Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisibilität der Beweiswürdigung und von Schätzungen
Leitsatz (NV)
1. Die Beweiswürdigung durch den Tatrichter ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren weitgehend entzogen. Sie ist nur insoweit revisibel, als dem Tatrichter Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind (ständige Rechtsprechung). Liegen -- wie im Streitfall -- solche Verstöße nicht vor, binden Schlußfolgerungen des FG tatsächlicher Art den BFH gemäß §118 Abs. 2 FGO auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind.
2. Soweit das FG die Begründung seiner Schlußfolgerung durch die Zusatzerwägung abgerundet hat, es erscheine unwahrscheinlich, daß die Kläger trotz der Risikoträchtigkeit der Geschäfte der Firma I Beträge bis zu 500 000 DM lediglich gegen den Ersatz von Bankspesen und -zinsen ohne Vergütung überlassen hätten, bestreitet die Revision das Vorliegen eines solchen Erfahrungssatzes. Hierin ist nicht etwa die Rüge der Verletzung eines allgemeinen Erfahrungssatzes zu erblicken. Allgemeine Erfahrungssätze i. S. des gerichtlichen Beweiserhebungs- und Beweiswürdigungsrechts sind nur mehr die jedermann zugänglichen Sätze, die nach der allgemeinen Erfahrung unzweifelhaft gelten und durch keine Ausnahmen durchbrochen sind.
3. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i. S. von §118 Abs. 2 FGO. Der BFH kann die Schätzung durch das FG nur daraufhin überprüfen, ob sie überhaupt zulässig ist und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (ständige Rechtsprechung).
4. Nach ständiger Rechtsprechung sind Einnahmen i. S. von §11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Ein solcher Zufluß ist unzweifelhaft dann anzunehmen, wenn die entsprechenden Beträge auf einem Bankkonto des Steuerpflichtigen gutgeschrieben werden.
5. §20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist weit auszulegen und erfaßt alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen. Darunter sind auch solche Vergütungen zu subsumieren, die keine "Zinsen" im engen Sinne des Wortes (= gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige Vergütungen für die Kapitalüberlassung) sind.
Normenkette
EStG 1979 § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 Nr. 1; FGO § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 2
Tatbestand
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß die Kläger und Revisionskläger (Kläger) der Fa. I Darlehen zur Finanzierung von Warenimporten aus dem Ausland gewährt hatten. Nach einer schriftlichen Vereinbarung zwischen den Klägern und A, der als Ehemann der Inhaberin der Fa. I hinter dieser Firma stand, vom 10. November 1978 gewährten die Kläger der I zunächst zum Einkauf von 2 t Ware ein Darlehen in Höhe von 140 000 DM. Als Darlehensentgelt sollten die Kläger "pro kg der gekauften bzw. verkauften Ware 10 DM" erhalten. In der Folgezeit gewährten die Kläger der I weitere Darlehen zur Finanzierung von Warenimporten, über die nach Angabe der Kläger keine schriftlichen Vereinbarungen existieren und bei denen zwischen den Beteiligten streitig ist, ob diese Darlehen von der I ebenfalls mit 10 DM pro kg der importierten Waren abgegolten werden oder den Klägern lediglich die ihnen erwachsenen Refinanzierungskosten ersetzt werden sollten.
Die zur Gewährung der Darlehen benötigten Mittel beschafften sich die Kläger durch Aufnahme von (Kontokorrent-)Krediten bei der X-Bank und später bei der Y-Bank. Als Inhaber dieser Konten waren die Kläger ausgewiesen. Das Konto bei der Y-Bank lautete daneben auch auf den Namen des Steuerberaters S, des früheren steuerlichen Beraters der Kläger, der jedoch im Innenverhältnis zu den Klägern nicht Darlehensnehmer war.
Der Prüfer stellte auf den besagten Konten nur Geldzuflüsse fest, die mit den Geschäften der I zusammenhingen. Die Salden der Kontokorrentkonten waren meist negativ. Zu einigen Zeitpunkten ermittelte der Prüfer aber auch Guthabensalden, und zwar im einzelnen an folgenden Tagen und in folgender Höhe: ...
