Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Freiflüge und verbilligte Flüge, die Fluggesellschaften ihren Angestellten gewähren, sind geldwerte Vorteile, die der Lohnsteuer unterliegen.
Die Schätzung des Wertes solcher Flüge mit dem halben Preis der billigsten Flugklasse (Charterklasse) ist eine vertretbare Bewertung.
Normenkette
EStG §§ 8, 19; LStDV §§ 2-3; AO § 217
Tatbestand
Die Bfin. ist die Hauptverwaltung einer ausländischen Luftfahrtgesellschaft. Sie gewährt ihren Arbeitnehmern Freiflüge und verbilligte Flugreisen, und zwar im 2. bis 5. Jahr der Tätigkeit innerhalb Deutschlands und zu bestimmten anderen Plätzen Europas, nach fünfjähriger Betriebszugehörigkeit auch nach übersee. Voraussetzung ist, daß in einem Flugzeug der Bfin. ein unverkauft gebliebener Platz vorhanden ist.
Die Bfin. hat die Zuwendung von Freiflügen und verbilligten Flugreisen nicht als Arbeitslohn behandelt. Das Finanzamt forderte durch Lohnsteuerhaftungsbescheid für die Jahre 1951 bis 1959 an Lohnsteuer 11.445,55 DM an, Kirchensteuer 1070 DM und an Angabe "Notopfer Berlin" 561,05 DM nach. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung führte zur Herabsetzung der Lohnsteuernachforderung auf 5042,60 DM und zu einer entsprechenden Minderung der Kirchensteuer und der Abgabe "Notopfer Berlin". Das Finanzgericht betrachtete ebenso wie das Finanzamt die Freiflüge und verbilligten Flugreisen nicht als bloße Annehmlichkeiten, sondern als aus dem Arbeitsverhältnis fließende geldwerte Vorteile. Der Wert dieser Vorteile entspreche jedoch nicht den Beträgen, die ein fremder Fluggast hätte bezahlen müssen, weil die Arbeitnehmer nur unter bestimmten Bedingungen die Reise antreten und fortsetzen könnten. Die Arbeitnehmer seien nur insoweit bereichert, als sie Ausgaben erspart hätten, die sie andernfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit gemacht hätten. Das Finanzamt habe den Vorteil mit der Hälfte des Preises der sogenannten Charterklasse gewertet; das entspreche einem Flugpreis von 5,2 Pf je Flugkilometer. Für eine Flugreise von 15.000 km ergebe sich danach ein geldwerter Vorteil von 780 DM. Arbeitnehmer, die eine solche Reise machten, um weitentfernte Länder zu besuchen, seien durch die verbilligte Reisemöglichkeit auch objektiv bereichert. Der Preis von 5,2 Pf je Flugkilometer bedeute auch einen so wesentlichen Abschlag vom regulären Preis, das dadurch etwa eintretende Beeinträchtigungen durch die für die Arbeitnehmer geltenden Flugbedingungen angemessen berücksichtigt seien. Daß das Finanzamt nicht für jeden Arbeitnehmer den Wert der Zuwendung selbständig genau ermittelt habe, sei keine unzulässige Typisierung, sondern eine zulässige Schätzung, da die Bfin. wertmindernde Umstände nicht geltend gemacht habe. Ob der Lohnsteueranspruch für die Jahre 1951 bis 1955 verwirkt sei, brauche nicht entschieden zu werden; denn jedenfalls widerspreche es der Billigkeit, für diese Zeit Lohnsteuer nachzufordern. Die Bfin. sei ein ausländisches Unternehmen, das nach seinen Angaben diese Zuwendungen in anderen Ländern nicht zu versteuern brauche. In der Bundesrepublik sei sie auf die Lohnsteuerpflicht nicht hingewiesen worden. Unter diesen Umständen müsse angenommen werden, daß die den Lohnsteuerabzug wegen Unkenntnis der Lohnsteuerpflicht unterlassen habe. Das treffe aber nicht mehr zu für die Jahre 1956 bis 1959; denn aus einem Schreiben vom Januar 1956 habe die Bfin. entnehmen können, daß das Finanzamt die Freiflüge als geldwerten Vorteil ansehe. Wenn auch grundsätzlich die Lohnsteuer so zu berechnen sei, wie sie bei richtiger Behandlung einzubehalten gewesen wäre, so beständen gegen eine Schätzung doch keine Bedenken, da die Bfin. dem Finanzamt die notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt habe. Die Bfin. habe außerdem erklärt, daß sie gegen die Höhe der Schätzung keine Einwendungen erhebe.
