Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfassungsbescheid. Abrechnungsbescheid. Klagebefugnis. Beteiligtenfähigkeit. Unternehmer. bildende Kunst. Handwerk. Designer. Rechtsverkehr. Ausbildungseinrichtung
Leitsatz (redaktionell)
Für die Einstufung als Ausbildungseinrichtung im Sinne des § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KSVG ist die Zielrichtung der Ausbildung entscheidend. Ein künstlerisches Ausbildungsziel kann in der Bezeichnung der Einrichtung, ihrer Satzung oder zumindest in ihrem Auftreten im Rechtsverkehr zum Ausdruck kommen.
Normenkette
KSVG § 2 S. 1, § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9; SGB X § 10 Nr. 2; SGG § 54 Abs. 1 S. 2, § 96
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Abgabepflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) wegen Betreibens einer Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten.
Der Kläger meldete 1986 die Tätigkeit “Medienproduktion und Schulung” als Gewerbe an. Er betreibt die “L… Medien Produktionsstudios Werbeagentur Film Foto Grafik Medien”, die seit 1996 als “L… Medien S… GbR” firmiert und deren Abgabepflicht nach dem KSVG außer Streit steht. Daneben ist er Inhaber der “L… Akademie S… Film Foto Grafik Medien Design” (im Folgenden: LA), einer privaten Berufsfachschule im Bereich Medien-Produktion, an der nach Abschluss der Ausbildung folgende, von der Schulaufsicht anerkannte Titel vergeben werden: Film- und Mediendesigner, Fotodesigner, Mediendesigner mit der Fachrichtung Grafik, Grafikdesigner und Foto-Design-Assistent. Unterrichtsthemen sind nach dem Lehrplan ua Drehbucherstellung, Filmdramaturgie, Kameraführung und -position, Zeichnen, Freihandzeichen, bildnerisches Gestalten, Layout und Covergestaltung. Als Dozenten werden ua Grafikdesigner und Fotodesigner eingesetzt, die auch selbst Künstler sind.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 1994 stellte die Beklagte fest, dass die LA zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen gehöre. Es bestehe Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 5 KSVG, weil die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern betrieben werde, und nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG, weil der Kläger als Unternehmer eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische und publizistische Tätigkeiten betreibe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und gab an, bei den bespielten Bild- und Tonträgern handele es sich um Schülerarbeiten im Rahmen der Ausbildung, deren kommerzielle Nutzung nicht vorgesehen sei. Es finde auch keine künstlerische Ausbildung statt, denn Ausbildungsziel sei allein, die Schüler auf ihre künftige Tätigkeit im Bereich der Medien-Produktion vorzubereiten und ihnen die hierzu erforderlichen handwerklichen Fähigkeiten zu vermitteln. Mit Änderungsbescheid vom 19. Juli 1995 stellte die Beklagte die Abgabepflicht des Klägers wie folgt neu fest: Seit 1. September 1986 bestehe die Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 5 KSVG, weil die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern betrieben werde, und ab 1. Januar 1989 zusätzlich nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG, weil der Kläger als Unternehmer eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische und publizistische Tätigkeiten betreibe. Unter dem 11. Oktober 1995 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Maßgabe als unbegründet zurück, dass der Beginn der Abgabepflicht für die Ausbildungseinrichtung auf den 1. Januar 1989 festgesetzt werde.
In der Folgezeit hat die Beklagte mehrere Abrechnungsbescheide erlassen, gegen die der Kläger jeweils Widerspruch eingelegt hat, über den – soweit ersichtlich – noch nicht abschließend entschieden worden ist. Gegen die Erfassungsbescheide hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben (Urteil vom 20. Juni 2001). Die LA betreibe nicht die Herstellung von bespielten Bild- und Tonträgern iS des KSVG, weil diese von den Schülern lediglich zur Übung angefertigt und nach gewisser Aufbewahrungszeit vernichtet würden und damit keine Vermarktung mit Öffentlichkeitsbezug stattfinde. Die LA sei auch keine Ausbildungseinrichtung für künstlerische und publizistische Tätigkeiten, weil die Schüler für eine handwerkliche bzw einem Künstler assistierende Tätigkeit ausgebildet würden. Die LA verstehe sich als Meisterbetrieb und ordne sich deshalb dem Handwerk zu. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Dezember 2003). Zwar habe das SG zu Recht entschieden, dass die LA nicht zu den abgabepflichtigen Unternehmen iS von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 5 KSVG gehöre, weil es bei den im Rahmen des Unterrichts hergestellten Bild- und Tonträgern an der Kunstvermarktung fehle. Sie sei jedoch eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten iS von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG und deswegen dem Grunde nach abgabepflichtig. Zum einen seien an der Schule Künstler als Dozenten tätig, zum anderen könne aus den vorgelegten Lehrplänen auf eine Ausbildung für künstlerische Tätigkeiten im Bereich der bildenden Kunst geschlossen werden. So werde in den Vorlesungen künstlerisches Grundwissen im Sinne von theoretischem Grundverständnis vermittelt und auch praktisch angewandt. Zudem zielten die angestrebten Ausbildungsabschlüsse auf anerkannte künstlerische Berufe, ohne dass es konkret darauf ankomme, welchen beruflichen Tätigkeiten die Absolventen der LA später im Einzelnen tatsächlich nachgingen.
