Leitsatz (amtlich)
Wird ein KGA-Bescheid im Rechtsmittelverfahren dahin geändert, daß ein bisher nicht erfaßter Schuldnergewinn der KGA unterworfen wird, so ist wegen des Vorranges der KGA vor der HGA ein HGA-Bescheid durch den dieser Schuldnergewinn zur HGA herangezogen wird, in entsprechender Anwendung des § 218 Abs. 4 AO von Amts wegen zu ändern.
Normenkette
LAG § 97 Abs. 1 Nr. 1; AO § 218 Abs. 4
Tatbestand
Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Stadtgemeinde, hat am 1. August 1953 im Umlegungsverfahren eines von mehreren Grundstücken erworben, die am 21. Juni 1948 einer inzwischen aufgelösten OHG gehörten und auf denen am 20. Juni 1948 eine Gesamthypothek lastete, die der Sicherung einer RM-Verbindlichkeit diente. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erließ am 25. April 1958 einen Verteilungsbescheid nach § 38 der 19. AbgabenDV-LA vom 8. Oktober 1952, durch den er die RM-Verbindlichkeit zwecks gesonderter Veranlagung der HGA auf die einzelnen Grundstücke verteilte. Dieser Bescheid wurde der OHG, einem früheren Gesellschafter der OHG, dem das Grundstück bei Erlaß des Verteilungsbescheides gehörte, und der Klägerin zugestellt. Die Klägerin wandte sich gegen den Verteilungsbescheid mit der Begründung, eine HGA-Pflicht hinsichtlich ihres Grundstücks sei nicht entstanden, weil die OHG mit dem Schuldnergewinn aus der Umstellung der Gesamtverbindlichkeit der Kreditgewinnabgabe (KGA) unterliege. Im ersten Rechtsgang hatte die Berufung nur insoweit Erfolg, als die Verteilung der Gesamtverbindlichkeit geändert wurde. Der Senat hob durch Urteil vom 19. April 1963 III 258/60 wegen der Unterlassung einer notwendigen Beiladung das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA auf und verwies die Sache an das FA zurück. Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage ab. Der Senat hob durch Urteil vom 17. Oktober 1969 III R 119/66 (BFHE 97, 550, BStBl II 1970, 226) das FG-Urteil des zweiten Rechtsgangs wiederum auf. Er war der Auffassung, daß der Abgabepflichtige in dem Verfahren gegen den Verteilungsbescheid nach § 38 der 19. AbgabenDV-LA mit dem Einwand gehört werden könne, der aus der Umstellung der verteilten Gesamtverbindlichkeit entstandene Schuldnergewinn unterliege nicht der HGA, sondern der KGA. Wegen des Vorrangs der KGA vor der HGA könne eine Entscheidung darüber jedoch nur in einem KGA-Verfahren getroffen werden. Der Senat wies deshalb das FG an, Feststellungen darüber zu treffen, ob in der KGA-Sache der OHG ein unanfechtbar gewordener Bescheid vorliege. Im dritten Rechtsgang wies das FG die Klage erneut ab. Zur Begründung führte es aus, in dem KGA-Verfahren habe das zuständige FA inzwischen die frühere OHG durch Bescheid vom 6. Mai 1971 rechtswirksam von der KGA freigestellt. Diesen Bescheid müsse die Klägerin gegen sich gelten lassen, obwohl sie an dem KGA-Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Auch das Gericht sei an die unanfechtbar gewordene Entscheidung in der KGA-Sache gebunden. Nachdem die frühere OHG unanfechtbar von der KGA freigestellt sei, stehe der Heranziehung des Schuldnergewinns zur HGA nichts mehr im Wege.
