Leitsatz (amtlich)
a) Ein Zuschlag für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten ist nicht allein deswegen gerechtfertigt, weil die Höhe der Fremdrechte oder die Anzahl der Berechtigten eine bestimmte Quote erreicht; er kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat.
b) Das Insolvenzgericht braucht nicht für jeden infrage kommenden Zuschlags- oder Abschlagstatbestand zunächst isoliert zu entscheiden, ob er eine Erhöhung oder Ermäßigung des Regelsatzes rechtfertigt; es darf den Zuschlag für einen an sich erfüllten Erhöhungstatbestand auch dann versagen, wenn die für ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz sprechenden Gründe bei einer Gesamtbetrachtung gleichwertig erscheinen.
Normenkette
InsO § 63 Abs. 1 S. 3; InsVV § 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des LG Köln v. 13.11.2002 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 37.650,19 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der im Eröffnungsverfahren seit dem 2.10.2000 als vorläufiger Insolvenzverwalter tätige weitere Beteiligte wurde in dem am 11.1.2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zum Verwalter bestellt. Der Geschäftsbetrieb des Schuldners, der die Herstellung und den Handel von Karnevalsartikeln umfasste, wurde zunächst in eingeschränktem Umfang weiterbetrieben und schließlich am 24.2.2001 eingestellt.
Nach dem Schlussverteilungsverzeichnis v. 9.4.2002 bestehen gegen den Schuldner 32 Forderungen gem. § 38 InsO i. H. v. insgesamt 290.083,84 DM sowie zwei Forderungen gem. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO über zusammen 174,23 DM. Der dem Schuldner gehörende Grundbesitz wurde freihändig zu einem Preis von 800.000 DM veräußert. Die Ansprüche von fünf Grundpfandrechtsgläubigern wurden durch Zahlung von 279.165,02 DM abgelöst. Die voraussichtliche Quote der Insolvenzgläubiger beträgt 100 %.
Der Insolvenzverwalter hat die gem. § 1 Abs. 2 InsVV maßgebliche Masse auf 539.667 DM beziffert und beantragt, seine Vergütung inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer auf 77.992,46 Euro (152.540 DM) festzusetzen. Er begehrt einen Zuschlag zur Regelgebühr von 0,5 für die Bearbeitung der Absonderungsrechte der fünf Grundpfandrechtsgläubiger sowie von jeweils 0,25 wegen fehlender Mitarbeit des Schuldners und wegen fehlender Geschäfts- und Buchführungsunterlagen. Der Rechtspfleger hat eine Erhöhung der Regelgebühr abgelehnt und diese auf 40.342,27 Euro festgesetzt. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters zurückgewiesen. Dieser verfolgt mit der Rechtsbeschwerde seinen Antrag weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 7, 4 InsO i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2, §§ 575, 576 ZPO zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat dem weiteren Beteiligten zu Recht eine Erhöhung der Regelvergütung wegen Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten gem. § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV versagt.
a) Nach dieser Bestimmung ist dem Insolvenzverwalter ein Zuschlag zur Regelvergütung dann zu gewähren, wenn die Bearbeitung dieser Rechte einen erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV angefallen ist.
Die Literatur will bei Prüfung der Frage, ob die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters in Anspruch genommen hat, hauptsächlich auf den Anteil der Sicherungsgläubiger an der Gesamtzahl aller Gläubiger (Hess, InsVV, 2. Aufl., § 3 Rz. 42; Nowak in MünchKomm/InsO, § 3 InsVV Rz. 3) oder auf den Anteil der Fremdrechte an der Schuldenmasse (Eickmann, Vergütungsrecht, 2. Aufl., § 3 InsVV Rz. 15; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 3. Aufl., § 3 Rz. 13 i. V. m. § 2 Rz. 22; Lorenz in Frankfurter Kommentar, 3. Aufl., § 3 InsVV Rz. 10; Haarmeyer, ZInsO 1999, 488 [492]) abstellen. Demgegenüber macht das Beschwerdegericht die Bewilligung eines Zuschlags davon abhängig, dass die dem Insolvenzverwalter in diesem Bereich obliegende Aufgabe bei wertender Betrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in rechtlicher oder abwicklungstechnischer Hinsicht eine über das normale Maß hinausgehende Bearbeitung erfordert hat (ähnlich Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, Insolvenzrecht, § 3 InsVV Rz. 8).
