Leitsatz (amtlich)
Der Einsatz eines Betriebsprüfers ist nicht deshalb rechtswidrig, weil dessen Ehefrau am Ort als Steuerberaterin tätig ist und die geprüften Unternehmer ebenfalls steuerlich beraten werden.
Normenkette
AO 1977 § 82 Abs. 1 S. 1 Nrn. 4, 2, S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater in P. Zu seinen Mandanten gehört die N-KG in T.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete bei diesem Unternehmen eine Außenprüfung an, die am 6. November 1980 begonnen wurde und inzwischen abgeschlossen ist. Als Prüfer war - wie in der Prüfungsanordnung angekündigt - Steueramtmann X tätig. Daneben nahm der Steueroberinspektor W, der in den Betriebsprüfungsdienst eingearbeitet werden sollte, an der Prüfung teil.
Die Ehefrau des W ist als Steuerberaterin in P tätig.
Mit seiner Klage beantragte der Kläger festzustellen, daß die Anordnung des FA, den W bei der Außenprüfung der KG einzusetzen, rechtswidrig gewesen sei. Zur Begründung trug der Kläger vor, daß Interessenkollisionen zwischen seinem Mandantenkreis und dem Mandantenkreis der Ehefrau des W entstehen könnten; Interessenkonflikte könnten auch dadurch auftreten, daß der Prüfer lediglich bei solchen Steuerpflichtigen eingesetzt werde, die nicht zum Mandantenkreis seiner Ehefrau gehörten. Schließlich bestehe die Gefahr, daß W sein im Außendienst erworbenes Wissen zugunsten seiner Ehefrau verwende.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Er beantragt festzustellen, daß die Anordnung des FA, den W bei der Außenprüfung der KG einzusetzen, rechtswidrig gewesen sei, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, die Klage an das zuständige Verwaltungsgericht abzugeben, hilfsweise, von der Bundessteuerberaterkammer ein Gutachten anzufordern, wie diese aus berufsständischer Sicht den Einsatz von Betriebsprüfern beurteilt, die in einem persönlichen Verhältnis zu einem am Ort tätigen Steuerberater stehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz ist dem Verfahren beigetreten. Es führt u. a. aus:
Der Gesetzgeber habe die Problematik, die sich aus den privaten Verhältnissen eines Amtsträgers ergeben könne, geregelt. In der Streitsache sei § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) einschlägig. Aus dieser Vorschrift folge im Umkehrschluß, daß ein Verwaltungshandeln nicht rechtswidrig sei, weil ein Angehöriger einem Dritten Hilfe in Steuersachen leiste. Da die vorliegende Fallgestaltung von § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO 1977 erfaßt werde, könne sie nicht unter § 83 AO 1977 subsumiert werden. Eine andere Beurteilung wäre angezeigt, wenn z. B. dem Prüfer die Prüfung von Berufsangehörigen seiner Ehefrau übertragen wäre.
Der nach § 83 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 erforderliche Grund, der geeignet sei, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Amtsträgers zu rechtfertigen, müsse konkretisiert sein; eine generalisierende Argumentation reiche nicht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Die Klage kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben.
1. W durfte an der Außenprüfung der KG teilnehmen.
a) Die Voraussetzungen der im Streitfall allein einschlägigen Ausschlußgründe des § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 2 i. V. m. Satz 2 AO 1977 liegen nicht vor.
aa) Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AO 1977 darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Finanzbehörde nicht tätig werden, wer Angehöriger einer Person ist, die für einen Beteiligten in diesem Verfahren Hilfe in Steuersachen leistet. Es ist unstreitig, daß die Ehefrau des W für keinen der Beteiligten in diesem Verfahren Hilfe in Steuersachen geleistet hat.
bb) Ebenfalls nicht tätig werden darf, wer Angehöriger eines Beteiligten ist oder wer Angehöriger einer Person ist, die durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Satz 2 AO 1977).