Dem Prüfer folgend ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß die Kläger in Höhe dieser Guthabensalden Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hätten, und erließ entsprechende Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung, in denen die Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen im Streitjahr 1979 mit ... DM und im Streitjahr 1980 mit ... DM festgestellt und den Klägern je zur Hälfte zugerechnet wurden.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA die Einkünfte aus Kapitalvermögen 1980 nach vorherigem Hinweis (vgl. §367 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) um ... DM, weil der Guthabensaldo vom 13. Juni 1980 bislang irrig nur mit ... DM statt mit dem richtigen Betrag von ... DM berücksichtigt worden sei.
Die Klage mit dem Antrag, die Einkünfte aus Kapitalvermögen für 1979 mit ./. ... DM und für 1980 mit ./. ... DM festzustellen, wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Feststellungsbescheide 1979 und 1980 dahin zu ändern, daß die Einkünfte aus Kapitalvermögen für 1979 mit ./. ... DM und für 1980 mit ./. ... DM festgestellt und den Klägern hälftig zugerechnet werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die Kläger in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen zumindest in Höhe der in den angefochtenen Feststellungsbescheiden angesetzten Beträge erzielt haben.
1. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen, das FG habe den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, greifen schon deswegen nicht durch, weil sie nicht den Anforderungen des §120 Abs. 2 FGO genügen.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §120 Rdnr. 40) setzt die schlüssige Rüge, das Gericht habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt den Sachverhalt von Amts wegen aufklären müssen, u. a. substantiierte Darlegungen darüber voraus,
a) aus welchen Gründen (genaue Angabe) sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweiserhebung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen,
b) inwiefern eine weitere Sachverhaltsaufklärung auf der Grundlage des materiell- rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
Sämtliche Aufklärungsrügen entbehren substantiierter Ausführungen zu den beiden genannten Erfordernissen. Von einer weiteren Begründung sieht der erkennende Senat gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
2. Auch die materiell-rechtlichen Rügen der Kläger haben keinen Erfolg.
a) Ohne Rechtsirrtum hat das FG angenommen, daß die zwischen den Klägern und I getroffenen Vereinbarungen ein Darlehensverhältnis und damit ein sonstiges Kapitalnutzungsverhältnis i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1979 begründeten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Kläger der I auch nach Vollzug des Darlehensvertrages vom 10. November 1978 weitere Geldbeträge bis zur Höhe von 500 000 DM darlehensweise zur Verfügung stellten, mittels derer die I weitere Warenimporte finanzieren und damit ihren Warenhandel fortsetzen konnte. Ebenfalls unstreitig ist, daß die Kläger die der I bereitgestellten Darlehensmittel dadurch refinanzierten, daß sie sich ihrerseits (Kontokorrent-)Kredite zunächst bei der X-Bank und später bei der Y-Bank beschafften.
b) Zwischen den Beteiligten umstritten ist dagegen die Frage, welche Gegenleistung die Kläger für die Darlehensgewährung beanspruchen konnten, namentlich ob sie -- wie sie selbst behaupten -- lediglich Aufwendungsersatz in Höhe der ihnen erwachsenen Refinanzierungskosten (Bankzinsen und -spesen) oder aber -- wie das FA angenommen hat -- entsprechend der früheren schriftlichen Darlehensabrede vom 10. November 1978 einen bestimmten Betrag pro kg der von I importierten Waren erhalten sollten.
Das FG ist nach eingehender Beweisaufnahme und umfassender tatrichterlicher Würdigung zu den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Schlußfolgerungen gelangt, daß die Kläger eine -- über den bloßen Aufwendungsersatz hinausgehende -- Vergütung beanspruchen konnten und in den Streitjahren zumindest in der geschätzten und festgestellten Höhe auch tatsächlich erhalten haben. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe sind nicht stichhaltig.
aa) Die Beweiswürdigung durch den Tatrichter ist der Nachprüfung im Revisionsverfahren weitgehend entzogen. Sie ist nur insoweit reversibel, als dem Tatrichter Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind (ständige Rechtsprechung; vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., §118 Rdnr. 23). Liegen -- wie im Streitfall -- solche Verstöße nicht vor, binden Schlußfolgerungen des FG tatsächlicher Art den Bundesfinanzhof (BFH) gemäß §118 Abs. 2 FGO auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522; Gräber/Ruban, a.a.O., §118 Rdnr. 40, m. w. N.).
