Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Grundstück innerhalb von fünf Jahren seit Erwerb und vor Bauvollendung an eine Kommanditgesellschaft weiterveräußert, so ist die Grunderwerbsteuer auch dann nachzuerheben, wenn der Veräußerer zu 98,04 v. H. als persönlich haftender Gesellschafter und seine Ehefrau mit einem entsprechenden Zwerganteil als Kommandistin an der Kommanditgesellschaft beteiligt sind.
2. Wird das Grundstück in dem Zustand in die Kommanditgesellschaft eingebracht, in dem es sich im Zeitpunkt der Gründung der Kommanditgesellschaft befindet, so ist die Fertigstellung des steuerbegünstigten Gebäudes der Kommanditgesellschaft selbst als Bauherrin zuzurechnen.
Normenkette
Berliner Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken i.d.F. vom 30. Mai 1956 - LG - (GVBl S. 541) § 1 Nr. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c, Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag im Mai 1967 ein Trümmergrundstück in Berlin. Auch die Auflassung wurde zu seinen Gunsten erklärt. Das FA (Beklagter) nahm den Erwerb auf Grund einer entsprechenden Erklärung des Klägers zunächst gemäß § 1 Nr. 2 des Berliner Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau und den Wiederaufbau von Trümmergrundstücken in der Fassung vom 30. Mai 1956 - im folgenden LG - (GVBl 541) von der Besteuerung aus.
Im Oktober 1967 erklärte der Kläger in notarieller Verhandlung, er habe seine Einzelfirma unter Aufnahme seiner Ehefrau als Kommanditistin in eine KG geändert. Da die KG im Oktober 1967 in das Handelsregister eingetragen worden sei, müsse nunmehr die KG als Grundstückseigentümerin eingetragen werden. Dementsprechend berichtigte er seine Erklärung im Kaufvertrag dahin, daß Erwerberin die KG sei. Gleichzeitig erklärte er "vorsorglich" die Auflassung zugunsten der KG. Das Grundstück ist auf die KG eingetragen worden.
Der Beklagte behandelte die Übertragung des Grundstücks auf die KG als Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a LG und forderte eine Grunderwerbsteuer nach.
Mit dem Einspruch vertrat der Kläger die Auffassung, von der Aufgabe der Bauabsicht könne nicht gesprochen werden, insbesondere nicht, wenn das Gebäude bereits in der Entstehung begriffen sei. Außerdem sei die Einbringung des Grundstücks in die KG keine Veräußerung. Die Errichtung des Gebäudes sei ihm zuzurechnen, zumal er mit seinem Anteil zu 98,04 v. H. an der KG beteiligt sei, seine Ehefrau also nur über einen unbeachtlichen Zwerganteil verfüge.
Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Der Sachverhalt gebiete nach wirtschaftlicher Betrachtung, daß der Kläger wegen seiner beherrschenden Stellung in der KG unter Einsatz seines vollen Haftungsrisikos tatsächlich (praktisch) Bauherr geworden und geblieben sei. Ob formell nach außen hin der Kläger oder die KG als Bauherr aufgetreten sei, habe es deshalb nicht geprüft. Dem Zwerganteil der Ehefrau von 1,96 v. H. dürfe - vergleichbar der Unbeachtlichkeit bei der Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 des Berliner Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1969 (GVBl 1034) - bei Zuerkennung der Steuerbefreiung nach § 1 Nr. 2 LG keine negative Bedeutung beigemessen werden.
Mit der Revision rügt der Beklagte irrige Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, da der Begriff der "Weiterveräußerung" (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c LG) rechtlich auszulegen sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Die Frage, ob seit Inkrafttreten des Art. 1 Nr. 3 Buchst. a des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I, 359) mit der Revision noch die Verletzung des Berliner LG 1956 als eines Landesgesetzes, das nunmehr im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes liegt, gerügt werden kann (§ 118 Abs. 1 Satz 2, § 33 Abs. 1 der FGO), kann auf sich beruhen, da die Revision vor dem 1. Januar 1970 eingelegt worden ist.