Die Ehefrau des W konnte durch dessen Tätigkeit oder Entscheidung, sofern er überhaupt eine getroffen haben sollte, keinen unmittelbaren Vorteil erlangen.
Ein unmittelbarer Vorteil ist nur gegeben, wenn dieser direkt durch die behördliche Tätigkeit oder Entscheidung verursacht wird und nicht erst - mittelbar - durch Folgeakte oder das Hinzutreten weiterer Umstände eintritt (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., Stand: Juni 1977, § 82 AO 1977 Rdnr. 11; Meyer/Borgs-Maciejewski, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., 1982, § 20 Rdnr. 13; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 2. Aufl., 1979, § 12 II 2 g - S. 68 -; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., 1983, § 20 Rdnr. 28; vgl. ferner Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim vom 10. Dezember 1965 II 498/65, Deutsches Verwaltungsblatt 1966, 827; Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. August 1966 6 A 10/66, Kommunale Steuer-Zeitschrift 1967, 61; Entscheidung des Bremer Staatsgerichtshofs vom 18. Februar 1977 St 1/76, Neue Juristische Wochenschrift 1977, 2307).
Wird ein Vorteil daher erst durch eine selbständige Folgehandlung herbeigeführt, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder Entscheidung nichts zu tun hat und auch nicht deren zwangsläufige Folge ist, so handelt es sich nicht um einen unmittelbaren Vorteil.
Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung einen mittleren Weg eingeschlagen, der auf der einen Seite der Funktionsfähigkeit der Verwaltung Rechnung trägt, andererseits aber auch das allgemeine Interesse an der Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt, die Unparteilichkeit der handelnden Amtsträger gewährleistet und Pflichtenkollisionen weitgehend vermeidet. Diese divergierenden Interessen haben den Gesetzgeber bewogen, den Beteiligten nur die Personen gleichzustellen, die durch die Tätigkeit oder die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen können.
Auf den Streitfall bezogen folgt aus diesen Ausführungen, daß die Ehefrau des W aus dessen Teilnahme an der Außenprüfung der KG keinen unmittelbaren Vorteil erlangen konnte. Selbst wenn W bei der Außenprüfung gewonnene Erkenntnisse über die Arbeitsweise des Klägers unter Verletzung des Steuergeheimnisses an seine Ehefrau weitergegeben hätte, wäre dieser Vorteil für die Ehefrau nur mittelbarer Art; denn der Vorteil wäre nicht direkt durch die Prüfungstätigkeit des W entstanden, sondern erst infolge der selbständigen Verwertung von bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen durch dessen Ehefrau.
Desgleichen ist die Möglichkeit, daß Steuerpflichtige die Ehefrau des W deshalb als Steuerberaterin auswählen, weil W als Außenprüfer des FA eingesetzt ist, nur als mittelbarer Vorteil zu bewerten; dieser Vorteil beruht in erster Linie auf einem freien Entschluß der betreffenden Steuerpflichtigen.
Im übrigen könnte ein Vorteil dieser Art bereits deshalb eintreten, weil W überhaupt am FA tätig ist, und sei es nur im Innendienst. Daß aber W auch von dieser Tätigkeit ausgeschlossen wird, verlangt selbst der Kläger nicht.
b) Es liegt kein Grund vor - das Vorliegen eines solchen ist auch von keinem Beteiligten behauptet worden -, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des W zu rechtfertigen (vgl. § 83 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Allein die Möglichkeit, daß die Ehefrau des W durch dessen Tätigkeit einen mittelbaren Vorteil erlangen kann, ist kein solcher Grund. Wollte man das annehmen, machte man die Regelung des § 82 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 gegenstandslos.
c) Aus den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) und der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann kein anderes Ergebnis abgeleitet werden. Diese Gesetze, soweit sie überhaupt vergleichbare Regelungen enthalten (vgl. § 61 StBerG und § 20 BRAO), sind bereits deshalb nicht heranzuziehen, weil die AO 1977 die Ausschließung und Ablehnung von Amtsträgern - wie ausgeführt - eigenständig regelt.
d) Schließlich verstößt die Mitwirkung des W auch nicht gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG). Der Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern durch dessen Mitwirkung an den Prüfungshandlungen in seine grundrechtlich geschützte Freiheit der Berufsausübung eingegriffen worden ist. Er hat lediglich auf die Gefahr hingewiesen, daß ein solcher Eingriff möglicherweise eintreten könnte. Eine solche Möglichkeit erfüllt aber nicht den Tatbestand eines Eingriffs.
