Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen einer GmbH in § 19 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz KStG 1955 verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 2. Das für die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen maßgebende, bei der letzten Veranlagung zur Vermögensteuer festgestellte Vermögen ist ein um den Zeitwert der Vermögensabgabe vermindertes Vermögen. GG Art. 3 Abs. 1; KStG 1955 § 19 Abs. 3 Satz 2.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; KStG § 19 Abs. 3 S. 2
Tatbestand
Streitig ist für den mit dem Wirtschaftsjahr übereinstimmenden Veranlagungszeitraum 1955, wie bei der beschwerdeführenden GmbH die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen im Sinne des § 19 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1955 zu berechnen sind. Das Finanzamt ermittelte den Höchstbetrag der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf 8 v. H. des um den Zeitwert der Vermögensabgabe verminderten Einheitswerts des Betriebsvermögens am 1. Januar 1956, während die Beschwerdeführerin (Bfin.) dieser Berechnung den vollen Einheitswert zugrunde legen will.
Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Finanzamts mit der folgenden Begründung an. In § 19 Abs. 3 der für 1955 gültigen Fassung des KStG vom 21. Dezember 1954 (Bundesgesetzblatt I S. 467) würden die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen einer GmbH auf 8 v. H. des bei der letzten Veranlagung zur Vermögensteuer festgestellten Vermögens begrenzt. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Lastenausgleich (LAG) vom 14. August 1952 (Bundesgesetzblatt 1952 I S. 446), sei zwischen der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes und der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens zu unterscheiden. Nach den Vorschriften der §§ 206, 207 und 209 LAG sei die Vermögensabgabe entgegen § 62 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes abzuziehen, obwohl sie mit dem Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe, sondern erst bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens mit ihrem jeweiligen Zeitwert zu berücksichtigen. Daraus folge, daß der Begriff der Feststellung des Vermögens, wie sie bei der letzten Veranlagung zur Vermögensteuer durchgeführt worden sei, gegenüber der Feststellung des Einheitswerts eine Veränderung erfahren habe und der Einheitswert nicht zugleich mehr das steuerpflichtige Vermögen darstelle. In diesem Sinne sei auch § 19 Abs. 3 KStG auszulegen.
In der Rechtsbeschwerde macht die Bfin. weiter die Verfassungswidrigkeit der Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen bei der GmbH geltend. Der Gesetzgeber habe bisher steuerlich keinen Unterschied zwischen Aktiengesellschaften und GmbH gemacht. Da der gespaltene Körperschaftsteuersatz auch personenbezogenen Aktiengesellschaften zugute komme und zwischen diesen und der GmbH kein sachlicher Unterschied bestehe, müsse die Beschränkung bei der GmbH als Willkür bezeichnet werden.
Der dem Verfahren beigetretene Bundesminister der Finanzen nahm u. a. zur Frage der Verfassungswidrigkeit wie folgt Stellung:
"Die Verfassungswidrigkeit wird darauf gestützt, daß die fragliche Bestimmung mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei. Eine vom Richter zu beanstandende Verletzung dieses Grundsatzes durch den Gesetzgeber liegt nur vor, wenn sich ein vernünftiger sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 52). Diese Grundsätze hat der BFH in den Urteilen I 150/55 U vom 2. 8. 1955 (BStBl 1955 III S. 293, Slg. Bd. 61 S. 247), VI 20/58 U vom 28. 2. 1958 (BStBl 1958 III S. 196, Slg. Bd. 66 S. 512) erläutert und ergänzt.
Der Zweck der Spaltung des Körperschaftsteuersatzes war, soweit hierdurch eine Förderung des Kapitalmarkts angestrebt wurde, die Förderung der Aktie. Unter diesen Umständen hätte es nahegelegen, die Ermäßigung der Körperschaftsteuer für die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf Ausschüttungen der Aktiengesellschaften zu beschränken. Tatsächlich sind im Laufe der Beratungen Vorschläge in dieser Richtung gemacht worden. Wenn sie schließlich nicht verwirklicht wurden, so im wesentlichen deshalb, weil eine solche Differenzierung zwischen Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht für erforderlich gehalten wurde. Der Gesetzgeber war vielmehr der Auffassung, daß auch hinsichtlich der Begünstigung für den ausgeschütteten Gewinn die beiden Gesellschaftsformen zwar grundsätzlich gleichzubehandeln seien, daß aber der auf Grund der tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorhandenen Gefahr von Mißbräuchen durch eine Beschränkung der Vergünstigung bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Rechnung getragen werden müßte. Ob der mit der Rechtsbeschwerde erhobene Vorwurf des Ermessensmißbrauchs des Gesetzgebers begründet ist, hängt deshalb davon ab, ob die zwischen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehenden Verschiedenheiten diese Differenzierung rechtfertigen. Schon die Tatsache, daß der Gesetzgeber zwei verschieden ausgestaltete Organisationsformen zur Verfügung stellt, spricht dafür, daß es sich trotz mancher wesentlicher Gemeinsamkeiten sowohl in der Form als auch im Gehalt um etwas Verschiedenes handelt. Tatsächlich bestehen zwischen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch eine Reihe wesentlicher Unterschiede. Die hergebrachte steuerliche Gleichbehandlung der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung unter der zusammenfassenden Bezeichnung Kapitalgesellschaft im Körperschaftsteuerrecht ist keineswegs selbstverständlich und sicherlich nicht die einzig denkbare Lösung. Es hat auch nicht an Vorschlägen gefehlt, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht als Kapitalgesellschaft sondern als Personenunternehmen zu behandeln (zuletzt in der Denkschrift zur Verbesserung der Einkommensbesteuerung 1957 - Gutachten des sog. Troeger- Ausschusses - S. 25 ff.). Wenn auch die Verwirklichung solcher Vorschläge bisher unterblieben ist, wofür auch die Befürchtung einer damit verbundenen Verwaltungsmehrarbeit (einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung) von wesentlichem Gewicht gewesen ist, so nicht deshalb, weil eine solche Regelung mit den Grundsätzen des geltenden Verfassungsrechts für unvereinbar gehalten würde. Wenn aber schon gegen eine so weitgehende Differenzierung kaum Einwendungen aus verfassungsrechtlichen Gründen erhoben werden könnten, so muß es dem Gesetzgeber erst recht erlaubt sein, in einer Teilfrage die zwischen der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehenden Unterschiede zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen erscheint der von der Rechtsbeschwerde erhobene Vorwurf der Willkür des Gesetzgebers nicht begründet.
