Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG trifft nicht zu, wenn zwar zersplitterte Grundstücke im Tauschweg hingegeben werden, durch den Grundstücksaustausch aber in der Zersplitterung änderungen nicht eintreten. Lediglich der Wechsel in der Person des Eigentümers reicht nicht aus, um die Steuerbefreiung anzuwenden.
§ 29 Abs. 1 RSiedlG ist nur auf Geschäfte und Verhandlungen anwendbar, die unmittelbar zur Durchführung von Siedlungsverfahren im Sinne des bezeichneten Gesetzes dienen. Sie gilt dagegen nicht für Erwerbsvorgänge, die nur mittelbar mit einem Siedlungsverfahren zusammenhängen, insbesondere dann nicht, wenn ein Siedlungsunternehmen Land erwirbt, das für Siedlungsland in Tausch gegeben werden soll, oder wenn das Siedlungsunternehmen das Tauschland im Austausch gegen Siedlungsland hingibt.
Normenkette
GrEStG § 4/1/3/b; RSiedlG § 29
Tatbestand
Die Bfin. erwarb:
A. durch Kaufvertrag vom 5. Juli 1956 von Frau F. und dem Landwirt X., dem Sohn von Frau F., rund um die Ortschaft Z. verstreut liegende landwirtschaftliche Grundstücke in der Größe von rund 0,1 bis 0,3 ha;
B. durch Tauschvertrag vom gleichen Tage zwei zusammenhängende Grundstücke des Landes L. in der Feldmark von Z. in der Größe von zusammen ungefähr 10 ha; Gegenleistung waren die auf Grund des Kaufvertrages zu A erworbenen landwirtschaftlichen Grundstücke.
Auf Grund dieser Verträge und auf Grund des zwischen der Bfin. und den Eheleuten X. bestehenden Träger-Siedlungsvertrages konnten die Eheleute X. aus Z. ausgesiedelt werden. Sie bekamen in der Feldmark von Z. eine neue Hofstelle.
Streitig ist: I. ob der Vorgang zu A auf Grund des § 29 Abs. 1 des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG) in Verbindung mit Abschnitt VII des Siedlungserlasses des Reichsministers der Finanzen vom 11. Dezember 1940 (RStBl 1940 S. 1026),
II. ob der Vorgang zu B, soweit die Bfin. die von ihr durch Kaufvertrag zu A erworbenen Grundstücke im Tauschwege an das Land L. veräußerte, auf Grund des § 29 Abs. 1 RSiedlG oder auf Grund des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG
von der Grunderwerbsteuer befreit ist. Die Bfin. hat
in ihrer Eigenschaft als Siedlungsunternehmen nach § 29 Abs. 2 RSiedlG in Verbindung mit Abschnitt VII des Siedlungserlasses vom 11. Dezember 1940 versichert, daß sämtliche Erwerbsvorgänge (oben zu A und B) unmittelbar der Durchführung des Siedlungsverfahrens X. dienten;
eine Bescheinigung des zuständigen Landwirtschaftsamts überreicht, wonach der Grundstückstausch (oben zu B) zur besseren Bewirtschaftung von zersplittertem Grundbesitz im Sinn von § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG diente.
Entgegen den zu 1. und 2. bezeichneten Versicherungen sah das Finanzamt sowohl den zu I als auch den zu II bezeichneten Erwerbsvorgang nicht als steuerbefreit an und zog die Bfin. wegen dieser Erwerbsvorgänge zur Grunderwerbsteuer heran. Soweit es sich um den Tauscherwerb durch die Bfin. handelt (oben zu B), ist die Steuerbefreiung unbestritten; der Vorgang ist auf Grund des § 29 Abs. 1 RSiedlG als steuerfrei anerkannt worden.
Der Rechtsstreit betrifft den Vorgang zu II. Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist ohne Erfolg.
Nach § 29 Abs. 1 RSiedlG sind alle Geschäfte und Verhandlungen, die zur Durchführung von Siedlungsverfahren im Sinn dieses Gesetzes dienen, soweit sie nicht im Wege des ordentlichen Rechtsstreits vorgenommen werden, von allen Gebühren, Stempelabgaben und Steuern des Reichs, der Länder usw. befreit. Diese Befreiungsvorschrift ist jedoch, wie in ständiger Rechtsprechung feststeht, nur insoweit anwendbar, als das erworbene Grundstück unmittelbar der Durchführung von Siedlungsverfahren dient. Siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II 418/37 vom 6. Mai 1938 (RStBl 1938 S. 829) sowie das Urteil des Senats II 201/51 S vom 2. November 1951 (BStBl 1951 III S. 234, Slg. Bd. 55 S. 578). Demgemäß sind vorbereitende Maßnahmen nicht von der Besteuerung ausgenommen. Wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, sind als vorbereitende Maßnahmen sowohl der Erwerbsvorgang zu I als auch der zu II anzusehen. Die gleiche Auffassung wird auch in dem bereits angeführten Siedlungserlaß vom 11. Dezember 1940 vertreten. Dort ist im Abschnitt VI ausgeführt, daß im mittelbaren Zusammenhang mit einem Siedlungsverfahren stehende Vorgänge nicht begünstigt sind. Als Beispielsfälle sind angeführt in der Ziff. 1 der Erwerb von Land, das für Siedlungsland in Tausch gegeben werden soll, durch ein Siedlungsunternehmen, sowie in der Ziff. 2 die Hingabe des Tauschlandes durch das Siedlungsunternehmen im Austausch gegen Siedlungsland. Der Fall der Ziff. 1 entspricht dem Vorgang zu I, der Fall der Ziff. 2 entspricht dem Vorgang zu II. Die hier in Betracht kommenden Vorgänge zu I bzw. II sind somit nicht als auf Grund des § 29 Abs. 1 RSiedlG steuerbefreit anzusehen.
