Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält auch für das UStG 1967 daran fest, daß bei der Veräußerung sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungseigentümer nach Freigabe zur Verwertung durch den Konkursverwalter regelmäßig zwei Lieferungen anzunehmen sind: eine Lieferung des Konkursverwalters an den Sicherungseigentümer und gleichzeitig eine weitere Lieferung des Sicherungseigentümers an die Erwerber des Sicherungsguts. Die aus der Lieferung des Konkursverwalters folgende Umsatzsteuer gehört zu den Massekosten nach § 58 Nr. 2 KO.
2. Die dem Konkursverwalter in Rechnung gestellten Verwertungskosten des Sicherungseigentümers mindern das Entgelt aus der Lieferung des Konkursverwalters an den Sicherungseigentümer. Ist die Umsatzsteuer aus dem ungeschmälerten Entgelt berechnet und gemäß § 14 Abs. 1 UStG 1967 in Rechnung gestellt worden, kommt eine Minderung nicht mehr in Betracht (§ 14 Abs. 2 UStG 1967).
Normenkette
UStG 1967 § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1-2; KO § 58 Nr. 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine GmbH, betrieb die Herstellung von Feineisenartikeln. Über ihr Vermögen wurde am 2. Februar 1968 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger und Revisionskläger wurde zum Konkursverwalter bestellt. Die Steuerpflichtige hatte der R-Bank 1967 große Teile ihres beweglichen Anlagevermögens zur Sicherung von Bankkrediten übereignet. Der Konkursverwalter gab das Sicherungsgut nach Konkurseröffnung zur Verwertung frei. Die R-Bank veräußerte die Gegenstände 1968 im eigenen Namen an Dritte, wobei sie die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung stellte. Sie führte die Umsatzsteuer nicht an das FA (Beklagten, Revisionsbeklagten) ab, weil sie unter Berufung auf eine Auskunft des FA vom 1. April 1968 davon ausging, daß ihr wegen einer gleichzeitig anzunehmenden Lieferung des Sicherungsguts aus der Konkursmasse an sie ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe zustehe. Die R-Bank verrechnete die Veräußerungserlöse nebst Umsatzsteuer mit den gesicherten Bankkrediten und widersetzte sich dem Verlangen des Konkursverwalters, die Umsatzsteuer zur Konkursmasse zu zahlen. Das Landgericht (LG) wies eine entsprechende Klage des Konkursverwalters ab.
Das FG erließ einen Umsatzsteuerbescheid für 1968 gegen den Konkursverwalter, in dem es Umsatzsteuer für die Lieferung des Sicherungsguts an die R-Bank anforderte. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das FG hat ausgeführt: Die Steuerpflichtige habe das Sicherungsgut nicht schon 1967 anläßlich der Sicherungsübereignung an die R-Bank geliefert, sondern erst im Zeitpunkt der Freigabe nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter. Die auf diese Lieferungen entfallende Umsatzsteuer sei zu Recht vom Konkursverwalter angefordert worden, wobei die konkursrechtliche Frage, ob die Umsatzsteuer Massekosten oder Masseschulden sei, nicht entschieden zu werden brauche. Die anschließende Veräußerung des Sicherungsguts durch die R-Bank sei eine davon unabhängige zweite Lieferung gewesen, die wiederum Umsatzsteuer ausgelöst habe, jedoch bei der R-Bank wegen des gleichhohen Vorsteuerabzugs zu keiner Zahllast geführt habe.
Der Konkursverwalter macht mit der Revision geltend: Er könne entgegen der Auffassung des FG nur in Anspruch genommen werden, wenn die angeforderte Umsatzsteuer den Charakter von Massekosten oder Masseschulden habe. Die diese Ansicht bejahende Rechtsprechung des BFH überzeuge nicht. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) habe die Umsatzsteuer als Kostenbestandteil des Kaufpreises behandelt; der das Urteil des OLG bestätigende BGH habe gemeint, für diese Auffassung sprächen gute Gründe. Es sei auch auf die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) hinzuweisen, das in vergleichbaren Wertzuwachssteuerfällen angenommen habe, daß sich die Steuerforderung gegen den Gemeinschuldner richte. Rechtspolitisch wäre es unerträglich, wenn der Konkursmasse infolge der Verwertung weitere Kosten aufgebürdet würden. Das würde im vorliegenden Fall sogar zum Ausfall bevorrechtigter Arbeitnehmerforderungen führen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sicherungsübereignete Gegenstände erst dann an den Sicherungseigentümer geliefert sind, wenn dieser in Ausübung seiner Verwertungsbefugnis die Gegenstände an Dritte veräußert (BFH-Urteile V 204/56 vom 28. Februar 1957, NJW 1957, 1535; V 208/64 vom 1. Juni 1967, BFH 90, 247, BStBl II 1968, 68). Weder die Sicherungsübereignung noch die Freigabe (so die Vorinstanz) oder die Übergabe der Gegenstände an den Sicherungseigentümer zwecks Verwertung (so Burkholz, BB 1967, 29) führen zum Übergang der Verfügungsmacht.