Die Klägerin beantragt mit der Revision, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Verteilungsbescheid aufzuheben und erforderlichenfalls die Sache an das FA zurückzuverweisen. Sie rügt Verletzung des bestehenden Rechts. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Der KGA-Bescheid sei entgegen der Auffassung des FG nicht bestandskräftig geworden, weil er der Klägerin nicht zugestellt worden sei. Es fehle zwar an einer dem § 127 Abs. 1 LAG entsprechenden Vorschrift für die KGA. Weil sich aber durch die Freistellung der früheren OHG von der KGA-Pflicht die HGA-Pflicht der Klägerin ergebe, müsse aus dem in §§ 127 Abs. 1 LAG, 210a AO enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken die Folgerung gezogen werden, daß der Freistellungsbescheid der Klägerin als Rechtsnachfolgerin im Eigentum des belasteten Grundstücks hätte zugestellt werden müssen. Es handle sich bei diesem Bescheid um einen Bescheid mit Doppelwirkung, zumal er erst nach dem Grundstückerwerb der Klägerin ergangen sei. Es könne nicht Rechtens sein, daß der Klägerin jegliche Möglichkeit genommen werde, ihre Einwendungen gegen eine sie betreffende Belastung vorzubringen. Zur Wahrung ihrer Rechte habe die Klägerin am 11. Mai 1973 "Widerspruch" gegen den Freistellungsbescheid eingelegt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht aus dem von dem zuständigen FA erlassenen KGA-Freistellungsbescheid vom 6. Mai 1971 die Folgerung gezogen, daß der nach dem HGA-Verteilungsbescheid auf das von der Klägerin übernommene Grundstück entfallende Schuldnergewinn aus der Umstellung der Gesamtverbindlichkeit der HGA unterliegt.
Aus einer Mitteilung des FA an das FG vom 22. Juli 1971 geht hervor, daß die KGA-Pflicht der OHG "gemäß § 1 Abs. 1 und 2 der 8. AbgabenDV-LA" verneint worden ist. Diese Bestimmung ist eine Ausführungsbestimmung zu § 161 Abs. 2 Nr. 4 LAG. Die KGA-Pflicht der OHG wurde danach deswegen verneint, weil die OHG als ein Unternehmen angesehen wurde, dessen Hauptzweck die Vermietung oder Verpachtung eigenen Grundbesitzes war. Das hat zur Folge, daß die OHG als solche nicht der KGA unterliegt, so daß die Voraussetzung des § 97 Abs. 1 Nr. 1 LAG für die Ausnahme der Schuldnergewinne aus der HGA-Pflicht nicht gegeben ist. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß das FG trotz der Einwendung der Klägerin davon ausgegangen ist, daß der KGA-Freistellungsbescheid unanfechtbar geworden ist. Der Senat kann allerdings im vorliegenden Verfahren über die Zulässigkeit und Begründetheit des Einspruchs der Klägerin gegen diesen Bescheid nicht entscheiden. Trotzdem hält es der Senat nicht für erforderlich, den vorliegenden Rechtsstreit so lange offenzuhalten, bis über den Einspruch der Klägerin gegen den KGA-Freistellungsbescheid rechtskräftig entschieden ist. Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus dem Vorrang der KGA vor der HGA, daß eine im KGA-Verfahren ergangene Entscheidung für die HGA bindend ist. Eine solche Entscheidung muß deshalb als eine Art Grundlagenbescheid angesehen werden, bei dessen Änderung der HGA-Bescheid in entsprechender Anwendung des § 218 Abs. 4 AO geändert werden kann, auch wenn er bereits unanfechtbar geworden ist. Das Verhältnis dieser beiden Bescheide zueinander ist ähnlich zu beurteilen wie das Verhältnis eines HGA-Bescheids zu einem Vermögensabgabebescheid. Der Senat hat in dem Urteil vom 31. Juli 1973 III R 157/71 (BFHE 110, 444, BStBl II 1974, 46) den HGA-Bescheid als eine Art Grundlagenbescheid zum Vermögensabgabebescheid angesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 70815 |
BStBl II 1974, 305 |
BFHE 1974, 390 |