2. Die Rüge mangelhafter Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist zurückzuweisen. Der Kläger hat nicht unter genauer Anführung und Bezeichnung entsprechender Tatsachen dargelegt, welchen Sachverhalt das FG nicht genügend aufgeklärt hat.
3. Dem Begehren des Klägers, der Senat möge die Bundessteuerberaterkammer in analoger Anwendung des § 122 Abs. 2 FGO zum Beitritt auffordern, kann nicht entsprochen werden.
a) Eine verfassungskonforme Auslegung des § 122 Abs. 2 FGO in der Weise, daß auch die Bundessteuerberaterkammer zum Beitritt berechtigt ist, kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser Vorschrift nicht in Betracht (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 1 BvL 149/52, BVerfGE 8, 28, 34, 41).
b) Ebenso scheidet eine analoge Anwendung des § 122 Abs. 2 FGO aus; die Regelung ist nicht lückenhaft im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Bereits § 21 der Reichsfinanzhofordnung vom 21. September 1918 (RGBl 1918, 1119) sah nur eine Beteiligung der obersten Landesbehörde oder der Reichsaufsichtsbehörde vor (vgl. auch § 278 des Entwurfs der Reichsabgabenordnung, Verfassungsgebende Deutsche Nationalversammlung, 1919 Nr. 759, 54 und § 287 der Reichsabgabenordnung - AO - vom 22. Mai 1931, RGBl I 1931, 161). Weder der AO noch der FGO noch sonstigen Gesetzen kann ein Plan des Gesetzgebers entnommen werden, auch berufsständischen Organisationen das Recht einzuräumen, dem Rechtsbeschwerde- bzw. Revisionsverfahren beizutreten.
c) § 122 Abs. 2 FGO verstößt weder gegen Art. 3 noch Art. 12 GG.
Der sachliche Grund dieser Regelung besteht darin, daß es dem Bundesminister der Finanzen bzw. den obersten Landesbehörden möglich sein soll, dem Bundesfinanzhof (BFH) Material zu verschaffen, das ihm sonst nicht zugänglich wäre. Daneben berücksichtigt § 122 Abs. 2 FGO das besondere, über den Einzelfall hinausgehende Interesse dieser Behörden, denen die Abgabenverwaltung übertragen ist (vgl. Art. 108 GG), am Ausgang des jeweiligen Verfahrens.
Der Bundessteuerberaterkammer dagegen sind in erster Linie berufsständische Aufgaben zugewiesen (vgl. § 86 StBerG); ihr sind keine Aufgaben im Rahmen der Abgabenverwaltung übertragen.
Sollte die besondere Sachkunde der Bundessteuerberaterkammer zur Beurteilung einer Rechtsfrage von Bedeutung sein, so kann der BFH gemäß § 86 Abs. 2 Nr. 6 StBerG ein Gutachten anfordern. Dazu bedarf es nicht des Beitritts zum Verfahren.
4. Den Antrag des Klägers, von der Bundessteuerberaterkammer ein Gutachten anzufordern, wie diese aus berufsständischer Sicht den Einsatz von Betriebsprüfern beurteilt, die in einem persönlichen Verhältnis zu einem am Ort tätigen Steuerberater stehen, weist der Senat zurück. Er sieht dazu keinen Anlaß.
Fundstellen
Haufe-Index 74964 |
BStBl II 1984, 409 |
BFHE 1984, 26 |