Der Kläger rügt mit seiner vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG. Er setze keine Künstler in ihrer Eigenschaft als Künstler zu Unterrichtszwecken ein, sondern gebe allein und ausschließlich die Ausbildungsinhalte vor, an die sich alle Dozenten zu halten hätten, sodass sie keine eigene Kreativität entfalten könnten. Zielrichtung der Ausbildung sei der Handwerker, nicht der Künstler; dies gehe aus den von ihm verfassten und für alle Dozenten verbindlichen allgemeinen Rahmenrichtlinien hervor. Auch die Lehrpläne seien ganz überwiegend auf die Vermittlung handwerklicher Kenntnisse und Fertigkeiten ausgerichtet. Die verliehenen Berufsbezeichnungen erweckten zwar den Anschein eines künstlerischen Bezuges, stünden aber nicht zwingend im Zusammenhang mit einer eigenständigen künstlerischen Tätigkeit, weil die Schüler in ihren künftigen Berufen regelmäßig als Hilfspersonen von Art-Direktoren usw eingesetzt würden. Unschädlich sei, dass in der Ausbildung auch künstlerisches Grundwissen vermittelt werde, denn dies sei natürliche Voraussetzung für jede handwerkliche Tätigkeit.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Dezember 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und weist darauf hin, dass die an der LA vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten zu Schulabschlüssen führten, die den Weg zu den künstlerischen Berufen iS des § 2 KSVG eröffneten. Hilfsweise macht sie geltend, eine Abgabepflicht bestehe auch nach § 24 Abs 2 KSVG, weil nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt würden, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke des Unternehmens zu nutzen und im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen zu erzielen. Eine von ihr veranlasste Betriebsprüfung habe ergeben, dass eine Vielzahl von selbstständigen Künstlern als Lehrbeauftragte für die LA tätig seien.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen, denn der Kläger ist gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG als Inhaber einer Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten dem Grunde nach zur Künstlersozialabgabe (KSA) verpflichtet.
Streitgegenstand sind allein die Erfassungsbescheide vom 15. Dezember 1994 und 19. Juli 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 1995, mit denen die KSA-Pflicht dem Grunde nach festgestellt worden ist. Zu Recht haben die Vorinstanzen die späteren Abrechnungsbescheide, die während des gerichtlichen Verfahrens über die KSA-Pflicht ergangen sind und die Abgabeschuld für bestimmte Abrechnungszeiträume regeln, nicht in das Verfahren einbezogen. Durch die vorgeschaltete Entscheidung dem Grunde nach soll Klarheit geschaffen werden, ob Unternehmen der Abgabepflicht unterliegen, also Aufzeichnungen zu führen und Entgelte zu melden haben; zugleich gewinnt die Künstlersozialkasse eine zuverlässige Übersicht über den Kreis der grundsätzlich abgabepflichtigen Unternehmen. Erst in einem zweiten Schritt folgt sodann die konkrete Bemessung der KSA, wenn es um die – hier nicht streitbefangene – Frage geht, ob und in welchem Umfang abgabepflichtige Entgelte an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlt worden sind (Urteil des Senats vom 4. März 2004 – B 3 KR 17/03 R –, SozR 4-5425 § 24 Nr 6 mwN). Derartige Abrechnungsbescheide werden nicht gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens zur Überprüfung des Erfassungsbescheides (vgl Urteil des Senats vom 16. April 1998 – B 3 KR 5/97 R –, SozR 3-5425 § 24 Nr 17 S 110).
