Leitsatz (amtlich)
Ist das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden, kann die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht nicht im Verfahren nach §§ 63, 64 InsO, §§ 8, 10, 11 InsVV festgesetzt werden; in diesem Fall ist der vorläufige Insolvenzverwalter wegen seines Vergütungsanspruchs auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen (Bestätigung von BGHZ 175, 48; BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - IX ZB 256/03).
Normenkette
InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, §§ 63-64; InsVV §§ 8, 10-11
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 10.10.2008; Aktenzeichen 7 T 175/08) |
AG Duisburg (Beschluss vom 28.07.2008; Aktenzeichen 64 IN 65/06) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Duisburg vom 10.10.2008 und der Beschluss des AG Duisburg vom 28.7.2008 aufgehoben.
Der Antrag der vorläufigen Insolvenzverwalterin auf Festsetzung ihrer Vergütung und Auslagen wird zurückgewiesen.
Die vorläufige Insolvenzverwalterin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 3.112,34 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Mit Antrag vom 17.10.2006 beantragte das Finanzamt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners. Grundlage war eine gegen den Schuldner festgesetzte Steuerforderung i.H.v. 38.068,41 EUR. Mit Beschluss vom 29.12.2006 beauftragte das AG die weitere Beteiligte zu 2) zunächst als Sachverständige mit der Aufklärung des Sachverhalts. Da der Schuldner an der Aufklärung nur teilweise mitwirkte und zwischenzeitlich nicht erreichbar war, bestellte das AG mit Beschluss vom 3.7.2007 die weitere Beteiligte zu 2) auch zur vorläufigen Insolvenzverwalterin mit Zustimmungsvorbehalt.
[2] Am 22.1.2008 nahm das Finanzamt seinen Insolvenzantrag zurück, nachdem die Steuerschuld auf Null festgesetzt worden war.
[3] Die vorläufige Insolvenzverwalterin beantragte und erhielt ihre Vergütung als Sachverständige. Sie beantragte am 1.2.2008, ihre Vergütung als vorläufige Insolvenzverwalterin auf 3.112,34 EUR festzusetzen.
[4] Das AG hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Schuldner weiterhin die Zurückweisung des Festsetzungsantrags.
II.
[5] Die gem. §§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, § 574 Abs. 2 ZPO. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückweisung des Vergütungsantrags der vorläufigen Insolvenzverwalterin.
[6] 1. Da das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden ist, kann die Vergütung der vorläufigen Insolvenzverwalterin nicht in dem Verfahren nach § 64 InsO, §§ 8, 10 InsVV festgesetzt werden. Die vorläufige Insolvenzverwalterin ist vielmehr auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Das hat der Senat bereits wiederholt entschieden (BGHZ 175, 48; BGH, Beschl. v. 23.7.2004 - IX ZB 256/03, zitiert nach juris). Von diesen Entscheidungen sind AG und LG abgewichen. Die beiden Entscheidungen betreffen zwar die Vergütung des Sequesters im Gesamtvollstreckungsverfahren bzw. im Konkursverfahren. Für den vorläufigen Insolvenzverwalter gilt nach der Insolvenzordnung jedoch nichts anderes; das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 13.12.2007 (BGHZ 175, 48) im Einzelnen ausgeführt.
[7] a) Die vorläufige Insolvenzverwalterin kann die Festsetzung ihrer Vergütung und Auslagen nicht aus eigenem Recht betreiben, weil es an einer entsprechenden Kostengrundentscheidung fehlt (BGHZ 175, 48, 50 Rz. 9; BGH, Beschl. v. 23.7.2004, a.a.O., Rz. 7 f.). Das AG hat in seiner - allerdings erst am 5.8.2008 getroffenen - Kostengrundentscheidung die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller auferlegt. Die Vergütung und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters gehören jedoch nicht zu den Kosten des Verfahrens (BGHZ 157, 370, 374, 377; 175, 48, 50 Rz. 9 jeweils zum damals geltenden § 50 GKG; vgl. jetzt den insoweit unveränderten § 23 GKG). In der Begründung der genannten Kostengrundentscheidung des AG sind folgerichtig die Vergütung und die Auslagen der vorläufigen Insolvenzverwalterin auch ausdrücklich ausgenommen worden. Dort wird zwar wegen der Vergütung und der Auslagen der vorläufigen Insolvenzverwalterin auf §§ 63, 64 InsO verwiesen. Eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung, an die der Senat im vorliegenden Verfahren gebunden wäre, ist insoweit aber nicht ergangen.