bb) Die vom FG nach Würdigung der erhobenen Beweise gezogene Schlußfolgerung, daß den Klägern Vergütungen für die Darlehensgewährung in einer Größenordnung von über 250 000 DM zustanden, ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Wie unter 1. dargelegt, greifen die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen nicht durch. Auch Verstöße des FG gegen die Denkgesetze und (allgemeinen) Erfahrungssätze sind nicht ersichtlich.
aaa) Das FG hat das Bestehen eines dahingehenden Entgeltsanspruchs der Kläger vor allem aus dem Umstand hergeleitet, daß -- wie die Beweisaufnahme ergeben habe -- den Klägern Beträge in entsprechender Höhe von der I als "Gewinnanteile aus den Warengeschäften" zugeflossen seien. Dies ergebe sich aus den Bekundungen sowohl der Kläger selbst als auch des verstorbenen A. Letzterer habe zudem gegenüber dem Betriebsprüfer W angegeben, daß die I unter Verwendung von Geldern der Kläger weitere Warengeschäfte getätigt habe. Entsprechendes habe auch die Zeugin Frau A in der mündlichen Verhandlung bekundet. Ferner ergebe sich aus der Bestätigung der Fa. I, daß diese ca. 250 000 DM an Vorauszahlungen in das Ausland geleistet habe. Dieser Betrag habe nach den Bekundungen des Zeugen S und der Kläger bei der Schlußbesprechung am 4. April 1984 aus den "aufgelaufenen Überschüssen" der Kläger hergerührt; der Betrag sei als Darlehen an die I gegeben worden. A habe dies gegenüber dem Betriebsprüfer W am 14. April 1984 bestätigt.
Daß die Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen in etwa dieser Höhe erzielt hätten, ergebe sich auch aus der Überlegung, daß das (Kontokorrent-)Konto der Kläger aufgrund der Verwertung der beschlagnahmten Ware durch die Zollverwaltung bis auf einen Restbetrag von rd. ... DM am 19. Juli 1982 nahezu ausgeglichen gewesen sei, während zu diesem Zeitpunkt immer noch die Vorauszahlung in Höhe von ca. 250 000 DM im Ausland deponiert gewesen sei, die -- wie dargelegt -- aus den "Gewinnen der Kläger" hergerührt habe.
bbb) Die vom FG aus dieser Beweiswürdigung gezogene Schlußfolgerung ist möglich und deshalb für den erkennenden Senat i. S. von §118 Abs. 2 FGO bindend.
Mit dem Einwand der Revision, das FG habe sich mit der Aussage des Zeugen Steuerberater S nicht hinreichend auseinandergesetzt, der bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 14. Dezember 1995 ausgesagt habe, daß die "10 DM-Vereinbarung" nur für ein Geschäft gültig gewesen sei, läßt sich ein Verstoß gegen Verfahrensnormen, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze nicht schlüssig begründen. Dieser Einwand geht im übrigen aber auch schon deshalb ins Leere, weil das FG seine Schlußfolgerung gar nicht auf eine Fortgeltung der "10 DM-Vereinbarung" aus dem ersten Darlehensvertrag vom 10. November 1978 gestützt hat. Es hat vielmehr ausdrücklich betont, daß in der Beweisaufnahme nicht hinreichend habe geklärt werden können, ob der Vergütungsanspruch der Kläger "auf der Weitergeltung der Vereinbarung über eine Provision von 10 DM je kg verkaufte Ware beruhte".
Abgesehen davon hat sich das FG sehr wohl in hinlänglicher Weise mit der Aussage dieses Zeugen auseinandergesetzt und seine Zweifel an dessen Glaubwürdigkeit plausibel u. a. damit begründet, daß er bei seiner Vernehmung vor dem Strafgericht von einer Beschränkung der "10 DM-Abrede" auf den ersten Darlehensvertrag vom 10. November 1978 nichts erwähnt habe. Schließlich hat das FG durch Anführung einer Reihe von Umständen schlüssig begründet, weshalb es die Äußerung des S am 14. Dezember 1995, die Kläger hätten die späteren Darlehen lediglich gegen Ersatz ihrer eigenen Refinanzierungskosten zum Zwecke der Rettung ihrer Provisionsforderung in Höhe von ... DM aus dem ersten Darlehensvertrag gewährt, für zweifelhaft hält. Nicht einmal die Kläger selber vermochten diese Behauptung des Zeugen S zu bestätigen. Sie konnten sich vielmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem FG wie auch schon der Kläger zu 1 bei seiner Vernehmung als Zeuge im Strafprozeß gegen S vor dem Amtsgericht "an nichts erinnern".