Der Kläger ist als Adressat der streitbefangenen Verwaltungsakte klagebefugt (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Er ist alleiniger Betreiber einer privaten Berufsfachschule und damit Unternehmer iS des § 24 KSVG. Die Tatsache, dass die Beklagte die angefochtenen Bescheide jeweils an die “L…-Akademie S…, Inh. A… ” gerichtet hat, steht dem nicht entgegen. Zwar können nicht nur natürliche Personen oder juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts Unternehmer iS des KSVG sein, sondern auch Gesellschaften des Bürgerlichen Rechts und andere Wirtschaftsgebilde (zB Arbeitsgemeinschaft, Kooperative, nicht rechtsfähiger Verein – vgl Finke/Brachmann/Nordhausen, Kommentar zum KSVG, 3. Aufl 2004, § 24 RdNr 14 ff). Da im KSVG jedoch von einem sozialversicherungsrechtlichen Unternehmerbegriff auszugehen ist (vgl BT-Drucks 11/2964 S 18), muss es sich immer um den Zusammenschluss mehrerer Personen handeln, denen ein Recht zustehen kann; ansonsten fehlt es an der verfahrensrechtlichen Beteiligtenfähigkeit (§ 10 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz ≪SGB X≫, vgl auch § 70 Nr 2 SGG). Im vorliegenden Fall handelt es sich indes nicht um eine unter dem Begriff “L…-Akademie” handelnde Personenmehrheit, sondern um einen Einzelunternehmer, der eine Ausbildungseinrichtung mit diesem Namen betreibt. Deshalb kann sich eine mögliche KSA-Pflicht auch nur an diesen und nicht an die Einrichtung richten; dieser fehlt insoweit die Beteiligtenfähigkeit. Die Beklagte hat ihre Bescheide daher zu Recht an den Kläger persönlich gerichtet und den Zusatz “L…-Akademie S…” offensichtlich nur zur Unterscheidung von der “L… Medien S… GbR” bzw der Vorgängerinstitution verwendet (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 11 S 61 f).
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten betreffen als Unternehmen nur die LA, nicht auch die “L… Medien S… GbR”. Dies ergibt sich zum einen aus der jeweiligen Adressierung der Bescheide, die eindeutig ist (§ 33 SGB X) und sich an den Kläger als Inhaber der LA wendet; zum anderen steht die Abgabepflicht der “L… Medien S… GbR” nach den nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) außer Streit. Spätestens mit dem Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 1995 hat die Beklagte zudem klargestellt, dass die Abgabepflicht der LA nicht am 1. September 1986 begonnen hat (so noch der Erstbescheid vom 15. Dezember 1994), sondern erstmals für die Zeit ab Januar 1989 anzunehmen ist.
Gemäß § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG sind Unternehmer zur KSA verpflichtet, die Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten betreiben. Seit der Einführung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des KSVG vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606) sind ab Jahresbeginn 1989 alle Ausbildungseinrichtungen für künstlerische und publizistische Tätigkeiten dem Grunde nach abgabepflichtig. Damit hat der Gesetzgeber neben den früher schon abgabepflichtigen Musikschulen bewusst alle sonstigen Institutionen, die sich mit der Ausbildung für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten befassen, in den Kreis der Abgabepflichtigen aufgenommen (BT-Drucks 11/2964 S 18). Durch das 2. KSVG-Änderungsgesetz vom 13. Juni 2001 wurden ausdrücklich auch Fortbildungseinrichtungen in die Abgabepflicht einbezogen, weil der Gesetzgeber damit klarstellen wollte, dass der Tatbestand alle Bildungsmaßnahmen umfasst, die zur Ausübung künstlerischer oder publizistischer Tätigkeiten befähigen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG entscheidend auf die Zielrichtung der Ausbildung (“für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten”) an. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die Ausbildung auf eine spätere berufsmäßige künstlerische Tätigkeit gerichtet sein muss; es genügt schon die bloße Ausbildung oder Fortbildung von Laien, um eine – auch nur laienhafte – künstlerische Tätigkeit (zB Musizieren, Tanzen, Eurythmie) erstmalig zu ermöglichen oder zu fördern (vgl BSGE 69, 259, 263 = SozR 3-5425 § 24 Nr 1 S 4; BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 1 RdNr 7 ff, SozR 3-5425 § 2 Nr 1 S 4 und SozR 3-5425 § 1 Nr 3 S 12). Alle diese Entscheidungen setzen aber voraus, dass das künstlerische Ausbildungsziel in der Bezeichnung der Einrichtung, ihrer Satzung oder zumindest in ihrem Auftreten im Rechtsverkehr zum Ausdruck kommt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
