Leitsatz (amtlich)
- Wird ein Grundstück von einer Erbengemeinschaft, an der weitere Erbengemeinschaften beteiligt sind, auf eine aus Erben und Erbeserben bestehende Gesellschaft übertragen, so sind die gemäß § 6 Abs. 3 GrEStG für die Veräußerer maßgebenden Anteile aus den Anteilen der Erben und den gedachten Anteilen der Erbeserben an der Erbengemeinschaft zu errechnen.
- § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist nicht anwendbar, wenn ein dem Erwerb der Anteile an der Gesamthand entsprechender Erwerb ideeller Bruchteil nach den allgemeinen Vorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit wäre.
- § 3 Nr. 3 GrEStG begünstigt auch einzelne Maßnahmen zur Auseinandersetzung eines Nachlasses.
- Durch die Abtretung eines Erbteils wird der Nachlaß, sofern die Erbengemeinschaft fortbesteht, nur dem Ausscheidenden gegenüber auseinandergesetzt.
Normenkette
GrEStG § 6 Abs. 3-4, § 3 Abs. 3
Streitjahr(e)
1960
Tatbestand
Die zu diesem Zeitpunkt noch an den Nachlässen beteiligten Erben und Erbeserben des im Jahr 1939 verstorbenen N. N. haben gegen Ende des Jahres 1960 zu dessen Nachlaß gehörende Grundstücke an die Klägerin, eine aus denselben Personen gebildete Kommanditgesellschaft, übertragen. Umstritten ist, inwieweit der Erwerb von der Grunderwerbsteuer befreit ist. (Im folgenden werden die Erbfolge nach N. N., die weiteren Erbfolgen und die Erbteilsübertragungen näher dargestellt. Die fünf Stämme nach N. N. sind nachstehend mit den Nachnamen A, B, C, D und E bezeichnet. Aus dem ersten Stamm sind die Erben W. A., D. A. und F. A. nachverstorben. Zum ersten Stamm gehört auch der Hauptgesellschafter der Kommanditgesellschaft E. A. Von den - teilweise mehrfachen - Übertragungen einzelner Erbteile geschahen die letzten kurz vor dem Zeitpunkt des streitigen Erwerbsvorgangs.)
Das Finanzamt (FA) hat die Klägerin zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Es hielt die Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 3 GrEStG insoweit nicht für anwendbar, als E. A. 45 v. H. der Anteile am Nachlaß N. N. erst im Jahr 1960 erworben hatte.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klägerin von der Steuer freigestellt. Es geht davon aus, daß die Veräußerer an der Erbengemeinschaft nach N. N. zu gleichen Anteilen beteiligt waren wie an der Kommanditgesellschaft. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1964 S. 391 abgedruckt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist im Ergebnis unbegründet.
- Grundlage der Entscheidung sind die mit der Revision nicht angefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO). Das gilt jedoch nur insoweit, als diese rechtlich möglich sind. Dies ist zu prüfen, weil das FG bei seiner Feststellung, die Veräußerer seien an der Erbengemeinschaft im gleichen Verhältnis beteiligt gewesen wie an der Kommanditgesellschaft (Klägerin), von einer falschen Beurteilung des bürgerlichen Rechts ausgegangen ist.
Das FG meint, durch das Ableben von W. A., D. A. und F. A. hätten sich die Erbteile der übrigen Kinder N. A."s vergrößert. Das trifft nicht zu. Diese Personen sind nicht im Sinn des § 2094 Abs. 1 BGB nach dem Eintritt des Erbfalls weggefallen. Sie sind vielmehr zunächst Miterben nach N. N. geworden. Ihren gesetzlichen Erben ist nicht unmittelbar ein weiterer Anteil am Nachlaß N. N."s zugefallen. Dieser stand ihnen vielmehr nur gemeinsam zu (§ 2032 Abs. 1, § 2033 Abs. 2 BGB); nur im Falle des § 1952 Abs. 3 BGB würde sich die Beteiligung an einem zum Nachlaß gehörenden Erbteil von der Beteiligung am Nachlaß selbst lösen. Entsprechendes gilt für die weiteren Erbfolgen. ...