Bei der Entscheidung, ob unter Wegfall der Steuerfreiheit nach § 1 Nr. 2 LG Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder c, Abs. 2 LG eingetreten ist, sind zwei Fragen auseinanderzuhalten: einerseits die, ob in dem Einbringen des Grundstücks in die KG durch den Kläger eine (Weiter-) Veräußerung liegt, bejahendenfalls, ob andererseits trotzdem diese Weiterveräußerung unschädlich ist, weil der Kläger gleichwohl bei wirtschaftlicher Betrachtung tatsächlich (praktisch) Bauherr geblieben sei. Dabei könnte - wie sich zeigen wird - der Umstand, daß die Ehefrau des Klägers nur einen Zwerganteil von 1,96 v. H. an der KG hält, - wenn überhaupt - letztlich im Grunde nur für die erste Frage bedeutsam werden.
1. Das FG ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß das Grundstück durch den Kläger erworben und von ihm in die aus ihm und seiner Ehefrau bestehende KG eingebracht worden ist und daß in diesem Einbringen eine Veräußerung, ein Erwerbsvorgang im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts erblickt werden muß. Es ist damit der Auffassung des Klägers, er habe - mit Wirkung auch für die Grunderwerbsteuer - das Grundstück von vornherein für die KG erworben, zutreffend nicht gefolgt. Der Kläger beruft sich zur Maßgeblichkeit des wirklichen Parteiwillens bei Vertragsauslegung (§§ 133, 155 BGB) für seinen Fall zu Unrecht auf das Urteil des BFH II 149/63 vom 21. Dezember 1966 (BFH 87, 458, BStBl III 1967, 189). Dort handelte es sich um die Erkundung und Auslegung des wahren Willens aller am Vertrag Beteiligten (vgl. ähnlich zur falschen Parteibezeichnung BFH-Urteil II R 132/66 vom 24. Juni 1969, BFH 97, 92, BStBl II 1970, 22). Hier aber hat der Kläger nach den mit dem Akteninhalt übereinstimmenden Feststellungen des FG durch den Vertrag vom Mai 1967 das Grundstück eindeutig - nach dem mit dem Vertragspartner übereinstimmenden Willen - für sich allein, wenn auch als Kaufmann, als Alleininhaber der Einzelfirma, erworben. Das ergibt sich auch aus seinen Erklärungen anläßlich der notariellen Verhandlung vom Oktober 1967 und stimmt damit überein, daß er - und nicht der ursprüngliche Veräußerer - darin die Auflassung zugunsten der KG erklärt hat.
Die KG ist als Gesamthand grunderwerbsteuerrechtlich ein selbständiger Rechtsträger. Ein Grundstücksübergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand unterliegt unbeschadet des § 6 Abs. 3 GrEStG selbst dann der Grunderwerbsteuer, wenn die beiden Gemeinschaften aus denselben Personen bestehen (Entscheidung des BFH II 142/63 vom 25. Februar 1969, BFH 95, 292, 297, BStBl II 1969, 400). Das gilt - unbeschadet des § 6 Abs. 1, 2 GrEStG - erst recht für den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine Einzelperson und umgekehrt. Rechtlich und wirtschaftlich muß zwischen dem Vermögen des Gesellschafters als Einzelperson und dem gesamthänderisch gebundenen Gesellschaftsvermögen unterschieden werden. Auch die von der Gesamthand verfolgbaren und verfolgten Zwecke können nicht mit den von den Gesellschaftern als Einzelpersonen verfolgbaren Zwecken identisch sein.
