Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG 1940 setzt voraus, daß die Schaffung oder Erweiterung von öffentlichen Straßen und Plätzen Zweck des Erwerbes ist und nicht bloße, wenn auch nicht unerwünschte Nebenfolge. Auf den inneren Beweggrund (Motiv) kommt es dabei nicht an.
Normenkette
GrEStG 1940 § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
Tatbestand
Die Klägerin kaufte von der Stadt X (Baden-Württemberg) in dem als Einkaufszentrum vorgesehenen Baugebiet "zur Erstellung eines Warenhauses" ein Grundstück und verpflichtete sich, es gemäß dem Bebauungsplan der Stadt zu bebauen. Die Grundstücksgröße war durch das Maß der baulichen Nutzung gemäß der Baunutzungsverordnung vom 26. Juni 1962 (BGBl I, 429) und den Bebauungsplan bedingt. Auf dem Grundstück errichtete die Klägerin ein siebengeschossiges Warenhaus. Sie gestattete der Stadt, auf der nichtüberbauten größeren Teilfläche des Grundstücks Fußwege, Grünflächen und ein Wasserspiel anzulegen, und verpflichtete sich, deren Benutzung durch die Öffentlichkeit zu dulden.
Das FA hat Grunderwerbsteuer festgesetzt. Mit Einspruch und Klage hat die Klägerin eine Herabsetzung der Steuerschuld begehrt, da nach ihrer Auffassung lediglich der Erwerb der mit dem Warenhaus überbauten Fläche steuerpflichtig sei, während der Erwerb der übrigen Fläche gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG 1940 als Erwerb zur Schaffung öffentlicher Straßen und Plätze von der Besteuerung ausgenommen sei.
Das FG hat - nach erfolglosem Einspruch - die Klage zurückgewiesen. Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Nach der in Baden-Württemberg inzwischen aufgehobenen Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG 1940 in der Fassung des Baden-Württembergischen Änderungsgesetzes vom 5. Mai 1964 (Gesetzblatt 1964 S. 255; vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Baden-Württembergischen GrEStG 1970) war unter anderem der Erwerb eines Grundstücks zur Schaffung und Erweiterung von öffentlichen Straßen und Plätzen von der Besteuerung ausgenommen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Befreiungsvorschrift nicht in jedem Falle anzuwenden, in dem auf dem erworbenen Grundstück öffentliche Straßen oder Plätze geschaffen werden. Vielmehr ist maßgebend, ob die Schaffung oder Erweiterung von öffentlichen Straßen und Plätzen Zweck des Erwerbes ist. Dies ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "zur" im Gesetzestext. Nach allgemeinem Sprachgebrauch wird dieses Wort für die Bezeichnung der Richtung verwendet; "zu" bezeichnet das wirkliche oder erstrebte Ziel einer Tätigkeit.
Von diesem Wortsinn ist das FG zu Recht ausgegangen. Die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG 1940 setzt voraus, daß der begünstigte Zweck Ziel des Erwerbes ist und nicht bloße, wenn auch nicht unerwünschte, Nebenfolge. Maßgebend ist dabei der objektive Zweck, auf den inneren Beweggrund (Motiv) kommt es nicht an.
In diesem Sinne ist auch der vom FG verwendete Ausdruck "treibender Beweggrund" zu verstehen. Er geht auf das Urteil des RFH vom 21. Oktober 1921 II A 24/21, (RFHE 7, 133) zurück und wurde dort mit der Bedeutung verwendet, daß der Erwerb in erster Linie dem begünstigten Zweck dienen müsse.
Die Klägerin beruft sich auf die Urteile des RFH vom 2. Dezember 1930 II A 531/30 und des BFH vom 16. Februar 1966 II 89/64. Diese Fälle sind jedoch dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. In den Gründen des Urteils II A 531/30 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Grunderwerbsteuergesetz 1927, § 8 Nr. 10 Satz 1, Rechtsspruch 37) hat der RFH ausgeführt, daß der Marktplatz auch insoweit öffentlicher Platz gemäß § 8 Nr. 10 GrEStG 1927 sei, als er dem Marktverkehr - d. h. dem Güteraustausch - diene, da auch die eigentlichen Marktflächen außerhalb der Marktzeit dem Fußgängerverkehr unbeschränkt offenstanden und die ganze Nacht hindurch wie andere öffentliche Plätze behandelt wurden. Damit war der Zweck des Grundstückskaufes - die Schaffung von Flächen für den Marktverkehr - begünstigt, so daß sich die im vorliegenden Fall streitige Frage überhaupt nicht stellte. Das gleiche gilt für den Sachverhalt des Urteils II 89/64 (BFHE 85, 302, BStBl III 1966, 319). Hier hatte der Käufer die Grundstücke erworben, um sie mit eigenen Parzellen zu vereinigen und auf diese Weise bebauungsfähige Grundstücke zu schaffen. Damit war der Zweck der Befreiungsvorschrift erfüllt. Ob der Erwerber die Grundstücke selbst bebaute oder sie an Interessenten weiterveräußerte, war demgegenüber unerheblich. Dabei ging der BFH überdies davon aus, daß der Erwerber ursprünglich eigene Bauabsichten gehabt und diese erst nach dem Erwerb der Grundstücke aufgegeben hatte. Die mangels einer Nachversteuerungsvorschrift endgültige Steuerbefreiung konnte dadurch nicht wieder beseitigt werden, wie in dem Urteil betont wird (vgl. die drei letzten Sätze des drittletzten Absatzes der Gründe).
Das FG hat daher zu Recht ausgeführt, daß der Erwerb des bezeichneten Grundstücks nicht steuerbegünstigt sei, weil er zur eigenen Nutzung des Grundstücks durch die Klägerin - zur Erreichung einer bestimmten Bebauung - gedient habe. Entsprechend dem durch Baunutzungsverordnung und Bebauungsplan vorgesehenen Maß der baulichen Nutzung war ein Grundstück der erworbenen Größe - also einschließlich des nicht überbauten Teils - Voraussetzung für den von der Klägerin erstrebten Umfang des Bauwerks. Das bedeutet aber, daß das Ziel des Erwerbes, ein Warenhaus zu errichten, sich auf das gesamte Grundstück bezog. Daß die Klägerin wegen des Bebauungsplans die Anlage öffentlicher Straßen und Plätze zu dulden hat, ist demgegenüber nur untergeordneter und nebensächlicher Natur und bleibt für die Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a GrEStG 1940 außer Betracht; denn die weitere Verwendung der nicht bebauten Fläche war nur Nebenfolge des von der Klägerin erstrebten Ziels, eine bestimmte Bebauung zu sichern. Deshalb kann auch dahingestellt bleiben, ob in dem Vortrag der Klägerin, entgegen den Feststellungen des Finanzgerichts habe nicht die Stadt, sondern die Klägerin die Kosten für die Herstellung der öffentlichen Anlage getragen, eine ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge zu sehen ist; denn darauf, wer die Kosten der späteren Gestaltung der nicht überbaubaren und nicht überbauten Fläche trägt, kommt es nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 71261 |
BStBl II 1975, 272 |
BFHE 1975, 447 |