Schon im Namen der vom Kläger betriebenen “L… Akademie S… Film Foto Grafik Medien Design” kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass es sich um eine Ausbildungseinrichtung für künstlerische Tätigkeiten handelt. Was unter dem Begriff “Kunst” im Einzelnen zu verstehen ist, wird im KSVG allerdings nicht näher festgelegt. Der Gesetzgeber spricht nur allgemein von “Künstlern” und “künstlerischen Tätigkeiten”, auf eine materielle Definition des Kunstbegriffs hat er hingegen bewusst verzichtet (BT-Drucks 8/3172 S 21). In § 2 Satz 1 KSVG werden drei Bereiche künstlerischer Tätigkeit jeweils in den Spielarten des Schaffens, Ausübens und Lehrens umschrieben, nämlich die Musik, die Bildende Kunst und die Darstellende Kunst. Eine weitergehende Festlegung sollte im Hinblick auf die Vielfalt, Komplexität und Dynamik der Erscheinungsformen künstlerischer Betätigungsfelder nicht erfolgen. Die vorgenannten Begrifflichkeiten sind vielmehr aus dem Regelungszweck des KSVG unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung und der historischen Entwicklung zu erschließen (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 6 RdNr 13 und BSGE 83, 160, 161 = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 33 – jew mwN; zum Kunstbegriff des Art 5 Grundgesetz ≪GG≫ vgl BVerfGE 30, 173, 188 ff und 81, 108, 116; zur Zielrichtung des KSVG vgl BT-Drucks 9/26 S 18 und BT-Drucks 8/3172 S 19 ff). Aus den Materialien zum KSVG ergibt sich, dass der Begriff der Kunst trotz seiner Unschärfe auf jeden Fall solche künstlerischen Tätigkeiten umfasst, mit denen sich der “Bericht der Bundesregierung über die wirtschaftliche und soziale Lage der künstlerischen Berufe (Künstlerbericht)” aus dem Jahre 1975 (BT-Drucks 7/3071) beschäftigt (BSGE 83, 160, 165 f = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 37 f; BSGE 83, 246, 250 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 23; vgl auch Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 3 und 9; Schriever “Der Begriff der Kunst im Künstlersozialversicherungsrecht” in: von Wulffen/Krasney ≪Hrsg≫, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004, S 709, 714 f). Der Gesetzgeber hat damit einen an der Typologie von Ausübungsformen orientierten Kunstbegriff vorgegeben, der in aller Regel dann erfüllt ist, wenn das zu beurteilende Werk den Gattungsanforderungen eines bestimmten Kunsttyps entspricht. Bei diesen Berufsfeldern ist das soziale Schutzbedürfnis zu unterstellen, ohne dass es auf die Qualität der künstlerischen Tätigkeit ankommt oder eine bestimmte Werk- und Gestaltungshöhe vorausgesetzt wird (BSG aaO).
Im Künstlerbericht der Bundesregierung finden sich im Bereich der Bildenden Kunst die Berufe des künstlerischen Grafikers und des Grafik-Designers, des künstlerischen Fotografen, des Werbefotografen und des Foto-Designers sowie des Mode-, Textil- und Industriedesigners; bei diesen Katalogberufen wird das soziale Schutzbedürfnis und die Künstlereigenschaft des Ausübenden im Allgemeinen unterstellt (BSGE 83, 160, 165 f = SozR 3-5425 § 2 Nr 9 S 37 f; BSGE 83, 246, 250 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 23; vgl auch Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 2 RdNr 3 und 9). Diese Berufsfelder spiegeln sich in Kurzform im Namen der LA wieder und gehören zum Bereich der bildenden Kunst. So sind zB Fotodesigner ausgebildete Fachleute für visuelle Kommunikation, sie gestalten selbstständig Bildinformationen. Der Beruf ist dem künstlerisch-gestaltenden Bereich zuzuordnen, auch wenn die Arbeiten in der Regel gewerblich genutzt werden. Dasselbe gilt für Grafikdesigner und Mediendesigner bzw Medienkünstler; erstere sind vor allem in den Bereichen Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Verlagswesen tätig, während letztere vorwiegend bei Werbe- und Medienagenturen, Verlagen, Grafikbüros und Werbeabteilungen von Unternehmen oder in Film- und Fernsehanstalten eingesetzt werden. Als Grafiker übernehmen und gestalten sie Text-, Grafik- und Videodaten und kombinieren sie unter grafischen Aspekten für die entsprechenden