Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehegattenarbeitsverhältnisse; Lohnüberweisung auf ein Konto des Arbeitgeber-Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
Wird der Arbeitslohn des Arbeitnehmer-Ehegatten auf ein privates Konto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen, ist das Ehegatten- Arbeitsverhältnis auch dann nicht wie unter Fremden durchgeführt, wenn der Arbeitnehmer-Ehegatte den Abbuchungsauftrag unterschrieben hat und das private Konto ausschließlich der Ansammlung von Beträgen zur Tilgung gemeinsamer Darlehensschulden der Ehegatten dient.
Orientierungssatz
1. Hat der BFH auf die Revision des FA in Sachen Einkommensteuer 1983 das FG-Urteil aufgehoben, weil Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen waren, so können, nachdem das BVerfG inzwischen den gesetzlichen Kinderlastenausgleich für die Jahre 1983 bis 1985 für unzureichend gehalten hat (BVerfG-Beschluß vom 12.6.1990 1 BvL 72/86), die unter Umständen zu niedrig angesetzten Kinderfreibeträge ―auch wenn die Kläger dies nicht geltend gemacht haben― zu einer Gegenrechnung und damit zu einer teilweisen Stattgabe der Klage führen. Da derzeit eine gesetzliche Neuregelung noch aussteht, hat der Senat in entsprechender Anwendung des Art. 3 § 4 VGFGEntlG die Steuerberechnung dem FA übertragen.
2. NV: Sind die Kläger (Eheleute) in einem Rechtsstreit wegen Einkommensteuer 1983 mit dem von ihnen verfolgten Begehren vollständig unterlegen und kommt ―nachdem das BVerfG inzwischen den gesetzlichen Kinderlastenausgleich für die Jahre 1983 bis 1985 für unzureichend gehalten hat (BVerfG-Beschluß vom 12.6.1990 1 BvL 72/86)― ein Teilobsiegen ―bei Beseitigung der Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Kinderlastenausgleichs im Steuerrecht― allenfalls aufgrund einer von ihnen nicht beantragten Saldierung in Betracht, haben die Kläger entsprechend dem Rechtsgedanken des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1; FGO § 136 Abs. 1 S. 3; VGFGEntlG Art. 3 § 4; EStG § 32 Abs. 8
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 26.05.1987; Aktenzeichen 2 K 97/86) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben zwei Kinder. Die Klägerin ist ―aufgrund eines 1974 geschlossenen Arbeitsvertrages― in der Bäckerei des Klägers als Verkäuferin tätig.
Bei einer Außenprüfung für die Jahre 1980 bis 1982 wurde dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) bekannt, daß der Arbeitslohn nicht mehr wie früher von dem geschäftlichen Konto des Klägers auf ein Sparkonto der Klägerin, sondern auf ein ―als Baukonto bezeichnetes― Girokonto des Klägers bei der Sparkasse überwiesen wurde. Von diesem Konto, für das auch die Klägerin allein zeichnungsberechtigt war, wurden die jeweils fälligen Zins- und Tilgungsbeträge für ein Darlehen von der Sparkasse abgebucht, das die Kläger zur Finanzierung gemeinsamer Bauvorhaben aufgenommen hatten.
Die Klägerin erklärte, sie habe ihren Mann angewiesen, mit ihrem Gehalt die ihr ―als Gesamtschuldnerin― obliegenden Darlehenstilgungen bei der Sparkasse direkt vorzunehmen. Zum Nachweis dafür, daß sie über ihren Arbeitslohn verfügt habe, legten die Kläger einen von der Klägerin am 22.Februar 1982 unterschriebenen Antrag an die Sparkasse auf Änderung eines Dauerauftrags vor. Danach sollten die monatlichen Überweisungen vom betrieblichen auf das Baukonto ab April 1982 von 860 DM auf 1 500 DM erhöht werden.