Die Vergünstigung des § 1 Nr. 2 LG setzt voraus, daß der Erwerber selbst auf dem Trümmergrundstück ein Gebäude errichtet. Deshalb lösen - wie der Senat zu vergleichbaren Vorschriften der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern entschieden hat - die Übertragung eines Grundstücks von einer KG auf einen Gesellschafter und umgekehrt das Einbringen eines Grundstücks durch einen Gesellschafter in eine KG wegen Aufgabe des begünstigten Zwecks Steuerpflicht aus, wenn im Zeitpunkt der Übertragung die steuerbegünstigten Wohnungen (Gebäude) noch nicht bezugsfertig errichtet sind (Entscheidungen des BFH II 146/64 vom 20. Februar 1968, BFH 91, 491, BStBl II 1968, 386; II B 37/69 vom 18. November 1969, BFH 97, 260, BStBl II 1970, 103). War mit der Errichtung des Gebäudes bereits begonnen, das Bauvorhaben aber noch nicht vollendet (vgl. auch § 1 Nr. 2 gegen Nr. 4 LG), so kommt für das Land Berlin die Nacherhebung der Steuer sowohl wegen Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks als auch wegen Veräußerung des Grundstücks vor Vollendung des Bauvorhabens in Betracht (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c LG).
Hieran kann der Umstand, daß die Ehefrau des Klägers als Kommanditistin nur einen wirtschaftlich bedeutungslosen Zwerganteil besitzt, nichts ändern. Das FG bemerkt selbst zutreffend, daß die Rechtsprechung des Senats und die neue gesetzliche Regelung im § 1 Abs. 3 des Berliner GrEStG 1969 keine unmittelbare Beziehung zum Streitfall haben. Eine vergleichende Betrachtung müßte zu der Unterstellung führen, daß - wie bei der Anteilsvereinigung ein Zwerganteil die Steuerpflicht wegen Vereinigung aller Anteile nicht ausschließen sollte (vgl. auch § 1 Abs. 3 letzter Satz des Saarländischen GrEStG 1966) - bei wirtschaftlicher Betrachtung selbst in der Weiterveräußerung des Grundstücks an die KG wegen des durch den Zwerganteil der Kommanditistin nicht gestörten beherrschenden Einflusses des Komplementärs eine Aufgabe des begünstigten Zwecks nicht erblickt werden dürfte. Gerade der Gedanke, daß eine solche wirtschaftliche Betrachtung vor dem Zwerganteil nicht haltmachen könnte und auch auf andere Mehrheitsverhältnisse ausgedehnt werden müßte, hat den Senat in seinem Urteil II 26/63 vom 16. März 1966 (BFH 85, 117, 119, BStBl III 1966, 254) zur Änderung seiner Rechtsprechung mitbestimmt. Diese Erwägungen gelten auch hier. Auch in Fällen der vorliegenden Art müßte eine Grenzziehung beim Zwerganteil außer für Berlin: in welcher Höhe?) um so zufälliger erscheinen, als angesichts der dispositiven Natur der Vorschriften über den Umfang der Geschäftsführung und der Beschlußfassung der Gesellschafter (§ 161 Abs. 2, §§ 116, 119 HGB; vgl. auch §§ 164, 170 HGB) je nach der gesellschaftsvertraglichen Gestaltung - wie auch im vorliegenden Fall (vgl. §§ 5, 9 des Gesellschaftsvertrages) - auch ein Mehrheitsgesellschafter mit einfacher Stimmenmehrheit über die Verwendung des Grundstücks - über Bebauung überhaupt und über alle Einzelheiten nach Art und Zeit - allein entscheiden kann. Im übrigen kann die Frage, ob das Einbringen eines Grundstücks in eine KG als steuerschädlich im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, c LG zu werten ist, von den (u. U. zufälligen) Verhältnissen der Gesellschaft nach Zusammensetzung und Stimmrecht im Zeitpunkt des Einbringens um so weniger abhängen, als spätere Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder auch der spätere Wechsel im Personenstand der Gesellschafter auf die Grunderwerbsteuer ohne Einfluß bleiben (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Tz. 14).