Produkte. Film- und Kommunikationsdesigner schließlich werden für die Gestaltung und Herstellung von Film- und anderen audio-visuellen Produktionen ausgebildet (zu den berufskundlichen Nachweisen vgl http://infobub.arbeitsagentur.de/berufe). Die Tatsache, dass die Ausbildung in der LA zu diesen künstlerischen Berufen hinführt, folgt jedoch nicht nur aus dem Eigennamen der Akademie, sondern auch aus den von der Schulaufsicht vergebenen Ausbildungstiteln nach Abschluss der Ausbildung – nämlich Film- und Mediendesigner, Fotodesigner, Mediendesigner mit der Fachrichtung Grafik, Grafikdesigner und Foto-Design-Assistent. Hinter diesen Bezeichnungen verbergen sich in aller Regel Berufsbilder mit künstlerischen Inhalten (vgl zum Grafik-Designer BSGE 71, 85 = SozR 3-2200 § 646 Nr 1; zum Industriedesigner SozR 3-5425 § 2 Nr 11 S 42; zum Webdesigner Urteil des Senats vom 7. Juli 2005 – B 3 KR 37/04 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; zum Designer allgemein SozR 4-5425 § 24 Nr 1; zum künstlerischen Fotografen SozR 3-5425 § 25 Nr 11 S 53; zum Werbefotografen SozR 4-5425 § 24 Nr 3 S 13; zum Regieassistenten BSGE 83, 246 = SozR 3-5425 § 1 Nr 5 S 18). Im Übrigen hat das LSG anhand der Lehrpläne festgestellt, dass während der Ausbildung in der LA künstlerisches Grundwissen vermittelt und angewandt wird. Eine Bildungseinrichtung, die das künstlerische Ausbildungsziel derart deutlich in ihrem Namen trägt und deren Abschlüsse erkennbar für einen künstlerischen Beruf iS von § 2 Satz 1 KSVG qualifizieren sollen, gehört zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen iS von § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG (vgl auch Finke/Brachmann/Nordhausen aaO § 24 RdNr 171).
Die hiergegen vom Kläger vorgebrachten Revisionsrügen sind nicht stichhaltig:
Das LSG hat aus dem äußeren Auftreten der LA im Rechtsverkehr, aus den vermittelten Ausbildungsinhalten und den vergebenen Abschlusstiteln rechtsfehlerfrei gefolgert, dass die LA zu Tätigkeiten aus dem künstlerisch-gestaltenden Bereich ausbildet und deshalb eine Bildungseinrichtung für künstlerische Berufe iS des KSVG ist. Dieses auf der Grundlage des gesamten Verfahrensstoffes nach der freien Überzeugung des Berufungsgerichts gewonnene Ergebnis verstößt weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungsgrundsätze noch leidet die Beweiswürdigung des LSG an einem sonstigen revisionsrechtlich relevanten Mangel. Der Umstand, dass der Kläger aus traditionellen Gründen großen Wert auf die Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten legt und die LA als Meisterschule versteht, ändert nichts an seiner grundsätzlichen Abgabepflicht. Wenn künstlerisch-gestaltende Berufe auf der Basis einer soliden handwerklich-technischen Ausbildung ausgeübt werden, stellt dies ihren künstlerischen Charakter nicht in Frage (vgl BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 2 RdNr 17). Entscheidend ist vielmehr, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei den künstlerischen Inhalt der Lehrveranstaltungen festgestellt hat und die Ausbildung der LA zu im Künstlerbericht der Bundesregierung (BT-Drucks 7/3071 S 7) genannten Berufen der bildenden Kunst führen soll. So finden sich als Unterrichtsthemen ua Drehbucherstellung, Filmdramaturgie, Kameraführung und -position, Zeichnen, Freihandzeichen, bildnerisches Gestalten, Layout und Covergestaltung; es kann deshalb ausgeschlossen werden, dass die Ausbildungstitel ohne entsprechende Unterrichtsinhalte verliehen werden. Zwar ist der bloße künstlerische Inhalt von Lehrveranstaltungen nicht ausreichend, hinzukommen muss das eigenständige künstlerische Ausbildungsziel (vgl Urteil des Senats vom 12. November 2003 – B 3 KR 39/02 R –, SozR 4-5425 § 24 Nr 1). Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich aber von der damals zu entscheidenden Konstellation, weil dort nach den Feststellungen des LSG die Studiengänge (Architektur und Innenarchitektur) nicht auf die spätere berufliche Ausübung von künstlerischen Tätigkeiten ausgerichtet waren. Im vorliegenden Fall werden die Akademieschüler indes zu Berufen ausgebildet, die regelmäßig künstlerisch einzuordnen sind. Ein darüber hinausgehendes – eigenständiges – künstlerisches Ausbildungsziel ist entgegen der Ansicht der Revision nicht erforderlich.