Die Bfin. bestreitet auch mit ihrer Rb., daß die Gewährung von kostenlosen oder verbilligten Flügen geldwerte Vorteile seien. Dagegen sprächen die Bedingungen für diese Flüge, die von einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit abhingen und für bestimmte Zeiten und Routen stark eingeschränkt oder ausgeschlossen seien; die Angestellten hätten auch bei jeder Zwischenlandung zu gewärtigen, daß sie ihren Platz einem zahlenden Passagier räumen müßten. Damit sei unter Umständen ein erheblicher zeitlicher und finanzieller Aufwand verbunden. Die Gewährung von Freiflügen gehe auf die Mitte der dreißiger Jahre zurück. Damals hätten die Fluggesellschaften erkannt, daß es psychologisch wenig vorteilhaft sei, wenn die Angestellten, die die Reisenden zu beraten hätten, selbst noch niemals geflogen seien. Die Freiflüge lägen daher im eigenen Interesse der Fluggesellschaft. Die erzielbare Kostenersparnis für die Flugreisen sei nur eine Chance; denn ein Arbeitnehmer könne statt einer Ersparnis unter Umständen bei einem Flug sogar höhere Aufwendungen haben als bei einer anderen Reise. Im übrigen seien ersparte Ausgaben kein Zufluß von Einnahmen. Es hätte zumindest der Feststellung bedurft, daß die Arbeitnehmer durch die Inanspruchnahme der Freiflüge Aufwendungen erspart hätten, die sie sonst gemacht hätten. Bei den Einkommensverhältnissen der Angestellten sei das aber nicht der Fall; denn die Arbeitnehmer würden derartig teure Reisen sonst nicht machen, insbesondere dann nicht, wenn sie mit der Möglichkeit einer unfreiwilligen Verlängerung rechnen müßten. Es fehle auch am Zufluß eines Vorteils. Da der Anspruch auf eine unentgeltlich oder verbilligte Flugreise nicht übertragbar sei, sei, weil für die Arbeitnehmer eine "wirtschaftliche Verfügungstätigkeit" fehle, die Möglichkeit, verbilligt oder unentgeltlich zu fliegen, nur eine Annehmlichkeit. Daß es von den Arbeitnehmern auch so empfunden werde, zeige die Tatsache, daß die Arbeitnehmer überwiegend - nämlich zu 85 v. H. - wegen der zeitlichen und finanziellen Risiken von der Möglichkeit der vergünstigten Flugreisen keinen Gebrauch machten. Diese Beurteilung stimme überein mit der von den Fluggesellschaften und ihren Arbeitnehmern in zwanzigjähriger Praxis gemachten Erfahrung. Schließlich habe das Finanzgericht bei der Bewertung der Freiflüge mit 5,2 Pf je Flugkilometer auch gegen § 8 Abs. 2 EStG verstoßen. Bei der Bewertung nach dieser Bestimmung seien die Sachbezüge mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen und nicht mit dem allgemeinen Marktpreis; maßgebend sei der Wert, den ein Sachbezug für den einzelnen Arbeitnehmer habe. Da Personen der gleichen Gesellschaftsklasse wie die Arbeitnehmer der Fluggesellschaften nicht bereit sein würden, eine Flugreise unter den für diese Arbeitnehmer geltenden Bedingungen und Risiken zu machen, hätten die Flugreisen überhaupt keinen Wert im Sinn von § 8 Abs. 2 EStG. Der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung gebiete außerdem, die Arbeitnehmer - wenn überhaupt - nicht in weiterem Umfang zur Lohnsteuer heranzuziehen als die Bediensteten der Bundesbahn wegen der Freifahrten, für die auf Grund eines Abkommens die Bundesbahn einen Pauschbetrag als Lohnsteuer abführe, der dem Vernehmen nach etwa 10 v. H. der vom Finanzamt für die Arbeitnehmer der Fluggesellschaften errechneten 155 DM betrage. Verfahrensrechtlich rügt die Bfin., daß das Finanzgericht sich über die gegen eine pauschale Bewertung angeführten besonderen Verhältnisse mit der Begründung hinweggesetzt habe, diese Umstände hätten gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht werden müssen. Da sie die Lohnsteuerpflicht dem Grunde nach bestritten habe, hätte sie keinen Anlaß, das Verfahren mit dem nach ihrer Auffassung unnötigen Tatsachenmaterial zu belasten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Da das Finanzgericht für die Jahre 1951 bis 1955 den Haftungsbescheid aufgehoben hat und demnach die für die Jahre nachgeforderte Lohnsteuer nicht mehr streitig ist, war nur über die Haftung der Bfin. für die Jahre 1956 bis 1959 zu entscheiden.