Auch den übrigen Angriffen der Revision gegen die in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung, namentlich insbesondere,
-- das FG habe sich nicht ausreichend mit der Glaubhaftigkeit der Äußerungen des Zeugen S und der Kläger zur Frage der angeblichen Überschüsse in Höhe von 250 000 DM auseinandergesetzt,
-- das FG habe keine genügende Würdigung dahin vorgenommen, wem diese Überschüsse zuzurechnen gewesen seien,
-- das FG habe nicht begründet, warum es der Aussage des todkranken A gegenüber dem Finanzbeamten W Bedeutung beigemessen habe; angesichts der schweren Erkrankung des A sei es ernstlich zweifelhaft, ob dessen Äußerungen gegenüber W überhaupt noch hätten verwertet werden dürfen,
-- das FG habe nicht hinlänglich dargelegt, weshalb es der Aussage der Zeugin A keinen Glauben geschenkt habe, daß aus dem ganzen Geschäft letztlich "nichts herausgeschaut" habe,
muß gleichfalls schon deswegen der Erfolg versagt bleiben, weil sie nicht (schlüssig) erkennen lassen, daß das FG Verfahrensnormen, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze mißachtet hat.
Soweit das FG die Begründung seiner Schlußfolgerung durch die Zusatzerwägung abgerundet hat, es erscheine "unwahrscheinlich", daß die Kläger trotz der Risikoträchtigkeit des Geschäfts der I "Beträge bis zu 500 000 DM lediglich gegen den Ersatz von Bankspesen und -zinsen ohne Vergütung überlassen haben", bestreitet die Revision das Vorliegen "eines solchen Erfahrungssatzes". Auch hierin ist nicht etwa die Rüge der Verletzung eines allgemeinen Erfahrungssatzes zu erblicken. Allgemeine Erfahrungssätze im Sinne des gerichtlichen Beweiserhebungs- und Beweiswürdigungsrechts sind nur mehr die jedermann zugänglichen Sätze, die nach der allgemeinen Erfahrung unzweifelhaft gelten und durch keine Ausnahmen durchbrochen sind (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a.a.O., §118 Rdnr. 21, m. w. N. aus der Rechtsprechung).
c) Ebensowenig ist die vom FG aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gezogene Schlußfolgerung zu beanstanden, daß die den Klägern nach den obigen Erwägungen zu 2. b) gegen die I zustehenden Darlehensentgelte durch die I bzw. -- auf deren Geheiß -- durch deren Geschäftspartner auf die (Kontokorrent-)Konten der Kläger eingezahlt wurden.
aa) Das FG hat die aus diesen, in den Streitjahren erfolgten Einzahlungen resultierenden Einnahmenüberschüsse der Kläger auf mindestens 250 000 DM geschätzt. Diese Schätzung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
aaa) Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i. S. von §118 Abs. 2 FGO. Der BFH kann die Schätzung durch das FG nur daraufhin überprüfen, ob sie überhaupt zulässig ist und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH- Urteil vom 1. Dezember 1967 III 19/65, BFHE 91, 254, BStBl II 1968, 332; Gräber/Ruban, a.a.O., §118 Rdnr. 24, m. w. N.).
bbb) Das FG war gemäß §96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO i. V. m. §162 AO 1977 zur Schätzung berechtigt und verpflichtet, weil es die exakte Höhe der aus der Darlehensgewährung erzielten Einnahmeüberschüsse -- nicht zuletzt wegen fehlender Aufzeichnungen der Kläger und den bei ihnen vorhandenen Erinnerungslücken -- "nicht ermitteln konnte".
Das FG hat die Höhe der von ihm geschätzten Überschüsse schlüssig und plausibel mit den bereits unter 2. b), bb), aaa) skizzierten Erwägungen begründet. Verstöße des FG gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht schlüssig gerügt worden.