Soweit der Kläger einwendet, die Schüler der LA würden nur für assistierende Tätigkeiten ausgebildet, hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Ausbildungsabschlüsse die Absolventen dazu berechtigen, sich als Foto- oder Medien-Designer usw zu bezeichnen, und entsprechende Tätigkeitsbereiche eröffnet werden. Dies ist entscheidend, wie der Senat bereits entschieden hat; ob später tatsächlich eine solche Stellung erreicht wird oder Versicherungspflicht als Künstler nach dem KSVG besteht, ist unerheblich (BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 1 RdNr 7; SozR 3-5425 § 2 Nr 8 S 26 – Feintäschner).
Zu Unrecht bringt der Kläger gegen die Heranziehung zur KSA vor, dass er keine Künstler “als Künstler” beschäftige, denn er bestimme allein und ausschließlich die Ausbildungsinhalte, an die sich alle Dozenten zu halten hätten, sodass sie keine eigene Kreativität entfalten könnten. Dies kann als zutreffend unterstellt werden, denn eine Deckungsgleichheit zwischen Abgabepflicht nach § 24 KSVG und Versicherungspflicht nach § 2 KSVG ist nicht zwingend erforderlich. Aus der Tatsache, dass die lehrenden Personen in einer Bildungseinrichtung keinen eigenen kreativen Spielraum besitzen, kann nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass dann auch keine Einbeziehung des Unternehmens in die KSA-Pflicht erfolgen darf, selbst wenn – wie hier – das Ziel der Ausbildung die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Bereich bildende Kunst ist (vgl BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 7 S 23 und Nr 10 S 41). Der Kläger hat in seiner Anhörung vor dem SG am 20. Juni 2001 im Übrigen selbst bestätigt, dass er Künstler als Dozenten in der LA einsetzt, weil diese besser zur Vermittlung des Lehrstoffes in der Lage seien. Es mag sein, dass er deren Handlungsspielräume durch Lehrpläne und allgemeine Richtlinien so weit gehend einschränkt, dass sie in der LA nicht mehr “kreativ” künstlerisch tätig werden können. Dies ist indes unerheblich, denn im Fokus der vom Kläger eingesetzten Lehrkräfte steht nicht mehr die eigene Kunstausübung, sondern die Lehre von Kunst. Deren Einbeziehung in das KSVG entfällt nicht bereits dadurch, dass ein Künstler seine eigenschöpferische Tätigkeit aufgibt und sich nur noch darauf beschränkt, sein Erfahrungswissen durch eine Lehrtätigkeit weiter zu geben. Die bisherige Berufsausübung prägt auch die nachfolgende Lehrtätigkeit; das Selbstverständnis des Lehrenden wird weiterhin das des Künstlers sein – es sei denn, er wendet sich einer völlig anderen Lehrtätigkeit zu (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 7 S 21 f). Davon ist im vorliegenden Fall jedoch nicht auszugehen, denn nach den Feststellungen des LSG werden die Lehrkräfte weiterhin im Rahmen ihrer künstlerischen Befähigung und nicht als Handwerker eingesetzt. Dass dies unter der Geltung eines umfassenden Ausbildungskonzepts erfolgt, steht der Einordnung der LA als Bildungseinrichtung nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG nicht entgegen (BSG SozR 3-5425 § 2 Nr 10 S 40).
Angesichts der vom Senat festgestellten Abgabepflicht nach § 24 Abs 1 Satz 1 Nr 9 KSVG erübrigt sich eine Prüfung weiterer möglicher KSA-Tatbestände sowie ein Eingehen auf die hilfsweise angestellte Erwägung der Beklagten, dass die LA auch nach § 24 Abs 2 KSVG abgabepflichtig sei.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG in der noch bis zum 1. Januar 2002 gültigen Fassung.
Fundstellen
DStR 2006, 1002 |
LGP 2006, 39 |
SGb 2005, 698 |
Weiterbildung 2005, 51 |