Das FA war der Auffassung, daß der Arbeitslohn mit der Gutschrift auf dem privaten Konto des Klägers nicht in den Einkommens- und Vermögensbereich der Klägerin gelangt sei und das Ehegatten-Arbeitsverhältnis daher steuerrechtlich nicht mehr anerkannt werden könne. Auch im Streitjahr 1983 berücksichtigte es die Lohnzahlungen des Klägers nicht als Betriebsausgaben. Der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 1983 war insoweit erfolglos.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 609 veröffentlicht ist, gab der Klage statt. Es war der Auffassung, die Gehaltsbeträge hätten schon vor der Gutschrift auf dem Baukonto den Vermögensbereich des Klägers verlassen und sich im alleinigen Verfügungsbereich der Klägerin befunden. Durch die Überweisung der Gehaltsbeträge vom betrieblichen auf das Baukonto sei sowohl der Anspruch der Klägerin auf Gehalt als auch der Anspruch der Sparkasse gegen die Klägerin als Gesamtschuldnerin der Zins- und Tilgungsbeträge bei Fälligkeit erloschen. Die Überweisung auf das Baukonto ohne Zwischenschaltung eines Kontos der Klägerin habe den Zahlungsweg abgekürzt. Das Einverständnis der Klägerin mit dieser Zahlungsweise ergebe sich aus ihrer Unterschrift unter dem Formular zur Änderung des Dauerauftrags. Diese Unterschrift sei als Anerkenntnis zu werten, daß die ihr zustehenden Gehaltsansprüche jeweils mit der Überweisung auf das Baukonto erfüllt seien. Ob die Klägerin bankrechtlich zur Verfügung über das betriebliche Konto befugt gewesen sei, sei unerheblich, weil die Bank den Auftrag ausgeführt habe und der Kläger mit der Abbuchung einverstanden gewesen sei. Mit der Abbuchung vom betrieblichen Konto hätten die Gehaltsbeträge den Vermögensbereich des Klägers verlassen. Nur formal seien sie mit der Gutschrift auf dem Baukonto in seinen privaten Bereich gelangt. Durch die Zweckbindung des Baukontos ―Ansammlung von Gutschriften zur Tilgung der fälligen Annuitäten― sei das Guthaben wirtschaftlich der freien Verfügung des Klägers entzogen und bereits dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich der Sparkasse zuzuordnen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werden Arbeitsverhältnisse zwischen Ehegatten steuerrechtlich nur anerkannt, wenn sie eindeutig und ernstlich vereinbart sind und entsprechend der Vereinbarung durchgeführt werden. Die tatsächliche Durchführung des Arbeitsverhältnisses erfordert, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte über die Entlohnung frei und ohne Beschränkung durch den Arbeitgeber-Ehegatten verfügen kann. Die vereinbarte Entlohnung muß in den vom Arbeitgeber-Ehegatten klar und eindeutig getrennten Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen, d.h., der Geldbetrag muß bei Überweisung des Arbeitslohns von einem betrieblichen Konto des Arbeitgeber-Ehegatten auf ein Konto des Arbeitnehmer-Ehegatten übergehen (BFH-Beschluß vom 27.November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160 m.w.N.). Die Einkommens- und Vermögensbereiche der Ehegatten sind nicht ausreichend im Sinne der Rechtsprechung getrennt, wenn der Arbeitslohn auf ein gemeinschaftliches Konto der Eheleute überwiesen wird, über das jeder der Kontoinhaber ohne Mitwirkung des anderen verfügen kann (BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160), oder wenn der Arbeitslohn auf ein Konto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen wird, an dem der Arbeitnehmer-Ehegatte nur ein Mitverfügungsrecht hat (BFH-Urteil vom 15.Januar 1980 VIII R 154/78, BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350).
Im Streitfall ist der monatliche Arbeitslohn der Klägerin von dem betrieblichen auf ein privates Konto des Klägers, an dem die Klägerin nur ein Mitverfügungsrecht hatte, überwiesen worden. Der Arbeitslohn hat daher den Einkommens- und Vermögensbereich des Klägers nicht verlassen. Entgegen der Auffassung des FG sind die Gehaltsbeträge auch nicht dadurch in den alleinigen Einkommens- und Vermögensbereich der Klägerin gelangt, daß sie den Antrag an die Sparkasse auf Änderung des Dauerauftrags unterschrieben hat, unabhängig davon, ob sie ein Mitverfügungsrecht an dem betrieblichen Konto hatte oder aufgrund einer Einzelvollmacht oder ohne Vollmacht handelte. Aufgrund des Überweisungsauftrags haben die Geldbeträge nur den betrieblichen, nicht aber den Einkommens- und Vermögensbereich des Klägers verlassen. Denn mit der Gutschrift auf dem Baukonto wurden noch keine Ansprüche der Sparkasse gegen die Klägerin als Gesamtschuldnerin getilgt. Der Kläger konnte vielmehr bis zur Abbuchung der fälligen Zins- und Tilgungsraten jederzeit uneingeschränkt über die eingegangenen Beträge verfügen; seine Gläubiger hätten in dieses Konto ―auch gegen den Willen der Klägerin― vollstrecken können (vgl. BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160). Daß mit den Gehaltsbeträgen tatsächlich Zins- und Tilgungsraten beglichen wurden, für die die Klägerin von der Sparkasse als Gesamtschuldnerin hätte in Anspruch genommen werden können, ist unerheblich. Denn nach der Rechtsprechung des BFH kommt es auf die Verwendung der Beträge nicht an, weil der Verwendungszweck kein zuverlässiges Merkmal für die Bestimmung ist, aus welchem Einkommens- und Vermögensbereich die Mittel stammen (BFHE 130, 149, BStBl II 1980, 350).