Die Feststellung des FG, die Veräußerer seien an der Erbengemeinschaft in gleicher Weise beteiligt gewesen wie an der Kommanditgesellschaft, kann also nur in dem Sinn aufrechterhalten werden, daß sich die entgegen § 2033 Abs. 2 BGB im Durchgriff durch die gesamthänderischen Erbengemeinschaften errechneten Werte der Beteiligungen an den am 23. Dezember 1960 übertragenen Grundstücken für E. A. auf ..., für ... beliefen (Anm.: entspricht dem Wert der Anteile an der Kommanditgesellschaft) ... Auch zu diesen Anteilen kann man freilich beim Stamme A. nur kommen, wenn man Ausgleichungspflichten unter den Abkömmlingen (§ 2052 BGB) für gegeben hält. Doch ist das rechtlich möglich.
- Somit ist zunächst zu prüfen, ob für die Anwendung des § 6 Abs. 3 GrEStG eine mittelbare Beteiligung im Durchgriff durch andere Erbengemeinschaften ausreicht. Diese Frage ist zu bejahen. Denn § 6 Abs. 3 GrEStG verweist für den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand (hier: Erbengemeinschaft) auf eine andere Gesamthand (hier: Kommanditgesellschaft) schlechthin auf die Vorschriften des § 6 Abs. 1 GrEStG, welcher den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer an der Gesamthand beteiligten Personen betrifft. Danach wird die Steuer nicht erhoben, soweit der Bruchteil, den der einzelne Erwerber erhält, dem Anteil entspricht, zu dem er am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Die quotale Beteiligung am Vermögen der Gesamthand tritt an Stelle der für Bruchteilseigentum maßgebenden Beteiligung am Grundstück (§ 5 Abs. 1 GrEStG), weil dem Gesamthänder kein ausscheidbarer Anteil an den einzelnen Gegenständen des Gesamthandvermögens zusteht (§ 719 Abs. 1, § 2033 Abs. 2 BGB). Wird ein Grundstück bei Auflösung der Gesamthand übertragen, so ist unbeschadet des § 6 Abs. 4 Satz 2 GrEStG grundsätzlich die vereinbarte Auseinandersetzungsquote maßgebend (§ 6 Abs. 1 Satz 2 GrEStG). Die Vergünstigung wird demnach, soweit sich nicht aus § 6 Abs. 4 GrEStG etwas anderes ergibt, immer für diejenige Art der Beteiligung gewährt, welche das betreffende Geschäft wirtschaftlich beherrscht. Folglich müssen, wenn die Veräußerung eines Grundstücks der ganzen oder teilweisen Auseinandersetzung mehrerer Erbengemeinschaften dient, die aus den verschiedenen Gemeinschaften sich ergebenden Auseinandersetzungsanteile zusammengezählt werden (vgl. insoweit und vorbehaltlich der zwischenzeitlich abweichenden Rechtslage auch § 15 Abs. 1 Satz 2 GrEStG 1927).
Bei dieser Betrachtung kann dahingestellt bleiben, ob ein Miterbenanteil bei der Übertragung gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB geteilt werden kann. Denn auch wenn B. E. und C. E. ihre Miterbenanteile von je 7,5 v. H. nicht in der Weise an E. A. und M. A. hätten übertragen können, daß dieser ein weiterer Anteil von 3,75 v. H., jenem aber zusätzliche Anteile von 11,25 v. H. zustünden, so wäre es doch möglich gewesen, die Miterbenanteile an eine entsprechend gegliederte Gemeinschaft (§ 741 BGB) beider abzutreten (arg. § 2034 Abs. 1, § 513 BGB). Es ist daher rechtlich möglich, daß E. A. im Jahre 1948 in dem hier maßgebenden Sinne eine weitere Beteiligung von 11,25 v. H., M. A. eine solche von 3,75 v. H. erlangt hat.
