung zu dem Handelsgeschäft der Klägerin. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ entsprechende Körperschaftsteuerbescheide für 1978 bis 1981. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage teilweise statt.
Mit seiner Revision rügt das FA sinngemäß die Verletzung der Grundsätze über die Zurechnung von Einnahmen zu unterschiedlichen betrieblichen Bereichen und die Verletzung von § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Mit Recht hat das FA der Klägerin den Abzug der Verluste aus 1975 und 1977 vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Streitjahre versagt, da diese Verluste durch Verrechnung mit dem von der weiteren Außenprüfung für 1976 ermittelten Gesamtbetrag der Einkünfte verbraucht sind.
Über Grund und Höhe des Verlustabzugs wird für Veranlagungszeiträume vor 1990 nach ständiger Rechtsprechung erst im Jahre des Verlustabzugs entschieden (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, bFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463; vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460, und vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8). Diese Entscheidung umfaßt alle für Grund und Höhe des Verlustabzugs maßgebenden Umstände. Zu entscheiden ist deshalb im Abzugsjahr nicht nur über Grund und Höhe des zum Abzug anstehenden Verlustes im Entstehungsjahr, sondern ebenso, ob und inwieweit anstehende Verluste bereits durch Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte vorangegangener Veranlagungszeiträume erloschen sind. Dies begreift - anders als die Klägerin meint - notwendig die Entscheidung über die Höhe des jeweiligen Gesamtbetrags der Einkünfte und damit auch über bei der entsprechenden Steuerfestsetzung übersehene Verlustabzugsverbote (hier § 15 Abs. 2 EStG - in der im Streitjahr gültigen Fassung -) mit ein. Die Außenprüfung konnte deshalb für Zwecke des Verlustabzugs unter Anwendung des § 15 Abs. 2 EStG für 1976 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ermitteln und davon die Verluste der Jahre 1975 und 1977 abziehen. Die bestandskräftige Festsetzung der Steuer für diesen Veranlagungszeitraum wirkt nicht - anders als das FG meint - als Sperre dahin, daß für Zwecke des Verlustabzugs kein Ansatz eines positiven Gesamtbetrags der Einkünfte zulässig wäre, denn die Bestandskraft einer Steuerfestsetzung erstreckt sich insoweit nur auf die Höhe der festgesetzten Steuer, nicht aber auf die Besteuerungsgrundlagen (Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 157 AO 1977 Tz. 7).
§ 10 d Satz 4 EStG hebt zwar darauf ab, ob ein Abzug der nicht ausgeglichenen Verluste nach den Sätzen 1 bis 3 ,,möglich" ist. Die Vorschrift stellt damit jedoch nicht auf die formale Änderungsmöglichkeit ab (BFH in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8), sondern ob ein verrechenbarer Gesamtbetrag der Einkünfte vorhanden ist - unabhängig davon, ob sich diese Verrechnung auf die Steuerfestsetzung auswirkt oder nicht (vgl. BFH in BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8). Deshalb geht der Verlustabzug verloren, soweit Verluste in einem vorhergehenden Veranlagungszeitraum abgezogen werden konnten, der Abzug aber versäumt wurde (vgl. den Wortlaut des § 10 d Satz 4 Halbsatz 2 EStG; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. März 1988 3 K 162/84, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 416). Um so mehr muß dies gelten, wenn der Abzug versäumt wurde, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte zugunsten des Steuerpflichtigen zu niedrig angesetzt wurde - unbeschadet dessen, daß deshalb eine bestandskräftige Steuerfestsetzung nicht mehr geändert werden kann -.
2. a) Entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin sind die Leistungen der K-GmbH zur Konsolidierung der Klägerin - ungeachtet der dahingehenden Zweckbestimmung der Leistenden - nicht dem Teilbetrieb Gestüt, sondern dem Teilbetrieb Handel der Klägerin zuzuordnen, da sie durch diesen veranlaßt sind.
Für die Zurechnung von Betriebseinnahmen zu verschiedenen betrieblichen Bereichen mit unterschiedlichen steuerlichen Wirkungen ist - ebenso wie für die Zurechnung von Einnahmen zum betrieblichen oder privaten Bereich - darauf abzustellen, durch welche Umstände im Einzelfall nach den gegebenen objektiven Verhältnissen die jeweiligen Betriebseinnahmen veranlaßt sind (vgl. § 4 Abs. 4 EStG und BFH-Urteile vom 18. März 1982 IV R 183/78, BFHE 136, 76, BStBl II 1982, 587, und vom 22. Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, 997). Für die Zuordnung ist deshalb - anders als das FG meint - nicht auf die Zweckbestimmung des Leistenden abzustellen. Ebensowenig ist von Bedeutung, daß der Verlust aus der Tierhaltung conditio sine qua non der Leistungen ist, zumal diese gleichermaßen gewährt wurden, um die Klägerin als Geschäftspartnerin im Bereich des Handelsbetriebs auf Dauer zu konsolidieren.