Zu beachten ist ferner, daß das Bundesverfassungsgericht es für zulässig erklärt hat (BVerfGE 4, 19), daß wirtschaftslenkende Gesetze auch im Interesse einzelner Gruppen erlassen werden können, soweit dies durch das öffentliche Wohl geboten ist und schutzwürdige Interessen anderer nicht willkürlich vernachlässigt werden. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgericht 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (BVerfGE 6, 83) können sogar verwaltungstechnische Gesichtspunkte von Bedeutung sein, wenn ein Steuergesetz ausschließlich am Maßstab des Artikels 3 Abs. 1 GG zu prüfen ist. Diese äußerungen lassen vor allem in Verbindung mit der oben wiedergegebenen Auffassung des BFH in den Urteilen I 150/55 U und VI 20/58 U erkennen, daß die Grenzen für das dem Gesetzgeber im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gezogene Ermessen tatsächlich sehr weit gezogen sind. Im vorliegenden Fall handelt es sich ohne Zweifel um ein wirtschaftslenkendes Gesetz im Sinn des oben genannten Urteils. Die Beweggründe sind am öffentlichen Wohl orientiert und auch die Interessen anderer, hier der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind nicht willkürlich verletzt".
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Die Berechnung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen einer GmbH auf 8 v. H. des eingezahlten Stammkapitals oder, wenn dieser Betrag höher ist, auf 8 v. H. des bei der letzten Veranlagung zur Vermögensteuer festgestellten Vermögens verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Der Senat schließt sich unter Hinweis auf die vom Bundesminister der Finanzen bezeichneten Entscheidungen vom 2. August 1955 und 28. Februar 1958 der Auffassung des Bundesministers der Finanzen an. Er kann der Bfin. nicht zustimmen, daß für die unterschiedliche Behandlung der Aktiengesellschaft und der GmbH schlechthin keine sachlich vernünftigen Gründe erkennbar seien und deshalb von einer Willkür des Gesetzgebers gesprochen werden müsse.
Wie sich aus der Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 21. Februar 1953 (Bundestags-Drucksache Nr. 4092/1949 S. 48) ergibt, bestand schon bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts vom 15. Dezember 1952 (Bundesgesetzblatt 1952 I S. 793) darüber Einigkeit, daß die Förderungsmaßnahmen für die fest verzinslichen Wertpapiere insofern einer Ergänzung auf dem Gebiete der Körperschaftsteuer bedürften, als den Kapitalgesellschaften die Ausschüttung von Gewinnen an ihre Anteilseigner erleichtert werden müßte. Damit war neben der Förderung des Kapitalmarkts zugleich eine Verminderung der Steuerlasten für einen wesentlichen Teil der Körperschaften beabsichtigt. Mit dieser Absicht der Steuererleichterung wäre es nicht vereinbar gewesen, den Steuersatz nur für solche Aktiengesellschaften zu spalten, deren Anteile an der Börse oder im Freiverkehr gehandelt wurden. Der ausschließlichen Bevorzugung dieser Aktiengesellschaften stand offenbar nicht nur die Absicht, eine allgemeine Steuererleichterung für Kapitalgesellschaften zu schaffen, sondern auch die Erkenntnis entgegen, daß es unter diesen Aktiengesellschaften auch solche gab, deren Anteile zwar an der Börse notiert wurden, für den Kapitalmarkt aber kaum eine Bedeutung hatten, weil sie sich im wesentlichen in festen Händen von Großaktionären befanden. Außerdem wäre dann dem Gesetzgeber sicher ebenfalls der Vorwurf gemacht worden, eine ungerechtfertigte Benachteiligung der GmbH und der personenbezogenen Aktiengesellschaften geschaffen zu haben. Aus diesen überlegungen kam der Gesetzgeber offenbar zu einer Ausdehnung der Ausschüttungsvergünstigung auf alle Kapitalgesellschaften.
