Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn bei Schadensersatzanspruch gegen Steuerberater wegen fehlerhafter Buchführung
Leitsatz (amtlich)
Unabhängig davon, ob das Vertragsverhältnis mit dem steuerlichen Berater beendet ist, entsteht im Fall einer Überarbeitung der fehlerhaften Buchführung oder sonstigen Arbeit des (früheren) steuerlichen Beraters der Schaden in aller Regel in dem Zeitpunkt, in welchem für den Steuerpflichtigen Korrekturkosten notwendigerweise anfallen.
Normenkette
StBerG § 68
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 09.03.1983; Aktenzeichen 18 U 3/83) |
LG Düsseldorf (Urteil vom 18.06.1982; Aktenzeichen 11 O 678/81) |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Teilurteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. März 1983 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Ersatz der Kosten, die sie aufgewendet haben will, weil die vom Beklagten erstellte Buchführung habe überarbeitet werden müssen, als es zu Beanstandungen des Finanzamtes bei einer Außenprüfung kam.
Die Klägerin betreibt seit 1980 als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes ein früher von diesem geführtes Reisebüro. Der Beklagte war 1975 mit der Buchführung und Steuerberatung für die Zeit vom 24. Mai 1974 bis 31. Dezember 1975 beauftragt worden. Als er 1977 das Vertragsverhältnis kündigte, hatte er die Buchführung für den vereinbarten Zeitraum erstellt. Mit Schreiben vom 8. September 1977 rügte der Ehemann der Klägerin die geleisteten Arbeiten. Bereits nach anfänglichen stichprobenartigen Überprüfungen ergebe sich, daß erhebliche und zahlreiche Buchführungsmängel zu verzeichnen seien; für eventuelle Nachforderungen durch das Finanzamt werde er den Beklagten haftpflichtig machen. Vom 17. November bis 17. Dezember 1980 wurde vom Finanzamt in dem Reisebüro eine Außenprüfung durchgeführt. Dabei wurden für die Jahre 1974 und 1975 unklare Buchungen und Erlösminderungen durch Querbuchungen beanstandet. Das Finanzamt nahm sogenannte Sicherheitszuschläge vor.
Mit der am 15. Dezember 1981 dem Beklagten zugestellten Klage verlangt die Klägerin Zahlung von Überarbeitungskosten und ferner die Feststellung, daß der Beklagte für mögliche Steuernachzahlungen schadensersatzpflichtig sei. Kosten seien in Höhe von 19.883,25 DM für die Tätigkeit ihres Ehemannes und eines Steuerberaters entstanden. Der Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung des etwaigen Schadensersatzanspruchs abgewiesen. Durch Teilurteil hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich des Zahlungsanspruches dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und den Rechtsstreit insoweit zur Entscheidung über die Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht führt ohne Rechtsfehler aus, der Beklagte sei für die vom Finanzamt im Bericht über die Außenprüfung aufgeführten Fehler der Buchführung in den Jahren 1974 und 1975 verantwortlich, so daß dem Grunde nach ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung bestehe. Zum Schaden wegen Schlechterfüllung seien grundsätzlich auch die Kosten für durchgeführte Überprüfungs- und Korrekturarbeiten zu rechnen. Weil das Reisebüro auf die Klägerin übergegangen sei, habe sie das Recht, diesen Anspruch gegen den Beklagten geltend zu machen. Ob und in welchem Umfang das Verhalten des Ehemannes der Klägerin zu den Buchführungsfehlern beigetragen habe, sei im Rahmen des § 254 BGB bei der Ermittlung der Schadenshöhe zu berücksichtigen. In diesen Punkten greift die Revision das Berufungsurteil auch nicht an.
2. Der Beklagte rügt vielmehr die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, daß die dreijährige Verjährungsfrist nach § 68 StBerG erst mit der Schlußbesprechung der Außenprüfung begonnen habe, weil erst in diesem Zeitpunkt der Schaden entstanden sei. Die Buchführungsfehler seien dem Rechtsvorgänger der Klägerin bereits im September 1977 bekannt gewesen, so daß dieser schon damals Nachbesserung oder bei deren Verweigerung oder Nichtzumutbarkeit Ersatz der Kosten dafür habe verlangen können.