Um im Streitfall die Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG anwenden zu können, wäre erforderlich, daß der Grundstücksaustausch der besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten landwirtschaftlichen Grundstücken dient. Wie auch das Finanzgericht ausführt, sind diese Voraussetzungen gleichfalls nicht erfüllt. Die Bfin. hat im Streitfall die von ihr am gleichen Tag erworbenen 47 rund um die Ortschaft Z. zerstreut liegenden kleinen Grundstücke gegen zwei zusammenhängende Grundstücke des Landes L. getauscht. Objektiv sind zwar zersplitterte Grundstücke im Tauschweg hingegeben worden. Dem Finanzgericht ist jedoch darin zuzustimmen, daß sich flächenmäßig an der Zersplitterung nichts geändert hat. Es handelt sich nur um einen Wechsel der Person des Eigentümers. Der Eigentumswechsel ist aber nicht ausreichend, um die Steuerbefreiung anzuwenden. Siehe das Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 271). Vgl. außerdem das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 259/31 vom 12. August 1931 (Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 8 Nr. 7, Rechtsspruch 18). Vielmehr ist erforderlich, damit die Steuerbefreiung eintreten kann, daß eine flächenmäßige Veränderung der Grundstücke eintritt und dadurch die bessere Bewirtschaftung ermöglicht wird. Diese Voraussetzungen sind jedoch im Streitfall nicht gegeben. Der Austausch des durch den Kaufvertrag zu A erworbenen zersplitterten landwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen zusammenhängenden Grundbesitz des Landes L. sollte, wie auch das Finanzgericht feststellt, weder bei der Bfin., noch beim Land L. eine bessere Bewirtschaftungsmöglichkeit zur Folge haben, sondern anderen Zwecken dienen (nämlich die Eheleute X. auszusiedeln und ihnen eine andere Hofstelle zu verschaffen).
Was die von der Bfin. beigebrachte Zweckdienlichkeitsbescheinigung nach § 29 Abs. 2 RSiedlG betrifft, so ist dem Finanzgericht gleichfalls darin zuzustimmen, daß die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte durch solche Bescheinigungen nur in tatsächlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht gebunden sind. Auf die Urteile des Senats II 201/51 S vom 2. November 1951 (siehe oben) und II 84/57 U vom 17. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 100, Slg. Bd. 68 S. 255) sei hingewiesen. Die von der Bfin. ausgestellte Bescheinigung kann demgemäß im Streitfall nicht als verbindlich erachtet werden. Inwieweit die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte durch Zweckdienlichkeitsbescheinigungen gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3b GrEStG gebunden sind, ergibt sich aus dem Urteil des Senats II 153/56 U vom 16. Dezember 1959 (siehe oben). Danach besteht, angewendet auf den Streitfall, eine Bindung insoweit nicht, als es sich darum handelt, ob die Steuerrechtsbegriffe "Grundstücksaustausch", "unwirtschaftlich geformte land- und forstwirtschaftliche Grundstücke" sowie "land- und forstwirtschaftliche Grundstücke" erfüllt sind. Demgemäß obliegt die Beurteilung der Frage, ob die Beteiligten durch den Grundstücksaustausch eine bessere Bewirtschaftung der ausgetauschten land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke bezweckten, lediglich den Finanzverwaltungsbehörden bzw. den Steuergerichten.
Es mag zutreffen, daß die Bfin. nicht irgendwelche Grundstücke angekauft hat, um sie irgendwann einmal in einem im Zeitpunkt des Ankaufs noch nicht feststehenden Siedlungsverfahren zu verwerten. Dies ist aber auch nicht erforderlich, um die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung zu verneinen. Eine vorbereitende Handlung ist selbst dann gegeben, wenn die erworbenen Grundstücke sofort zur Durchführung eines bestimmten Siedlungsverfahrens verwendet werden sollen.
Es mag auch richtig sein, daß sich die Verhältnisse auf dem Gebiet der Landwirtschaft seit der Verkündung des RSiedlG wesentlich geändert haben. Derartige Veränderungen haben aber nicht bereits zur Folge, daß Steuerbefreiungsvorschriften auf Vorgänge ausgedehnt werden dürfen, an die bei Schaffung des Gesetzes nicht gedacht war. Soll sich die Steuerbefreiung auch auf solche Vorgänge erstrecken, so ist eine ergänzende gesetzliche Regelung erforderlich. Die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).
Der im Lande L. ergangene gemeinsame Erlaß des Innenministeriums, des Finanzministeriums und des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Zuständigkeit und das Verfahren bei Erteilung von Zweckdienlichkeitsbescheinigungen für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 7. März 1958 ist als Verwaltungsanordnung für die Steuergerichte nicht verbindlich. Im übrigen ist nicht erkennbar, daß durch den Grundstücksaustausch - wie es die vorbezeichnete Verwaltungsanordnung verlangt - "die Entfernung zur Hofstelle und damit der Wirtschaftsaufwand" verringert wurde. Maßgebend sind die Verhältnisse der Tauschparteien selbst; auf bessere Bewirtschaftungsmöglichkeiten durch etwaige Pächter kommt es nicht an.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409916 |
BStBl III 1961, 105 |
BFHE 1961, 281 |
BFHE 72, 281 |