Es ist der Bfin. zugegeben, daß es Aktiengesellschaften gibt, deren Gesellschafter sich auf einen engen Kreis von Personen oder auf eine Familie beschränken, und daß zwischen diesen Aktiengesellschaften und den in der Regel personenbezogenen Gesellschaften mit beschränkter Haftung nur hinsichtlich der Form ein Unterschied besteht. Es wäre deshalb möglich gewesen, daß der Gesetzgeber die Ausschüttungsbeschränkung auch auf diese Aktiengesellschaften ausdehnte, wenn er eine Beschränkung bei der GmbH für erforderlich hielt. Trotzdem lassen sich auch Gesichtspunkte und Gründe für die gesetzliche Regelung erkennen. Gründe der Vereinfachung sprachen damals wahrscheinlich dafür, es bei der Behandlung der Aktiengesellschaften und der Gesellschaften mbH auf den Regelfall abzustellen und die Differenzierung nicht von dem schwierigen Begriff der Personenbezogenheit, sondern von der leicht erkennbaren Rechtsform abhängig zu machen. Da die Steuergesetze jeweils für einen großen Kreis von Fällen gelten, muß der Steuergesetzgeber weithin mit Typisierungen arbeiten. Im Durchschnitt ist aber die Stellung der Aktiengesellschaften im Wirtschaftsleben anders als die der mehr an einen engen Personenkreis gebundenen GmbH.
Es darf schließlich nicht außer Betracht gelassen werden, daß der Höchstsatz der begünstigten Ausschüttungen der GmbH - jedenfalls für 1955 - in vielen Fällen über dem Satz lag, der sich bei Publikum-Aktiengesellschaften im Durchschnitt als Hundertsatz des steuerpflichtigen Vermögens ergab. Denn selbst wenn man für 1955 von einer durchschnittlichen Dividende der Publikum- Aktiengesellschaften vom 10 v. H. bezogen auf den Nennwert der Aktien ausgeht, so ergibt sich unter Berücksichtigung der am Ende 1955 bereits in erheblichem Umfang angesammelten offenen und stillen Reserven der Aktiengesellschaften ein wesentlich niedrigerer Hundertsatz als 8 v. H., wenn man die Ausschüttung zum Vermögen in Beziehung setzt. Die Beschränkung der Ausschüttungsbegünstigung der GmbH auf 8 v. H. des Vermögens stellt im Durchschnitt keine so wesentliche Benachteiligung dieser Kapitalgesellschaften dar, daß von einer Willkürmaßnahme des Gesetzgebers gesprochen werden könnte.
Zur Auslegung des Begriffs des bei der letzten Veranlagung zur Vermögensteuer festgestellten Vermögens schließt sich der Senat dem Finanzgericht an. Diese Auslegung entspricht auch dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck der Vorschrift, die weder auf den Einheitswert des Betriebsvermögens noch auf das steuerliche Vermögen abgestellt ist und deshalb ihrem Sinn und Zweck nach ausgelegt werden muß. Mit Recht weist die Bfin. darauf hin, daß die 8 v. H., soweit die Wortfassung des Gesetzes dies gestattet, möglichst von dem nach den Vorschriften des BewG ermittelten Vermögen berechnet werden sollte, das als Eigenkapital der Erwirtschaftung des Gewinns diente. Der Zeitwert der Vermögensabgabe stellt eine echte Verbindlichkeit des Betriebes dar, wie sich schon daraus ergibt, daß er das der Vermögensteuer unterliegende Vermögen mindert. Es ist nicht zutreffend, daß die Vermögensabgabe nach dem Willen des Gesetzgebers bei Gewerbetreibenden aus dem laufenden Ertrag zu zahlen ist. Das ergibt sich schon daraus, daß der Ertrag sonstigen der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens, z. B. der Mietwohngrundstücke, in vielen Fällen nicht ausreicht, um die laufende Vermögensabgabe zu decken. Die Möglichkeit der gewerblichen Unternehmer, bei aufsteigender Konjunktur die Vermögensabgabe im Preis auf die Verbraucher abzuwälzen, kann deshalb nicht die Auffassung begründen, daß die Vermögensabgabe nur die künftigen Erträge, nicht aber das Vermögen belaste. Dem steht auch nicht entgegen, daß der Gesetzgeber aus wirtschafts- und bilanzpolitischen Gründen dem Unternehmer die Möglichkeit gibt, von einer Bilanzierung der Vermögensabgabe abzusehen. Daß die Vermögensabgabe als echte Schuld passiviert werden darf, ist weder handelsrechtlich noch steuerlich zweifelhaft.
Fundstellen
Haufe-Index 409230 |
BStBl III 1959, 101 |
BFHE 1959, 259 |
BFHE 68, 259 |
BB 1959, 70 |
DB 1959, 188 |