Dieser letzteren Auffassung ist im Grundsatz zuzustimmen. Schon der Wortlaut der Bestimmung legt es nahe, dem Verwalter für die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte einen Zuschlag allein dann zuzugestehen, wenn diese Aufgabe ihn tatsächlich über das gewöhnliche Maß hinaus in Anspruch genommen hat. Maßgebliches Bemessungskriterium ist der real gestiegene Arbeitsaufwand in diesem Bereich (vgl. amtl. Begründung zu § 3 InsVV, abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 3. Aufl., S. 50 f.; vgl. auch BGH, Beschl. v. 24.6.2003 - IX ZB 453/02, z.V.b., zur Frage, wann dem vorläufigen Insolvenzverwalter ein Vergütungszuschlag gebührt). Dies schließt es aus, die Erhöhung der Vergütung an formale Kriterien zu knüpfen, wie etwa die Zahl der Sicherungsgläubiger oder den Anteil der Fremdrechte an der Schuldenmasse. Trotz hoher Werte in diesen Bereichen kann sich die Prüfung und Abwicklung der Fremdrechte im Einzelfall einfach und wenig zeitaufwendig gestalten. Die Zahl der Gläubiger mit Sicherungsrechten sowie deren Gesamtwert mögen Anhaltspunkte für den Umfang der vom Verwalter zu erbringenden Tätigkeit liefern, entbinden den Tatrichter jedoch nicht von der Notwendigkeit, eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
b) Die Wertung des Beschwerdegerichts, die Tätigkeit des Insolvenzverwalters habe in diesem Bereich das im Allgemeinen übliche Maß nicht überschritten, weil die fünf Absonderungsrechte im Wesentlichen vom Käufer des Grundstücks abgelöst worden seien und nur der fünfte Gläubiger eine Zahlung von rund 42.000 DM aus der Insolvenzmasse erhalten habe, ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlich nicht zu beanstanden. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe es versäumt, dem Insolvenzverwalter durch Erteilung eines Hinweises Gelegenheit zu einer näheren Darstellung der von ihm erbrachten Tätigkeit zu geben, geht fehl.
aa) Zwar hat der Richter die Beteiligten auf die Notwendigkeit der Ergänzung ihres Sachvortrages hinzuweisen, wenn sie - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt der vertretenen Rechtsauffassungen - eine weiter gehende Darstellung nicht als erforderlich anzusehen brauchten (BVerfG v. 14.3.1991 - 2 BvR 337/91, NJW 1991, 2823 [2824]; v. 25.10.2001 - 1 BvR 1079/96, NJW 2002, 1334 [1335]). Für den Insolvenzverwalter war hier jedoch schon aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV und im Übrigen aus den Gründen der Entscheidung des Insolvenzgerichts sowie den im Schrifttum vertretenen unterschiedlichen Meinungen ohne weiteres ersichtlich, dass es auf Art und Umfang der im Einzelnen erbrachten Tätigkeit ankommen konnte.
bb) Davon abgesehen wäre ein Zuschlag für die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn die bei einem Hinweis angeblich zusätzlich vorgetragenen Tatsachen einbezogen werden müssten.
Der Insolvenzverwalter hat geltend gemacht, er habe mit zwei Bankengläubigern telefoniert und korrespondiert. Mit dem Fünften, aus der Insolvenzmasse abgefundenen Gläubiger sei wegen der Forderungsrechte und der drei Zwangshypotheken mit neun beiderseitigen Schreiben im Laufe eines halben Jahres korrespondiert worden. Außerdem habe er mit dem Finanzamt die Forderung erörtert. Schließlich habe sich eine Minderung der Absonderungssumme um über 54.000 DM ergeben.
Dieser Vortrag belegt ebenfalls nicht, dass die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte, bezogen auf den Gegenstand und Umfang des gesamten Insolvenzverfahrens, den Verwalter in erheblichem Maße beschäftigt hat. Aus dem weit reichenden Aufgabenkreis, der bei der Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten zu bewältigen sein kann (vgl. dazu BGH v. 14.12.2000 - IX ZB 105/00, BGHZ 146, 165 [173 f.] = MDR 2001, 592 = BGHReport 2001, 263), ist nach der eigenen Darstellung des Verwalters hier nur ein sehr begrenzter Ausschnitt angefallen. Die Rechtsbeschwerde vermag zudem nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage erhebliche Schwierigkeiten bereitet hat. Im Übrigen hat die Tätigkeit des Verwalters zu einem nicht unerheblichen Mehrbetrag der Masse gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV geführt und dadurch schon die Höhe der Regelvergütung zu seinen Gunsten beeinflusst.
