Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlaß der Grunderwerbsteuer zwecks ,,Gleichbehandlung im Unrecht"
Leitsatz (NV)
Hat das FA aufgrund eines Runderlasses des Finanzministers in bestimmten Fällen die Grunderwerbsteuer zu Unrecht erlassen, so können in vergleichbaren Fällen weitere Grundstückserwerber sich nicht darauf berufen und mit Erfolg ebenfalls den Erlaß der Grunderwerbsteuer begehren.
Normenkette
AO 1977 § 227
Verfahrensgang
Tatbestand
1. Die Kläger kauften in ungeteilter Erbengemeinschaft durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. Dezember 1973 ein bebautes Grundstück. Sie beantragten Steuerbefreiung nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (GrEStStrukturG) mit der Begründung, das Grundstück solle für ihren Autoreparaturbetrieb verwendet werden. Sie legten eine Bescheinigung des Regierungspräsidenten gemäß § 2 Abs. 2 GrEStStrukturG für die ,,Fa. X-GbR" vor. Geschäftszweck dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war die Vermietung des Grundstückes an die X-GmbH, welche das Automobilgeschäft betrieb.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte mit zwei Bescheiden vom 22. September 1977 gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer fest. Die beantragte Steuerbefreiung verweigerte es mit der Begründung, das Grundstück solle an die X-GmbH verpachtet und daher von den Erwerbern, den Klägern, nicht unmittelbar i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG für den begünstigten Zweck verwendet werden. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die vom Testamentsvollstrecker erhobene Klage ab.
2. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1977 an das FA beantragten die Kläger den Erlaß der festgesetzten Steuern.
Das FA lehnte den Antrag ab.
Nach erfolgloser Beschwerde wies das FG die Klage ab.
Mit der Revision verfolgen die Kläger weiter ihr Klageziel.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Die Kläger räumen ein, daß das FA bei dem Erlaß der Steuerbescheide vom 22. September 1977 die begehrte Steuerbefreiung zu Recht verweigert hat und sie daher keinen Erlaß der Steuer gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Korrektur fehlerhafter Steuerfestsetzungen erwarten können (zu den Voraussetzungen eines solchen Erlasses vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, 257, BStBl II 1981, 611).
Dennoch meinen die Kläger, sie könnten den Erlaß der Steuer verlangen; sie hätten bei Abschluß des Kaufvertrages am 28. Dezember 1973 auf den Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1971 S 4511 - 17 - VC 4 (abgedruckt im Grunderwerbsteuer-Kommentar Nordrhein-Westfalen von Schultze / Förger / Hofmann, 6. Aufl., S. 162) vertraut. Hätte sich das FA an diese Anweisung des Finanzministers gehalten, so hätte es ihnen (den Klägern) die Steuern erlassen müssen.
,,Die hiesige Finanzverwaltung (hat) diesen Erlaß in Betriebsaufspaltungsfällen seinerzeit und bis heute angewandt . . ." Die Kläger bemängeln, daß das FG ihrem diesbezüglichen Beweisantrag nicht nachgegangen sei.
Dieser Einwand der Kläger ist unbegründet.
Zweifelhaft ist schon, ob der Runderlaß vom 25. Februar 1971 dem Wortlaut nach auf den Erwerb der Kläger vom 28. Dezember 1973 zutrifft.
Nach dem Schreiben der Notare und Rechtsanwälte Y vom 28. Februar 1974 an das FA diente der erworbene Grundbesitz als Ersatz für das bisherige Betriebsgrundstück, das in einem zur Fußgängerzone erklärten Bereich lag und deshalb nicht mehr für den Betrieb der GmbH (Reparaturwerkstatt, Tankstelle und Verkaufsladen für Gebrauchtfahrzeuge) verwendet werden konnte. Zumindest eine Betriebsverlagerung allein war jedoch keine Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG, welche auch der Runderlaß nach seiner Nr. 3 naturgemäß und ausdrücklich (,,bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen" des GrEStStrukturG) voraussetzte. Bei der Beurteilung dieser steuerrechtlichen Frage war auch die Bescheinigung des Regierungspräsidenten vom 24. Januar 1977, die von der ,,Erweiterung einer Betriebsstätte" spricht, nicht bindend (BFH-Urteil vom 23. Juni 1977 II R 125/76, BFHE 123, 57, BStBl II 1977, 779).
Der Senat braucht auf diesen Zweifel nicht einzugehen. Denn selbst wenn in gleichgelagerten Fällen die Grunderwerbsteuer aufgrund des Runderlasses vom 25. Februar 1971 gemäß § 227 Abs. 1 AO 1977 erlassen worden sein sollte, könnten die Kläger daraus keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Das Vertrauen auf eine vom Gesetz nicht gedeckte Verwaltungspraxis ist nicht schutzwürdig (BFH-Urteil vom 22. April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, BStBl II 1980, 441 unter B VI 5 der Gründe). Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Januar 1986 II R 141/83 (BFHE 145, 453, BStBl II 1986, 418 letzter Absatz der Gründe) ausgesprochen hat. Auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) begründet der aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit keinen Anspruch auf Fortführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis (Beschluß gemäß § 93 a Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG - vom 7. August 1985 1 BvR 707/85, Deutsche Steuer-Zeitung / Eildienst - DStZ/ E - 1985, 277).
Unter diesen Umständen kommt es nicht auf die Verfahrensrüge der Kläger an, das FG hätte die Erlaßpraxis der FÄ in vergleichbaren Fällen erforschen müssen.
Unbegründet ist schließlich auch die Rüge der Kläger, das FG hätte die Entscheidung des FA und der Oberfinanzdirektion (OFD) zumindest entsprechend den BFH-Urteilen vom 7. August 1974 II R 57/72 (BFHE 113, 265, BStBl II 1975, 51) und vom 30. April 1975 II R 32/69 (BFHE 116, 58, BStBl II 1975, 720) aufheben müssen, wenn es der Meinung sei, daß der Runderlaß vom 25. April 1971 vom Gesetz nicht gedeckt und daher unwirksam sei. Die OFD hat ihre Beschwerdeentscheidung vom 19. November 1981 nicht auf diesen Runderlaß gestützt, sondern sie damit begründet, daß die Voraussetzungen des § 227 Abs. 1 AO 1977 nicht vorlägen (Seiten 3 und 4 der Begründung). Die Frage, ob der Erlaßgeber auch im vorliegenden Fall die Verpachtung des Grundstückes an die GmbH als unschädlich angesehen hätte, hat die OFD offengelassen. Selbst wenn die OFD nur hilfsweise auf § 227 AO 1977 eingegangen wäre, würde das genügen, wie der Senat schon entschieden hat (vgl. das Urteil vom 3. August 1977 II R 95/75, BFHE 123, 288, BStBl II 1978, 42).
Fundstellen