[8] Bei dem durch die Zustellung des Eröffnungsantrags an den Schuldner in Gang gesetzten Eröffnungsverfahren stehen sich - anders als im eröffneten Insolvenzverfahren (vgl. BGHZ 149, 178, 181) - nur der antragstellende Gläubiger und der Schuldner ähnlich wie die Parteien eines Zivilprozesses gegenüber. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist hingegen nicht Partei (BGHZ 175, 48, 50 Rz. 9).
[9] § 54 Nr. 2 InsO betrifft nur das eröffnete Insolvenzverfahren. Dies ergibt sich aus der Gesetzesgeschichte (vgl. im Einzelnen BGHZ 175, 48, 50 Rz. 10).
[10] b) Die vorläufige Insolvenzverwalterin kann auch keine ihre Kosten betreffende Grundentscheidung erwirken. Es gibt hierfür - insb. in der Insolvenzordnung - keine gesetzliche Grundlage, weil der vorläufige Insolvenzverwalter nicht Partei des Eröffnungsverfahrens ist. Deshalb gibt es für das Insolvenzgericht keine Möglichkeit, einen besonderen, die Kosten des vorläufigen Insolvenzverwalters regelnden Beschluss zu erlassen (BGHZ 175, 48, 52 Rz. 14).
[11] 2. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat allerdings im Falle der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens einen materiell-rechtlichen Vergütungsanspruch gegen den Schuldner analog §§ 1835, 1836, 1915, 1987, 2221 BGB (BGHZ 175, 48, 53 Rz. 16 ff.). Diesen muss er jedoch im streitigen Zivilverfahren durchsetzen (vgl. BGHZ 175, 48, 50 Rz. 8 ff.).
[12] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom LG in Bezug genommenen Beschluss des Senats vom 26.1.2006 (IX ZB 231/04, ZIP 2006, 431). In diesem Fall hatte allerdings das Beschwerdegericht in einem vergleichbaren Fall, in dem vom Gläubiger der von ihm gestellte Insolvenzantrag zurückgenommen und das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden war, die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters in einem Beschluss nach § 64 InsO der Schuldnerin auferlegt. Der Senat hat dies seinerzeit in der Entscheidung nicht beanstandet. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Senat dieses Vorgehen gebilligt hätte. Er hat in jenem Fall die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 InsO nicht erfüllt waren. Hierbei prüft der BGH wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde nur die Zulassungsgründe, welche die Rechtsmittelbegründung nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO schlüssig und substantiiert dargelegt hat (BGH, Beschl. v. 29.9.2005 - IX ZB 430/02, ZInsO 2005, 1162; v. 9.3.2006 - IX ZB 209/04, ZVI 2006, 351, 352 Rz. 4; v. 18.12.2008 - IX ZB 46/08, ZInsO 2009, 495, 496 Rz. 4). Da dieser Fehler in jenem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht in zulassungsrelevanter Weise dargelegt worden war, konnte der Senat die Rechtsbeschwerde nicht als zulässig behandeln und die Beschwerdeentscheidung entsprechend abändern. Davon abgesehen ist die Grundsatzentscheidung vom 13.12.2007 auch erst zu einem späteren Zeitpunkt ergangen.
Fundstellen
Haufe-Index 2274467 |
BB 2010, 65 |
NJW 2010, 1882 |
EBE/BGH 2010 |
NJW-RR 2010, 560 |
EWiR 2010, 195 |
WM 2010, 184 |
ZIP 2010, 89 |
DZWir 2010, 162 |
MDR 2010, 287 |
NZI 2010, 98 |
ZInsO 2010, 107 |
StBW 2010, 186 |
ZVI 2010, 154 |