2. Die Rechtsbeschwerde wendet sich auch dagegen ohne Erfolg, dass die Tatrichter dem Insolvenzverwalter weder wegen erschwerter Geschäftsführung noch wegen fehlender Geschäftsunterlagen einen Zuschlag zuerkannt haben.
a) Das Beschwerdegericht hält einen solchen Zuschlag nicht für gerechtfertigt, weil der Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters trotz der von ihm geltend gemachten Hindernisse überschaubar und verhältnismäßig gering gewesen sei. Dies gelte auch, was die Zahl der Gläubiger sowie die Buchungsvorgänge angehe. In die vorübergehende Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes sei der Verwalter nicht einbezogen worden. Das Grundstück habe sich ohne Schwierigkeiten an einen von Anfang an vorhandenen Interessenten veräußern lassen. Der Verwalter habe zudem davon abgesehen, die ihm vom Steuerberater ausgehändigten ungeordneten Unterlagen nachzuarbeiten, und auch davon profitiert, dass er zuvor als Sachverständiger und vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt gewesen sei. Diese Erleichterungen seien jedenfalls geeignet, die geltend gemachten Erschwernisse zu kompensieren.
b) Diese Würdigung lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen; denn entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht sind nicht alle gem. § 3 Abs. 1 InsVV in Betracht kommenden Zuschlagstatbestände zunächst isoliert zu prüfen und zu bewerten. Inhalt und Zweck der vom Verordnungsgeber getroffenen Regelung stehen einer Gesamtabwägung, wie sie das LG vorgenommen hat, nicht entgegen.
Dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters wird durch Abweichungen vom Regelsatz Rechnung getragen (§ 63 Abs. 1 S. 3 InsO). § 3 InsVV konkretisiert diese gesetzliche Vorgabe durch die Benennung von Faktoren, die einen Zuschlag oder Abschlag vom Regelsatz rechtfertigen. Die Bestimmung liefert damit Maßstäbe für die Festsetzung einer gerechten Vergütung im Einzelfall. Die einzelnen Zuschlags- und Abschlagstatbestände haben lediglich beispielhaften Charakter. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Umstände, die für die Bemessung der Vergütung im Einzelfall Bedeutung gewinnen können (vgl. amtl. Begründung zu § 3 InsVV, abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung, 3. Aufl., S. 50 f.; sowie die Tatbestandskataloge bei Nowak in MünchKomm/InsO, § 3 InsVV Rz. 12 bis 22, 29 bis 31). Von bindenden Vorgaben für die Bemessung von Zu- und Abschlägen hat der Verordnungsgeber bewusst abgesehen, weil für die Festsetzung der Vergütung die umfassende Berücksichtigung aller im Einzelfall in Betracht kommenden Faktoren ganz im Vordergrund stehen soll. Daher ist der Insolvenzrichter nicht gezwungen, zunächst alle möglichen Zuschlags- und Abschlagstatbestände einzeln darauf zu prüfen, ob und in welcher Höhe sie für sich genommen eine Abweichung vom Regelsatz rechtfertigen. Da es allein auf eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung ankommt, darf er davon absehen, für einen an sich vorliegenden Erhöhungstatbestand einen bestimmten Zuschlag zu beziffern, wenn diesem mehrere Ermäßigungsfaktoren gegenüberstehen, die in ihrer Gesamtheit nicht geringer wiegen. Die Gründe, auf denen die Kompensation beruht, sind in diesem Falle in einer für die Beteiligten nachvollziehbaren Weise darzulegen. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Die Rechtsbeschwerde hat insoweit auch keine Rügen erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 972519 |
BB 2003, 2258 |
BGHR 2003, 1307 |
NJW-RR 2003, 1556 |
EWiR 2003, 1043 |
KTS 2004, 95 |
WM 2003, 1874 |
WuB 2003, 1069 |
ZIP 2003, 1757 |
DZWir 2003, 476 |
InVo 2004, 100 |
MDR 2003, 1440 |
NZI 2003, 603 |
Rpfleger 2003, 606 |
ZInsO 2003, 790 |