Diese Rüge geht fehl.
a) Die Aufwendungen sind der Klägerin nach ihrer Behauptung für die Überarbeitung der bereits 1976, spätestens 1977 abgeschlossenen Buchführung anläßlich der Außenprüfung entstanden. Die Revision will darauf abheben, solche Kosten müßten denknotwendig vor der Schlußbesprechung anfallen, da sie doch sonst drohende Steuernachteile vermindern oder vermeiden sollen. Das kann jedoch auf sich beruhen. Zeigt sich im Rahmen einer länger dauernden Außenprüfung die Möglichkeit, eine schon früher vom Auftraggeber beanstandete, aber dann nicht nachgebesserte Buchführung durch Überarbeitung in einen solchen Stand zu versetzen, daß nun vom Finanzamt erhobene Beanstandungen entfallen oder jedenfalls nicht zu Steuernachteilen in dem anderenfalls drohenden Ausmaß führen, dann ist der in den Überarbeitungskosten bestehende Schaden erst mit der tatsächlichen Überarbeitung entstanden. Hier begann die Außenprüfung am 17. November 1980 und wurde am 17. Dezember 1980 mit der Schlußbesprechung abgeschlossen. Ob die Kosten am 17. Dezember 1980 oder einen Monat vorher aufgewendet wurden, ist ohne Bedeutung. Die Klagezustellung vom 15. Dezember 1981 hätte auch noch den Lauf einer Verjährungsfrist unterbrechen können, die schon am 17. Dezember 1978 begonnen hätte. Auch der Beklagte geht nicht davon aus, daß die Überarbeitung schon lange vor der Außenprüfung durchgeführt worden ist. Er meint lediglich, die Notwendigkeit der Überarbeitung habe sich schon 1977 gezeigt. Dem Ehemann der Klägerin sei es möglich gewesen, „zumindest im Wege einer Feststellungsklage diesen Schaden geltend zu machen”.
b) Das Berufungsgericht ist dagegen der Ansicht, der Ehemann der Klägerin habe nicht schon im September 1977 den Umfang der Fehler durch Neubearbeitung der Buchführung genau zu ermitteln brauchen. Er habe sich für betriebliche Zwecke mit der fehlerhaften Buchführung begnügt und zunächst die Außenprüfung abwarten können, weil erst diese für den Einzelfall die hinreichende Klarheit schaffe. Vorher sei dem Auftraggeber auch in einem solchen Fall die Erhebung einer Klage gegen seinen früheren Steuerberater nicht zuzumuten.
Den im Tatbestand des Berufungsurteils getroffenen Feststellungen und dem dazu in Bezug genommenen Parteivortrag ist allerdings nicht zweifelsfrei zu entnehmen, daß der Beklagte auf der Grundlage seiner Buchführung Steuererklärungen gefertigt und der Ehemann der Klägerin oder diese solche eingereicht haben, oder gar, daß daraufhin Steuerbescheide ergangen sind, die später nach der Außenprüfung geändert wurden. Auch ohne solche Feststellungen kann gesagt werden, daß die Ansicht des Berufungsgerichts rechtsfehlerfrei ist. Sie stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes überein. Danach sind bei der Verjährung von Ansprüchen gegen Steuerberater Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus der regelmäßigen Durchführung der Besteuerung und der deshalb bestehenden Interessenlage der Beteiligten ergeben (BGHZ 73, 363, 366 ff.).
Ob und in welcher Höhe ein Steuerpflichtiger Steuern zu zahlen hat, richtet sich zunächst einmal nach dem Steuerbescheid, der seinerseits häufig der Steuererklärung entspricht und in aller Regel die Buchführung des Steuerpflichtigen zugrunde legt (§ 158 AO 1977). Die Außenprüfung ermittelt die steuerlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten oder zu seinen Ungunsten (§ 199 AO 1977) genauer. Von ihr steht nicht fest, ob, wann und mit welchem Ergebnis sie durchgeführt wird. Wird sie durchgeführt, dann werden nicht selten ergangene Steuerbescheide geändert oder Steuern anders festgesetzt, als es der bis zur Außenprüfung nur vorliegenden Steuererklärung entspricht. Aufgrund einer Außenprüfung ergangene Steuerbescheide können nur ganz ausnahmsweise geändert werden (§ 173 Abs. 2 AO 1977). Also genießen solche Steuerbescheide, auch soweit sie fehlerhaft den Steuerpflichtigen begünstigen, schon vor dem Ablauf der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO 1977) erhöhten Bestandsschutz. Deshalb kann in aller Regel erst nach dem Abschluß der Außenprüfung gesagt werden, ob und in welcher Höhe dem Steuerpflichtigen durch von seinem steuerlichen Berater zu vertretende Fehler der Buchführung Schaden entstanden ist oder entstehen wird. Das gilt nicht nur für Schäden in Gestalt von höher festgesetzten Steuern (BGHZ 73, 363) oder nicht mehr anerkannten Steuervergünstigungen (vgl. zu solchen auch Senatsurteil vom 20.1.1982 – IVa ZR 283/80 – LM SteuerberatungsG Nr. 15 = VersR 1982, 397). Es gilt in gleicher Weise für Schäden in Gestalt von Aufwendungen, durch die sonst drohende, auf der fehlerhaften Buchführung oder sonstiger Arbeit des steuerlichen Beraters beruhende Steuermehrbelastungen vermieden oder vermindert werden (vgl. zu solchen Kosten schon Senatsurteil vom 24.2.1982 – IVa ZR 296/80 – LM SteuerberatungsG Nr. 17 = VersR 1982, 496). Es gilt unabhängig davon, ob der steuerliche Berater im Zeitpunkt der Außenprüfung noch in einem Vertragsverhältnis mit dem Steuerpflichtigen steht, und weiter, ob bereits vorher eine Steuererklärung abgegeben und das Finanzamt tätig wurde oder nicht. Die Unmaßgeblichkeit der Auftragsbeendigung entsprach dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der bewußt eine von § 51 BRAO abweichende Regelung getroffen hat (BGHZ 83, 17, 20).
