Entscheidungsstichwort (Thema)
(Pflegeleistungen des Altenteilsverpflichteten als Sachbezüge beim Altenteiler - Versorgungsleistungen keine Zuwendungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG)
Leitsatz (amtlich)
Hat der Altenteilsverpflichtete den Altenteiler zu pflegen, und kommt er dieser Verpflichtung nach, indem er eine Pflegekraft anstellt und entlohnt, hat der Altenteiler insoweit Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG), die im Regelfall in Höhe des Lohnaufwandes anzusetzen sind.
Orientierungssatz
1. Der Senat läßt dahingestellt, ob und in welcher Höhe beim Altenteiler steuerbare Einkünfte anzusetzen sind, wenn der Verpflichtete die Pflegeleistung in eigener Person erbringt.
2. Versorgungsleistungen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind, sind wegen ihres Charakters als vorbehaltene Vermögenserträge keine Zuwendungen i.S. des § 12 Nr. 2 EStG.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 22 Nr. 1 S. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin nach ihrem im Jahre 1984 verstorbenen Vater. Dieser hatte ihr mit Vertrag vom 16.April 1966 das Rittergut A übertragen. Die Klägerin war verpflichtet, ihrem Vater im Rahmen eines Altenteils u.a. "Hege und Pflege in gesunden und kranken Tagen" zukommen zu lassen. Sie kam ab dem Jahre 1979 dieser Verpflichtung dadurch nach, daß sie eine Pflegekraft anstellte und entlohnte.
Der Vater der Klägerin hatte in seiner Steuererklärung für das Streitjahr 1981 als Einnahmen aus wiederkehrenden Bezügen u.a. einen Betrag für "Haushaltshilfe" von 8 350 DM erklärt.
Der auf dieser Grundlage ergangene Steuerbescheid vom 17.Februar 1983 wurde bestandskräftig.
Anläßlich einer Außenprüfung erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den bei der Klägerin als dauernde Lasten anzuerkennenden Aufwand für die Kosten der Pflegekraft um 6 167 DM auf 14 517 DM (*= 90 v.H. der Gesamtaufwendungen).
Aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung erließ das FA gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin nach ihrem inzwischen verstorbenen Vater den nach § 173 Abs.1 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid vom 12.Dezember 1985, in dem die wiederkehrenden Bezüge (§ 22 Nr.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) aus der Inanspruchnahme der Pflegekraft ebenfalls mit 14 517 DM angesetzt wurden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 22 Nr.1 EStG. Es gebe keinen Rechtssatz des Inhalts, daß alles das, was beim Verpflichteten eines Altenteils als Sonderausgabe abziehbar sei, in gleicher Höhe beim Berechtigten als Einkommen versteuert werden müsse. Insoweit unterscheide sich der Wortlaut des § 22 Nr.1 Satz 1 EStG von der gesetzlichen Regelung des Realsplitting (§ 22 Nr.1 a EStG). Die wiederkehrenden Bezüge (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) seien nach den Vorschriften über den Sachbezug (§ 8 EStG) zu beurteilen. Seien die Dienstleistungen des persönlich Verpflichteten keine Aufwendungen i.S. der §§ 9, 10 EStG (Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Juli 1983 IV R 174/80, BFHE 139, 367, 375, BStBl II 1984, 97, 101), dann sei auch für die Besteuerung der "substituierten Sachleistungen" auf den Wert abzustellen, der bei objektiver Beurteilung dem Altenteilsberechtigten tatsächlich zugeflossen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 12.Dezember 1985 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es ist der Auffassung, als "üblicher Mittelpreis des Verbrauchsortes" i.S. des § 8 EStG sei hier der Aufwand des Leistungsverpflichteten anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FA hat zu Recht die Pflegeleistungen in Höhe von 14 517 DM als Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) der Einkommensteuer unterworfen.
1. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs.1 Nr.1 a EStG). Dauernde Lasten sind --anders als Leibrenten (§ 22 Nr.1 Satz 3 Buchst.a EStG)-- in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs.1 Nr.1a Satz 1 EStG). Sie sind beim Berechtigten als Einkünfte aus wiederkehrenden Leistungen steuerbar, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs.1 Nr.1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG).
Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last sind Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 15.Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78). Die Versorgungsleistungen stellen weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Dies folgt aus ihrer gesetzlichen Zuweisung zu den wiederkehrenden Bezügen und zur dauernden Last (Großer Senat in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C. II. 1 Buchst.a und b; BFH-Urteil vom 24.April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, BStBl II 1991, 794). Wegen ihres Charakters als vorbehaltene Vermögenserträge sind die Versorgungsleistungen keine Zuwendungen i.S. des § 12 Nr.2 EStG. Dementsprechend sind sie dem Empfänger als Einkünfte zuzurechnen (vgl. § 22 Nr.1 Satz 2 EStG).
2. Die Verpflichtung, den Übergeber des Vermögens zu pflegen, kann Inhalt einer dauernden Last sein. Offen bleiben kann, ob die von der Klägerin ihrem Vater durch persönliche Arbeit erbrachten Dienstleistungen aus Rechtsgründen nicht als dauernde Last abziehbar sein können, da sie keine Aufwendungen i.S. der §§ 9, 10 EStG darstellen (BFH-Urteil in BFHE 139, 367, 375, BStBl II 1984, 97, dort unter II. 2. b, am Ende). Eine dauernde Last ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Verpflichtete die Pflege durch Dritte verrichten läßt und hierfür Aufwendungen (Einleitungssatz zu § 10 Abs.1 EStG) tätigt (im Ergebnis ebenso Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10.Aufl., § 22 Anm.6 a, bb).
3. Der Senat läßt dahingestellt, ob und in welcher Höhe beim Altenteiler steuerbare Einkünfte anzusetzen sind, wenn der Verpflichtete die Pflegeleistung in eigener Person erbringt. Tätigt der Verpflichtete als dauernde Last abziehbare Aufwendungen, fließen dem Berechtigten Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr.1 Satz 1 EStG) zu. Der Verpflichtete läßt damit dem Übergeber die diesem nach dem Übergabevertrag zustehenden "vorbehaltenen Erträge" zukommen.
Die Auffassung des FG, die "Hege und Pflege" eines Altenteilers sei ein nach § 8 Abs.2 Satz 1 EStG mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzender Sachbezug, ist für den Streitfall revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar ist der nach § 8 EStG zu ermittelnde Betrag ein objektiver Wert. Für seine Bemessung kommt es weder auf die subjektive Wertschätzung des Empfängers noch auf die tatsächlichen Aufwendungen des Leistenden an; ferner ist unerheblich, ob der Empfänger auch ohne die Einnahme Aufwendungen in Höhe des objektiven Werts getätigt hätte (BFH-Urteil vom 22.Juli 1988 III R 175/85, BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995, unter II. 3. b; Birk in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 8 EStG Anm.51 a). Die Bewertung des Sachbezugs in Höhe der dem Verpflichteten entstandenen Aufwendungen ist im Regelfall zutreffend, wenn dem Bezieher, hätte er die Pflegekraft selbst angestellt, mutmaßlich derselbe Aufwand entstanden wäre.
Fundstellen
Haufe-Index 64398 |
BFH/NV 1992, 35 |
BStBl II 1992, 552 |
BFHE 166, 555 |
BFHE 1992, 555 |
BB 1992, 1119 |
BB 1992, 1119-1120 (LT) |
DB 1992, 1458 (L) |
DStR 1992, 647 (KT) |
DStZ 1992, 499 (KT) |
HFR 1992, 455 (LT) |
StE 1992, 263 (K) |