Danach liegen im Zeitpunkt der Verwertung regelmäßig zwei Lieferungen vor: eine Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungseigentümer und eine weitere Lieferung des Sicherungseigentümers an den Erwerber. Diese Grundsätze gelten innerhalb und außerhalb eines Konkurses. Das UStG 1967 hat an dieser Beurteilung nichts geändert. Die Begriffsbestimmung der Lieferung ist unverändert aus § 3 Abs. 1 des UStG 1951 nach § 3 Abs. 1 UStG 1967 übernommen worden.
Dem Revisionskläger ist allerdings einzuräumen, daß das FG nicht die Frage offenlassen durfte, ob die angeforderten Umsatzsteuern Masseforderungen oder, von der Steuerpflichtigen her gesehen, Massekosten oder -schulden im Sinne der §§ 58, 59 der Konkursordnung (KO) sind. Nur eine Masseforderung kann unmittelbar gegen den Konkursverwalter geltend gemacht werden (BFH-Beschluß II B 22/70 vom 29. September 1970, BFH 100, 140, BStBl II 1970, 830, mit weiteren Nachweisen). Die vom FG getroffenen Feststellungen rechtfertigen indes die Annahme einer Masseforderung.
Verwertet der Sicherungseigentümer wie im vorliegenden Fall sicherungsübereignete Gegenstände mit Zustimmung des Konkursverwalters nach § 127 Abs. 2 KO, rechnet die infolge der Lieferung an den Sicherungseigentümer anfallende Umsatzsteuer zu den Massekosten nach § 58 Nr. 2 KO (Kosten der Verwertung). Sicherungsübereignete Gegenstände gehören zunächst zur Konkursmasse; der Sicherungseigentümer hat lediglich ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Die Lieferung der Gegenstände an den Sicherungseigentümer ist eine Verwertungshandlung. Die sich hieraus ergebende Umsatzsteuer gehört dementsprechend zu den Kosten der Verwertung. Das von dem Revisionskläger angezogene Urteil des Hanseatischen OLG 3 U 211/59 vom 31. März 1960 behandelt den hier nicht zu beurteilenden Fall der Sicherungsabtretung und unterläßt es im übrigen, sich mit der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Senats (Urteil V 199/56 U vom 4. Juli 1957, BFH 65, 131, BStBl III 1957, 282) auseinanderzusetzen. Der Hinweis des Revisionsklägers auf die frühere Wertzuwachssteuer-Rechtsprechung des Preußischen OVG geht fehl. Es ist für jedes Steuerrechtsgebiet gesondert zu untersuchen, ob steuerauslösende Handlungen des Konkursverwalters zu Massekosten führen (vgl. einerseits BFH-Urteil IV 210/62 S vom 7. November 1963, BFH 78, 172, BStBl III 1964; 70: bejahend für die Einkommensteuer auf Veräußerungsgewinne; andererseits BFH-Beschluß II B 22/70, a. a. O.: zweifelnd für die Nachsteuer in Grunderwerbsteuerfällen).
Das FG ist davon ausgegangen, daß die Entgelte für die Lieferungen an die R-Bank mit den Entgelten für die Lieferungen der R-Bank an die Dritterwerber übereinstimmen. Das wäre unrichtig, wenn der R-Bank, wie es regelmäßig zu sein pflegt, anläßlich der Veräußerungen Aufwendungen (Verwertungskosten des Sicherungseigentümers) entstanden und vorweg vom Erlös abgerechnet worden sein sollten. Diese Verwertungskosten entstehen in der Person des Sicherungseigentümers und mindern das Entgelt des Sicherungsgebers (vgl. für den gleichgelagerten Fall des Pfandverkaufs BFH-Urteil V R 32/70 vom 9. Juli 1970, BFH 99, 325, BStBl II 1970, 645). Es fehlen Feststellungen des FG darüber, ob solche Verwertungskosten angefallen sind. Es bedarf indes in diesem Punkte keiner weiteren Aufklärung. Selbst wenn die R-Bank anläßlich der Verwertung Aufwendungen gehabt und verrechnet haben sollte, müßte es bei der Steuerfestsetzung des FA verbleiben. Der zu hoch angesetzte Steuerbetrag wäre dann gemäß § 14 Abs. 2 UStG 1967 geschuldet, weil er gemäß § 5 1. UStDV durch Gutschriftsanzeige der R-Bank in Rechnung gestellt wurde und der Konkursverwalter die Steuerberechnung der R-Bank nicht beanstandet hat.
Soweit der Konkursverwalter darauf hinweist, es sei rechtspolitisch unerträglich, daß die festgesetzte Umsatzsteuer aus der Konkursmasse gezahlt werden soll, ohne daß der Sicherungseigentümer - hier die R-Bank - Ersatz zu leisten hat, ist diese Frage zivilrechtlicher Natur und liegt außerhalb der Entscheidungskompetenz des Senats.
Fundstellen
BStBl II 1972, 810 |
BFHE 1972, 383 |
NJW 1972, 1967 |