2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, wird die Vorentscheidung aufgehoben. Soweit die Kläger den Abzug der Lohnzahlungen als Betriebsausgaben begehren, ist die Klage unbegründet. Im Rahmen des vom BFH vertretenen weiten Streitgegenstandsbegriffs könnten im Streitfall aber unter Umständen zu niedrig angesetzte Kinderfreibeträge ―auch wenn die Kläger dies nicht geltend gemacht haben― zu einer Gegenrechnung und damit zu einer teilweisen Stattgabe führen.
Im Einkommensteuerbescheid 1983 hat das FA vom Einkommen der Kläger zwei Kinderfreibeträge nach § 32 Abs.8 EStG in Höhe von jeweils 432 DM abgezogen. Im Beschluß vom 12.Juni 1990 1 BvL 72/86 (BStBl II 1990, 664) hat das Bundesverfassungsgericht jedoch den ―aus Kindergeld und Kinderfreibeträgen bestehenden― gesetzlichen Kinderlastenausgleich für die Jahre 1983 bis 1985 für unzureichend gehalten. Es hat daher § 32 Abs.8 EStG i.d.F. für 1983 bis 1985 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, in den noch nicht bestandskräftig gewordenen Fällen die Benachteiligung der betroffenen Steuerpflichtigen durch Erhöhung des Kindergelds, durch eine Änderung des Steuerrechts oder durch eine anderweitige Ausgleichsregelung zu beheben. Sofern der Gesetzgeber (auch) eine steuerrechtliche Lösung wählt, wäre diese im Wege der Saldierung zu berücksichtigen und würde voraussichtlich zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führen. Da die gesetzliche Neuregelung noch aussteht, kann der Senat die endgültige Einkommensteuerschuld 1983 im Streitfall nicht festsetzen. In entsprechender Anwendung des Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit überträgt der Senat daher die Steuerberechnung dem FA, das nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung die sich für den Streitfall ergebenden rechnerischen Folgerungen ziehen wird.
Das FA könnte auch erwägen, die Steuer mit dem bisherigen Betrag festzusetzen und den Bescheid in sinngemäßer Anwendung des § 165 Abs.1 der Abgabenordnung hinsichtlich der Kinderfreibeträge vorläufig zu erlassen (vgl. auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 24.September 1990, BStBl I 1990, 624).
++/ 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs.1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach können ―abweichend vom Grundsatz des § 136 Abs.1 FGO (verhältnismäßige Teilung oder Gegeneinanderaufheben der Kosten)― einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Im Streitfall läßt sich derzeit weder betragsmäßig feststellen, inwieweit die Kläger obsiegen, noch, ob sie überhaupt teilweise obsiegen, weil der Gesetzgeber die Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Kinderlastenausgleichs auch außerhalb des Steuerrechts beseitigen kann. Da die Kläger aber mit dem von ihnen verfolgten Begehren vollständig unterlegen sind und ein Teilobsiegen allenfalls aufgrund einer von ihnen nicht beantragten Saldierung in Betracht kommt, hält es der Senat dem Rechtsgedanken des § 136 Abs.1 Satz 3 FGO entsprechend für sachgerecht, den Klägern die Kosten des gesamten Verfahrens aufzuerlegen. /++
Fundstellen
Haufe-Index 63466 |
BFH/NV 1991, 2 |
BFHE 162, 247 |
BFHE 1991, 247 |
BB 1991, 527 |
BB 1991, 527-528 (LT) |
DB 1991, 72-73 (LT) |
HFR 1991, 142 (LT) |
StE 1990, 466 (K) |