Das Finanzgericht hat mit rechtlich einwandfreier Begründung die Freiflüge oder verbilligten Flugreisen als geldwerten Vorteil angesehen. Es hat diese Feststellung nach objektiven Merkmalen getroffen (Urteil des Senats VI 229/59 vom 18. November 1960, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1961 S. 29). Seine Beurteilung stimmt überein mit der Auffassung der Finanzverwaltungen (siehe Der Betrieb - DB - 1958 S. 1199) und der im Schrifttum (vgl. öftering-Görbing, das gesamte Lohnsteuerrecht, 4. Auflage 1965, § 2 Bl. 22, 1; Lohnsteuer von A - Z, Steuerrecht und Wirtschaftspraxis, Bd. 1, Erich Schmidt-Verlag 1960 S. 33). Die Einwendungen der Bfin. haben allenfalls nur Bedeutung für die Bewertung des streitigen Sachbezugs, schließen aber die Lohnsteuerpflicht dem Grunde nach nicht aus.
Angestellte der Bfin., die von der Möglichkeit verbilligter oder unentgeltlicher Flugreisen Gebrauch machen, ersparen oder vermindern dadurch die Fahrtkosten einer anderen Urlaubsreise. Hierin liegt ein geldwerter Vorteil. Bei dem seit Jahren in breiten Schichten des Volkes vorhandenen Bestreben, größere Reisen zu unternehmen, ist die Möglichkeit, mit einem Flugzeug entfernte Ferienziele schnell zu erreichen und dadurch den Urlaub möglichst vollständig zur Erholung zu benutzen, ein echter geldwerter Vorteil.
Die Feststellung des Wertes der Freiflüge oder der verbilligten Flugreisen bereitet allerdings einige Schwierigkeiten. Der Wert kann nur gemäß § 217 AO geschätzt werden. Die Schätzung des Finanzgerichts entspricht den Grundsätzen, die der Finanzminister Nordrhein-Westfalen und die Finanzbehörde Hamburg angeordnet haben (DB 1958 S. 1199). Die Bewertungsmethode der Finanzverwaltung bietet nach der Auffassung des Senats eine brauchbare Grundlage für die Lohnsteuerberechnung. Berücksichtigt man, daß die Fahrtkosten bei der Deutschen Bundesbahn je km 2. Klasse bei 8 Pf liegen (1. Klasse 12 Pf.), so ist die Schätzung des Finanzgerichts maßvoll. Sie berücksichtigt weitgehend die Gesichtspunkte, die nach der Auffassung der Bfin. den Wert der Reisen beeinträchtigen. Es mag der Bfin. zugegeben werden, daß es wünschenswert wäre, die Lohnsteuer ebenso wie bei den Freifahrten der Deutschen Bundesbahn zu pauschalieren. In dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren haben die Steuergerichte jedoch nicht die Möglichkeit der Pauschalierung.
Die verfahrensrechtlichen Rügen der Bfin. sind nicht begründet. Soweit mangelnde Sachaufklärung gerügt wird, wäre es Sache der Bfin. gewesen, die Unterlagen für eine abweichende Schätzung vorzulegen. Im übrigen ist der Sachverhalt klar. Eine Schätzung wäre, auch wenn weiteres Material über das Ausmaß der Flüge vorgelegt worden wäre, nicht zu vermeiden gewesen. Es ist auch nicht wahrscheinlich, daß das Finanzgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Bfin. noch weiteres Material vorgelegt hätte.
Da die Vorentscheidung demnach rechtlich nicht zu beanstanden ist, mußte die Rb. als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411765 |
BStBl III 1966, 101 |
BFHE 1966, 279 |
BFHE 84, 279 |