Die erwähnte Rechtsprechung erwägt allerdings, erst nach dem negativen Ergebnis der Außenprüfung bestehe Grund, das wesentlich von gegenseitigem Vertrauen geprägte Vertragsverhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen und seinem steuerlichen Berater zu stören. Damit ist aber nicht der Beginn der Verjährungsfrist mit dem Ende des Vertragsverhältnisses oder jedenfalls mit der späteren Aufdeckung von Fehlern des steuerlichen Beraters gleichgesetzt. Denn erst die Außenprüfung ergibt wie ausgeführt verbindlich, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Schaden aus möglicherweise schon früher erkannten Fehlern des ausgeschiedenen Beraters erwachsen ist (BGH Urteil vom 18.6.1979 – VII ZR 257/78 – LM SteuerberatungsG Nr. 9 = NJW 1979, 2211; vgl. auch BGHZ 83, 328, 333/334). Nach alledem kann die von der Revision mit Recht erhobene Rüge vernachlässigt werden, die Feststellung des Berufungsurteils zum Kündigungszeitpunkt (1. Dezember 1977) stehe im Widerspruch zum in Bezug genommenen unstreitigen Parteivorbringen (1. Februar 1977).
Das die Verjährungsfrist in Gang setzende Ereignis ist demgemäß in Fällen dieser Art regelmäßig ein „Akt des Finanzamts” (Senatsurteile vom 20.1.1982 – IVa ZR 283 und 293/80 unter 2. c) cc) bzw. I. 2. a.E. – LM SteuerberatungsG Nr. 15 und Nr. 16 = VersR 1982, 397, 398 und 398, 399). Waren im vorliegenden Fall zwar Steuererklärungen eingereicht, hatte aber das Finanzamt noch keinen Steuerbescheid erlassen, dann fehlt es ohnehin an einem solchen die Verjährungsfrist in Lauf setzenden Akt. Hatte dagegen das Finanzamt aufgrund der vom Beklagten gefertigten Buchführung und Steuererklärungen bereits Steuerbescheide erlassen, und war wegen der nun bei der Außenprüfung vom Finanzamt beanstandeten Fehler die Abänderung der Steuerbescheide zu Ungunsten der Klägerin zu erwarten, dann war die Beanstandung jener Akt. Deshalb gelten – hier ist die im Senatsurteil vom 24.2.1982 (IVa ZR 296/80 – LM SteuerberatungsG Nr. 17 = VersR 1982, 496) unter 3. d) noch offen gelassene Frage zu entscheiden – auch im letztgenannten Fall die seit der Entscheidung BGHZ 73, 363 maßgeblichen Grundsätze.
Demgemäß entsteht im Fall einer Überarbeitung der fehlerhaften Buchführung oder sonstigen Arbeit des (früheren) steuerlicher Beraters der Schaden in aller Regel in dem Zeitpunkt, in welchem für den Steuerpflichtigen durch dessen Auftragserteilung an einen Dritten oder eigene Korrekturarbeit die Korrekturkosten notwendigerweise anfallen. Dieser Zeitpunkt kann bei entsprechender Fallgestaltung auch schon vor der Außenprüfung liegen.
Fundstellen
Haufe-Index 2027370 |
NJW 1985, 1964 |