Auch die vom FG im Wege der Schätzung vorgenommene Aufteilung der Überschüsse auf die beiden Streitjahre unterliegt mangels Vorhandenseins jedweder gegenteiliger Anhaltspunkte keinen revisionsrechtlichen Bedenken und ist von der Revision ebenfalls nicht schlüssig angegriffen worden.
bb) Die vom FG geschätzten Kapitaleinkünfte der Kläger in Höhe von 250 000 DM liegen deutlich über den vom FA in den angefochtenen Bescheiden angesetzten Beträgen, die lediglich aus den Summen der in den Streitjahren auf den (Kontokorrent-) Konten der Kläger ermittelten Guthabensalden zuzüglich im Streitjahr 1979 erzielter Festgeldzinsen i. H. v. ... DM bestehen.
Soweit sich die Revision gegen dieses vom FA angewendete Verfahren zur Ermittlung der Kapitaleinkünfte wendet, insbesondere das Vorhandensein der vom Betriebsprüfer und vom FA festgestellten Guthabensalden bestreitet, geht dieser Angriff von vornherein schon deswegen ins Leere, weil sich das FG bei seiner -- wie dargelegt nicht zu beanstandenden -- Schätzung von anderen Tatsachen und Erwägungen hat leiten lassen.
d) Zutreffend hat das FG die Rechtsauffassung vertreten, daß die von ihm geschätzten Darlehensentgelte den Klägern mit den entsprechenden Zahlungen durch die I oder deren Geschäftspartner auf die in Rede stehenden (Kontokorrent-)Konten i. S. von §11 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. §8 Abs. 1 EStG zuflossen.
aa) Inhaber dieser (Kontokorrent-)Konten waren die Kläger. Anhaltspunkte dafür, daß die Kläger in bezug auf die sich aus diesen Bankverbindungen ergebenden Rechte lediglich als Treuhänder (vgl. §39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977) für die I fungiert hätten, sind nicht ersichtlich und von den Klägern auch nicht schlüssig behauptet, geschweige denn i. S. von §159 Abs. 1 AO 1977 nachgewiesen worden.
Folglich führte jede Zahlung der I oder -- auf deren Geheiß -- von deren Geschäftspartnern auf die (Kontokorrent-)Konten bei den Klägern zu einer Vermögensmehrung (objektiven Bereicherung; zu diesem Erfordernis vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225, m. w. N.), sei es durch eine Minderung der Debetsalden und damit der Verbindlichkeiten der Kläger gegenüber den Banken, sei es durch Erhöhung der Habensalden und folglich der Bankguthaben der Kläger.
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen i. S. von §11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. der Gründe). Ein solcher Zufluß ist unzweifelhaft dann anzunehmen, wenn -- wie im Streitfall -- die entsprechenden Beträge auf einem Bankkonto des Steuerpflichtigen gutgeschrieben werden (vgl. z. B. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §11 Rdnr. 30, Stichwort "Gutschrift", unter b; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., §11 EStG Rdnr. 47, m. w. N. aus der Rechtsprechung).
Die dagegen erhobenen Einwendungen der Revision gehen schon deshalb ins Leere, weil sie sich auf den hier nicht einschlägigen Fall der Gutschrift in den Büchern des Schuldners (hier: der I) und der sich daran anschließenden Novation beziehen.
e) Dem FG ist schließlich auch darin zu folgen, daß die in Rede stehenden Darlehensentgelte den Klägern als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von §20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1979 i. V. m. §20 Abs. 2 Nr. 1 EStG zuflossen. Nach der letztgenannten Bestimmung gehören zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen auch "besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in Abs. 1 bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden". §20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist weit zu interpretieren und erfaßt alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §20 Rdnr. K 5 und K 9 f., m. w. N. aus der Rechtsprechung). Darunter hat das FG zu Recht auch die hier vereinbarten Vergütungen subsumiert, die keine "Zinsen" im engeren Sinne des Wortes (= gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige Vergütungen für Kapitalüberlassung; vgl. Kirchhof/Söhn, a.a.O., §20 Rdnr. I 4, m. w. N.) sind.
Fundstellen
BFH/NV 1998, 582 |
HFR 1998, 458 |