- Auf die im angefochtenen Urteil aufgeworfene und von der Revision aufgegriffene Frage, ob in den Jahren 1941 oder 1943 die Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) an den Grundstücken auf die offene Handelsgesellschaft übergegangen ist, kommt es nicht an. Eine etwa damals entstandene Steuer ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens; eine etwa aus § 1 Abs. 2 GrEStG entstandene Steuerpflicht schließt die hier zu beurteilende Besteuerung nach § 1 Abs. 1 GrEStG nicht aus (§ 1 Abs. 5 GrEStG).
- Das FG glaubt, grunderwerbsteuerrechtlich einen unmittelbaren Rechtsübergang von der Erbengemeinschaft (nach N. N.) auf die Kommanditgesellschaft verneinen zu müssen, weil die KG der Erbengemeinschaft keine Gegenleistung erbracht habe, und nimmt statt dessen zwei steuerbefreite Erwerbsvorgänge an, den ersten als Erwerb der Erben zu ideellen Bruchteilen von der Erbengemeinschaft (§ 3 Nr. 3 GrEStG), den zweiten als Erwerb der Kommanditgesellschaft von den Erben (§ 5 Abs. 1 GrEStG). Das trifft im Ausgangspunkt nicht zu. Denn weder gehört zum Begriff eines der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgangs, daß eine Gegenleistung erbracht wird (§§ 1, 10 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG), noch dürfte ein nach bürgerlichem Recht eindeutiger Vertrag aus Gründen des Grunderwerbsteuerrechts allein für dieses eine andere, für das bürgerliche Recht nicht maßgebende Auslegung erhalten. (Vgl. in anderem Zusammenhang - Übertragung von Grundstücken einer Kommanditgesellschaft an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - II 227/59 U vom 22. Februar 1961, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 72 S. 583 - BFH 72, 583 -, BStBl III 1961, 213, unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH V 140/53 S vom 20. Februar 1958, BFH 66, 708, BStBl III 1958, 271, und zur gleichen Frage das Urteil des BFH II 33/62 U vom 13. Oktober 1965, BFH 83, 580, BStBl III 1965, 710).
Im Ergebnis ist jedoch die Entscheidung des FG richtig. (§ 126 Abs. 4 FGO). Was das FG durch tatsächliche Fiktionen erreichen wollte, folgt unmittelbar aus einer sinngemäßen Auslegung des § 6 GrEStG unter den in § 3 und § 5 GrEStG ausgedrückten Gesichtspunkten.
- Da die Gesellschafter der Klägerin an ihr in dem gleichen Verhältnis beteiligt waren, wie an dem ihnen in mehreren Gesamthandsgemeinschaften (Erbengemeinschaften) gehörenden Grundstück, ist nach § 6 Abs. 3 GrEStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer in vollem Umfang nicht zu erheben, sofern nicht § 6 Abs. 4 GrEStG deshalb etwas anderes vorschreibt, weil E. A. Miterbenanteile an 45 v. H. des Nachlasses erst vier Tage vor dem Erwerb der Klägerin erworben hatte.