2. Der Senat hat - worauf das FG zutreffend verweist - mehrfach entschieden, daß die Errichtung (Fertigstellung) eines Gebäudes trotz Weiterveräußerung des Grundstücks unter besonderen Umständen noch dem Veräußerer als Bauherrn zugerechnet werden kann (vgl. neuerdings Entscheidung II B 50/69 vom 18. November 1969, BFH 97, 193, BStBl II 1970, 66 mit Zusammenfassung). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ausnahme-Rechtsprechung, bei der es sich durchweg um besonders gelagerte Fälle handelte, auf Fälle der vorliegenden Art überhaupt ausgedehnt werden kann. Dagegen spricht, daß § 1 Nr. 2 des Berliner LG - ebenso Art. 1 Nr. 1 Buchst. a des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (s. Entscheidung des BFH II B 50/69, a. a. O.) - ausdrücklich die Errichtung des Gebäudes durch den Erwerber selbst fordert (vgl. auch Urteil II 286/59 U vom 22. August 1962, BFH 76, 30, BStBl III 1963, 12), und daß die Sondervorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c LG die nachträgliche Steuerpflicht objektiv an die "Veräußerung des Grundstücks vor Vollendung des Bauvorhabens" knüpft, ohne daß es nach diesem Gesetzeswortlaut darauf ankommt, wer - noch der Veräußerer oder der Neuerwerber - das Bauvorhaben vollendet. (Das kann für die nachfolgenden Erwerbe unterschiedliche Folgen auslösen: vgl. z. B. § 1 Nr. 2 gegen Nrn. 4 und 10 LG). Es sind auch im Streitfall keine besonderen Umstände erkennbar oder dargetan, wonach es nicht bei dem allgemeinen Erfahrungssatz zu verbleiben hätte, daß ein Grundstück in der Regel in dem Zustand veräußert (in eine KG eingebracht) wird, in dem es sich auch im Zeitpunkt der Veräußerung (Einbringung) befindet (s. Entscheidung des BFH II B 50/69, a. a. O.). Vielmehr hat der Kläger selbst von Anfang an erklärt, daß er das Grundstück nicht als Privatvermögen, sondern in seiner Eigenschaft als Kaufmann für sein Unternehmen (zum Betriebsvermögen) erworben habe. Noch in der Revisionserwiderung hat er ausgeführt, daß durch die Gründung der KG "die Errichtung eines Gebäudes durch das Unternehmen erst möglich" gemacht worden sei. Das kann nur bedeuten, daß das Grundstück in dem Zustand in die KG eingebracht worden ist, in dem es sich im Zeitpunkt der Gründung der KG befand, und daß die Fertigstellung zwar unter Bestimmung aller Einzelheiten des Bauvorhabens durch den Kläger, aber nicht mehr als Einzelperson (Einzelkaufmann), sondern in seiner Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter als den allein zur Vertretung der KG Berechtigten (§ 161 Abs. 2, §§ 125 bis 127, 170 HGB) und damit durch die KG selbst als Bauherrin erfolgt ist. Damit stimmt überein, daß auch das FG den Kläger in seiner Eigenschaft als Komplementär als "Bauherrn des Unternehmens" betrachtet, ohne allerdings die sich hieraus ergebenden rechtlichen Folgerungen zu ziehen. Insoweit spielt in diesem Zusammenhang die Frage des Zwerganteils der Kommanditistin und der beherrschenden Stellung des Komplementärs im Grunde genommen keine entscheidende Rolle mehr. Wenn überhaupt, dann müßte jedenfalls auch hier der oben erörterte Rechtsgedanke Platz greifen, daß in Fällen der vorliegenden Art dann jedes Einbringen eines Grundstücks in eine KG steuerunschädlich wäre, wenn nur der Einbringende als persönlich haftender Gesellschafter im Zeitpunkt des Einbringens über die Mehrheit verfügt, durch die die Verwendung des Grundstücks entscheidend bestimmt wird. Das aber würde den für die Grunderwerbsteuer maßgebenden, oben dargelegten Rechtsgrundsätzen über die Behandlung von Erwerbsvorgängen bei Gesamthandverhältnissen und den daran Beteiligten zuwiderlaufen.
Danach besteht die Steuernachforderung des Beklagten zu Recht.
Fundstellen
Haufe-Index 69311 |
BStBl II 1971, 107 |
BFHE 1971, 468 |