In sinngemäßer Anwendung des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 2. b, bb) sind vielmehr Betriebseinnahmen dann als durch einen Teilbetrieb veranlaßt anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffende Betriebseinnahme auslösenden Moments und zum anderen die Zuweisung des maßgeblichen Moments zu dem jeweiligen Teilbereich. Da diese Prüfung im Streitfall ergibt, daß die Leistungen der K-GmbH überwiegend durch den Teilbetrieb Handel veranlaßt sind, sind sie diesem zuzuordnen und nicht mit den Verlusten aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 EStG (in der im Streitjahr gültigen Fassung) zu verrechnen.
Die Leistungen der K-GmbH wurden zwar auf der Grundlage der Verluste aus dem Gestüt ermittelt. Dies besagt jedoch nicht, daß diese Verluste bei wertender Beurteilung die Leistungen auslösten. Die K-GmbH hatte keine Veranlassung, der Klägerin einen Zuschuß für einen gewerblichen Tierzuchtbetrieb zu geben, an dem die K-GmbH nicht nur in der Vergangenheit, sondern vor allem auch in Zukunft kein geschäftliches Interesse hatte. Wegen ihres hohen Forderungsbestandes und ihrer Geschäftstätigkeit im Bereich des . . . handels war die K-GmbH lediglich am gesicherten Weiterbestehen der Klägerin als zahlungsfähiger . . . handelspartnerin interessiert. Dementsprechend wurden die Leistungen als Gutschriften für . . . bezüge erteilt. Dies folgt aus dem Inhalt der Gutschriften, die dem vom FG in Bezug genommenen Betriebsprüfungsbericht vom 18. Mai 1983 anliegen. Damit verbunden war nach Nr. 8 der vom FG in Bezug genommenen Vereinbarung vom 16. Januar 1979 eine gegenseitige Lieferungs- bzw. Leistungsvereinbarung. Die Verluste der Klägerin aus gewerblicher Tierzucht wurden sonach von der K-GmbH allein deshalb übernommen, um die Klägerin als Abnehmerin der K-GmbH langfristig zu konsolidieren. Damit liegt aber das auslösende Moment des dafür gewährten Zuschusses in der Sphäre des Teilbetriebs Handel der Klägerin.
Der Senat geht davon aus, daß die sechsjährige Abnahmebindung der Klägerin lediglich eine Nebenleistung der Sanierungsvereinbarung darstellt. Dessen ungeachtet wären die Sanierungsleistungen der K-GmbH nicht gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 2 EStG passiv abzugrenzen, da sie nicht als Gegenleistung eines Dauerrechtsverhältnisses, sondern eines der K-GmbH geleisteten immateriellen Wirtschaftsguts ,,Belieferungsrecht" (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13) anzusehen wären.
b) Der Senat konnte nicht durcherkennen, da es das FG aufgrund seiner Rechtsauffassung unterlassen hat, in bezug auf die von ihm so bezeichneten ,,Zahlungen in Form von Gutschriften" die Voraussetzungen des § 3 Nr. 66 EStG zu prüfen. Diese Prüfung kommt hinsichtlich der ,,für 1978" gewährten ,,Gutschriften" in Betracht, denn dahinter könnte sich rechtlich der Erlaß von Schulden der Klägerin gegenüber der K-GmbH aus . . . lieferungen verbergen. Ein Abzug der daraus entstandenen Erträge als steuerfrei erfordert allerdings zunächst die Feststellung, daß die Gutschriften ,,für 1978" überhaupt als Erträge verbucht waren. Insbesondere die für 1979 geleisteten Gutschriften der K-GmbH sind nicht nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei, wenn sie nicht den Erlaß bestehender Schulden, sondern die unentgeltliche Lieferung von Waren zum Inhalt hatten (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 1985 IV R 149/82, BFHE 143, 267, BStBl II 1985, 365). Dies erscheint denkbar, da die Gutschriften bereits zu Beginn des Jahres 1979 zugesagt wurden und damit im wesentlichen nicht den Erlaß bereits aufgelaufener Warenverbindlichkeiten zum Inhalt haben konnten.
Das FG wird bei seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen haben, ob die K-GmbH in Sanierungsabsicht handelte (vgl. BFH-Urteile vom 26. November 1980 I R 52/77, BFHE 132, 72, BStBl II 1981, 181, und vom 28. Februar 1989 VIII R 303/84, BFHE 157, 51, BStBl II 1989, 711).
Nach diesen Entscheidungen spricht es ,,in der Regel" gegen ein Handeln in Sanierungsabsicht, wenn ein Erlaß lediglich von einem Gläubiger ausgesprochen wird, der erkennbar an der Fortsetzung seiner Geschäftsbeziehungen zu dem Schuldner besonders interessiert ist. Die letztgenannte Voraussetzung liegt zwar im Streitfall vor; nach der Sanierungsvereinbarung kommt aber in Betracht, daß auch weitere Gläubiger gegenüber der Klägerin Schulden erlassen oder sonstige Sanierungsleistungen erbracht haben.
Fundstellen
Haufe-Index 418399 |
BFH/NV 1992, 799 |