Nach § 6 Abs. 4 GrEStG müssen zu Lasten der Steuerpflichtigen Anteile außer Betracht bleiben, welche der Gesamthänder oder sein Rechtsvorgänger innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Diese Vorschrift bezweckt, objektiven Steuerumgehungen vorzubeugen, die der steuerfreie Übergang von Anteilen an einer Gesamthand ermöglicht; dagegen ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß "für die Änderung der Beteiligung in der Regel andere als steuerliche Gründe maßgebend sind, wenn die Änderung beim Übergang des Grundstücks bereits längere Zeit zurückliegt" (Begründung zum GrEStG, RStBl 1940, 387 (399)). § 6 Abs. 4 GrEStG will also nur die Steuerfreiheit der auf Rechtsgeschäft beruhenden Rechtsübergänge innerhalb der Gesamthand auflösen, soweit diese innerhalb der Fünfjahresfrist liegen; er will aber nicht darüber hinaus Vorgänge der Steuer unterwerfen, die ohnedies durch besondere Befreiungsvorschriften der Besteuerung entzogen wären. Deshalb hat der BFH, anknüpfend an die vom Reichsfinanzhof zu § 15 Abs. 2 GrEStG 1919 begründete (vgl. Urteil II A 177/32 vom 10. Mai 1932, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 31 S. 71 - RFH 31, 71 -) und zu § 6 Abs. 4 GrEStG 1940 fortgeführte (vgl. Urteil II 97/41 vom 22. Januar 1943, RFH 52, 327) Rechtsprechung, § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ständig dann für unanwendbar erachtet, wenn ein dem Erwerb der Anteile an der Gesamthand entsprechender Erwerb ideeller Bruchteile nach den allgemeinen Vorschriften von der Grunderwerbsteuer befreit wäre (vgl. Urteile des BFH II 167/53 S vom 11. November 1953, BFH 58, 211, BStBl III 1953, 372; II 74/54 S vom 3. November 1954, BFH 60, 24, BStBl III 1955, 10; II 30/61 U vom 10. Juni 1964, BFH 80, 33, BStBl III 1964, 486). Nur für die Auslegung des § 6 GrEStG selbst ist damit aber auf den hypothetischen Fall entsprechender Vorgänge im Rahmen des § 5 Abs. 1 GrEStG abgestellt; es ist nicht entgegen dem wirklichen Geschehensablauf zu unterstellen, daß die Gesamthänder zunächst Miteigentum nach ideellen Bruchteilen begründet haben.
- Demzufolge ist § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG im vorliegenden Falle nicht anzuwenden. Denn die Übertragung der Erbteile von M. C. und L. D. im Dezember 1960 an E. A. diente der Teilung des Nachlasses des im Jahre 1939 verstorbenen N. N. und wäre damit auch im Falle eines Bruchteilserwerbs gemäß § 3 Nr. 3 GrEStG steuerfrei gewesen. Denn diese Vorschrift begünstigt, wie das FG richtig erkannt hat, nicht nur die gänzliche Teilung des Nachlasses, sondern auch einzelne Maßnahmen zur Auseinandersetzung (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl. 1965, § 3 Tz. 74); im vorliegenden Fall waren die Miterbinnen M. C. und L. D. aus der Erbengemeinschaft (unbeschadet des § 2058 BGB) ausgeschieden und damit ihnen gegenüber die Auseinandersetzung bewirkt.
- § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist auch insoweit unanwendbar, als M. C. nicht nur ihren eigenen Erbteil, sondern auch den zuvor von ihr erworbenen Erbteil W. E.'s an E. A. abgetreten hatte. Darin wäre allerdings keine Maßnahme zur Teilung des Nachlasses mehr zu sehen, wenn zuvor Bruchteilseigentum begründet worden wäre (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 3 Tz. 76). Das ist aber nicht der Fall und - wie soeben (5 a. E.) ausgeführt worden ist - auch nicht zu unterstellen. Vielmehr hat die Erbengemeinschaft nach dem Ausscheiden W.E."s unter den damaligen Inhabern der Erbteile fortbestanden; sie konnte weiterhin dadurch auseinandergesetzt werden, daß die Erbteilserwerberin M. C. neben ihrem eigenen Erbteil auch den von W. E. erworbenen Erbteil an E. A. abtrat.
Im Ergebnis hat somit das FG die Grundstücksübertragung mit Recht als von der Grunderwerbsteuer befreit angesehen. Die Revision des FA war daher gemäß § 126 Abs. 4 FGO mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 425835 |
BFHE 1967, 573 |
BFHE 89, 573 |